23.08.2007 · IWW-Abrufnummer 072731
Bundesfinanzhof: Urteil vom 19.04.2007 – IV R 70/04
Der erweiterte Verlustausgleich des Kommanditisten mindert sich in dem Umfang, in dem ein anderer an seinem Kommanditanteil atypisch still unterbeteiligt ist.
Gründe:
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist an der A. Grundstücksgesellschaft mbH & Co. (A. KG) als Kommanditist mit einem Kommanditanteil in Höhe von 20 v.H. beteiligt. Im Handelsregister ist er mit einer Kommanditeinlage von 10,1 Mio. DM (1997) bzw. 13,4 Mio. DM (1998) eingetragen. Die Einlage wurde in Höhe von 5,3 Mio. DM eingezahlt.
Mit Vertrag vom 18. September 1995 wurde zwischen dem Kläger und Herrn ... (G) eine GbR gegründet, die als bloße Innengesellschaft den Kommanditanteil des Klägers an der A. KG hält. Der Kläger ist an der GbR mit 95 v.H. und G mit 5 v.H. beteiligt. Dementsprechend hatten von der Einlage in die A. KG der Kläger 5,035 Mio. DM und G 265 000 DM getragen. Ebenfalls entsprechend der Anteile sind die Gesellschafter gemäß § 2 Satz 2 des Vertrags im Innenverhältnis am Gewinn bzw. Verlust der A. KG beteiligt.
Die A. KG erwirtschaftete in den Streitjahren (1997 und 1998) Verluste. Die Verteilung der Verluste erfolgte in den Feststellungserklärungen der Gesellschaft gemäß ihrem Verteilungsschlüssel auf die Kommanditisten und den Beigeladenen zu 2. als Unterbeteiligten nach Berücksichtigung der festen vertraglichen Vergütungen an die Komplementärin. Da die Verluste negative Kapitalkonten der Kommanditisten entstehen ließen bzw. bereits negative Kapitalkonten erhöhten, ermittelte die A. KG die steuerlichen Kapitalkonten unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Da alle Kommanditisten zum jeweils 31. Dezember der Streitjahre nur einen Teil der Kommanditeinlage als Pflichteinlage erbracht hatten, konnten Verluste über die geleistete Einlage hinaus demnach nur bis zu der im Handelsregister eingetragenen Einlage ausgeglichen werden.
Am 28. März 2000 erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1997 und für 1998 und stellte dabei auch für jedes Jahr die verrechenbaren Verluste der Kommanditisten und des Beigeladenen zu 2. als Unterbeteiligten nach § 15a EStG in einem Bescheid gesondert fest. Mit Ausnahme der Verluste des Klägers erfolgte dies erklärungsgemäß.
Von den laufenden Einkünften rechnete das FA dem Kläger 19 v.H. zu, dem Beigeladenen zu 2. 1 v.H. (5 v.H. von 20 v.H.).
Die für den Kläger zum Verlustausgleich verwendbaren Beträge ermittelte das FA wie folgt:
|1997 DM|1998 DM
im Handelsregister eingetragene Hafteinlage|10 100 000|13 400 000
abzüglich des auf G entfallenden Anteils, 5 v.H. |- 505 000|- 670 000
|9 595 000|12 730 000
abzüglich geleistete Einlage des Klägers|- 5 035 000|- 5 035 000
= zusätzliches Haftkapital|4 560 000|7 695 000
abzüglich des/der bereits in dem Vorjahr/den Vorjahren zum Verlustausgleich verwendeten Betrags/Beträge|- 1 184 586|- 4 560 000
= Restbetrag|3 375 414|3 135 000
Gegen die Bescheide legte die A. KG im Hinblick auf die zum Verlustausgleich verwendbaren Beträge des Klägers Einspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, der Betrag sei ohne Kürzung des Anteils G zu bestimmen.
Das FA deutete die Einsprüche der A. KG als Einsprüche des Klägers um und wies sie als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte das FA u.a. aus, dass eine atypisch stille Beteiligung des G vorliege, bei der er als Unterbeteiligter steuerrechtlich die Stellung eines Mitunternehmers habe. Entsprechend dem Umfang der Unterbeteiligung sei dem Unterbeteiligten die Kommanditbeteiligung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) unmittelbar zuzurechnen. Deshalb unterliege ein auf die Unterbeteiligung entfallender Verlustanteil in der Person des Unterbeteiligten der Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG.
