05.02.2010 · IWW-Abrufnummer 094104
Hessisches Landessozialgericht: Urteil vom 10.09.2009 – L 8 KR 304/07
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
L 8 KR 304/07
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. August 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen seine Versicherungspflicht und Beitragspflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung, die er für verfassungswidrig erachtet. Er beansprucht hilfsweise, nur noch Beiträge entrichten zu müssen, die äquivalent zu den Beiträgen sind, welche bei privater Vorsorge für den Erhalt von Leistungen, die den Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen, aufzubringen wären.
Der 1974 geborene Kläger ist als Angestellter bei der Z. AG beschäftigt und unterliegt im Hinblick auf die Höhe seines Arbeitseinkommens nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Er ist bislang als versicherungspflichtig zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung geführt worden. Die Beiträge zu diesen Versicherungszweigen werden über den Arbeitgeber an die Beklagte, die Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist, abgeführt. Mit Schreiben vom 21. November 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Befreiung von der Pflicht zur Beitragszahlung zur Sozialversicherung mit der Begründung, seinen Beiträgen stünden keine entsprechenden Gegenleistungen gegenüber. Die Beitragspflicht sei somit verfassungswidrig. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 9. Februar 2005 ab. Eine pauschale Befreiung von der Sozialversicherungspflicht sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und führte aus, aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland sei es zu einer Verletzung der Äquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gekommen. Die Höhe des Sozialversicherungsbeitrages zur Arbeitslosenversicherung sei aufgrund der erfolgten Leistungskürzungen verfassungsrechtlich ebenfalls nicht mehr zu rechtfertigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Nach den vorliegenden Meldungen des Arbeitgebers sei der Kläger versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung. Es bestehe jedoch Versicherungs- und Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung bei der Bundesagentur für Arbeit. Die Beklagte habe als zuständige Einzugsstelle (§§ 28h, i, Sozialgesetzbuch –Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV) über den Antrag auf Befreiung von der Beitragspflicht zur Sozialversicherung zu entscheiden. Der Kläger unterliege der grundsätzlichen Beitragspflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung für Arbeitnehmer nach § 1 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) und nach § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III). Nach Aktenlage sei von einer Vollzeitbeschäftigung auszugehen, sodass die Prüfung in Bezug auf das Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung entbehrlich sei. Die Versicherungspflicht des Klägers entspreche dem Willen des Gesetzgebers. Eine vollständige oder teilweise Befreiung käme nicht in Betracht.
Hiergegen erhob der Kläger am 27. April 2005 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main, mit der er sein Befreiungsbegehren weiter geltend machte. Zur Begründung führte er an, dass ein Missverhältnis zwischen den zu entrichtenden Beiträgen und den Leistungsansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe, ergebe sich unter anderem dadurch, dass durch die letzten Reformgesetze für die jüngere Generation die Absicherung gegen Berufsunfähigkeit eingeschränkt und die Anerkennung von Ausbildungszeiten reduziert worden sei. Weiter sei durch das "RV-Nachhaltigkeitsgesetz" ein "Nachhaltigkeitsfaktor" eingeführt worden, der dazu führe, dass insbesondere für die jüngere Generation die Versicherungsleistungen noch weiter von den geleisteten Beiträgen abgekoppelt würden. Weiter werde die Äquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungsansprüchen dadurch verletzt, dass allgemeine Staatsaufgaben im erheblichen Umfang über Sozialbeiträge und nicht aus Steuermitteln finanziert würden. Angesichts dieser Sachlage verstoße die Beitragspflicht gegen die Artikel 2, 3 und 14 des Grundgesetzes (GG) und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15. August 2007 als unbegründet ab. Zur Begründung führte es aus, es verweise auf die Ausführungen der Beklagten in dem Widerspruchsbescheid, die zutreffend seien. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass wegen des vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung dem Gesetzgeber eingeräumten weiten Beurteilungsspielraums ein Verfassungsverstoß nicht ersichtlich sei. Die vom Kläger angesprochenen Fragen seien sozialpolitische Fragen, die auf der politischen Ebene zu lösen seien.
Gegen den ihm am 23. Oktober 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am gleichen Tag Berufung eingelegt. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, durch die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre ergäbe sich für beitragspflichtige Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung eine Negativrendite. Wer in den letzten Jahren Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet habe, erleide bereits während der Zeit der Beitragsentrichtung eine offensichtliche negative Rendite und dies schon vor dem Eintritt in die Rentenleistungsphase. Es bestehe eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern und nicht beitragspflichtigen Berufsgruppen. Arbeitnehmer würden als besonders schutzbedürftig eingestuft und dann für den Sozialtransfer zwischen den Generationen eingesetzt. Demgegenüber würden Freiberufler oder vermögende Menschen diesbezüglich verschont. Sie hätten die Möglichkeit, im kapitalgedeckten System Versorgung zu treffen und damit ein weitaus günstigeres Verhältnis zwischen Beitragsaufkommen und Leistungsansprüchen zu erzielen. Es sei fraglich, ob es noch zeitgemäß sei, nur Arbeitnehmer als besonders schutzbedürftig einzustufen. Entgegen der vom Bundesverfassungsgericht in dem Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 26. Juni 2007 (1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03) vertretenen Auffassung gäbe es keine verfassungsrechtliche Legitimation mehr für die Ungleichbehandlung, wobei bei ihm hinzukomme, dass er anders als der vor dem Bundesverfassungsgericht erfolglose Beschwerdeführer noch sehr jung sei und daher auch nicht auf frühere Rentenanwartschaften zurückgreifen könne. Allein eine allgemeine Erwerbstätigenversicherung, welche alle Formen von Erwerbsarbeit in die Versicherungspflicht einbeziehe, könne die verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern und nichtbeitragspflichtigen Berufsgruppen beseitigen. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung würden im Hinblick auf die Reduzierung der Leistungen aus diesem Versicherungszweig in den letzten Jahren sowohl von Arbeitgeber- als auch von Gewerkschaftsseite als verfassungswidrig angesehen. Auch würden mit dem "Eingliederungsbeitrag" Sozialversicherungsbeiträge zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfes des Staates eingesetzt, was gleichfalls nicht verfassungsgemäß sei. Ergänzend verweist der Kläger auf im Internet abrufbare Presseartikel (Der SPIEGEL 44/2005 - 31. Oktober 2005; SPIEGEL ONLINE 29. Mai 2007, 26. Februar 2005, 5. August 2004; WELT ONLINE 17. Juli 2006; DPA 1. Juni 2008; REUTERS 3. Juni 2008), die er in Kopie vorlegt.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass seine Beitragspflicht zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung verfassungswidrig ist, hilfsweise, seine Beitragspflicht dahingehend zu begrenzen, dass er nur noch Beiträge in einer Höhe entrichten muss, die bei einer privaten Vorsorge im Hinblick auf Leistungsansprüche, welche den gesetzlichen Leistungszusagen entsprächen, zu entrichten sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Gerichtsentscheidung für zutreffend.
