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08.07.2010 · IWW-Abrufnummer 100981

Sozialgericht Berlin: Urteil vom 18.03.2010 – S 60 AL 2056/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Urteil - 18.03.2010
S 60 AL 2056/09
Sozialgericht Berlin
Urteil (nicht rechtskräftig)
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Arbeitslosengeldes sowie der Beitragszuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis 31. Dezember 2009 unter Zugrundelegung der Beitragsbemessungsgrenze (West) statt der Beitragsbemessungsgrenze für das Beitrittsgebiet bei Beschäftigung in einem Bürogebäude, dessen Grundfläche zu zwei Dritteln im Westteil Berlins und zu einem Drittel im Beitrittsgebiet mit Haupteingang an der im Beitrittsgebiet liegenden Straße liegt.
Der am. Dezember 1965 geborene Kläger, der ein berücksichtigungsfähiges Kind hat, stand vom 15. April 2006 bis 30. April 2009 in einer Beschäftigung als Geschäftsführer in einer R-Vermietungs- und Verwaltungs-GmbH, deren Büroräume von der Vorderseite über die gesamte Fläche bis zur Rückseite des Gebäudes lagen. Die Grundfläche des Gebäudes sowie des Büros befand sich zu ein Dritteln im Beitrittsgebiet und zu zwei Dritteln im Westteil Berlins. Das Büro der Firma war zu erreichen durch den Haupteingang unter der Anschrift E str. im Beitrittsgebiet bzw. durch einen Hintereingang über die Grünflächen von der Rückseite im Westteil Berlins. Der Büroraum des Klägers befand sich auf der Rückseite des Gebäudes zu den Grünflächen hin, damit dieser vom Lärm von der E straße verschont blieb. Das monatliche Arbeitsentgelt des Klägers, der am Kapital der GmbH keine Anteile innehatte, betrug jeweils über 5.400,- EUR. Beiträge zur Sozialversicherung wurden bis zur Beitragsbemessungsgrenze für das Beitrittsgebiet in Höhe von monatlich 4.500,- EUR bzw. ab 1. Januar 2009 von 4.550,- EUR statt nach der Beitragsbemessungsgrenze (West) in Höhe von monatlich 5.300,- EUR bzw. ab 1. Januar 2009 von 5.400,- EUR abgeführt.
Auf die Arbeitslosmeldung des Klägers vom 11. Februar 2009 zum 1. Mai 2009 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 17. März 2009 das Arbeitslosengeld ab 1. Mai 2009 unter Zugrundelegung der Beitragsbemessungsgrenze für das Beitrittsgebiet nach einem täglichen Entgelt von 148,49 EUR in Höhe von täglich 63,24 EUR. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009 zurück.
Während des durch Eingang der Klage am 18. Mai 2009 eingeleiteten Rechtsstreits erließ die Beklagte am 30. Mai 2009 und 3. Juni 2009 Änderungsbescheide wegen geänderter Steuerabzüge. Der Kläger trägt vor, ihm stehe Arbeitslosengeld ab 1. Mai 2009 unter Zugrundelegung der Beitrittsbemessungsgrenze (West) zu, da sein Beschäftigungsort nicht im Beitrittsgebiet, sondern im ehemaligen amerikanischen Sektor, also dem Westteil Berlins gelegen habe. Auch wenn das Bürogebäude zum Teil auch auf dem ehemaligen Beitrittsgebiet liege, sei darauf abzustellen, dass es sich doch zu zwei Dritteln der Grundfläche im Westteil Berlins befunden habe. Hieraus ergebe sich ein um ca. 200,- EUR höheres monatliches Arbeitslosengeld.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides der Agentur für Arbeit Tempelhof-Schöneberg vom 17. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Agentur für Arbeit Berlin Süd vom 21. April 2009 und der Bescheide vom 30. Mai 2009 und 3. Juni 2009 zu verurteilen, ihm ab 1. Mai 2009 höheres Arbeitslosengeld sowie höhere Beitragszuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung unter Zugrundelegung der Beitragsbemessungsgrenze (West) zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide aus den Gründen des Vorverfahrens für rechtmäßig. Sie vertritt die Auffassung, der Arbeitgeber habe zutreffend in der Arbeitsbescheinigung bestätigt, dass das Arbeitsentgelt im ehemaligen Ostteil von Berlin erzielt worden und auch nur Beiträge auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze für das Beitrittsgebiet abgeführt worden seien.
Das Gericht hat eine Auskunft des Vermessungsamtes des Bezirksamtes Mitte von Berlin über die Lage des Bürogebäudes E tstr ... mit einer Flurkarte eingeholt.
Die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten \226 KdNr.: \226 hat der Kammer vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid der Arbeitsagentur vom 17. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 sowie die Bescheide vom 30. Mai 2009 und 3. Juni 2009 sind rechtmäßig. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf die Gewährung höheren Arbeitslosengeldes sowie auf höhere Beitragszuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung unter Zugrundelegung der Beitragsbemessungsgrenze (West) für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis 31. Dezember 2009 zu.