Da G nicht im Handelsregister eingetragen sei, finde § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG wegen der entsprechenden Beschränkung in Satz 3 der genannten Vorschrift auf ihn allerdings keine Anwendung. Auf den Kläger finde er insoweit ebenfalls keine Anwendung, weil eine Vermögensminderung des Klägers aufgrund seiner Haftung durch den Vertrag über die Unterbeteiligung mit G insoweit ausgeschlossen sei. Denn dem Unterbeteiligten obliege die Verpflichtung, den Hauptbeteiligten/Treuhänder nach § 670 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) von der Haftung aus § 171 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) freizustellen oder ihm dadurch entstehende Aufwendungen zu ersetzen.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) vom 12. Mai 2004 VII 335/01 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1514 abgedruckt.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt ist.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
1. Mit Beschluss vom 14. Februar 2007 hat der Senat den Unterbeteiligten G und die A. KG nach § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO beigeladen.
Erheben nicht alle Personen, die nach § 48 FGO gegen einen einheitlichen Feststellungsbescheid klagebefugt sind, Klage, sind die anderen Klagebefugten notwendig beizuladen (Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 25). Neben dem Kommanditisten ist auch die KG klagebefugt, wenn --wie im Streitfall-- der Feststellungsbescheid i.S. des § 15a Abs. 4 EStG mit der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung verbunden worden ist (Schmidt/ Wacker, EStG, 26. Aufl., § 15a Rz 191). Die Klagebefugnis des Unterbeteiligten G ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO. Diese vom FG unterlassene Beiladung hat der Senat gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO nachgeholt.
2. Entgegen der im vorinstanzlichen Urteil vertretenen Auffassung sind die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig. Das FA hat vielmehr zutreffend den erweiterten Verlustausgleich des Klägers nach § 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG auf den Umfang beschränkt, der seiner Beteiligung an der atypisch stillen Gesellschaft entspricht.
a) Haftet der Kommanditist am Bilanzstichtag den Gläubigern der Gesellschaft aufgrund des § 171 Abs. 1 HGB, so können nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG abweichend von Satz 1 der Vorschrift Verluste des Kommanditisten bis zur Höhe des Betrags, um den die im Handelsregister eingetragene Einlage des Kommanditisten seine geleistete Einlage übersteigt, auch ausgeglichen oder abgezogen werden, soweit durch den Verlust ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Satz 2 ist allerdings nur anzuwenden, wenn derjenige, dem der Anteil zuzurechnen ist, im Handelsregister eingetragen ist, das Bestehen der Haftung nachgewiesen wird und eine Vermögensminderung aufgrund der Haftung nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder nach Art und Weise des Geschäftsbetriebs unwahrscheinlich ist (§ 15a Abs. 1 Satz 3 EStG).
b) Im Streitfall scheitert der erweiterte Verlustabzug in der vom Kläger angestrebten Höhe daran, dass ihm der Anteil nicht in voller Höhe zuzurechnen ist.
Die steuerliche Zurechnung eines Gesellschaftsanteils kann von der Eintragung im Handelsregister abweichen. Beispielsfälle hierfür sind Treuhandverhältnisse oder atypische Unterbeteiligungen (vgl. R 15a Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--; v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15a Rz C 100; Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 15a EStG Rz 118). Wird ein Kommanditanteil für einen anderen treuhänderisch gehalten, so entspricht es allgemeiner Auffassung, dass dem Treuhandkommanditisten der Anteil nicht "zuzurechnen" ist (v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 15a Rz C 101; HHR/Lüdemann, § 15a EStG Rz 118). Er kann folglich auch nicht in den Genuss eines erweiterten Verlustausgleichs kommen (v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 15a Rz C 101).
Die vorstehenden Erwägungen stehen der Annahme des FG entgegen, das Gesetz verwende den Begriff desjenigen, "dem der Anteil zuzurechnen" sei, nur dazu, um den in § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG angesprochenen Kommanditisten zu bezeichnen. Der Senat vermag sich auch nicht der im Schrifttum vertretenen Auffassung anzuschließen, der Hauptbeteiligte könne, da er in voller Höhe der eingetragenen Haftsumme hafte, den auf ihn entfallenden Verlustanteil bis zur vollen Höhe der eingetragenen Haftsumme ausgleichen (Baldi in Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 15a Rz 234; v. Beckerath, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 15a Rz C 391 "Unterbeteiligung"). Die Haftung im vollen Umfang der Haftsumme trifft vielmehr auch den Treuhandkommanditisten, der --wie dargelegt-- nicht in den Genuss des erweiterten Verlustausgleichs kommt.
