10.02.2010 · IWW-Abrufnummer 100372
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 25.09.2009 – 16 K 477/07
Zum Begriff der HK nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB.
Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen führen insbesondere dann zu nachträglichen HK, wenn sie für eine Erweiterung des Gebäudes i. S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB entstehen. Eine solche liegt u. a. vor, wenn an einem Gebäude ein Anbau errichtet wird, welcher die nach den §§ 43, 44 II. Berechnungs-VO zu ermittelnde nutzbare Fläche vergrößert oder das Gebäude in seiner Substanz vermehrt.
Bei der Errichtung eines Anbaus, durch den die nutzbare Fläche des Gebäudes vergrößert wurde, handelt es sich selbst dann um eine Erweiterung im vorgenannten Sinne, wenn der neue Gebäudeteil lediglich eine bisher schon vorhandene Funktion ersetzt.
Niedersächsisches Finanzgericht v. 25.09.2008
16 K 477/07
Tatbestand
Die Klägerin ist mit der Verarbeitung von Naturwachs unternehmerisch tätig. Ende des Streitjahres begann sie mit der Errichtung eines neuen Treppenhauses, das als Anbau und Erweiterung dem unternehmerisch genutzten Gebäude angefügt wurde. Durch diesen Vorbau wurde die Nutzfläche des Gebäudes insgesamt vergrößert.
Die Klägerin hatte die für die Planungskosten des Anbaus entstandenen Architektenkosten in Höhe von 2.034 EUR in ihrer Gewinnermittlung als Erhaltungsaufwendungen geltend gemacht und darüber hinaus eine Instandhaltungsrücklage in Höhe von 10.000 EUR für Maurerarbeiten gebildet und als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben behandelt. Nach einer Au ßenprüfung ging der Beklagte davon aus, dass es sich bei den Planungs- und Maurerarbeiten um aktivierungspflichtige Herstellungskosten handelt und setzte den Gewinn entsprechend höher fest. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Planungskosten und Maurerarbeiten seien als Erhaltungsaufwand sofort abzugsfähige Betriebsausgaben. Aus dem Schreiben des Architekten … vom 29. Januar 2007 ergebe sich, dass aufgrund baurechtlicher Anforderungen und nach den Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung die vorhandene Treppenanlage nicht weiter habe genutzt werden können. In diesen Fällen sei nach der Rechtsprechung davon auszugehen, dass es sich um Erhaltungsaufwand und nicht um Herstellungskosten handele. Entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten sei, dass dem Erhaltungsaufwand solche „Aufwendungen für die Erneuerung (Ersatz) von bereits in den Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts enthaltenen Teilen, Einrichtungen oder Anlagen” zuzurechnen seien, die erforderlich sind, „um ein bestehendes Wirtschaftsgut in einen ordnungsgemäßen und nutzungsbereiten Zustand zu versetzen”. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Abweichend davon seien Herstellungskosten nur dann anzunehmen, wenn neben der Substanzerweiterung eine erweiterte Nutzungsmöglichkeit gegeben sei. Diese läge nicht vor.
Die Klägerin beantragt,
den Gewinn für das Streitjahr insoweit zu vermindern, als die Planungskosten und die Instandhaltungsrücklage von insgesamt 12.034,00 € als sofort abziehbare Betriebsausgabe behandelt wird und der Gewinn unter Berücksichtigung einer korrigierten Rückstellung für Gewerbesteuer und für Zinsen festgestellt gesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen führten auch dann zu Herstellungskosten, wenn sie wie im Falle der Klägerin für eine Erweiterung des Gebäudes i. S. d. § 255 Abs. 2 Satz 1 Handelsgesetzbuch – HGB – entstanden seien. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin vor, da der errichtete Anbau zu einer Substanzvermehrung des Gebäudes geführt habe.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Bei den von der Klägerin geltend gemachten Planungskosten für die Errichtung des Treppenhausanbaus handelt es sich um Herstellungskosten und nicht um Erhaltungsaufwand, so dass sie nur in Höhe der AfA-Beträge ab dem Zeitpunkt der Herstellung als Betriebsausgaben berücksichtigungsfähig sind. Da es sich bei den Kosten für die Herstellung des Anbaus um Herstellungskosten handelt, liegen die Voraussetzungen für die Bildung einer Instandhaltungsrücklage nicht vor.
Herstellungskosten sind nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Diese Begriffsbestimmung ist auch für das Steuerrecht maßgeblich (vgl. BFH, Urteil vom 13. Oktober 1998 IX R 80/95, BFH/NV 1999, 605). Danach führen auch Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen insbesondere dann zu nachträglichen Herstellungskosten, wenn sie für eine Erweiterung des Gebäudes i. S. d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB entstehen(vgl. BFH, Urteil vom 9. Mai 1995 IX R 17/93, BFH/NV 1996, 114). Eine solche Erweiterung liegt u. a. vor, wenn an ein Gebäude ein Anbau errichtet wird (§ 17 Abs. 2 Zweites Wohnungsbaugesetz), welcher die nach den §§ 43, 44 der Zweiten Berechnungsverordnung zu ermittelnde nutzbare Fläche vergrößert oder es in seiner Substanz vermehrt. Diese Voraussetzung ist immer dann gegeben, wenn nachträglich zusätzliche Bestandteile eingebaut oder angefügt werden, die bislang nicht vorhanden waren. Dieser Rechtsauffassung des Finanzgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 6. September 2000, 2 K 9/99) und der bestätigenden Entscheidung des BFH (Beschluss vom 8. Mai 2001 IX B 153/00, BFH/NV 2001, 1290) schließt sich das Gericht an.
Im Fall der Klägerin handelt es sich wie in dem vom BFH zu entscheidenden Fall um die Errichtung eines Anbaus, durch den die nutzbare Fläche des Gebäudes vergrößert wurde. Eine solche Baumaßnahme ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs selbst dann als Erweiterung i. S. d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB zu beurteilen, wenn der neue Gebäudeteil lediglich eine schon bisher vorhandene Funktion ersetzt. Danach kommt es nicht darauf an, ob das alte Treppenhaus im Betriebsgebäude der Klägerin nicht mehr funktionsfähig war und nicht mehr genutzt werden konnte. Maßgeblich ist allein, dass mit dem Anbau eine Erweiterung i. S. d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB erfolgte.
Unabhängig davon liegen Herstellungskosten auch deshalb vor, weil nach dem eigenen Vortrag der Klägerin mit der Errichtung des Treppenhauses im Anbau erst eine nach bauordnungsrechtlichen Vorschriften funktionsfähige Treppe erstellt wurde, die zuvor nicht vorhanden gewesen sei. Die Entscheidung des Senats steht auch nicht in Widerspruch zu der von der Klägerin zitierten Entscheidung des BFH vom 13.12.1984 (VIII R 273/81, BFHE 143, 238, BStBl 1985 II S. 394), weil in dem dort entschiedenen Fall lediglich die Raumhöhe, nicht aber die Grundfläche erweitert wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –.