19.03.2010 · IWW-Abrufnummer 100951
Bundesfinanzhof: Urteil vom 28.10.2009 – VIII R 22/07
Zahlt ein Steuerpflichtiger, der einem Vermögensverwalter Vermögen zur Anlage auf dem Kapitalmarkt überlässt, ein gesondertes Entgelt für die Auswahl zwischen mehreren Gewinnstrategien des Vermögensverwalters, so ist das Entgelt den Anschaffungskosten für den Erwerb der Kapitalanlagen zuzurechnen.
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2003 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie beantragten, ein sog. Strategieentgelt als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.
Dieses Strategieentgelt hatte der Kläger an eine GmbH gezahlt, mit der er einen Fonds-Vermögensverwaltungsvertrag geschlossen hatte. Gegenstand des Vertrages war die konzeptionelle, organisatorische und buchhalterische Betreuung von Vermögensanlagen des Klägers durch die GmbH auf der Grundlage einer von mehreren Gewinnstrategien, zwischen denen der Kläger wählen konnte. Der Kläger entschied sich für eine Kombination aus der Gewinnstrategie I (Investitionen zu 100% in offene Immobilienfonds) und Gewinnstrategie III (Investitionen zu maximal 30% in Aktienmärkte).
Auf dieser Grundlage zahlte der Kläger als anzulegenden Betrag 160.000 EUR zu Gunsten der GmbH an eine Bank, die davon nach Maßgabe des Vermögensverwaltungsvertrages 3,5% des Betrages (5.600 EUR) als Strategieentgelt an die GmbH abzog.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte es ab, das Strategieentgelt als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Der dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1148 veröffentlichten Urteil statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es trägt vor, das angefochtene Urteil verletze § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie § 20 EStG, weil es das Strategieentgelt nicht den Anschaffungskosten der Kapitalbeteiligungen, sondern den sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen zugerechnet habe.
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das Strategieentgelt könne schon deshalb nicht den Anschaffungskosten zugerechnet werden, weil der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Leistung die zu erwerbenden Wirtschaftsgüter noch nicht kenne und die Vermögensverwaltung selbst oder die Strategie kein Wirtschaftsgut im steuerlichen Sinne darstelle.
II.
Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zu Unrecht hat das FG das Strategieentgelt des Klägers den sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. der §§ 9, 20 EStG zugeordnet. Es betrifft vielmehr --einkommensteuerrechtlich nicht abziehbaren-- Aufwand i.S. des auch im Anwendungsbereich des § 20 EStG geltenden § 255 des Handelsgesetzbuchs (HGB) für die Anschaffung von Kapitalanlagen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Juni 2000 VIII R 37/99, BFH/NV 2000, 1342).
1.
Nach § 255 Abs. 1 HGB gehören zu den Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten.
a)
Danach setzt die Zurechnung von Aufwand zu den Anschaffungskosten von Kapitalvermögen grundsätzlich voraus, dass er einzelnen, bestimmten Kapitalanlagen zugeordnet werden kann. So bestimmt sich nach der Rechtsprechung des BFH die Abziehbarkeit von Aufwendungen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach den Merkmalen der jeweiligen Kapitalanlage, auf die sie bezogen sind (vgl. BFH-Urteile vom 3. November 1961 VI 13/61 U, BFHE 74, 90, BStBl III 1962, 35; vom 26. November 1974 VIII R 266/72, BFHE 114, 229, BStBl II 1975, 331; vom 15. Dezember 1987 VIII R 281/83, BFHE 154, 456, BStBl II 1989, 16; vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs vom 7. Februar 1929 I A 377/28, RStBl 1929, 193).
Denn Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG ist nicht die --einheitlich zu beurteilende-- Gesamtheit der Kapitalanlagen, sondern die Summe der --jeweils gesondert zu beurteilenden-- Anlagengegenstände (BFH-Urteil vom 27. Juni 1989 VIII R 30/88 BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934; vgl. auch BFH-Urteil vom 23. März 1982 VIII R 132/80, BFHE 135, 320, BStBl II 1982, 463).
b)
Zu Unrecht verneint allerdings das FG, dass das gezahlte Strategieentgelt den Kapitalanlagen zugerechnet werden kann, die die GmbH für den Kläger auf der Grundlage der mit dem Entgelt vergüteten Strategiewahl des Klägers erworben hat.
Die Zurechenbarkeit zum Erwerb bestimmter Kapitalanlagen als Erfordernis für die Annahme von Anschaffungskosten i.S. des § 255 HGB setzt nämlich weder grundsätzlich voraus, dass es zu dem Erwerb bestimmter Kapitalanlagen gekommen ist noch dass dieser Erwerb bereits im Zeitpunkt der jeweiligen Aufwendungen abgewickelt sein muss.
aa)
Insbesondere hindert die Tatsache, dass im Zeitpunkt der Zahlung des Strategieentgelts konzeptionell bedingt die zu beschaffenden Kapitalanlagen noch nicht konkretisiert waren --weil deren Auswahl von der Wahl der Strategie abhängig war--, nicht die Annahme eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Entgelt und Erwerb der Kapitalanlagen. Denn ein solcher Zusammenhang ist nach der Rechtsprechung schon dann zu bejahen, wenn die Aufwendungen durch eine grundsätzlich gefasste Erwerbsentscheidung veranlasst sind (BFH-Urteil vom 27. März 2007 VIII R 62/05, BFHE 217, 491).
