23.10.2007 · IWW-Abrufnummer 073228
Bundesgerichtshof: Urteil vom 05.07.2007 – IX ZR 185/06
In der Insolvenz des Vermieters besteht das Mietverhältnis nur dann mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, wenn die Mietsache im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Mieter bereits überlassen worden ist.
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 185/06
Verkündet am:
5. Juli 2007
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 30. November 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. Januar 2005 aufgehoben. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des H. (fortan: Schuldner), der unter der Bezeichnung "H. " ein Bauunternehmen betrieb. Mit privatschriftlichem Vertrag vom 11. Februar / 10. März 2003 vermietete der Schuldner der Klägerin noch zu errichtende Gewerberäume auf dem ihm nicht gehörenden Grundstück in Frankfurt (Oder). Das Mietverhältnis sollte nach Übergabe des fertigen Objekts, spätestens aber am 30. Juni 2005 beginnen und durfte erstmals nach Ablauf von 10 Jahren gekündigt werden. Die Klägerin war berechtigt, insgesamt fünf Mal eine Verlängerung des Vertrages um je vier Jahre zu verlangen. Für den Fall der nicht rechtzeitigen Fertigstellung des Objekts hatte der Schuldner eine Vertragsstrafe von 200 Euro netto pro Tag zu zahlen, begrenzt auf den Betrag einer Jahresmiete. Die Miete sollte 8.200 Euro im Monat zuzüglich Mehrwertsteuer betragen. In § 1 Nr. 5 des Vertrages hieß es:
"Vermieter steht dafür ein, dass er der unbeschränkte Eigentümer des Mietobjekts wird, in der Verfügungsmacht über das Mietobjekt in keiner Weise beschränkt ist und dass hinsichtlich des Mietobjekts keine Vormietrechte, Optionen, Grunddienstbarkeiten oder ähnliche Gestaltungs- oder Nutzungsrechte bestehen, die einem ungehinderten Vertrieb von Waren des Mieters entgegenstehen oder den Mieter in seiner Geschäftsentwicklung hindern ..."
Am 28. Januar 2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Schuldner weder das Grundstück erworben noch mit den Bauarbeiten begonnen oder auch nur eine Baugenehmigung beantragt. Die Klägerin wies den Beklagten mit Schreiben vom 12. Juli 2004 auf den Vertrag sowie darauf hin, dass ihr ein Erfüllungsanspruch gegen die Masse zustehe. Der Beklagte antwortete unter dem 2. August 2004, er kündige den Mietvertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt, der seiner Ansicht nach der 31. März 2005 sei. Mit Schreiben vom 16. August 2004 erklärte er, die Kündigung sei "auch als Nichterfüllung im Sinne von § 103 InsO zu verstehen".
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin beantragt festzustellen, dass das Mietverhältnis über den 31. März 2005 hinaus fortbestehe und der Beklagte verpflichtet sei, die Mieträume spätestens am 30. Juni 2005 zu übergeben. Das Landgericht hat die begehrte Feststellung ausgesprochen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, dass der Mietvertrag zwischen der Klägerin und dem Schuldner über den 31. März 2005 hinaus fortbesteht. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und zur Abweisung der Klage.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Klage sei zulässig. Die Klägerin habe ein rechtlich geschütztes Interesse an der Feststellung des Fortbestehens des Mietverhältnisses, weil aus diesem Primär- und Sekundäransprüche folgen könnten. Der Mietvertrag sei wirksam geschlossen worden. Ob § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB eingreife, sei nicht von Bedeutung, weil gegebenenfalls nur § 1 Nr. 5 des Vertrages formnichtig sei. Von der Gewinnung eines Investors, der die Errichtung der Mietsache finanziere, sei der Vertrag nicht abhängig gemacht worden.