Die Beigeladenen stellen keinen eigenen Antrag und schließen sich den Ausführungen der Beklagten an. Der Senat hat mit Beschluss vom 4. August 2008 die Beiladungen ausgesprochen. Der zunächst für den 28. April 2009 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung wurde wegen Verhinderung des Bevollmächtigten der Beklagten aufgehoben.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Der Hauptantrag, an dessen Formulierung der anwaltlich nicht vertretene Kläger trotz Anregung des Senats zur Umgestaltung festgehalten hat, bedarf der Auslegung. Die vom Kläger begehrte Feststellung, dass seine Beitragspflicht zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung verfassungswidrig ist, kann von vornherein nicht ergehen. Den Fachgerichten einschließlich den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit obliegt es, zu prüfen, ob die von den zuständigen Behörden getroffenen Entscheidungen rechtens sind, mithin, ob sie den einschlägigen Gesetzen entsprechen. Gelangt ein Gericht im Rahmen dieser Prüfung zu der Beurteilung, die zur Anwendung kommende Gesetzesvorschrift sei verfassungswidrig, so hat es gemäß Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Verbindliche Feststellungen zur Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder Vorgängen sind dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Gemäß § 123 SGG, dessen Regelung in allen Rechtszügen gilt, entscheiden die Sozialgerichte über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Dabei geht das Gericht von dem aus, was der Kläger letztlich mit seiner Klage erreichen möchte. Bei der Auslegung sind das gesamte Vorbringen und alle bekannten Umstände zu berücksichtigen. Hieraus ergibt sich für den Senat, dass der Kläger, wie er schon in dem vorausgegangen Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren zum Ausdruck brachte, mit seinem Hauptsachebegehren festgestellt wissen will, dass er nicht der Versicherungspflicht und Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung unterliegt. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter diese Vorschrift fällt gemäß § 55 Abs. 2 SGG auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen sind. Da der Kläger die begehrte Feststellung auf die ihn betreffenden Beitragserhebungen bezieht, liegt auch keine unzulässige "Popularklage" vor. Er unterbreitet dem Gericht damit ein konkretes, nach § 55 Abs. 2 SGG der selbständigen Feststellung fähiges Beitragsrechtsverhältnis zur Entscheidung, nicht lediglich eine abstrakte Rechtsfrage (vgl. BSG, Urteil vom 9. Oktober 1984 - 12 RK 18/83 – BSGE 57, 184). Ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung ist zu bejahen, weil die Beklagte, im Falle eines Obsiegens den Beitragseinzug einstellen müsste. Auch steht der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber Gestaltungs- und Leistungsklagen der Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens nicht entgegen, da der Kläger vor Erhebung der Klage ein Verwaltungsverfahren durchgeführt hat.
Der somit nach Auslegung zulässige Feststellungsantrag des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der Kläger unterliegt der Versicherungspflicht und Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung. Dies haben die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 9. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2005 und das Sozialgericht Frankfurt am Main in seinem Gerichtsbescheid vom 15. August 2007 zu Recht bejaht. Dementsprechend kann auch die begehrte gegenteilige Feststellung nicht getroffen werden.
Nach § 28h Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Nach Abs. 2 dieser Norm entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid. Unstreitig unterliegt der Kläger nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Sozialen Pflegeversicherung, da sein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) überschreitet.
Der Kläger ist jedoch zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig. Nach dieser Vorschrift sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Der Beschäftigungsbegriff wird in § 7 SGB IV definiert und umfasst nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Der Kläger ist als Arbeitnehmer bei der Z. AG beschäftigt, und zwar in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, nicht als selbständiger Dienstleister. Dass er offensichtlich ein höheres Einkommen aus dieser Beschäftigung erzielt, führt nicht zur Versicherungsfreiheit, sondern nur dazu, dass seine Beitragspflicht nur bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze reicht. Nach § 157 SGB VI werden die Rentenversicherungsbeiträge nach einem vom Hundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird.
Die Versicherungspflicht des Klägers zur Arbeitslosenversicherung ergibt sich aus § 24 Abs. 1 SGB III, wonach in einem Versicherungspflichtverhältnis Personen stehen, die als Beschäftigte versicherungspflichtig sind. Gemäß Abs. 4 dieser Vorschrift endet das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis. Nach § 25 Abs. 1 SGB III sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Gemäß § 341 Abs. 1 SGB III werden die Beiträge nach einem Prozentsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben. Beitragsbemessungsgrenze ist die Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung (§ 341 Abs. 4 SGB III), sodass allein der Bezug eines hohen Arbeitseinkommens nicht zum Wegfall der Versicherungspflicht und der Beitragspflicht führt, sondern die Beitragshöhe, sofern das Arbeitseinkommen die Beitragsbemessungsgrenze erreicht, nicht weiter ansteigt.
Eine Verfassungswidrigkeit der Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht des Klägers zu den beiden hier streitgegenständlichen Versicherungszweigen der Sozialversicherung vermag der Senat ebenso wie das Sozialgericht nicht zu erkennen. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung, die in dem vom Kläger angeführten Verfassungsbeschwerdenichtannahmebeschluss vom 26. Juni 2007 (1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03) referiert wird, dargelegt, dass die Begründung einer Versicherungspflicht weder gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG verstößt noch gegen Art. 12 Abs. 1 GG, dessen Schutzbereich nicht berührt sei. Die Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung und damit verbundene Beitragspflichten verletzten auch nicht Art. 2 Abs. 1 GG, denn der Gesetzgeber verfolge mit der gesetzlichen Versicherungspflicht einen legitimen Zweck. Neben dem Schutz der Betroffenen diene die gesetzliche Rentenversicherung auch der Allgemeinheit, indem sie der Sozialhilfebedürftigkeit im Alter entgegenwirke und so eine übermäßige Inanspruchnahme der staatlichen Gemeinschaft verhindere. Auch der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht dadurch verletzt, dass Selbständige in der Regel nicht rentenversicherungspflichtig seien. Für den Bereich der Arbeitslosenpflichtversicherung gilt nichts anderes.
