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07.09.2006 · IWW-Abrufnummer 062674

Bundesfinanzhof: Urteil vom 12.07.2006 – II R 75/04

Der einleitende Teil des Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 VStR 1993/1995 (R 103 Abs. 4 ErbStR 1999/2003), wonach die Regelungen zur Neutralisierung des Kaskadeneffekts in Beteiligungsketten von Kapitalgesellschaften nur anwendbar sind, wenn die Obergesellschaft an der Untergesellschaft zu mehr als 50 v.H. beteiligt ist, erfasst auch die Fälle einer Organschaft zwischen den Gesellschaften (Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 VStR 1993/1995).


Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt ... und ... . Die Beigeladenen bzw. deren Rechtsvorgänger waren zu den streitgegenständlichen Bewertungsstichtagen mit mindestens 5 v.H. am Stammkapital der Klägerin beteiligt.

Die Klägerin hielt 50 v.H. des Stammkapitals der X-GmbH. Mit dem weiteren, ebenfalls zu 50 v.H. am Stammkapital beteiligten Gesellschafter der X-GmbH hatte sie sich zur gemeinsamen Ausübung der Stimmrechte in einer GbR zusammengeschlossen. Zwischen der GbR und der X-GmbH bestand seit 1979 ein steuerlich anerkannter Ergebnisabführungsvertrag (Mehrmütterorganschaft). Der Klägerin standen abweichend von der Höhe ihrer Kapitalbeteiligung 65 v.H. der Jahresergebnisse der X-GmbH zu. Außerdem war die Klägerin zu mehr als 50 v.H. an einigen anderen Kapitalgesellschaften beteiligt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ im Anschluss an eine Außenprüfung die hier angefochtenen geänderten Bescheide über die gesonderte Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin mit Einfluss auf die Geschäftsführung auf den 31. Dezember der Jahre 1992 und 1993.

Das FA schätzte den gemeinen Wert der Anteile nach den Regelungen des Abschn. 11 Abs. 4 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1993. In die Sonderbewertung nach Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 VStR 1993 bezog es nur Beteiligungen von mehr als 50 v.H. ein, nicht aber die Beteiligung an der X-GmbH. Diese Anteile erfasste das FA beim übrigen Betriebsvermögen i.S. des Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Sätze 1 und 2 VStR 1993, indem es sie bei der Ermittlung des Vermögenswerts der Klägerin mit dem dafür festgestellten gemeinen Wert ansetzte und die an die Klägerin abgeführten Teile der Jahresergebnisse der X-GmbH in die Ermittlung des Ertragshundertsatzes der Klägerin einbezog.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 338 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin unter Berufung auf Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 VStR 1993, die Ergebnisse der X-GmbH bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes außer Ansatz zu lassen. Ansonsten würden die Erträge der Organgesellschaft, die bereits in den für diese festgestellten gemeinen Wert und damit in den Vermögenswert der Klägerin eingeflossen seien, bei der Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin doppelt erfasst.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung hinsichtlich der Anteile mit Einfluss auf die Geschäftsführung aufzuheben und den gemeinen Wert der Anteile mit Einfluss auf die Geschäftsführung in Abänderung der Bescheide vom 8. Mai 2001 zum 31. Dezember 1992 auf 536 DM und zum 31. Dezember 1993 auf 616 DM festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

1. Obwohl mittlerweile beide Beteiligte übereinstimmend davon ausgehen, dass zum 31. Dezember 1993 keine Anteile mit Einfluss auf die Geschäftsführung vorhanden waren, fehlt es insoweit nicht am Rechtsschutzbedürfnis für die Klage. Denn in Ermangelung einer entsprechenden Rechtsgrundlage wird über die Frage, ob der jeweilige Anteil Einfluss auf die Geschäftsführung gewährt oder nicht, nicht bereits im Verfahren zur Feststellung des gemeinen Werts der Anteile, sondern erst im Rahmen der Festsetzung der Folgesteuer entschieden (vgl. --zur Entscheidung über die Vornahme eines Paketzuschlags-- Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Februar 1974 III R 22/73, BFHE 112, 187, BStBl II 1974, 443). Die Beurteilung der dort zuständigen Finanzbehörden kann aber von der Beurteilung der Beteiligten dieses Verfahrens abweichen, so dass die Feststellung eines gemeinen Werts für Anteile mit Einfluss auf die Geschäftsführung nicht von vornherein entbehrlich ist.