Das Mietverhältnis bestehe zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien auch nach wie vor fort. Ein Sonderkündigungsrecht nach § 109 Abs. 1 InsO komme nicht in Betracht, weil der Schuldner Vermieter und nicht Mieter sei. Eine außerordentliche fristlose Kündigung habe der Beklagte nicht erklärt; ein wichtiger Grund, der eine solche Kündigung rechtfertigen könne, sei zudem nicht ersichtlich. Ob der Vertrag wegen Nichteinhaltung der Schriftform (§§ 550, 578 Abs. 2 BGB) gekündigt werden könne, sei nicht entscheidungserheblich, weil die Kündigung in diesem Fall erst am 30. Juni 2006, ein Jahr nach dem vereinbarten Übergabetermin, wirksam werde. Der Beklagte sei auch nicht vom Vertrag zurückgetreten, und es gebe keinen Rücktrittsgrund. Eine Freigabe des Mietobjekts sei nicht erfolgt und habe nicht erfolgen können, weil es noch nicht errichtet worden sei. Die Verpflichtung des Beklagten zur Überlassung der Mietsache bis zum 30. Juni 2005 sei allerdings gemäß § 275 Abs. 1 BGB wegen subjektiver Unmöglichkeit entfallen.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die Klägerin und der Schuldner haben einen ausdrücklich so bezeichneten "Mietvertrag" über die Vermietung eines Einkaufmarktes an die Klägerin geschlossen. Für Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume (fortan nur: Mietverhältnisse) gilt grundsätzlich § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO, der § 103 Abs. 1 InsO verdrängt, soweit er anwendbar ist.
2. Dass der Vertrag vom 11. Februar/10. März 2003 den Schuldner nicht nur zur Überlassung der Mietsache, sondern - mittelbar - auch zu deren Errichtung auf einem noch zu erwerbenden Grundstück verpflichtete, ändert nichts an der Einordnung des Vertrages als Mietvertrag im Sinne von § 108 Abs. 1 InsO.
a) Enthält ein Vertrag verschiedene Leistungselemente, ist zu prüfen, welche Leistungen nach dem erklärten Parteiwillen die Hauptleistung darstellen und welche Leistungen von untergeordneter Bedeutung oder als Nebenleistung nur der Erleichterung oder Ermöglichung der Hauptleistung dienen (MünchKomm-InsO/Eckert, § 108 Rn. 19; Uhlenbruck/Berscheid, InsO 12. Aufl. § 108 Rn. 9; Nerlich/Römermann/Balthasar, InsO § 108 Rn. 8; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch 3. Aufl. § 37 Rn. 3; Häsemeyer, Insolvenzrecht 3. Aufl. Rn. 20.46; vgl. auch OLG Karlsruhe ZIP 1989, 659 f).
b) Nach diesem Maßstab ist der Vertrag vom 11. Februar/10. März 2003 ein Mietvertrag. Der Schuldner hatte sich verpflichtet, der Klägerin genau bezeichnete Gewerberäume mietweise zur Verfügung zu stellen; die Klägerin sollte Miete zahlen. § 1 Nrn. 3 bis 6 des Vertrages enthalten zwar auch Regelungen, welche die Errichtung des Objektes sowie die Eigentümerstellung des Schuldners betreffen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um selbständig durchsetzbare Verpflichtungen. Auch wenn es nicht zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gekommen wäre, hätte die Klägerin aus dem Vertrag nicht die Errichtung des Bauwerks oder den Erwerb des Grundstücks durch den Schuldner, sondern nur die Überlassung der Mietsache verlangen können. Die Bauleistungen, auf die es dem Schuldner - einem Bauunternehmer - angekommen sein mag, dienten also lediglich der Ermöglichung der Hauptleistung, stellten selbst aber keine Hauptleistung dar und prägten den Charakter des Vertrages nicht.
3. Die Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO ist im vorliegenden Fall jedoch deshalb nicht anwendbar, weil die Mietsache - der Einkaufsmarkt - im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Mieterin - der Klägerin - noch nicht überlassen worden war.
