07.07.2010 · IWW-Abrufnummer 102053
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 18.03.2010 – 11 K 811/08 E
1. Die unterschiedliche Behandlung von Kinderzuschüssen zu einer Rente aus einem berufsständischen Versorgungswerk und steuerfreien Kinderzuschüssen zu einer Rente aus gesetzlichen Rentenversicherungen verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 Abs. 1 GG.
2. Die Differenzierung ist sachlich gerechtfertigt, weil ein Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Unterschied zu einem Kinderzuschuss aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zur Kürzung des Kindergeldes führt.
Finanzgericht Düsseldorf v. 18.03.2010
11 K 811/08 E
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Besteuerung der Kinderzuschüsse zu der Rente des Klägers aus seinem berufsständischen Versorgungswerk. Der im Jahr 1936 geborene Kläger war früher Arzt und im Streitzeitraum Rentner. Er bezog ausweislich der Anlage R zur Einkommensteuererklärung 2006 seit dem 1. November 2001 eine Rente und zwar bezogen auf das Streitjahr in Höhe von 35.222 EUR. Die Rente wird von der Nordrheinischen Ärzteversorgung, einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes, gezahlt. Sie betrug im Streitjahr monatlich 2.445,99 EUR. Daneben erhielt der Kläger einen Kinderzuschuss für seine beiden minderjährigen Kinder von jeweils 244,60 EUR gleich 489,20 EUR im Monat. Dieser Kinderzuschuss war in dem erklärten Jahresrentenbetrag von 35.222 EUR, welcher der Besteuerung des Streitjahres zu Grunde gelegt wurde, mit enthalten.
Die Kläger halten die Besteuerung der Kinderzuschüsse für verfassungswidrig. Der Beklagte hat den rechtzeitig eingelegten Einspruch gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2006 mit Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2008 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen wenden sich die Kläger.
Die unterschiedliche Behandlung zwischen Kinderzuschüssen zu einer Rente aus einem berufsständischen Versorgungswerk und Kinderzuschüssen zu einer Rente aus gesetzlichen Rentenversicherungen, letztere würden nach § 3 Nr. 1 b Einkommensteuergesetz (EStG) als steuerfreie Einnahme behandelt, verstoße gegen Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und sei somit verfassungswidrig.
Der Beklagte räume ein, dass auf Grundlage des BMF-Schreibens vom 12. Dezember 1990 (IV B 6 – S 2342 – 3590) Kinderzuschüsse zu einer Rente aus einem berufsständischen Versorgungswerk wie Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 Nr. 1 b EStG „als steuerfrei” behandelt worden sind. Mit Einführung des Alterseinkünftegesetzes könne dies laut Beklagtem jedoch nicht mehr gelten, da unselbstständige Bestandteile von Leibrenten und anderen Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen zusammen mit der Rente nach § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG zu versteuern seien.
Der Beklagte verkenne, dass der durch das Alterseinkünftegesetz geregelte Übergang zur nachgelagerten Besteuerung von Altersbezügen nicht nur die Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen betreffe, sondern auch die Altersrenten, Witwen-, Witwer- Waisenrenten und die Erwerbsminderungsrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Richtig sei, dass der Gesetzgeber Renten und andere Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die bislang steuerfrei waren, auch weiterhin steuerfrei gelassen habe. Eine vergleichbare Steuerbefreiung für Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen habe der Gesetzgeber hingegen nicht vorgesehen. Dies verstoße gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen würden wie die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Alters, Erwerbsminderung oder Tod gewährt. Ein sachlicher Grund, warum diese vergleichbare Leistung aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen anders behandelt wird, als Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, sei nicht darstellbar. Deshalb seien auch bereits nach alter Gesetzeslage auf Grundlage des BMF-Schreibens vom 12. Dezember 1990 seitens des Beklagten Kinderzuschüsse zu einer Rente aus einem berufsständischen Versorgungswerk wie Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 Nr. 1 b EStG als steuerfrei behandelt worden.