So sind Anschaffungskosten schon dann anzunehmen und bei bilanzierenden Steuerpflichtigen zu aktivieren, wenn mit der Anschaffung durch vorbereitende Maßnahmen begonnen worden ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut bereits in dem Sinne "angeschafft" hat, dass er das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an dem Wirtschaftsgut erlangt hat und deshalb bilanzrechtlich das Wirtschaftsgut als solches nicht mehr dem Veräußerer, sondern bereits dem Erwerber zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 29. November 1983 VIII R 96/81, BFHE 140, 208, BStBl II 1984, 303).
Auf dieser Grundlage sind insbesondere Planungskosten für --unbedingt geplante-- Anschaffungen unabhängig davon den Anschaffungskosten zuzurechnen, dass es ggf. zu der geplanten Investition nicht kommt, der Aufwand aber zumindest in irgendeiner Form einer späteren entsprechenden Investition dient (vgl. BFH-Urteile vom 13. Oktober 1983 IV R 160/78, BFHE 139, 273, BStBl II 1984, 101; in BFHE 140, 208, BStBl II 1984, 303; insbesondere zu vergeblichen Planungskosten BFH-Urteile vom 30. August 1994 IX R 2/90, BFH/NV 1995, 381; vom 10. November 1999 X R 158/96, BFH/NV 2000, 696).
bb)
Dementsprechend gehören selbst vergeblich aufgewandte Beratungskosten anlässlich der fehlgeschlagenen Gründung einer Kapitalgesellschaft zu den Anschaffungsnebenkosten einer --erstrebten-- Beteiligung und nicht zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (BFH-Urteil vom 20. April 2004 VIII R 4/02, BFHE 205, 292, BStBl II 2004, 597, m.w.N.). Dies gilt auch für Gutachtenkosten im Zusammenhang mit der Anschaffung von GmbH-Geschäftsanteilen, wenn sie nach einer grundsätzlich gefassten Erwerbsentscheidung entstehen und die Erstellung des Gutachtens nicht lediglich eine Maßnahme zur Vorbereitung einer noch unbestimmten, erst später zu treffenden Erwerbsentscheidung darstellt (BFH-Urteil in BFHE 217, 491).
cc)
Hat der Steuerpflichtige nach diesen Grundsätzen seine Erwerbsentscheidung --wie im Streitfall durch die Beauftragung der GmbH und die Überweisung des von der GmbH anzulegenden Geldbetrags-- getroffen, so sind im Zusammenhang mit diesem Auftrag gezahlte Entgelte des Steuerpflichtigen für Makler- und Vermittlungsleistungen den Anschaffungskosten zuzurechnen.
Solche Anschaffungskosten konnten indessen im Streitjahr im Bereich der Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG und Abs. 2 Nr. 2 EStG) nur nach Maßgabe der --hier nicht in Betracht kommenden-- Sonderregelungen der §§ 17, 23 EStG sowie des § 21 des Umwandlungssteuergesetzes für die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer von Bedeutung sein (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1342). Im Übrigen ist der Werbungskostenabzug für Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten solcher Wirtschaftsgüter im Bereich der Überschusseinkünfte ausgeschlossen (vgl. von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 9 Rz B 850 "Nebenkosten"; zu § 20 EStG vgl. Senatsentscheidungen in BFH/NV 2000, 1342, sowie vom 4. April 1995 VIII B 52/94, BFH/NV 1995, 882: betreffend Darlehen; in BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934; vom 22. April 1999 VIII B 81/98, BFH/NV 1999, 1328: betreffend Aktien und sonstige Wertpapiere; zu Vermittlungsgebühren im Zusammenhang mit dem Erwerb von Leibrentenrechten vgl. BFH-Urteil vom 30. Oktober 2001 VIII R 29/00, BFHE 197, 114, BStBl II 2006, 223).