a) Seinem Wortlaut nach verlangt § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO nur das Bestehen eines Mietverhältnisses. Insofern unterscheidet er sich von § 21 Abs. 1 KO, der nur Anwendung fand, wenn der vom Schuldner vermietete Gegenstand dem Mieter vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits überlassen worden war. War das nicht der Fall, galt § 17 KO (Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen Bd. 4 [Neudruck 1983] S. 98; Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 21 Rn. 3; Siegelmann, KTS 1968, 213 f). In § 108 Abs. 1 InsO ist von einer Überlassung der Mietsache an den Mieter nicht die Rede. Nach nahezu einhelliger Ansicht in der Literatur soll diese Vorschrift deshalb bereits dann anwendbar sein, wenn im Zeitpunkt der Eröffnung ein Mietvertrag bestand; auf die Übergabe komme es nicht an (Häsemeyer, aaO Rn. 20.52; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 9. Aufl. Rn. 1439; MünchKomm-InsO/Eckert, § 108 Rn. 64; FK-InsO/Wegener, 4. Aufl. § 108 Rn. 5a; Uhlenbruck/Berscheid, InsO aaO § 108 Rn. 24; Gottwald/Huber, aaO § 37 Rn. 24, 42; Nerlich/Römermann/Balthasar, InsO § 108 Rn. 9; HK-InsO/Marotzke, 4. Aufl. § 108 Rn. 15 mit Fn. 44; Andres/Leithaus, InsO § 108 Rn. 3; Franken/Dahl, Mietverhältnisse in der Insolvenz 2. Aufl. 6. Teil Rn. 175; Kalkschmid, Immobilienleasing in der Insolvenz Rn. 289 ff; a.A. nur Kübler/Prütting/Tintelnot, InsO § 108 Rn. 20; für Leasingverträge auch Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis 7. Aufl. Rn. 7.57; Fehl, DZWiR 1999, 89, 91 f).
b) Die Systematik der Vorschriften der §§ 108 ff InsO setzt ebenfalls nicht notwendig voraus, dass der Mieter bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits im Besitz der Mietsache war. Entgegen der Ansicht der Revision verlangt insbesondere die Vorschrift des § 111 InsO nicht zwingend eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 108 Abs. 1 InsO auf noch nicht in Vollzug gesetzte Mietverhältnisse.
aa) Nach § 111 InsO kann der Erwerber einer vom Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vermieters veräußerten Immobilie das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen, wenn er anstelle des Schuldners in das Mietverhältnis eintritt. Der Erwerber tritt nur dann in das Mietverhältnis ein, wenn die Veräußerung nach der Überlassung der Mietsache an den Mieter stattfindet (§ 578 Abs. 1, § 566 Abs. 1 BGB). Veräußert der Verwalter eine vermietete, dem Mieter aber noch nicht überlassene Mietsache, wird der Erwerber nicht Partei des Mietvertrages. Verpflichtet bleibt vielmehr die Masse, die Schadensersatzansprüche des Mieters befürchten muss, ohne ihrerseits Vorteile aus dem Bestand des Mietvertrages ziehen zu können.
bb) Dieses Ergebnis bezeichnet die Revision mit Recht als unbefriedigend. Es ließe sich gegebenenfalls jedoch dadurch vermeiden, dass der Verwalter seiner Verpflichtung nachkommt, dem Mieter die Mietsache zu überlassen. Der Verwalter hätte damit in der Hand, das für die Masse günstigere Ergebnis zu erzielen. Dass der Mieter gemäß § 90 InsO die Überlassung der Mietsache vor Ablauf eines halben Jahres seit der Eröffnung nicht erzwingen kann, stünde ebenfalls nicht entgegen. § 90 InsO verbietet die freiwillige Erfüllung von Masseverbindlichkeiten nicht.
c) Eine wortgetreue Anwendung der Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO würde den Mieter eines in Insolvenz geratenen Vermieters jedoch in unangemessener Weise vor anderen Gläubigern bevorzugen. Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 103 ff, 108 ff InsO gebieten eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 108 Abs. 1 InsO in der Insolvenz des Vermieters auf Mietverhältnisse, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits durch die Überlassung der Mietsache an den Mieter vollzogen waren.
aa) Die Vorschriften der §§ 19 bis 21 KO beruhten auf einer sorgfältigen Abwägung der Erfordernisse des Konkursverfahrens einerseits, der berechtigten Anliegen des Vertragspartners des Gemeinschuldners andererseits. Das Wahlrecht des Konkursverwalters sollte für Mietverträge deshalb nicht gelten, weil die nicht an eine Frist gebundene Beendigung des Mietverhältnisses den Vertragspartner des Gemeinschuldners - sei er Mieter oder Vermieter - unzumutbar belasten könne (Hahn, aaO S. 92 ff, 94). Weil ein Wechsel in der Person des Vermieters regelmäßig keinen Einfluss auf das Mietverhältnis hat, sollte dieses auch im Konkurs des Vermieters unverändert und ohne ein zusätzliches Kündigungsrecht fortbestehen. Die dem Konkurszweck und der Befriedigung der Gläubiger dienende Verwertung der Mietsache wurde durch eine Verweisung auf die Kündigungsvorschriften des Gesetzes über die Zwangsversteigerung erleichtert. Weitere Eingriffe in die Rechtsstellung des Mieters sollten jedoch nicht erfolgen (Hahn, aaO S. 97 f).