Dementsprechend ist davon auszugehen, dass auch bei einer atypischen Unterbeteiligung dem Unterbeteiligten infolge seiner Mitunternehmerstellung der Kommanditanteil in Höhe seiner Mitunternehmerstellung i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 3 EStG zuzurechnen ist und damit auch der darauf entfallende Anteil am Verlust (ähnlich HHR/Lüdemann, § 15a EStG Rz 118). Daraus folgt wiederum, dass dem Hauptbeteiligten der Anteil entsprechend der Höhe der Unterbeteiligung nicht zuzurechnen ist (v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 15a Rz C 102).
Zwar unterscheiden sich Treuhandkommanditist und Unterbeteiligter dadurch, dass bei einem Treuhandverhältnis der Treuhänder als Gesellschafter ausschließlich für Rechnung eines Dritten (Nichtgesellschafters) handelt, wohingegen bei einem atypisch stillen Unterbeteiligungsverhältnis der Hauptbeteiligte teilweise für eigene Rechnung tätig ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, BStBl II 1992, 512, unter III. 3. Absatz der Gründe). Dementsprechend geht die Rechtsprechung im Fall der Unterbeteiligung von zwei Mitunternehmerschaften aus, mit der Folge, dass der Unterbeteiligte im Regelfall nicht unmittelbarer Mitunternehmer der Hauptgesellschaft (KG) wird (Senatsurteil vom 2. Oktober 1997 IV R 75/96, BFHE 184, 418, BStBl II 1998, 137). Das führt aber nur dazu, dass die Feststellung der verrechenbaren Verluste nach § 15a Abs. 4 EStG --jedenfalls im Grundsatz-- in zwei Stufen --einmal für die KG und einmal für die Unterbeteiligungsgesellschaft-- durchzuführen ist. Es ändert sich jedoch nichts daran, dass das Verlustausgleichspotential i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG des Hauptgesellschafters, das sich auf der ersten Stufe in voller Höhe, d.h. ohne Berücksichtigung der Unterbeteiligung ausgewirkt hat, anlässlich der Feststellung der zweiten Stufe in Höhe der Unterbeteiligung zu kürzen ist.
Der wesentliche Grund für diese Beurteilung liegt darin, dass der Hauptbeteiligte einer atypischen Unterbeteiligung im Ergebnis nicht etwa einem Kommanditisten gleichsteht, der einen Teil seiner Einlage fremd finanziert hat (so aber Baldi in Frotscher, a.a.O., § 15a Rz 234), dass vielmehr der atypisch Unterbeteiligte im Gegensatz zum Fremdkapitalgeber Mitunternehmer ist und somit ein eigenes Verlustausgleichspotential hat. Dieses eigene Verlustausgleichspotential ist in der Gesamthaftsumme enthalten. Der atypisch Unterbeteiligte kann zwar mangels Eintragung im Handelsregister von diesem Verlustausgleichspotential solange nicht profitieren, wie er seine Einlage nicht geleistet hat. Dies ändert sich jedoch, sobald er seiner Einlageverpflichtung nachkommt. Hätte der Hauptgesellschafter --wie vom FG angenommen-- die Möglichkeit, seine eigenen Verlustanteile über den Teil der Haftsumme, der seiner Beteiligung an der Untergesellschaft entspricht, hinaus auszugleichen, so würde sich --sobald der Unterbeteiligte seine Einlage leistet-- das Verlustausgleichspotential in diesem Umfang über die Gesamthaftsumme hinaus vermehren. Das FA weist zutreffend darauf hin, dass das dem allgemein anerkannten Grundsatz widerspräche, demzufolge mit dem erweiterten Verlustausgleich der Effekt des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe der Differenz zwischen Pflichteinlage und tatsächlich geleisteter Einlage vorweggenommen wird, die spätere haftungsbeendende Einlage also kein zusätzliches Verlustausgleichspotential schafft (Senatsbeschluss vom 10. Juni 1999 IV B 126/98, BFH/NV 1999, 1461; R 15a Abs. 3 Satz 8 EStR; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15a Rz 182).
Im Streitfall wäre diese Zweistufigkeit ohnehin nur gedanklich zu vollziehen, weil die Feststellungen betreffend die Kommanditisten und den Unterbeteiligten in einem Bescheid zusammengefasst wurden.
Soweit das finanzgerichtliche Urteil im Schrifttum Zustimmung gefunden hat (Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15a Rz 134; Braun, EFG 2004, 1515 f.), betrifft dies die Frage, ob die interne Ausgleichsverpflichtung des Unterbeteiligten zur Folge hat, dass eine Vermögensminderung aufgrund der Haftung durch Vertrag ausgeschlossen ist (§ 15a Abs. 1 Satz 3 1. Alternative EStG). Auf diese Frage kommt es nach dem vorstehend Ausgeführten jedoch nicht mehr an.