30.11.2005 · IWW-Abrufnummer 053364
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 03.03.2005 – 16 K 479/04
Die Eigenheimzulage entsteht als Anspruch für jedes Jahr des Begünstigungszeitraumes neu; eine Aufrechnung der Zulage, die für ein Jahr nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht, mit Steuerforderungen aus Zeiten vor der Insolvenz ist rechtlich ausgeschlossen.
NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT
URTEIL
vom 03.03.2005
Az.: 16 K 479/04
Orientierungssatz: Abrechnungsbescheid zur Eigenheimzulage 2004
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt - BFH-Az. VII B 100/05
Tatbestand
Durch Beschluss des Amtsgerichts Uelzen vom 18.03.2003 wurde über das Vermögen der Frau Christiane Ls. (Schuldnerin) das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Treuhänder bestimmt.
Die Schuldnerin hatte im März 1999 für das Objekt Kurze in Bad B. beim Beklagten einen Antrag auf Eigenheimzulage ab 1998 gestellt. Der Beklagte hatte mit Verwaltungsakt vom 07.04.1999 der Schuldnerin entsprechend Eigenheimzulage für die Jahre 1998 ? 2005 von jährlich DM 8.000,00 bewilligt. Die im März 2004 zur Zahlung anstehende Eigenheimzulage für 2004 verrechnete der Beklagte zunächst intern mit Steuerrückständen der Schuldnerin aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 19.04.2004 die Auszahlung der Eigenheimzulage an ihn geltend machte, erteilte der Beklagte am 09.06.2004 einen Abrechnungsbescheid, aus dem sich ergibt, dass der Beklagte die Eigenheimzulage gegen Lohnsteuer und Umsatzsteuer aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufrechnet. Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage.
Der Kläger macht geltend, dass eine Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung (InsO) unzulässig sei. Soweit der Beklagte hiergegen im Verwaltungsverfahren vorgebracht habe, dass die Begründung für die Gewährung von Eigenheimzulage bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt worden sei, sei dem nicht zu folgen. Der Anspruch auf Eigenheimzulage entstehe für jedes Jahr des Förderzeitraums gesondert und knüpfe unter anderen daran an, dass zu Beginn eines jeweiligen Förderjahres die Nutzung des Objektes zu eigenen Wohnzwecken erfolge. Deshalb seien die Voraussetzungen für die Eigenheimzulage für das Jahr 2004 erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt worden.
Der Kläger beantragt,
den Abrechnungsbescheid über Eigenheimzulage 2004 vom 09.06.2004 und den dazu ergangenen Einspruchsbescheid vom 30.09.2004 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung und ergänzt, dass die Eigenheimzulage auch für 2004 bereits mit Herstellung der Wohnung im Kalenderjahr 1998 begründet worden sei. Zusätzlich verweist er auf Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach das Finanzamt berechtigt sei, mit Insolvenzforderungen aufzurechnen (Urteil vom 21.09.1993 VII R 119/91).
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.
Entscheidungsgründe
Der Abrechnungsbescheid ist aufzuheben, weil die dort dokumentierte Aufrechnung mit Steuerrückständen der Schuldnerin nicht zulässig ist. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Dieses Aufrechnungsverbot gilt grundsätzlich auch für Steuervergütungen, weil § 226 Abgabenordnung nichts Gegenteiliges beinhaltet.
Für die Zulässigkeit der Aufrechnung, wie sie im Streitfall vom Beklagten erklärt worden ist, ist entscheidend, ob die zur Aufrechnung gestellte Forderung bereits entstanden ist. Nach der zur Konkursordnung ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes kommt es dabei nicht darauf an, ob der Anspruch bereits im steuerrechtlichem Sinne entstanden ist. Maßgeblich sei der Zeitpunkt, indem nach konkursrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt worden sei (vgl. BFH Urteil vom 21.09.1993, VII R 119/91 BStBl II 1994, 83 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Das Gericht folgt dieser Rechtsauffassung. Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten, ist jedoch zu beachten, dass der Tatbestand zur Gewährung der Eigenheimzulage für das Zulagenjahr 2004 frühestens am 01.01.2004 verwirklicht sein kann. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die Eigenheimzulage nach § 10 des Eigenheimzulagegesetzes für jedes Jahr des Förderzeitraumes entsteht und dabei der Anspruch nur für die Kalenderjahre besteht, in denen der Anspruchsberechtigte die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt (§ 4 Satz 1 EigZulG). Danach konnte der Anspruch auf Eigenheimzulage für 2004 frühestens in diesem Jahr entstehen. Denn allein die Herstellung der Wohnung in 1998 hätte unter keinen Gesichtspunkt genügt, um der Schuldnerin für 2004 die Eigenheimzulage zuzusprechen.
Mithin durfte der Beklagte die von ihm vorgenommene Aufrechnung nicht vornehmen. Deshalb war antragsgemäß der Abrechnungsbescheid aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.