Nicht in Vollzug gesetzte Mietverträge wurden demgegenüber ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des § 21 KO, der den Fortbestand des Mietvertrages im Konkurs des Vermieters vorsah, ausgenommen. In den Motiven heißt es dazu, bevor die Mietsache nicht übergeben sei, könne man nicht von einem konkursfesten "verdinglichten" Rechtsverhältnis sprechen. Der Anspruch auf Überlassung der Mietsache sei vielmehr rein obligatorisch. Die Nichterfüllung eines noch nicht begonnenen Mietvertrages benachteilige den Mieter auch nicht in dem Maße wie die fristlose Beendigung eines in Vollzug gesetzten Mietverhältnisses. Es bleibe bei dem allgemeinen Wahlrecht des Konkursverwalters, so dass der Konkursverwalter prüfen könne, ob die Durchführung des Vertrages im Interesse der Masse liege; wähle er Erfüllung, müssten beide Parteien den Vertrag vollständig und bis zum Ende erfüllen (Hahn, aaO S. 98 f).
bb) Seinem Wortlaut nach hat § 108 Abs. 1 InsO den Schutz des Mieters eines insolventen Vermieters gegenüber der Konkursordnung deutlich erweitert. Der Mieter könnte danach uneingeschränkt die Erfüllung des Vertrages verlangen, auch dann, wenn die Mietsache nicht übergeben, ja noch nicht einmal hergestellt worden ist. Daraus können sich gravierende Folgen für das Verfahren ergeben.
(1) Besondere Belastungen treffen die Masse in dem hier gegebenen Fall der Vermietung eines eigens für einen bestimmten Mieter herzustellenden Mietgegenstandes. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten werden in einem solchen Fall weder vorab noch bei Übergabe des Gebäudes an den Mieter ausgeglichen. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens erfolgt der Ausgleich vielmehr durch Mietzahlungen über einen längeren Zeitraum hinweg (vgl. für Immobiliarleasingverträge Kalkschmied, aaO Rn. 295). Wäre § 108 Abs. 1 InsO in einem solchen Fall anwendbar, müsste der Verwalter also zunächst die Herstellungskosten aus der Masse vorfinanzieren und dann abwarten, ob sich seine Investitionen während der vorgesehenen Mindestlaufzeit des Mietvertrages auszahlt. Das Insolvenzverfahren ist jedoch auf eine zügige Abwicklung angelegt. Kann das schuldnerische Unternehmen nicht saniert werden, ist das Schuldnervermögen zu verwerten und der Erlös nach Abzug der Kosten unter die Insolvenzgläubiger zu verteilen (§ 1 Satz 1 InsO). Dem widerspricht es, die Masse zu Vorleistungen zu verpflichten, die sich erst nach zehn oder mehr Jahren amortisieren.
In vielen Fällen - nach der allerdings bestrittenen Darstellung des Beklagten auch im vorliegenden Fall - würde die Durchführung des Mietvertrages schlicht daran scheitern, dass der Verwalter die zur Anschaffung oder Errichtung der Mietsache erforderlichen Kosten weder aus der Masse aufbringen noch anderweitig finanzieren kann. Ansprüche des Mieters auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung wären ebenfalls Masseverbindlichkeiten. Das Insolvenzverfahren müsste folglich gemäß §§ 208 ff, 211 InsO nach (anteiliger) Befriedigung der Massegläubiger zum Nachteil der Insolvenzgläubiger wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt werden. Mit der vom Gesetzgeber der Insolvenzgläubiger angestrebten höheren Verteilungsgerechtigkeit wäre diese unverhältnismäßige Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers nicht zu vereinbaren. In weiten Teilen der Literatur wird daher die Ansicht vertreten, § 108 Abs. 1 InsO sei dann nicht anwendbar, wenn das Mietobjekt nach dem Willen der Vertragsparteien vom späteren Schuldner zu errichten oder anderweitig zu beschaffen und im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht vorhanden war (Kübler/Prütting/Tintelnot, aaO § 108 Rn. 19; Uhlenbruck/Berscheid, aaO § 108 Rn. 28; HK-InsO/Marotzke, aaO § 108 Rn. 16; Derleder, NZM 2004, 568, 571 (Fall 3); Kalkschmid, aaO Rn. 293 ff; aA FK-InsO/Wegener, aaO § 108 Rn. 5a; MünchKomm-Eckert, aaO § 108 Rn. 66; Wolf/Eckert/Ball, aaO Rn. 1440; Franken/Dahl, aaO Rn. 178 f).