Im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und allgemein in der Sozialversicherung kommt zudem das in Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip in seiner Funktion als verfassungsrechtliche Grundentscheidung und Staatszielbestimmung als Rechtfertigung für gesetzgeberisches Handeln in Betracht das, - in den Worten des Bundesverfassungsgerichts – auf "staatliche Vor- und Fürsorge für Einzelne oder für Gruppen der Gesellschaft, die aufgrund persönlicher Lebensumstände oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind" (Beschluss vom 22. Juni 1977, BVerfGE 45, 376, 387), abzielt. Hierzu gehört auch die Verpflichtung, für diejenigen, die nicht aus eigenen Ressourcen hinreichend gesichert sind, also insbesondere für die Arbeitnehmer und von ihnen finanziell abhängige Familienangehörige geeignete Vorsorgesysteme gegen die Wechselfälle des täglichen Lebens zu gewährleisten (vgl. BVerfG: Beschluss vom 27. Mai 1970, BVerfGE 28, 324, 348 ff.; Beschluss vom 31. Oktober 1984, BVerfGE 68, 193, 209: Zur Vorsorge gegen das soziale Risiko der Krankheit). Auch wenn das Sozialstaatsprinzip keine konkreten Gestaltungen sozialer Angelegenheiten von Verfassungswegen gebietet - seine textliche Fassung gibt für eine Wortauslegung kaum Anhaltspunkte, verfassungshistorisch verfestigte Begriffsgehalte, die mit der Verwendung des Begriffes "sozial" ohne weiteres verbunden sind, existieren nicht (vgl. Ebsen in: Schulin (Herausgeber), Handbuch des Sozialversicherungsrechtes, Band III, Rentenversicherungsrecht, 1999 § 4 Randziffer 26) - kommt ihm jedoch insoweit Bedeutung zu, als es den durch Grundrechte begrenzten Handlungsspielraum des Gesetzgebers ausweitet. Sowohl für die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitprüfung eines Grundrechtseingriffes maßgebliche Frage, ob ein Ziel, welches mit dem Grundrechtseingriff verfolgt wird, legitim ist, als auch für die Angemessenheit oder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, mithin die Abwägung von Angriffsintensität und Eingriffsnutzen, ist die Feststellung, dass der mit einer Regelung verfolgte Zweck tendenziell dem sozialen Staatsziel entspricht, bedeutsam. So ist das Sozialstaatsprinzip vom Bundesverfassungsgericht im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und allgemein in der Sozialversicherung unter anderem zur Rechtfertigung der grundsätzlichen Zwangsmitgliedschaft (vgl. Entscheidungen vom 25. Februar 1960, BVerfGE 10, 354, 368 ff.; vom 26. November 1964, BVerfGE 18, 257, 267; vom 14. Oktober 1970, BVerfGE 29, 221, 235 ff.; vom 9. Februar 1977, BVerfGE 44, 70, 89 f.; vom 26. April 1978, BVerfGE 48, 227, 234) sowie der Staffelung von Zwangsbeiträgen nach dem Einkommen und – damit verknüpft - den Solidarausgleich und die in ihm angelegte Ungleichbehandlung durch Abweichung von der Beitrags-Leistungsäquialenz (BVerfG: Beschluss vom 3. April 1979, BVerfGE 51, 115, 124; vom 11. März 1980, BVerfGE 53, 313, 328 f.) herangezogen worden. Weiter hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, der Gesetzgeber verfolge mit der Zwangsvorsorge legitime Zwecke, weil die Einbeziehung zum einen dem Schutz dieser Personen diene (soziales Schutzprinzip) und zum anderen den Solidarausgleich ermögliche. Die Pflichtversicherung sei Teil der verfassungsmäßigen Ordnung, weshalb ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG durch die zwangsweise Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung nicht vorliege (vgl. etwa BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31. August 2004 – 1 BvR 285/01 – NZS 2005, 253). Insbesondere sei der Eingriff auch verhältnismäßig.
Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Schaffung einer staatlich organisierten Versicherung, nämlich der Sozialversicherung, resultiert aus deren Besonderheit im Vergleich zu einer "normalen" d.h. privatrechtlich und privatnützig ausgestalteten Versicherung. Dasjenige, was "das Soziale" im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung ist, lässt sich bereits aus dem Wortstamm, der aus dem Lateinischen herrührt, erschließen. "Socio" bedeutet dabei "verbindend" und "socius" meint "gemeinsam" oder - als Substantiv - "Gefährte". Die "societas" ist die "Gemeinschaft" oder ein Bund, und auch das Wort "socialis" d.h. "kameradschaftlich", enthält diesen Wortstamm. Aus diesen lateinischen Ursprüngen lässt sich bereits ableiten, dass es beim "sozialen" darum geht, dass Dinge gemeinsam und – darüber hinaus auch - "kameradschaftlich" angegangen werden. Weiter steht bei der Frage der Bewertung des "Sozialen" vor allem die Gemeinschaft im Mittelpunkt und nicht das einzelne Individuum (vgl. Rische, Zu Kosten und Nutzen des Sozialen, in: DRV-Schriften Band 66, "Das Soziale in der Alterssicherung", S. 79). Dementsprechend gehört zum Selbstverständnis des Sozialstaats, Wohlstandsunterschiede zwischen sozial begünstigten und weniger begünstigten Bevölkerungsgruppen auf ein sozialverträgliches Maß zu begrenzen. Dahinter steht die Überzeugung, dass erhebliche soziale Ungleichheit bzw. Polarisierung zum sozialen Ausschluss betroffener gesellschaftlicher Gruppen führen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt gefährden kann. Zentrales Anliegen sozialstaatlichen Handelns ist deshalb die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen, unter denen die einzelnen Bürger zumindest gleiche Chancen haben, an den materiellen und immateriellen Ressourcen der Gesellschaft sowie am sozialen, kulturellen und politischen Leben teilzuhaben. Für den Fall, dass trotz angestrebter Chancengleichheit soziale Ungleichheiten mit prekären Lebenslagen einhergehen, tritt der Staat jedoch auch als direkt intervenierende, umverteilende und wohlfahrtsproduzierende Instanz auf. Im System der Sozialversicherung treffen diese beiden Prinzipien sozialstaatlichen Handelns zusammen: Als Organisator kollektiver Risikoabsicherung schafft der Staat Rahmenbedingungen, die es dem einzelnen Arbeitnehmer ermöglichen, Risiken zu tragen, deren Absicherung ihn allein überfordern würde. Denn der Gefahr des Einkommensausfalls aufgrund von Invalidität, Alter oder Tod, bzw. bei Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Pflegebedürftigkeit – den "großen" Risiken des Lebens – kann individuell nur begrenzt mit individueller Vorsorge begegnet werden. Für die Absicherung der großen Lebensrisiken ("soziale Risiken") und der damit einhergehenden Exklusionsbedrohungen liegt deshalb eine kollektive Lösung in Form einer Versicherung nahe (vgl. Heidel/Loose, Das "Soziale" in der gesetzlichen Rentenversicherung, DAngVers 2004, 221, 222).
Versicherung ist die gemeinsame Deckung eines im Einzelfall ungewissen, in der Gesamtheit aber abschätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit gleichartiger Risiken. Eine Versicherung ist gekennzeichnet durch den Risikoausgleich zwischen den Gefährdeten einerseits und den bereits Geschädigten andererseits. Wie bei allen reinen Risikoversicherungen ist es auch bei der Sozialversicherung so, dass Gegenstand des Versicherungsschutzes nur die Möglichkeit ist, bei Eintritt der versicherten Risiken Leistungen zu erhalten. Dass es in dem einen Fall zu keiner oder nur zu einer geringen Versicherungsleistung kommt, wird ausgeglichen im anderen Fall dadurch, dass überdurchschnittlich lang bei Eintritt eines Versicherungsfalles Leistungen erbracht werden müssen. Das Risiko, bei Nichterfüllung der zeitlichen oder sonstigen Voraussetzungen keine Leistung zu erhalten, gehört zum Wesen jeder Risikoversicherung. Die Sozialversicherung in ihren einzelnen Zweigen leistet aber nicht nur den Risikoausgleich zwischen den nur Gefährdeten und den bereits Geschädigten. Sie leistet darüber hinaus einen "sozialen Ausgleich". Sie realisiert gesellschaftliche Solidarität dadurch, dass gute und schlechte Risiken mit einem gleichen Beitragssatz zu einer Zwangsversicherung zusammengefasst werden. Damit wird das individuelle Risiko wegtypisiert, was sich nur durch Begründung einer Versicherungspflicht realisieren lässt (vgl. Ruland, in: von Maydell/Ruland/Becker, Sozialhandrechtsbuch, 4. Auflage, 2008, § 17 Randziffer 4 ff.). In einem wettbewerblich organisierten privaten Versicherungsmarkt müssen Versicherungsunternehmen ihre Produkte so gestalten, dass die für die Absicherung zu zahlenden Beiträge (Prämien) auf Basis der statistischen Schadenswahrscheinlichkeit und der für den Risikoausfall zugesagten Leistungen versicherungsmathematisch kalkuliert werden. Dies bedeutet, dass Personengruppen mit niedrigem Einkommen und/oder einer hohen Schadenswahrscheinlichkeit im Vergleich zu ihrem Einkommen überdurchschnittlich hohe Prämien zahlen müssen. Dies kann dazu führen, dass es diesen Gruppen faktisch überhaupt nicht möglich ist, sich über eine private Versicherung bei tragbaren Beiträgen abzusichern.