2. Zu Recht hat das FG es abgelehnt, auch die Anteile der Klägerin an der X-GmbH in die besondere Bewertung nach Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 VStR 1993 einzubeziehen.

a) Der gemeine Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist, wenn er --wie im Streitfall-- nicht aus Verkäufen abgeleitet werden kann, die weniger als ein Jahr zurückliegen, gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen. Das Stuttgarter Verfahren, das von der Finanzverwaltung zunächst in den VStR (für die streitbefangenen Feststellungszeitpunkte Abschn. 4 ff. VStR 1993), ab 1999 dann in R 96 ff. der Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) geregelt worden ist, ist vom BFH in ständiger Rechtsprechung als geeignetes --wenn auch die Gerichte nicht bindendes-- Schätzungsverfahren anerkannt worden (erstmals BFH-Urteil vom 19. Dezember 1960 III 396/58 S, BFHE 72, 241, BStBl III 1961, 92, unter II.). Mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist von diesem Verfahren nur abzuweichen, wenn es in Ausnahmefällen aus besonderen Gründen des Einzelfalls zu nicht tragbaren, d.h. offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (BFH-Urteile vom 17. Mai 1974 III R 156/72, BFHE 112, 510, BStBl II 1974, 626, unter 2.; vom 26. Januar 2000 II R 15/97, BFHE 191, 393, BStBl II 2000, 251, unter II.A.1.; zuletzt BFH-Urteil vom 11. Januar 2006 II R 76/04, BFH/NV 2006, 1257, unter II.1.a).

b) Bei der Bewertung der Anteile an einer Gesellschaft, die ihrerseits eine Beteiligung an einer Unter-Kapitalgesellschaft hält, kann durch die mehrfache Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Untergesellschaft ein sog. Kaskadeneffekt eintreten: Einerseits geht der für die Untergesellschaft festgestellte gemeine Wert, der auch unter Berücksichtigung von deren Ertragsaussichten geschätzt worden ist, in voller Höhe in den Vermögenswert der Obergesellschaft ein. Zusätzlich erhöhen die von der Untergesellschaft ausgeschütteten Erträge --bzw. bei Bestehen eines Ergebnisabführungsvertrags die gesamten abgeführten Erträge der Organgesellschaft-- die Ertragsaussichten der Obergesellschaft. Wirtschaftlich gehen die Ertragsaussichten der Untergesellschaft damit doppelt --bei Beteiligungsketten mitunter sogar mehrfach-- in einen nach der Regelbewertung des Stuttgarter Verfahrens ermittelten gemeinen Wert der Obergesellschaft ein.

Das Stuttgarter Verfahren sieht für verschiedene Fallgruppen Regelungen vor, die diesen Kaskadeneffekt vermeiden sollen. So beschränkt sich der gemeine Wert der Anteile an einer Holdinggesellschaft auf deren Vermögenswert; die Ertragsaussichten bleiben außer Betracht (Abschn. 11 Abs. 1 VStR 1993). Diese Regelung gilt gemäß Abschn. 11 Abs. 2 VStR 1993 auch für die Bewertung von Anteilen an einer Gesellschaft, deren Vermögen zu mehr als 80 v.H. (ab 1995: 75 v.H., vgl. Abschn. 11 Abs. 2 VStR 1995, R 103 Abs. 2 ErbStR 1999/2003) aus Anteilen an Kapitalgesellschaften besteht. Wenn weder eine Holdinggesellschaft noch eine Gesellschaft mit einem Anteilsbesitz von mehr als 80 v.H. ihres Vermögens zu bewerten ist, sieht Abschn. 11 Abs. 4 VStR 1993 für Beteiligungen von mehr als 50 v.H. ein Verfahren vor, das im Ergebnis bewirkt, dass insoweit ebenfalls nur der gemeine Wert der Beteiligung unter Außerachtlassung von deren Ertragsaussichten in den gemeinen Wert der Obergesellschaft eingeht.

Im Streitfall ist indes keine dieser Sonderregelungen anwendbar. Insbesondere ist Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 VStR 1993 dahin gehend zu verstehen, dass Maßstab für die dort genannten "Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften von mehr als 50 v.H." die jeweiligen Kapitalbeteiligungen sind (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 191, 393, BStBl II 2000, 251, unter II.A.1.c: "mehr als 50 v.H. des Grund- oder Stammkapitals"), während es nicht darauf ankommt, ob eine davon abweichende Beteiligung am Gewinn vereinbart worden ist. Die Beteiligung der Klägerin an der X-GmbH, die genau 50 v.H. beträgt, erfüllt die Voraussetzungen der genannten Regelung daher nicht.