dd)
Ob das hier streitige "Strategieentgelt" zu diesen den Anschaffungskosten zuzurechnenden Aufwendungen gehört oder --wie z.B. Verwaltungsgebühren-- bei den sofort abziehbaren Werbungskosten in Ansatz zu bringen ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 4. Mai 1993 VIII R 89/90, BFH/NV 1994, 225), bestimmt sich nicht nach der Bezeichnung des Entgelts durch die Vertragsparteien, sondern nach dem tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalt der in Frage stehenden Leistung (vgl. BFH-Entscheidungen vom 19. April 1977 VIII R 44/74, BFHE 122, 108, BStBl II 1977, 600; vom 14. November 1989 IX R 197/84, BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299; vom 30. Juli 1991 IX R 43/89, BFHE 165, 245, BStBl II 1991, 918; vom 9. Februar 1994 IX R 110/90, BFHE 175, 212, BStBl II 1995, 47; vom 11. Oktober 2000 IX B 54/00, BFH/NV 2001, 438; zu Anschaffungsnebenkosten vgl. Schmidt/ Glanegger, EStG, 28. Aufl., § 6 Rz 81, 84; Fischer in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 6 Rz 39; zur Unmaßgeblichkeit der rechtlichen Eigenqualifikation vgl. allgemein BFH-Urteile vom 14. Mai 1986 II R 22/84, BFHE 146, 480, BStBl II 1986, 620; vom 28. November 1990 X R 109/89, BFHE 163, 264, BStBl II 1991, 327).
Ist danach der Aufwand --wie hier das Strategieentgelt-- auf die erworbenen oder noch zu erwerbenden Kapitalanlagen bezogen, handelt es sich um Anschaffungskosten i.S. des § 255 HGB (s. dazu unter II.2. der Entscheidungsgründe). Nur wenn der Aufwand ohne Bezug zu den zu beschaffenden Kapitalanlagen seiner Art nach die allgemeine vermögensverwaltende Tätigkeit abgelten soll, ist er den sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 225).
2.
Nach diesen Grundsätzen ist die Auffassung des FG, das Strategieentgelt gehöre nicht zu den --einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen-- Anschaffungskosten der Kapitalanlagen, sondern zu den sofort abziehbaren Werbungskosten des Klägers bei dessen Einkünften aus Kapitalvermögen, mit den §§ 9, 20 EStG i.V.m. § 255 HGB unvereinbar.
a)
Das FG hat diese Auffassung unter Hinweis auf Tz. 2 des Fonds-Vermögensverwaltungsvertrages mit dem Inhalt des Auftrages an die GmbH begründet, die ihr zur Verwaltung überlassenen Vermögenswerte unter Beachtung der vereinbarten Anlagestrategie nach ihrem freien Ermessen ohne vorherige Einholung von Weisungen des Kunden zu verwalten. Dazu gehöre auch die Umschichtung von Vermögen, d.h. die Veräußerung zunächst gekaufter Investmentfondsanteile und der Erwerb neuer, anderer Anteile, mit der Folge, dass das Strategieentgelt irgendwelchen Wertpapieren nicht zugeordnet werden könne.
b)
Dieser Auffassung des FG ist auf der Grundlage seiner für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen nicht zu folgen. Dies ergibt sich schon daraus, dass entgegen der Rechtsauffassung des FG --wie unter II.1.b a.A. und bb der Entscheidungsgründe ausgeführt-- auch bei einer später konkretisierten Kaufentscheidung für eine Kapitalanlage die früher entstandenen Aufwendungen als Anschaffungskosten zu erfassen sind, sofern die Kaufentscheidung selbst --wie im Streitfall mit der Überweisung des zur Kapitalanlage bestimmten Betrages-- "grundsätzlich getroffen ist" (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 491) und ersichtlich auch tatsächlich nach Maßgabe der vom Kläger zu bestimmenden und bestimmten Anlagestrategie umgesetzt wurde.
Der Umstand, dass das dafür zu zahlende Strategieentgelt nur einmal bei Beginn des Engagements zu zahlen und im Übrigen f ür die laufende Verwaltung des anzulegenden Kapitals eine davon unabhängige Gebührenregelung vereinbart war, schließt es aus, das Strategieentgelt den als Werbungskosten abziehbaren sonstigen Verwaltungskosten zuzuordnen. Denn mit der --lediglich einmalig mit 3,5% des zur Vermögensanlage überwiesenen Kapitals (160.000 EUR) zu vergütenden-- Wahl der Kombination aus den Gewinnstrategien I (Investition zu 100% in offene Immobilienfonds) und III (Investition von maximal 30% in Aktienmärkte) hat der Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Überweisung vorgegeben, welcher Art die von der GmbH zu erwerbenden Kapitalanlagen sein sollten.
Damit liegt eine objektbezogene Festlegung hinsichtlich der Kapitalanlagen vor. Die dafür geleistete gesonderte Vergütung in Form des Strategieentgelts hat nach den getroffenen Vereinbarungen mit der weiteren --nicht objektorientierten-- Vergütung für die allgemeine Vermögensverwaltung und dem weiteren An- und Verkauf der Kapitalanlagen ausweislich der vom FG in Bezug genommenen Vergütungsregeln des Vermögensverwaltungsvertrages keine Berührung.
Bei dieser Sachlage ist das Strategieentgelt nicht anders als sonstige Entgelte für Beratungs-, Gutachten- und Konzeptleistungen im Zusammenhang mit dem --bereits grundsätzlich beschlossenen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 491)-- Erwerb von Wirtschaftsgütern dem im Streitfall einkommensteuerrechtlich nicht zu berücksichtigenden Aufwand für die Anschaffung zuzurechnen.