Anders als in privaten Versicherungen wird in der Sozialversicherung bei der Gestaltung von Beiträgen und/oder Leistungen bewusst auf die Berücksichtigung erkennbarer systematischer Risikounterschiede bei den Versicherten verzichtet. In einer privaten Versicherung wird die Absicherung des Risikos der vorzeitigen Invalidität umso teurer sein, je stärker der Versicherte von diesem Risiko bedroht ist. In der gesetzlichen Rentenversicherung sind es insbesondere drei Bereiche, in denen ein sozialer Risikoausgleich stattfindet: Der Ausgleich zwischen Versicherten mit geringer und hoher Lebenserwartung, zwischen Versicherten mit und ohne Familienangehörige und zwischen Versicherten mit hohem und geringem Erwerbsminderungsrisiko. Dieser Ausgleich wird in der gesetzlichen Rentenversicherung aus Beitragsmitteln finanziert, d.h. es findet eine Umverteilung zwischen den Beitragszahlern statt. So wird in der gesetzlichen Rentenversicherung jeder Versicherte unabhängig von etwaigen Vorerkrankungen, von seinem Alter, von einem gegebenenfalls unfallträchtigen Beruf oder von anderen risikoerhöhenden Faktoren zu gleichen Konditionen gegen das Risiko Erwerbsminderung versichert. Es ist unmittelbar einleuchtend, dass der Verzicht auf eine Berücksichtigung von erkennbaren Risikounterschieden bei der Beitrags- oder Leistungsfestlegung für jene Versicherte von Vorteil ist, die im Hinblick auf den abzusichernden Tatbestand ein "schlechtes Risiko" darstellen. So führt die Abstraktion vom individuellen Risiko "Langlebigkeit" dazu, dass insbesondere Frauen, die im Durchschnitt eine höhere Lebenserwartung als Männer haben und damit im Durchschnitt auch längeren Rentenbezugzeiten aufweisen, in der gesetzlichen Rentenversicherung – anders als in privaten Versicherungen - den gleichen Beitragssatz wie Männer entrichten. Sie erhalten damit – bei sonst gleicher Einzahlung – trotz der im Schnitt längeren Rentenlaufzeit die gleiche monatliche Rente im Alter wie Männer. Der zweite Bereich, in dem eine Abstraktion vom individuellen Risiko stattfindet, ist die Absicherung von Beitragszahlern mit und ohne Familienangehörige für den gleichen Beitragssatz. Aufgrund der Unterhaltsersatzfunktion der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten Ehepartner und Kinder von Versicherten im Falle des Todes des Versicherten Hinterbliebenenrente. Letztlich finanzieren unverheiratete kinderlose Beitragszahler die Renten an Hinterbliebene anderer Versicherter mit, obwohl sie selbst keine Angehörigen haben, die im Falle ihres Todes Anspruch auf die entsprechende Versicherungsleistung hätten.
Die Absicherung von Personen mit unterschiedlichen Erwerbsminderungsrisiken ist der dritte Bereich des sozialen Risikoausgleiches in der gesetzlichen Rentenversicherung. Mit der Entrichtung von Pflichtbeiträgen sind die Versicherten grundsätzlich für den Fall des Eintritts einer Erwerbsminderung versichert, wobei für alle der gleiche Beitragssatz gilt, unabhängig davon mit welcher Wahrscheinlichkeit dieser Versicherungsfall bei einem Versicherten eintritt. Das individuelle Risiko variiert systematisch z. B. mit dem Beruf, mit Vorerkrankungen, mit dem Geschlecht oder dem Alter des Versicherten, so gehören z. B. Gleisbauer oder Estrichleger zu den Berufsgruppen, die ein besonders hohes Erwerbsminderungsrisiko aufweisen, während z. B. Mathematiker ein besonders geringes Erwerbsminderungsrisiko haben. Im Ergebnis kommt es durch das Abstrahieren der Sozialversicherung von individuellen Risikounterschieden zu einer speziellen Form von Umverteilung mit "Gewinnern" und "Verlierern". Es findet eine Umverteilung von "guten Risiken" zu Gunsten der "schlechten Risiken" statt. In der gesetzlichen Krankenversicherung ist dies noch ausgeprägter, da die Beiträge lohnbezogen, die Leistungsgewährung aber nicht in einem vergleichbaren Bezug zur Einkommenshöhe steht. Die Gutverdiener finanzieren insofern in der sozialen Krankenversicherung die Krankheitskosten der Geringverdiener (und insbesondere die der mitversicherten Familienangehörigen) mit.
Das "Surplus" der Sozialversicherung, insbesondere auch der gesetzlichen Rentenversicherung, besteht in diesen systemimanenten Formen des sozialen Ausgleichs, insbesondere im sozialen Risikoausgleich. Wenn auch dieser Ausgleich für die sogenannten guten Risiken bei rein individueller Betrachtung von Nachteil ist, ist er für die Gesellschaft insgesamt doch von erheblichem Nutzen. Wenn bestimmte Personengruppen aufgrund ihrer individuellen – ungünstigen – Risikostruktur von der Möglichkeit einer Absicherung gegen bestimmte Risiken ausgeschlossen würden oder die dafür entstehenden Kosten prohibitiv hoch wären, so wäre damit zu rechnen, dass gerade jene Bevölkerungsgruppen ohne ausreichenden Versicherungsschutz blieben, die von existenziellen Risiken besonders bedroht sind. Das hätte zur Folge, dass bei Eintritt des Risikofalls letztlich die Gesellschaft insgesamt über Sozialhilfeleistungen die entstehenden Kosten tragen müsste.
Die gesetzliche Rentenversicherung deckt mehr Risiken ab und kann gesellschaftliche Solidarität besser realisieren als jedes andere System, insbesondere als eine rein private Kapitallebensversicherung auf der Basis eines individuellen Sparvorgangs. Die gesetzliche Rentenversicherung sichert bei Erwerbsminderung, sie erbringt Leistungen zur Rehabilitation und an Hinterbliebene und sie finanziert ihren Rentnern auch den halben Beitrag zur Krankenversicherung. Sie trägt zum sozialpolitischen Ausgleich bei, in dem sie den Erwerb von Rentenanwartschaften für Zeiten der Kindererziehung, der Arbeitslosigkeit, von Krankheit, Schwangerschaft, Pflege ermöglicht, weiter Ausgleichsmaßnahmen für geringe Verdienste, Wehr- oder Zivildienst, Ersatzzeiten und Ausbildungszeiten vorsieht. Dies geschieht aus sozialpolitischen Gründen um Versicherten, die während dieser Zeiten nur eingeschränkt oder gar nicht zur Zahlung eigener Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung in der Lage sind und somit auch keine eigenen Anwartschaften erwerben könnten, dennoch abzusichern. Der Gesetzgeber hat solche Maßnahmen des sozialen Ausgleiches in der Sozialversicherung eingeführt, weil diese eine wesentliche Rolle bei der Reduzierung sozialer Ungleichheiten in der Gesellschaft spielen und einen wesentlichen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt und damit zum sozialen Frieden in einer Gesellschaft leisten. Auch gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang von Kriminalität und sozialer Sicherheit, die besagen, dass sozialpolitische Maßnahmen, die auf eine Armutsvermeidung und eine Verringerung der Einkommensungleichheit in einer Gesellschaft zielen, zugleich einen Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung leisten (vgl. z. B. Albrecht/Entorf – Hrsg. - , Kriminalität, Ökonomie und Europäischer Sozialstaat, Heidelberg 2003).