c) Die Richtlinien der Finanzverwaltung enthalten darüber hinaus aber auch besondere Anweisungen für die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die --wie die Klägerin-- als Organträger fungieren. So ordnete Abschn. 83 Abs. 2 in den Fassungen der VStR 1980 bis einschließlich der VStR 1989 an, dass die Regelung, wonach die Außerachtlassung der Ertragsaussichten eine Beteiligung von mehr als 50 v.H. voraussetze (damals Abschn. 83 Abs. 1 VStR 1980 bis 1989; für die streitbefangenen Feststellungszeitpunkte Abschn. 11 Abs. 4 VStR 1993), auch auf Organträger anzuwenden sei. Hierzu hat der BFH im Urteil vom 6. März 1991 II R 18/88 (BFHE 164, 91, BStBl II 1991, 558) --zu einem Fall, in dem der Organträger Verluste von Organgesellschaften übernommen hatte, an denen er mit 86,25 v.H. bzw. 100 v.H. beteiligt war-- ausgeführt, dass die Richtlinienregelung, die eine Neutralisierung der Verluste bei der Ermittlung der Ertragsaussichten des Organträgers anordne, sachgerecht sei. Im Urteil in BFHE 191, 393, BStBl II 2000, 251 ging es hingegen um die Bewertung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die zu 33 v.H. an einer KG beteiligt war, die ihrerseits als Organträgerin für mehrere Organgesellschaften fungierte, an denen sie mit bis zu 100 v.H. beteiligt war. Der BFH lehnte in dieser Entscheidung die Notwendigkeit einer Neutralisierung des Kaskadeneffekts für Beteiligungen von bis zu 50 v.H. ausdrücklich ab.

Die für die streitbefangenen Feststellungszeitpunkte geltende Fassung des Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 VStR 1993 (ebenso Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 VStR 1995 und R 103 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 1999/2003) enthält eine Modifizierung dieser Regelung: Im Eingangsteil des Satzes 1 wird zunächst das Erfordernis einer Beteiligung "von mehr als 50 v.H." aufgestellt. Es folgen zwei Nummern, deren erste den Ansatz der Mehrheitsbeteiligungen im gemeinen Wert der Obergesellschaft und deren zweite die Bewertung des übrigen Gesellschaftsvermögens regelt. Nach Nr. 2 Satz 3 sind bei der Bewertung des letztgenannten Vermögensteils die Erträge der Mehrheitsbeteiligungen auszusondern. Es schließt sich ein Satz 4 an, auf den die Klägerin sich beruft und der den folgenden Wortlaut hat: "Dies gilt auch für Gewinne und Verluste einer Organgesellschaft, die der Organträger aufgrund eines Ergebnisabführungsvertrags übernommen hat (BFH-Urteil vom 6.3.1991, BStBl II S. 558)."

3. Das Begehren der Klägerin, die anteiligen Ergebnisse der X-GmbH nicht in die Schätzung ihrer Ertragsaussichten einzubeziehen, ist mit der genannten Richtlinienregelung nicht vereinbar.

a) Nach dem Wortlaut und der Systematik des Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 VStR 1993 gilt diese Sonderregelung auch in Fällen der Organschaft nur für Beteiligungen von mehr als 50 v.H. Denn nach dem Aufbau des Satzes 1 gilt dessen Eingangsteil, der das 50 v.H.-Erfordernis aufstellt, für den gesamten weiteren Inhalt dieses Satzes, zu dem auch die in Satz 1 Nr. 2 Satz 4 enthaltene Regelung für Organträger gehört.

Die grundlegenden Regelungen für die Bewertung des "übrigen" --d.h. nicht aus Beteiligungen von jeweils mehr als 50 v.H. bestehenden-- Betriebsvermögens sind in Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Sätze 1 und 2 VStR 1993 enthalten. Danach sind bei der Regelbewertung nur die Ertragsaussichten dieses "übrigen" Betriebsvermögens zu berücksichtigen. Diese Grundregelung wird in technischer Hinsicht durch Satz 3 erläutert, der anordnet, dass "daher" die Erträge der Mehrheitsbeteiligungen auszusondern seien. An diesen erläuternden Satz 3 knüpft der --in seiner Bedeutung zwischen den Beteiligten umstrittene-- Satz 4 mit der Wendung "Dies gilt auch" an. Aus diesem Aufbau der Gesamtregelung wird deutlich, dass Satz 4 sich auf Satz 3 bezieht und Satz 3 wiederum an die Sätze 1 und 2 anknüpft. Eine eigenständige Regelung, die über den Anwendungsbereich der Sätze 1 bis 3 hinaus ginge, enthält Satz 4 nicht.