(2) Ist die Mietsache im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits teilweise hergestellt oder im übergabefähigen Zustand vorhanden, verringern sich die genannten Nachteile oder entfallen ganz. Auch dann würde der noch nicht besitzende Mieter jedoch gegenüber anderen Gläubigern schuldrechtlicher Ansprüche privilegiert, ohne dass ein über das "normale", in der Insolvenz typischerweise nicht mehr durchzusetzende Interesse an der Durchführung eines gegenseitigen Vertrages hinausgehendes Schutzbedürfnis zu erkennen wäre. Für die Masse ist ein Wahlrecht des Verwalters nach § 103 Abs. 1 InsO jedenfalls günstiger als die unbedingte Bindung an einen Vertrag unabhängig davon, ob dessen Erfüllung den Interessen der Gesamtheit der Gläubiger nützt oder nur die Verwertung des Schuldnervermögens erschwert.
cc) Dem Gesetzgeber der Insolvenzordnung stand es grundsätzlich frei, einzelne Gruppen von Gläubigern gegenüber anderen zu privilegieren. An eine entsprechende Wertentscheidung des Gesetzgebers wären die Gerichte gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Der Entstehungsgeschichte des § 108 InsO kann jedoch die Zielrichtung, den noch nicht besitzenden Mieter in der Insolvenz des Vermieters zu bevorzugen, nicht entnommen werden.
(1) Die Konkursordnung hat den Schutz des Mieters auf den besitzenden Mieter beschränkt. Der Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung wollte das Konzept der Konkursordnung insoweit "im Grundsatz" beibehalten (BT-Drucks. 12/2443, S. 146, zu § 122 RegE). Eine wichtige Änderung - die Unterstellung der Mietverträge über bewegliche Sachen unter das Wahlrecht des Verwalters gemäß § 103 Abs. 1 InsO - wurde ausführlich mit Unzulänglichkeiten der bis dahin geltenden Regelungen begründet (aaO S. 146 f). Ob und aus welchem Grund die Überlassung der Mietsache an den Mieter für den Fortbestand des Mietvertrages keine Rolle mehr spielen sollte, sagt die Entwurfsbegründung dagegen nicht. Von einer Aufwertung der Stellung des nicht besitzenden Mieters ist also nicht die Rede. Eine andere Stelle der amtlichen Begründung lässt sogar darauf schließen, dass die Entwurfsverfasser insoweit von einer Fortgeltung der bisherigen Rechtslage ausgingen. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 110 InsO (§ 124 RegE) soll eine Vorausabtretung der Mieten auch dann unwirksam sein, wenn die Mietsache im Zeitpunkt der Eröffnung noch nicht überlassen worden war, um dem Insolvenzverwalter "die Möglichkeit zu geben, an dem Vertrag festzuhalten". Damit sollte offensichtlich auf ein Wahlrecht des Verwalters nach § 103 Abs. 1 InsO Bezug genommen werden. Bestünde das Mietverhältnis unterschiedslos fort, wäre für ein Wahlrecht des Verwalters jedoch kein Raum. Der Vertrag hätte unabhängig davon Bestand, ob der Verwalter dies im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger für sinnvoll hielte oder nicht.
(2) Der Gedanke, dass Mietverträge in der Insolvenz des Vermieters unabhängig davon fortbestehen könnten, ob die Mietsache im Zeitpunkt der Eröffnung dem Mieter bereits überlassen war, findet sich allerdings ausdrücklich in Leitsatz 2.4.1.5 des ersten Berichts der Kommission für Insolvenzrecht (1985). Dieser Vorschlag bezog sich jedoch nur auf das von der Kommission entwickelte "Reorganisationsverfahren", welches das bis zum Inkrafttreten der Insolvenzordnung in der Vergleichsordnung geregelte gerichtliche Verfahren zur Abwendung des Konkurses ablösen sollte (S. 222). Die Begründung nahm folgerichtig auf § 51 Abs. 1 VerglO Bezug. Für das Liquidationsverfahren, welches das Konkursverfahren ablösen sollte, war eine entsprechende Änderung nicht vorgesehen.