Die beschriebenen Ausgleichselemente können durchaus als "versicherungsfremd" bezeichnet werden, wenn man als "versicherungsfremd" all dasjenige ansieht, was außerhalb der rein versicherungstechnischen Äquivalenz von Beitrag und Leistung steht. Versicherungsfremd ist nach diesem Verständnis z. B. die Berücksichtigung von Zeiten, für die keine Beiträge gezahlt worden sind oder die Gewährung höherer Leistungen, als es aufgrund der geleisteten Beiträge gerechtfertigt wäre. Die Einbeziehung derartiger "versicherungsfremder" Leistungen gehört aber gerade zum Grundmuster der Sozialversicherung, bei der gesetzlich zu Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammengefasste Solidargemeinschaften eine mit Beiträgen erkaufte, von konkreter Bedürftigkeit weitgehend unabhängige Sicherung gegen bestimmte typische Risiken bieten. Die Rentenversicherung ist dabei der Zweig der Sozialversicherung, bei dem die Versicherungselemente noch am deutlichsten ausgeprägt sind (vgl. Kolb, in: Schmähl – Hrsg. –, Versicherungsprinzip und soziale Sicherung 1985, S. 121 ff.). Die Leistungshöhe hängt maßgeblich von den geleisteten Beiträgen ab. In der Höhe der Rente spiegelt sich für den einzelnen Versicherten die Höhe seines Einkommens im Lebensdurchschnitt wider. Die Rentenreform 1992 hat das Versicherungsprinzip durch zahlreiche Maßnahmen verstärkt, etwa durch die Neuregelung der Berücksichtigung und der Bewertung der beitragsfreien Zeiten (§§ 71 ff. SGB VI), durch die Einführung der Zugangsfaktoren, welche die Vor- oder Nachteile eines vorzeitigen oder hinausgeschobenen Rentenbeginns ausgleichen (§ 77 SGB VI) oder durch die Wiedereinführung von Beiträgen für die Zeiten des Bezugs von Lohnersatzleistungen (§§ 3 Satz 1 Nr. 3, 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Dennoch haben die Rentenversicherung, wie auch die übrigen Zweige der Sozialversicherung, ihre Grundausrichtung im Hinblick auf die Leistung eines sozialen Ausgleiches, der nur durch die Übernahme an sich versicherungsfremder Aufgaben erbracht werden kann, nicht verloren. Inzwischen werden solche "versicherungsfremden" nicht beitragsgedeckten Leistungen weitgehend durch den Bundeszuschuss sachgerecht finanziert und ausgeglichen werden (vgl. den Bericht der Bundesregierung – an den Haushaltsauschuss des Bundestages – zur Entwicklung der nicht beitragsgedeckten Leistungen und der Bundesleistungen an die Rentenversicherung vom 13. August 2004, abgedruckt in DRV 2004, 569 ff.).
Angesichts des sozialen Ausgleiches der in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und insbesondere auch in der gesetzlichen Rentenversicherung geleistet wird, ist die vom Kläger aufgeworfene rein versicherungstechnisch ausgerichtete Fragestellung, ob eine Äquivalenz von Beitrag und Leistung besteht, wesentlich zu kurz gegriffen. Sie wird dem Spektrum der Risikoabdeckung, die durch die gesetzliche Rentenversicherung geleistet wird und den Aufgaben zur Herstellung gesellschaftlicher Solidarität nicht gerecht. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass nach den bis jetzt beschlossenen Reformgesetzen das Rentenniveau sinken wird, vom heutigen Niveau aus betrachtet um ca. 17 %. Dabei ist aber mit zu berücksichtigen, dass sich die durchschnittliche Rentenlaufzeit seit 1960 um mehr als 74 % auf über 17 Jahre verlängert hat. Das ist ein entsprechend hoher Wertzuwachs, denn auch in der Rentenversicherung ergibt sich die Gegenleistung für die gezahlten Beiträge aus der Multiplikation der monatlichen Rente mit ihrer Laufzeit (vgl. Ruland, in: Sozialrechtshandbuch § 17 Rdz. 231). Einschnitte im Leistungsrecht sind vollzogen worden, um den Beitragssatz zur Rentenversicherung bezogen auf das Jahr 2030 trotz weiter gestiegener Lebenserwartung und verschlechterten wirtschaftlichen Daten bei den vorgegebenen 22 % zu halten (§ 154 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Ohne diese Maßnahmen wurde 1986 auf der Basis des damals geltenden Rechts der Beitragssatz zur Rentenversicherung für 2030 hochgerechnet, was je nach wirtschaftlicher Lage Beitragssätze zwischen 36 % bis 41 % ergab (vgl. VDR, Hrsg., Zur langfristigen Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung, 1987, S 185). Trotz der Absenkung des Bruttorentenniveaus des Durchschnittverdieners um mehr als 17 % beim Vergleich zwischen dem Jahr 2005 und dem Jahr 2030, soll das Gesamtversorgungsniveau, das die Alterseinkünfte aus der gesetzlichen Rente, einer "Riester-Rente" und einer Privat-Rente aus der Ersparnis der Steuerfreistellung der Rentenversicherungsbeiträge in Relation zum Erwerbseinkommen setzt, sich dagegen kaum verändern. Dies gilt aber nur dann, wenn die Möglichkeiten der ergänzenden privaten und betrieblichen Altersvorsorge, die inzwischen auch großzügig staatlich gefördert wird, genutzt werden (vgl. Ruland, a.a.O., Rdz. 12, 13).
Bei der Bewertung der beschriebenen Maßnahmen, welche zu einem Absinken des Rentenniveaus führen, muss allerdings berücksichtigt werden, dass der demographische Wandel sich auch auf kapitalgedeckte Alterungssysteme negativ auswirkt. Ohne Kinder kann angespartes Vermögen nicht "entspart" und als Rente ausgezahlt werden. Bilden sehr viele Menschen heute Vermögen für ihr Alter, so lösen sehr viele Menschen später gleichzeitig in bestimmten Zeitspannen die angesparten Vermögen auf. Dies fällt dann aber in eine Zeitphase, in der die Zahl junger Menschen, die für ihr Alter Vermögen bilden können und wollen, deutlich zurückgegangen sein wird. Wenn aber viele verkaufen und wenige kaufen wollen oder können, fällt der Preis der Vermögenswerte. So kommt auch eine Untersuchung der Hypo Vereinsbank vom 26. April 2001 (Hypo Vereinsbank Volkswirtschaft, Policy Brief 4/2001: "Demographieanfälligkeit von Aktienmärkten") zu dem Ergebnis, dass die Aktienmärkte im Zuge der demographischen Alterung ähnlichen Risiken ausgesetzt sind wie umlagefinanzierte Alterungssicherungssysteme. Eine breite internationale Streuung des Anlagekapitals könne diese Risiken nur unzureichend reduzieren. Auch der Chefsvolkswirt der Deutschen Bankgruppe, Prof. Dr. X. XY., gelangt zu ähnlichen Einschätzungen. Ihm zufolge wird die Alterung der Gesellschaft deutliche Auswirkungen auf die am Kapitalmarkt erzielbaren Renditen haben. Er führt hierzu aus: "Dort wird man sich von den Renditen der Vergangenheit verabschieden müssen. Die Hälfte der Rendite der Vergangenheit anzusetzen, ist realistisch, zwei Drittel sind optimistisch, aber möglich" (Walter, Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die Kapitalmärkte, BAV, 6/2003, zitiert nach Ohsmann/Stolz Entwicklung der Rendite in der gesetzlichen Rentenversicherung, DAngVers 2004, 56, 62). Weiter ist zu bedenken, dass kapitalgedeckte Systeme, wie sich insbesondere in der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt, in wesentlich stärkerem Maße wirtschaftlichen und auch politischen Risiken ausgesetzt sind, als umlagefinanzierte Systeme.