Zudem enthält Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 VStR 1993 eine geschlossene Gesamtregelung: Komplementär neben den von Nr. 1 erfassten "Teil des Gesellschaftsvermögens, der aus Beteiligungen von jeweils mehr als 50 v.H. besteht", tritt nach Nr. 2 der "Teil des Gesellschaftsvermögens, der aus dem übrigen Betriebsvermögen besteht". Für die von der Klägerin angenommene dritte Fallgruppe neben den Mehrheitsbeteiligungen und dem "übrigen Betriebsvermögen" ist damit kein Raum.

b) Wie das FG zutreffend erkannt hat, führt dieses Verständnis der Richtlinienregelung nicht dazu, dass Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 VStR 1993 funktionslos würde. Denn dieser Satz bewirkt, dass an die Stelle der "Erträge" aus der Beteiligung an der Untergesellschaft (d.h. nur der ausgeschütteten Gewinne) die "Gewinne und Verluste" der Untergesellschaft (d.h. Gewinne unabhängig von ihrer Ausschüttung, zusätzlich auch Verluste) treten. Dies wird insbesondere durch den Verweis der Richtlinien auf das BFH-Urteil in BFHE 164, 91, BStBl II 1991, 558 verdeutlicht, in dem es gerade um einen Verlustfall ging.

c) Im Ausgangspunkt zu Recht weist die Klägerin zwar darauf hin, dass sich die Problematik des Kaskadeneffekts beim Bestehen eines Ergebnisabführungsvertrags im Vergleich zu einer gewöhnlichen 50 v.H.-Beteiligung ohne Ergebnisabführungsvertrag in besonderer Weise stellt. Denn im erstgenannten Fall wird der gesamte (anteilige) Gewinn der Untergesellschaft sofort der Obergesellschaft zugerechnet, während im letztgenannten Fall nur der ausgeschüttete Teil des Gewinns, der regelmäßig nur einen Bruchteil des Gesamtgewinns der Untergesellschaft darstellt, in die Gewinnermittlung der Obergesellschaft und damit in die Schätzung ihrer Ertragsaussichten eingeht.

Indes hat sich der BFH bereits im Urteil in BFHE 191, 393, BStBl II 2000, 251, an dem der Senat festhält, mit einer vergleichbaren Konstellation befasst und die Notwendigkeit einer Neutralisierung des Kaskadeneffekts für Beteiligungen von bis zu 50 v.H. verneint. Zwar war die dortige Klägerin nicht selbst Organträgerin; sie war aber zu 33 v.H. an einer Personengesellschaft beteiligt, die ihrerseits Organträgerin mit Beteiligungen bis zu 100 v.H. war. Im wirtschaftlichen Ergebnis kam es bei der dortigen Klägerin wegen der ertragsteuerrechtlichen Transparenz der zwischengeschalteten Personengesellschaft ebenfalls zu einer sofortigen Zurechnung der gesamten (anteiligen) Ergebnisse der Organgesellschaften. Soweit der Senat in der Entscheidung in BFHE 191, 393, BStBl II 2000, 251 offen gelassen hat, ob bei unmittelbaren Organschaftsverhältnissen etwas anderes gelten könnte, wird dies nunmehr verneint.

Nicht zu folgen vermag der Senat auch dem Vorbringen der Klägerin, weil die Regelung des Abschn. 12 VStR 1993 (R 104 ErbStR 1999/2003) den Kaskadeneffekt bei Organgesellschaften erst begründe, sei Abschn. 11 Abs. 4 VStR 1993 dahin auszulegen, dass der Kaskadeneffekt neutralisiert werde. Denn Abschn. 12 VStR 1993 stellt Organgesellschaften zum Zwecke der Bewertung ihrer Anteile lediglich sonstigen Kapitalgesellschaften gleich, deren Ertrag sich --außerhalb des Anwendungsbereichs einer der Milderungsregelungen des Abschn. 11 VStR 1993-- ebenfalls doppelt auswirkt, soweit andere Kapitalgesellschaften an ihnen beteiligt sind.