(3) Die Fortgeltung einer § 51 Abs. 1 VerglO entsprechenden Vorschrift im Rahmen eines "Reorganisationsverfahrens" hatte mit einem erweiterten Schutz des Mieters ebenfalls nichts zu tun. § 51 Abs. 1 VerglO unterschied nicht danach, ob die Mietsache bereits überlassen war oder nicht. Ein besonderer, über § 21 KO hinausgehender Schutz des Mieters schon vor Überlassung der Mietsache war damit jedoch nicht beabsichtigt. In der amtlichen Begründung zu § 29 Abs. 1 des Gesetzes über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses vom 5. Juli 1927, der Vorgängervorschrift zu § 51 Abs. 1 VerglO, wurde die Abweichung von § 21 KO vielmehr damit begründet, dass das Vermögen des Schuldners im Konkurs notwendig liquidiert werde. Das Vergleichsverfahren müsse umgekehrt dahin streben, in die rechtlichen Beziehungen des Schuldners, der weiter wirtschaften solle, möglichst wenig einzugreifen (Lucas, Die neue Vergleichsordnung, S. 88). Die Neufassung der Vergleichsordnung vom 26. Februar 1935 änderte daran nichts. Die amtliche Begründung nahm insoweit nur auf die "Grundgedanken" der bis dahin geltenden Regelung Bezug (S. 70).
dd) Die Vorgängervorschrift des § 108 Abs. 1 InsO, § 29 Abs. 1 VerglO a.F. (§ 51 Abs. 1 VerglO), bezweckte also nicht einen gegenüber § 21 Abs. 1 KO verbesserten Mieterschutz. Die Grundannahmen, welche ihr zugrunde lagen und den Fortbestand des Mietvertrages in der Insolvenz des Vermieters bereits vor Überlassung der Mietsache sinnvoll erscheinen ließen, treffen überdies auf § 108 Abs. 1 InsO überwiegend nicht zu.
(1) Anders als § 29 Abs. 1 VerglO a.F. gilt § 108 Abs. 1 InsO nicht nur dann, wenn das Unternehmen des Schuldners erhalten bleibt, also nur möglichst wenig in die Vertragsbeziehungen des Schuldners eingegriffen werden soll. Der dritte Teil der Insolvenzordnung (§§ 80 bis 147 InsO) regelt die allgemeinen Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unabhängig davon, ob es zu einem Insolvenzplan kommt oder das Schuldnervermögen verwertet wird. Eine Verwertung des Schuldnervermögens kann - trotz § 111 InsO - durch das Fortbestehen des Mietvertrages wesentlich erschwert werden (vgl. schon Bley/Mohrbutter, VerglO 4. Aufl. § 51 Rn. 1 dazu, dass § 51 Abs. 1 VerglO mit dem durch § 7 Abs. 4 der Neufassung der Vergleichsordnung vom 26. Februar 1935 eingeführten Liquidationsvergleich nicht abgestimmt worden sei).
(2) Dass ein Mietvertrag für den Vermieter (nur) Einnahmen bringt, eine Verpflichtung zur Übergabe der Mietsache der Masse also nützt oder jedenfalls nicht schadet (vgl. die Begründung des Rechtsausschusses zur nachträglich eingeführten Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 2 InsO, BT-Drucks. 13/4699, S. 6), ist in dieser Allgemeinheit ebenfalls nicht richtig. Das zeigt sich in besonderem Maße dann, wenn die Mietsache im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht hergestellt oder angeschafft worden war. Die Privilegierung des Mieters auf Kosten der Insolvenzgläubiger widerspricht dem Grundgedanken der §§ 103 bis 119 InsO, unter Wahrung der berechtigten Belange des jeweiligen Vertragspartners sicherzustellen, dass Wertschöpfungen aus Mitteln der Masse der Gemeinschaft der Gläubiger zugute kommen, nicht nur einzelnen bevorrechtigten Gläubigern (vgl. etwa BGHZ 167, 363, 371). Die teleologische Reduktion einer Vorschrift dann, wenn der Gesetzgeber nicht alle Konsequenzen der von ihm gewählten Gesetzesfassung bedacht hat und ihre wortgetreue Anwendung das gesetzgeberische Ziel - hier die Abschaffung von Vorzugsrechten einzelner und die Gleichbehandlung aller Gläubiger - deutlich verfehlen würde, ist eine anerkannte Auslegungsmethode und verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 35, 263, 279 f; 88, 145, 166 f; BVerfG NJW 1997, 2230 f).