Umlagefinanzierte Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf einer "Solidarität der Generation" beruhen. Die jeweils Erwerbstätigen sorgen dafür, dass die aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen ihr Renteneinkommen haben. Sie erwerben ihrerseits damit das Anrecht gegenüber der ihnen nachfolgenden Generation, in ihrem Alter ebenfalls versorgt zu werden. Innerhalb der Rentenversicherung erfolgt eine interpersonale Umverteilung. Die Renten werden jeweils aus dem laufenden Volkseinkommen finanziert. Die Rentenansprüche sind zwar Gegenleistungen für die gezahlten Beiträge und genießen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Eigentumsschutz des Grundgesetzes. Es handelt sich bei ihnen um rechtlich verfestigte Anwartschaften, denen eine nicht unerhebliche Eigenleistung des Versicherten zugrunde liegt und die der Existenzsicherung des Berechtigten zu dienen bestimmt sind. Schutzgut ist die Anwartschaft als Äquivalent für die gezahlten Beiträge unter Berücksichtigung der Grundfunktion der Versichertenrente, die in dem Ersatz des weggefallenen, zuvor versicherten Einkommens liegt. Die Besonderheit der Rentenanrechte besteht darin, dass sie sich, weil die Rentenversicherung im Umlageverfahren finanziert wird, immer nur gegen künftige Sozialprodukte der Gesellschaft richten können. Ein Rentenanrecht begründet somit nur einen Anspruch darauf, bei zukünftigen Verteilungsprozessen als Leistungsempfänger angemessen beteiligt zu werden, weil man abgeschlossene Verteilungs- und Umverteilungsprozesse als Beitragszahler mitfinanziert hat. Jedoch muss der Rentengesetzgeber aus politischen und ökonomischen Gründen das jeweilige Ausmaß der Umverteilung von den Beitragszahlen zu den Rentnern bestimmen, da das jeweils zur Verfügung stehende Sozialprodukt der Gesellschaft stetigen Änderungen unterliegt. Dies gilt insbesondere für die Setzung des für die Höhe aller Renten maßgeblichen aktuellen Rentenwertes sowie die Festlegung von Rentenanpassungen. Aus der Verfassung, insbesondere der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, lässt sich zwar keine Sicherung eines bestimmten Rentenbetrages herleiten. Es besteht aber eine als rechtstaatliche Kontinuitätsverpflichtung bezeichnete Rechtspflicht des Gesetzgebers zur Koppelung der Renten an das Lohnniveau und damit zur Anpassung von Zugangs- und Bestandsrenten an das jeweilige Maß des Volkseinkommens (vgl. Papier, Anmerkung zum Beschluss des BVerfG vom 10. Mai 1983 – 1BvR 820/79 - SGb 1984, 407,411, 412). Der Gesetzgeber, der für die Ausgestaltung des Sicherungssystems der gesetzlichen Rentenversicherung verantwortlich ist, ist verfassungsrechtlich gehalten, der Rente ihre Funktion als Freiheits- und Existenzsicherung zu erhalten.
Auch aus dem Vortrag des Klägers zur Entwicklung der Rendite in der gesetzlichen Rentenversicherung lässt sich nicht herleiten, dass der Gesetzgeber durch die Reformmaßnahmen der letzten Jahre und der dadurch bedingten Senkung des Rentenniveaus die verfassungsrechtlichen Grenzen, insbesondere aus der Eigentumsgarantie, bei der Gestaltung des Rentenrechts überschritten habe. Die vorrangig aus den Kreisen der privaten Versicherungswirtschaft vertretene These, für jüngere Beitragszahler würden die künftig ausgezahlten Rentenleistungen dem Betrag nach unter der eingezahlten Beitragssumme liegen, was einer negativen Rendite entsprechen würde (vgl. z. B. die Publikation GDV Volkswirtschaft – Themen und Analysen Nr. 1, 2003, herausgegeben vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.), ist nicht belegt. Vielmehr erweisen mit Hilfe der in der Versicherungsmathematik üblichen Barwertmethode erfolgte Berechnungen der internen Renditen für Modellfälle mit Altersrentenzugang im Jahr 2004, dass die interne Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich im positiven Bereich liegt und auch für künftige Rentenzugänge bis zum Jahr 2040 trotz des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes (Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 21. Juli 2004, BGBl. I S. 1791) verbleiben wird. Dabei wird als interne Rendite nach dem versicherungsmathematischen Äquivalenzprinzip der Zinssatz bezeichnet, bei dem der Barwert der eingezahlten Beiträge zum Zeitpunkt des Rentenbeginns gleich dem Barwert der Rentenleistungen ist. Als Barwert wird dabei der auf einen bestimmten Zeitpunkt auf- bzw. abgezinste Wert einer Zahlung bezeichnet. Bei der Renditeberechnung werden alle Barwerte für den Zeitpunkt des Rentenbeginns bestimmt, d.h. die Beiträge zur Rentenversicherung werden bis zum Zeitpunkt des Rentenbeginns aufgezinst und die Rentenzahlungen werden – bezogen auf den Zeitpunkt des Rentenbeginns – abgezinst. Die hier ausgewertete Modellrechnung von Ohsmann und Stolz (Entwicklung der Rendite in der gesetzlichen Rentenversicherung, DAngVers 2004, 56 ff) greift zur Abzinsung in Anlehnung an den aktuellen Wert der Umlaufrendite – durchschnittliche Rendite der sich im Umlauf befindenden öffentlichen Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten – auf einen Zinssatz von 4 % zurück. Bei der Bestimmung des Barwertes der Beitragsleistung, d.h. der möglichen Kapitalbildung der Beitragsleistung eines Standardrentners werden, bezogen auf den Zeitpunkt 1. Januar 2004 Modellrechnungen für Zinssätze von 4 %, 5 % und 6 % durchgeführt. Dabei ist bei der Barwertberechnung der Beitragsleistung zu berücksichtigen, dass ca. 20 % der Beitragsleistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung zur Absicherung des Risikos der Erwerbsminderung, der Hinterbliebenenabsicherung bei Tod des Versicherten im erwerbsfähigen Alter und zur Finanzierung der Rehabilitationsleistungen benötigt werden. Für den Vergleich mit privaten Alterssicherungsformen muss dieser Anteil herausgerechnet werden, da bei privater Absicherung solche Leistungen nicht enthalten sind. Eine ordnungsgemäße Barwertberechnung der Beiträge führt somit zu einer Berücksichtigung von 80 % der Beitragsleistungen und nicht von 100 %. Bei diesen Modellrechnungen wird allerdings dennoch die hohe Kapitalbildungskraft eines Durchschnittverdieners mit Beitragsleistungen von 65 Versicherungsjahren im Versicherungszeitraum 1959 bis 2003 deutlich, die je nach zugrunde gelegtem Verzinsungssatz von 4 %, 5 % und 6 % zu Barwerten der gesamten Beitragsleistung von rund 199.000 EUR, 242.000 EUR und 296.000 EUR führt. Bei dem Barwert der zu erwartenden Rentenleistung, zu der auch der Zuschuss zur Krankenversicherung der Rentner zählt, ist wiederum zu differenzieren zwischen Männern und Frauen, da sich bei Frauen aufgrund der höheren Lebenserwartung im Vergleich zu Männern bei identischem Versicherungsverlauf wegen der längeren Rentenzahlzeit ein nicht unerheblich unterschiedlicher höherer Rentenbarwert ergibt. Als interne Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung wird nach dem versicherungsmathematischen Äquivalenzprinzip der Zinssatz bezeichnet, bei dem der Barwert der eingezahlten Beiträge zum Zeitpunkt