Das Arbeitslosengeld beträgt gemäß § 129 Nr. 1 Sozialgesetzbuch / Arbeitsförderung \226 SGB III \226 für Arbeitslose mit mindestens einem berücksichtigungsfähigen Kind 67 % (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der hiernach maßgebende Bemessungszeitraum erstreckt sich für den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ab 1. Mai 2009 gemäß § 130 Abs. 1 SGB III vom 1. Mai 2008 bis zum 30. April 2009. Bemessungsentgelt ist gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Gemäß § 341 Abs. 3 SGB III ist jedoch nicht das gesamte Arbeitsentgelt beitragspflichtig, sondern nur das Arbeitsentgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands gelten unterschiedliche Beitragsbemessungsgrenzen. Gemäß § 408 Nr. 2 SGB III ist bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes die Beitragsbemessungsgrenze für das Beitrittsgebiet maßgebend, wenn der Beschäftigungsort im Beitrittsgebiet liegt. Beschäftigungsort in diesem Sinne ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2, § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch / gemeinsame Vorschriften \226 SGB IV \226 der Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird.
Beschäftigungsort des Klägers sind hiernach die zu einem Drittel im Beitrittsgebiet und zu zwei Dritteln im Westteil Berlins gelegenen Büroräume seines Arbeitgebers. Es ist auf die Lage der gesamten Büroräume des Arbeitgebers und nicht nur auf den vom Kläger genutzten Büroraum auf der Rückseite des Gebäudes zu den Grünflächen hin abzustellen, da eine andere Handhabung unpraktikabel wäre. Schließlich hat sich der Kläger bei seiner Arbeit auch in den anderen Büroräumen aufzuhalten. Auch wäre bei einem Wechsel des Büroraums eventuell plötzlich eine andere Beitragsbemessungsgrenze maßgebend. Eine klare und einfache Zuordnung der richtigen Beitragsbemessungsgrenze wäre für den Arbeitgeber damit nicht möglich. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten auch Einigkeit.
Die Kammer vertritt die Auffassung, dass nicht in entsprechender Anwendung von § 9 Abs. 4 SGB IV die Beitrittsbemessungsgrenze (West) zugrunde gelegt werden kann. Hiernach gilt als Beschäftigungsort der Ort, an dem die Arbeitsstätte ihren wirtschaftlichen Schwerpunkt hat, wenn sich eine feste Arbeitsstätte über den Bezirk mehrerer Gemeinden erstreckt. Beispielsweise wäre bei einem großen Bergwerk, welches sich über mehrere Gemeinden erstreckt, maßgebend, wo Firmenleitung und die zentrale Verwaltung des Betriebes ihren Standort haben (Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht Bd. 1, § 9 SGB IV Rdnr. 11; Hauck/Noftz, SGB IV, K § 9 Rdnr. 5). An einem derartigen Schwerpunkt fehlt es aber bei den Büroräumen des Arbeitgebers des Klägers, da diese keinen wirtschaftlichen Schwerpunkt, sondern eine gleiche Verteilung der wirtschaftlichen Bedeutung aufweisen. Die Büroräume haben lediglich flächenmäßig ihren Schwerpunkt im Westteil Berlins.
Das Gericht lässt sich daher bei seiner Einschätzung, dass der Kläger im vorliegenden Fall die Beschäftigung im Beitrittsgebiet ausgeübt hat, davon leiten, dass eine für den Arbeitgeber, der Beiträge zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle unter Beachtung der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze abzuführen hat, sowie auch eine für die Einzugsstelle einfache und klare Beurteilung möglich sein muss. Aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität ist daher nicht auf den flächenmäßigen Schwerpunkt des Beschäftigungsortes im Beitrittsgebiet oder im Westteil Berlins abzustellen, da insoweit für den Arbeitgeber und die Einzugsstelle nur durch Einschaltung des Vermessungsamtes unter Beiziehung einer Flurkarte eine klare Abgrenzung möglich wäre. Eine einfache und klare Zuordnung des teils auf dem Beitrittsgebiet, teils im Westteil Berlins gelegenen Beschäftigungsortes ermöglicht hingegen das Abstellen auf die dem Grundstück zugeordnete Anschrift. Maßgebend ist daher der Haupteingang des Bürogebäudes, dem die Anschrift zugeordnet ist. Da die Anschrift des Bürogebäudes unter der E str ... auf dem Beitrittsgebiet liegt, ist der Beschäftigungsort des Klägers diesem zuzuordnen.
Die Beklagte hat auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze für das Beitrittsgebiet von monatlich 4.500,- EUR und ab 1. Januar 2009 von 4.550,- EUR zutreffend ein Entgelt von 54.200,- EUR errechnet, welches zu einem täglichen Entgelt von 148,49 EUR (54.200,- EUR: 365 Tage) führt. Unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse, der Sozialversicherungspauschale, Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag ergibt sich daher ein erhöhter Leistungssatz von täglich 63,24 EUR, wie ihn die Beklagte auch bewilligt hat.
Entsprechend ist auch die Berechnung des Beitragszuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 207 a SGB III nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -. Sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

RechtsgebietSGB IIIVorschriften§ 408 Nr. 2 SGB III

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