d) Das Senatsurteil vom 3. April 2003 (IX ZR 163/02, NZI 2003, 373) steht nicht im Widerspruch zur hier vertretenen Lösung. Nach jener Entscheidung ist der Anspruch des Mieters auf Herstellung eines zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustands der Mietsache im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vermieters unabhängig davon, ob der mangelhafte Zustand vor oder nach Eröffnung entstanden ist, bei fortdauerndem Mietverhältnis eine Masseschuld. Es ging jedoch um einen im Zeitpunkt der Eröffnung bereits in Vollzug gesetzten Mietvertrag. Der Mieter zahlte die volle Miete, hatte damit aber auch Anspruch auf die volle Gegenleistung einschließlich der Erhaltung der Mietsache in gebrauchsfähigem Zustand. Jenes Urteil enthält also keine den jetzt zu entscheidenden Fall betreffende Aussage oder Wertung.
III.
Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Der Vertrag vom 11. Februar/10. März 2003 unterfällt als gegenseitiger, von keiner Partei vollständig erfüllter Vertrag dem Wahlrecht des Verwalters (§ 103 Abs. 1 InsO). Nachdem der Beklagte es abgelehnt hat, den Mietvertrag zu erfüllen, kann die Klägerin nur noch als Insolvenzgläubigerin Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (§ 103 Abs. 2 Satz 1 InsO).
1. Der Mietvertrag war im Zeitpunkt der Eröffnung von beiden Parteien nicht vollständig erfüllt (§ 103 Abs. 1 InsO).
2. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat der Beklagte nicht mit Schreiben vom 2. August 2004 die Erfüllung des Mietvertrages gewählt. Die Erklärung des Insolvenzverwalters gemäß § 103 Abs. 1 InsO ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung; die allgemeinen Bestimmungen über die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) finden Anwendung (BGH, Urt. v. 1. März 2007 - IX ZR 81/05, WM 2007, 840, 841). Im Schreiben vom 2. August 2004 hat der Beklagte den Mietvertrag "zum nächstmöglichen Zeitpunkt" gekündigt. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass er nicht, jedenfalls nicht länger als unbedingt nötig, an dem Vertrag festhalten wollte. Insbesondere war er nicht bereit, das Mietobjekt zu erstellen. So hat ihn die Klägerin auch verstanden, wie ihr Antwortschreiben vom 6. August 2004 zeigt. In diesem Schreiben hat sie den Beklagten "zur Vermeidung einer entsprechenden Feststellungsklage" aufgefordert zu bestätigen, dass das Mietverhältnis über den vom Beklagten genannten Zeitpunkt hinaus fortbestehe und er "...den im Mietvertrag begründeten Verpflichtungen" nachkomme. Nach einer Erfüllungswahl wäre eine derartige Aufforderung nicht mehr erforderlich gewesen.
3. Ob das Schreiben vom 2. August 2004 umgekehrt als Ablehnung der Vertragserfüllung ausgelegt werden kann, ist nicht entscheidungserheblich. Mit Schreiben vom 16. August 2004 hat der Kläger erklärt, die Kündigung sei "auch als Nichterfüllung im Sinne von § 103 InsO zu verstehen". Spätestens mit diesem Schreiben stand fest, dass der Beklagte zu einer Erfüllung des Mietvertrages nicht bereit war.
4. Rechtsfolge der Ablehnung der Erfüllung ist, dass der andere Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen kann (§ 103 Abs. 2 Satz 1 InsO). Der Mietvertrag besteht zwar fort, jedoch nur noch als Abwicklungsschuldverhältnis.
IV.
Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Sie ist aufzuheben. Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat die Klage abzuweisen.