des Rentenbeginns gleich dem Barwert der Rentenleistungen ist. D.h. als interne Rendite wird der von der ersten Beitragszahlung bis zur letzten Rentenzahlung konstante Zinssatz bezeichnet, bei dem das in der Beitragsphase gebildete Kapital exakt zur Finanzierung der Rentenzahlungen (mit Verzehr des Kapitalstocks) ausreicht. Die von Ohsmann/Stolz durchgeführten Renditeberechnungen unterscheiden als Modellfälle: Mann, ledig, Renteneintritt mit 65 Jahren ohne Rentenabschlag; Mann, ledig, Renteneintritt mit 63 Jahren mit Rentenabschlag von 7,2 %; Mann, verheiratet mit 3 Jahre jüngerer Frau, Renteneintritt mit 65 Jahren ohne Rentenabschlag, Mann, verheiratet mit 3 Jahre jüngerer Frau, Renteneintritt mit 63 Jahren mit Rentenabschlag von 7,2 %; Frau, Renteneintritt mit 65 Jahren ohne Rentenabschlag; Frau, Renteneintritt mit 62 Jahren mit Rentenabschlag von 10,8 %, Frau, Renteneintritt mit 60 Jahren mit Rentenabschlag von 18 %. Das Ergebnis der angestellten Berechnungen lautet, dass die interne Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung für Rentenzugänge am 1. Januar 2004 je nach unterstelltem Modellfall unter Berücksichtigung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes zwischen 3,96 % (lediger Mann, Rentenzugang im Alter von 65 Jahren) und 4,71 % (verheirateter Mann, Rentenzugang mit 65 Jahren) liegt. Bei Abstellen auf die zum 1. Januar 2004 bestanden habende Rechtslage ohne die Einschränkungen nach dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz ergeben sich Renditen zwischen 4,10 % und 4,85 %. Die gleichfalls angestellten Renditeberechnungen für künftige Rentenzugänge in den Jahren bis 2040 sind zwar mit größeren Unsicherheiten behaftet, da die Ergebnisse der Berechnungen im Wesentlichen durch die zugrunde gelegten Annahmen bezüglich der Entwicklungen der Beitragssätze, der Bruttoentgelte, der Rentenanpassungen und der Lebenserwartung/Rentenlaufzeit bestimmt werden. Die Berechnungen wurden für die einfachen Modellfälle Frauen und ledige Männer vorgenommen, bei denen ein Rentenzugang mit dem 65. Lebensjahr unterstellt wurde. In beiden gerechneten Varianten " Rechtszustand 1. Januar 2004" und "Rechtslage unter Berücksichtigung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes" zeigte sich, dass die internen Renditen der gesetzlichen Rentenversicherung für künftige Rentenzugänge im zeitlichen Verlauf bis zum Jahr 2040 um rund einen Prozentpunkt sinken werden. Dabei wird sich das RV-Nachhaltigkeitsgesetz für künftige Rentenzugänge bis zum Jahr 2040 insoweit negativ auf die interne Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung auswirken, als der Renditeunterschied mit 0,1 bis 0,2 Prozentpunkten im Vergleich zu den Berechnungsvarianten mit Rechtszustand 1. Januar 2004 niedriger liegen wird. Insgesamt bleibt ganz klar festzuhalten, dass auch in Zukunft die interne Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung für den sog. Standardrentner, d.h. einen Versicherten mit einer Beitragsleistung von 45 Versicherungsjahren bei einem durchgehenden Durchschnittsverdienst, deutlich im positiven Bereich liegen wird. Zu diesem Ergebnis ist auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 2004/05 (Erfolge im Ausland – Herausforderungen im Inland, Ziff. 319 ff) gekommen. Der Kläger erzielt, da er nicht Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist, ein deutlich über dem Durchschnittsentgelt liegendes Arbeitseinkommen und weist keine unstete Erwerbsbiographie auf. Für Versicherte mit derartigen Versicherungsverläufen trifft die von ihm aufgestellte These, dass nur bei einer privaten Absicherung positive Renditen zu erzielen seien, somit nicht zu. Weiter ist, wie schon oben ausgeführt, zu berücksichtigen, dass es niedrigere Renditen künftig nicht nur im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung geben wird, sondern auch auf dem Markt der kapitalgedeckten Alterssicherungssysteme. Auch für diese wirkt sich der demographische Wandel renditemindernd aus (vgl. Walter, Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die Kapitalmärkte, BAV, 6/2003).
Die durchaus berechtigte Frage, ob die in den letzten Jahren erfolgte Absenkung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für Versicherte mit niedrigen Einkommen und unsteten Erwerbsbiographien - z.B. durch lange Zeiten der Arbeitslosigkeit, der Selbständigkeit ohne rentenrechtliche Absicherung oder von Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit infolge von Kindererziehung, insbesondere bei allein erziehenden Frauen – zu Altersarmut führt (vgl hierzu: Glombik, Armutsfeste Alterssicherung, RV 2008, 41 ff; Loose/Thiede, Alterssicherung: Auch in Zukunft armutsfest?, RVaktuell 2006, 479; Thiede, Alterssicherung muss sich lohnen – Ansätze für einen besseren "Sozialhilfe break-even" in der gesetzlichen Rentenversicherung, RVaktuell 2005, 519) und deshalb trotz Zugehörigkeit zur gesetzlichen Rentenversicherung von diesem Personenkreis Sozialhilfeleistungen benötigt werden, stellt sich für Versicherte mit einer dem Kläger vergleichbaren Erwerbsbiographie nicht. Ihr muss daher hier nicht weiter nachgegangen werden.
Soweit der Kläger den Ausbau der Rentenversicherung zu einer allgemeinen Erwerbstätigenversicherung als notwendig ansieht, handelt es sich um eine rechtspolitische Forderung (vgl. hierzu Ruland, Ausbau der Rentenversicherung zu einer allgemeinen Erwerbstätigenversicherung?, ZRP, 2009, 165). Verfassungsrechtlich ist es nicht zu beanstanden, dass immer noch die entgeltliche Beschäftigung primäres Zugangskriterium zur Rentenversicherung ist. Dies hat seine innere Logik darin, dass sich insbesondere bei dem durch dieses Kriterium erfassten Personenkreis nach Eintritt des Versicherungsfalles der Bedarf ergibt, das wegfallende Einkommen durch Einkommensersatzleistungen zu ersetzen. Die Entwicklung der Rentenversicherung ist insoweit jedoch nicht abgeschlossen. So wurde 1992 die Rentenversicherung für Selbstständige geöffnet und 1998 erfolgte die Einbeziehung der arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen. Schon seit längerem sind Landwirte und Künstler der Sozialversicherungspflicht unterworfen und auch Handwerker unterliegen der Versicherungspflicht. Dem Kläger ist auch zuzugestehen, dass die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit immer schwieriger wird und Selbstständigkeit nicht mehr wie früher automatisch mit wirtschaftlicher Sicherheit gleichgesetzt werden kann. Richtig ist auch, dass die persönliche Abhängigkeit durch örtliche und zeitliche Weisungsgebundenheit sowie die Eingliederung in die Organisation des Arbeitgebers als Kriterien des Arbeitnehmerbegriffes immer weniger greifen. Wie hierauf zu reagieren ist, ist jedoch insbesondere eine Aufgabe der Politik und als deren Endprodukt der Gesetzgebung. Die politischen Parteien haben jedoch derzeit hierzu sehr unterschiedliche Vorstellungen. Es wird noch erhebliche Zeit benötigten, bis insoweit ein Klärungs- und Anpassungsprozess stattgefunden hat.