Während des Klageverfahrens ist die Steuerfestsetzung durch Bescheide vom 18. April 2008 und 21. September 2009 aus hier nicht strittigen Gründen geändert worden.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteueränderungsbescheid 2006 von 21. September 2009 abzuändern und die Einkommensteuer 2006 auf 61.710 EUR festzusetzen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Mit Einführung des Alterseinkünftegesetzes sei geregelt, dass bei Leibrenten und anderen Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen unselbstständige Bestandteile der Rente, z. B. Kinderzuschüsse, zusammen mit der Rente nach § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG zu versteuern sind (Rz. 89 des BMF-Schreibens vom 24. Februar 2005). Der Gesetzgeber könne unterschiedliche Sachverhalte unterschiedlich besteuern. Der Gleichheitssatz sei nur verletzt, wenn sich für eine gesetzliche Differenzierung kein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund finden lasse und deshalb die Gesetzesbestimmung als willkürlich bezeichnet werden müsse. Im Steuerrecht, das Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffe, dürfe der Gesetzgeber aus Gründen der Praktikabilität typisieren und damit in weitem Umfang die Besonderheiten nicht nur des einzelnen Falles, sondern auch ganzer Gruppen vernachlässigen.
Mit Schreiben vom 18. Mai 2009 hat das Gericht den Präsidenten des Deutschen Bundestages angeschrieben, mit der Bitte, die Gründe mitzuteilen, die den Gesetzgeber zu der unterschiedlichen Behandlung der Kinderzuschüsse zu einer Rente aus einem berufsständischen Versorgungswerk und der Kinderzuschüsse zu einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch das Alterseinkünftegesetz ab dem 1. Januar 2005 bewogen haben. Wegen der Einzelheiten wird auf vorerwähntes Schreiben Bezug genommen. Ebenso wird Bezug genommen auf das Antwortschreiben des Deutschen Bundestages – Finanzausschuss – vom 20. Juni 2009.
Im Übrigen wird auf das Sitzungsprotokoll zur mündlichen Verhandlung vom 18. März 2010 Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Die geänderte Einkommensteuerfestsetzung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Die Leistungen des Klägers aus dem berufsständischen Versorgungswerk sind zu Recht nach § 22 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG besteuert worden. Nach dieser Vorschrift wird nicht nur die Altersrente als solche, sondern es werden auch unselbstständige Rentenbestandteile, wie Kinderzuschüsse, erfasst (so auch Textziffer 97 des BMF-Schreibens vom 30. Januar 2008, BStBl I 2008, 390; ferner schon BMF- Schreiben vom 24. Februar 2005, Textziffer 89, BStBl I 2005, 429).
Im Gegensatz zu Kinderzuschüssen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, welche nach § 3 Nr. 1 b EStG steuerfrei sind, sind Kinderzuschüsse aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung (vgl. zu Kinderzuschüssen aus der gesetzlichen Rentenversicherung § 270 SGB VI) steuerpflichtig. Durch das Altereinkünftegesetz 2005 hat sich an dieser gesetzlichen Rechtslage nichts geändert. Vielmehr resultierte die faktische Steuerfreiheit auch der Kinderzuschüsse aus einem berufsständischen Versorgungswerk aus einer alten bundeseinheitlichen Verwaltungsanweisung des BMF vom 12. Dezember 1990 zu § 3 Nr. 1 b EStG (VV DEU BMF 1990-12-12 IV B 6-S 2342-35/90 II, DB 1991, 136), die im Streitjahr nicht mehr gilt.
Die Besteuerung der Kinderzuschüsse aus dem berufsständischen Versorgungswerk verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 Abs. 1 GG.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfGE 1, 14 [52]; 98, 365 [385]; stRspr). Art. 3 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG, Beschluss 2 BvR 246/98 vom 26.10.2004 HFR2005, 56-57).
Für die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Kinderzuschüssen aus der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung andererseits gibt es sachliche Gründe. Steuerpflichtige haben keinen Anspruch auf Kindergeld, wenn sie Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen (§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Im Gegensatz dazu ist derjenige Steuerpflichtige kindergeldberechtigt, der einen Kinderzuschuss aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung erhält. Im Ergebnis ist damit ein Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung zwar steuerfrei, führt aber gleichzeitig zur Kürzung des Kindergeldes. Dagegen ist der Kinderzuschuss aus der berufsständischen Versorgung zwar steuerpflichtig, führt andererseits aber auch nicht zur Kürzung des Kindergeldes.
Eine solche differenzierende Regelung von Kinderzuschüssen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und solchen aus einem berufsständischen Versorgungswerk ist nach Auffassung des Senates nicht willkürlich.
Die steuerliche Behandlung der Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen Rentenversicherung und solcher aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung bewegt sich zudem in einem Bereich (hier: der Ordnung von Massentatbeständen im Besteuerungsverfahren), in dem typisierende Regelungen zulässig sind und erscheint im Hinblick auf die jeweilige Materie (gesetzliche Rente bzw. Rente aus berufsständischem Versorgungswerk) auch folgerichtig und verhältnismäßig. Damit scheidet ebenfalls insoweit ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.