4. Im Streitfall führt die Einbeziehung der von der X-GmbH abgeführten Gewinne in die Ermittlung der Ertragsaussichten der Klägerin nicht zu einem offensichtlich unrichtigen Ergebnis, das ein Abweichen von den Verwaltungsanweisungen zum Stuttgarter Verfahren gebieten würde. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Beteiligung der Klägerin am Gewinn der X-GmbH --abweichend von der Höhe ihrer Kapitalbeteiligung-- 65 v.H. beträgt und dadurch sowohl der gemeine Wert der Anteile der Klägerin an der X-GmbH höher ist als bei einer dem Kapitalanteil entsprechenden Gewinnbeteiligung (vgl. Abschn. 14 Abs. 1 VStR 1993) als auch entsprechend höhere abgeführte Gewinne in die Ermittlung des Ertragshundertsatzes der Klägerin eingehen, was die Auswirkungen des Kaskadeneffekts gegenüber dem Normalfall einer 50 v.H.-Beteiligung nochmals steigert.

Denn das Stuttgarter Verfahren ist aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung allgemein als ein eher grob typisierendes Schätzungsverfahren angelegt. Seit dem 31. Dezember 1992 hat der Gesetzgeber zudem in Kauf genommen, dass die Streubreite der sich nach dem Stuttgarter Verfahren ergebenden Anteilswerte erheblich zugenommen hat und diese Werte im Allgemeinen deutlich unterhalb des tatsächlichen gemeinen Werts liegen: Seither sind die Steuerbilanzwerte --im Streitfall noch vermittels des Einheitswerts des Betriebsvermögens-- für den Vermögenswert maßgeblich; das Verhältnis zwischen der Höhe der Steuerbilanzwerte und dem tatsächlichen Wert ist aber im Einzelfall weitgehend von Zufälligkeiten abhängig (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Mai 2002 II R 61/99, BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598, unter B.I.4.b bb). Angesichts dieser gesetzlichen Vergröberung des Stuttgarter Verfahrens, die sich in aller Regel zugunsten der Steuerpflichtigen auswirkt (BFH-Beschluss vom 22. August 2002 II B 170/01, BFH/NV 2003, 11, unter II.1., m.w.N.), hat der Senat keine Bedenken, jedenfalls für Stichtage ab dem 31. Dezember 1992 grob typisierende Regelungen der jeweiligen Verwaltungsanweisungen --so sie sich im Allgemeinen als sachgerecht darstellen (vgl. dazu in Bezug auf die 50 v.H.-Grenze bereits BFH-Urteil in BFHE 191, 393, BStBl II 2000, 251)-- selbst dann anzuwenden, wenn im konkreten Fall auch eine andere Lösung denkbar wäre.

Ein nicht tragbares, offensichtlich unrichtiges Ergebnis, das eine Anwendung der typisierenden Regelungen des Stuttgarter Verfahrens ausschlösse, liegt hier schon deshalb nicht vor, weil sich auch im Falle der von der Klägerin begehrten Anwendung des Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 VStR 1993 auf die Beteiligung an der X-GmbH ein Anteilswert ergeben würde, der nach der Berechnung der Klägerin um lediglich 5 v.H. unter dem vom FA ermittelten Wert liegen würde (für den 31. Dezember 1992 536 v.H. statt 565 v.H., für den 31. Dezember 1993 hat die Klägerin ihren Antrag hingegen nicht an die Regelung des Abschn. 11 Abs. 4 VStR 1993 angepasst). Dieser Nachteil, den die Klägerin infolge der Typisierung erleidet, liegt weit unter dem durchschnittlichen Vorteil aus dem Ansatz der Steuerbilanzwerte (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598, unter B.I.4.b bb, m.w.N.: Ansatz des Vermögenswerts mit einem durchschnittlich ein Drittel unter dem Verkehrswert liegenden Wert; noch weiter gehend Eisele in Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Kommentar, Loseblatt, § 11 Rn. 41, Stand Januar 2005: die Anteilswerte erreichen durchschnittlich nur noch 65 v.H. des Verkehrswerts). Ein untragbares Ergebnis kann daher nicht angenommen werden.

Dass eine Abweichung von 5 v.H. angesichts des hohen Werts des Betriebsvermögens der Klägerin in absoluten Beträgen eine erhebliche Größenordnung erreicht, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil sich korrespondierend auch die durch das Stuttgarter Verfahren typischerweise eintretenden Begünstigungen bei großen Betriebsvermögen entsprechend stärker auswirken.

RechtsgebieteBewG, VStR 1993/1995, ErbStR 1999/2003VorschriftenBewG § 11 Abs. 2 Satz 2 VStR 1993/1995 Abschn. 11 Abs. 4 ErbStR 1999/2003 R 103 Abs. 4

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