Auch für den Bereich der Arbeitslosenversicherung gilt, da es sich bei diesem Versicherungszweig ebenfalls um eine Sozialversicherung handelt, dass eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der erzielbaren Leistungen nicht verlangt werden kann. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht (vgl. BVerfGE 51, 115; 53, 313). Zur Begründung hat es u.a. angeführt, dass die individuellen Beiträge als vorrangiger Maßstab für die Leistungen in der Arbeitslosenversicherung deshalb nicht in Betracht kommen könnten, weil für die Arbeitslosenversicherung kurze Anwartschaftszeiten, ein extrem kurzer Bemessungszeitraum und üblicherweise ein kurzer Leistungsbezug typisch seien. In seiner Entscheidung zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld) hat es keine Betrachtung der "Binnenäquivalenz" von Beiträgen und Leistungen beim einzelnen Versicherten angestellt. Es hat vielmehr einen Gruppenvergleich vorgenommen und einen Gleichheitsverstoß bejaht, weil die Personengruppe, deren Einmalzahlungen der Beitragspflicht unterliegen, hinsichtlich kurzfristiger Lohnersatzleistungen wie dem Arbeitslosengeld aus diesen Beiträgen keine Leistungen erhält, während die Personengruppe, die lediglich aus laufendem Arbeitsentgelt (gleich hohe) Beiträge zahlt, voll in den Genuss äquivalenter Leistungen gelangt (BVerfGE 92, 53, 71). Beanstandet wurde somit nicht, dass die individuellen Beiträge sich nicht in der Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes und ähnlicher Leistungen ausdrücken, sondern lediglich die Äquivalenzabweichung bei versicherten Gruppen mit gleicher Beitragsleistung. Im Übrigen gilt auch hier, dass jegliche Renditeüberlegung nicht außer Betracht lassen darf, dass neben der Entgeltersatzleistung Arbeitslosengeld aus der Arbeitslosenversicherung auch weitere Leistungen bezogen werden können, insbesondere Leistungen zur Umschulung und Rehabilitation. Ein Vergleich mit Privatversicherungen scheitert schon daran, dass diese in aller Regel keine Policen zur Absicherung gegen den Eintritt von Arbeitslosigkeit anbieten.
Die von Spellbrink vertretene Auffassung, auf die sich der Kläger bezieht, nämlich dass die Leistungseinschnitte und Strukturverschiebungen durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt und das "Hartz IV-Gesetz" die Gegenleistung des Systems Arbeitslosenversicherung für die Beitragszahlung in so starkem Maße reduziert hätten, dass die Zwangsmitgliedschaft in der Arbeitslosenversicherung mit ihrer (hohen) Beitragsverpflichtung unter dem Gesichtspunkt des Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht mehr gerechtfertigt werden könne (so Spellbrink in dem Aufsatz, Ist die Beitragspflicht in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung verfassungsrechtlich noch zu rechtfertigen? JZ 2004, 538 ff.; derselbe in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 127 Rz. 56 ff., Stand November 2004 und April 2008) hat sich in der Rechtswissenschaft und Rechtsprechung nicht durchgesetzt. Gleiches gilt für die von Spellbrink aus seiner These abgeleitete Position, das Übergangsrecht des § 434 l Abs. 1 SGB III sei verfassungswidrig, weil es nicht hinreichend großzügige und langfristige Übergangsregelungen vorsehe. Ein mit diesen Überlegungen vom Sozialgericht Berlin (Vorlagebeschluss vom 8. Mai 2007, S 56 AL 1629/06) in die Wege geleitetes konkretes Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG zur Frage, ob § 127 SGB III i.d.F. des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3002) mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist, hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 22. Juli 2009 (1 BvL 10/07) wegen nicht hinreichender Begründung als unzulässig zurückgewiesen. Die herrschende Meinung in der Kommentarliteratur sieht in der Neufassung des § 127 SGB III durch Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 und in der hierzu ergangenen Übergangsvorschrift keinen Verfassungsverstoß (vgl. Pilz in Gagel, SGB II/SGB III Grundsicherung und Arbeitsförderung, § 127 Rz. 7, Stand Oktober 2008; Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB III, Kommentar, § 127, Rz. 28, Stand, Oktober 2008). Die beschriebene Gesetzesänderung führte dazu, dass in Fällen, in denen der Arbeitslosengeldanspruch nach dem 31. Januar 2006 entstand, die Höchstdauer für Arbeitslose, die u.a. das 55. Lebensjahr vollendet hatten, nur noch 18 Monate betrug und für jüngere Arbeitslose 12 Monate umfasste. Die von Spellbrink gesehene Problematik hat sich jedoch deutlich entspannt, und zwar zum einen durch die zum 1. Januar 2007 erfolgte Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auf 4,2 % und die weitere Absenkung auf 3,3 % zum 1. Januar 2008. Zum anderen dadurch, dass durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 8. April 2008 (BGBl. I S. 681) mit Wirkung ab 1. Januar 2008 die vorgenommenen Einschnitte teilweise rückgängig gemacht worden sind. Die Höchstdauer des Bezuges von Arbeitslosengeld beträgt danach 24 Monate. Die Übergangsvorschrift des § 434 r SGB III erstreckt die verlängerte Bezugsdauer für Arbeitslose ab Vollendung des 50. Lebensjahres auch auf Ansprüche, die am 31.12.2007 noch nicht erschöpft waren. Auch kommt der 15-monatige Bezug von Arbeitslosengeld bei mindestens 30 Monaten Vorversicherung nunmehr schon Arbeitslosen im Alter von mindestens 50 Jahren zugute.
Auf die Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit des durch die Neufassung des § 46 Abs. 4 SGB II mit Wirkung zum 1. Januar 2008 eingeführten Eingliederungsbetrages, der den bisherigen "Ausgleichsbetrag" ablöst (vgl. hierzu Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, K § 46 Rz. 23, Stand Oktober 2008) braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. Allein ein Umstand, wie ihn der Kläger geltend macht, nämlich dass ein bestimmter Anteil von Beitragsmitteln unzulässigerweise zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben eingesetzt werde, vermag - wenn er denn zuträfe - die Mitgliedschaft und Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung nicht in Gänze in Frage zu stellen. Ggf. wird, sofern es sich tatsächlich um eine sachfremde Finanzierung von SGB II-Leistungen durch Beitragsmittel handeln sollte, das Bundesverfassungsgericht, bei dem bereits Verfassungsbeschwerden von Arbeitgebern anhängig sind, diese Regelung korrigieren.
Aus den obigen Ausführungen folgt zugleich, dass auch die derzeitigen Festlegungen der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung rechtens und vom Kläger hinzunehmen sind. Der hilfsweise begehrten Beitragsminderung konnte deshalb ebenfalls nicht entsprochen werden.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.