Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Organschaft

    Zum Bestehen einer Organschaft bei unterjähriger Verschmelzung

    von Dr. Hansjörg Pflüger, Stuttgart

    | Dass bei der Besteuerung von Organschaften strenge Formvorschriften bestehen, ist bekannt. Insbesondere wird verlangt, dass die Voraussetzungen der Organschaft taggenau mindestens fünf Jahre dauern müssen, insbesondere, wenn es zu Umgestaltungen kommt ‒ was häufig ein echtes Hindernis in der Praxis darstellt, um eine steueroptimale Gestaltung zu erreichen. In mehreren, teilweise inhaltsgleichen Entscheidungen hat der BFH nunmehr Kriterien festgelegt, unter welchen Voraussetzungen bei einer Verschmelzung ein „wichtiger Grund“ i. S. d. § 14 Abs. 5 KStG gegeben ist, eine Organschaft ohne steuerliche Sanktionen vorzeitig zu beenden (BFH 11.7.23, I R 36/20, Abruf-Nr.  238449 ; teilweise inhaltsgleich BFH 10.7.23, I R 21/20, I R 40/20, I R 45/20). |

     

    Sachverhalt

    Die A-GmbH, deren Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, gründete im August 01 die B-GmbH. Das Wirtschaftsjahr der B-GmbH lief vom 1.9. bis zum 31.8. Die A-GmbH und die B-GmbH schlossen einen Ergebnisabführungsvertrag (EAV), der zum Beginn der Tätigkeit der B-GmbH (1.8.01) wirksam sein sollte. Im Mai 02 wurde die A-GmbH auf die A-AG (Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr) verschmolzen. Verschmelzungsstichtag war der 1.1.02. Im Juni 04 wurde auch die B-GmbH auf die A-AG verschmolzen. Stichtag war hier der 1.9.04.

     

     

    Das FA erkannte im Jahr 02 die Organschaft zwischen der A-AG und der B-GmbH nicht an und erließ entsprechende Steuerbescheide gegenüber der B-GmbH. Das FG gab der Klage statt. Der BFH verwies die Sache an das FG zurück.

     

    Rechtliche Würdigung

    Verpflichtet sich eine Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland durch einen Gewinnabführungsvertrag, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen (§ 14 Abs. 1 S. 1 KStG).

     

    MERKE | Zu diesen Voraussetzungen gehört u. a., dass der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen ist und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG). Darüber hinaus muss der Organträger an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt sein, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht (finanzielle Eingliederung). Die Beteiligung an der Organgesellschaft muss zudem ununterbrochen während der gesamten Dauer der Organschaft einer inländischen Betriebsstätte i. S. d. § 12 AO des Organträgers zuzuordnen sein.

     

    Zwischen der A-AG (als Organträgerin) und der B-GmbH (als Organgesellschaft) lag im Jahr 02 die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung schon vom Beginn des Wirtschaftsjahres der A-AG (1.9.01) an vor.

     

    Bei den Auswirkungen umwandlungssteuerrechtlicher Vorgänge auf das Tatbestandsmerkmal der finanziellen Eingliederung i. S. d. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG kommt es für den Fall der Einbringung einer Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft entscheidend darauf an, dass die übernehmende Körperschaft umfassend und vorbehaltlos in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft eintritt.

     

    Dies gilt auch für die körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsvoraussetzungen. Deshalb ist es ausreichend, wenn ab dem Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft eine finanzielle Eingliederung zunächst zum übertragenden Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden Rechtsträger besteht. Ob die finanzielle Eingliederung rechtlicher oder rein tatsächlicher Natur ist und ob dieses Merkmal von der umwandlungssteuerlichen Rückwirkung erfasst wird, ist nicht entscheidend.

     

    Beachten Sie | Dies gilt auch dann, wenn der Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft (1.9.01) nicht mit dem umwandlungssteuerlichen Übertragungsstichtag (1.1.02) zusammenfällt. Denn der übernehmende Rechtsträger tritt hinsichtlich der finanziellen Eingliederung auch dann in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein, wenn der umwandlungssteuerliche Übertragungsstichtag nicht auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückbezogen wird.

     

    Es kommt für die Annahme einer finanziellen Eingliederung allein auf die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge bei der finanziellen Eingliederung in den übernehmenden Rechtsträger (Organträger) an und nicht zusätzlich auf die Voraussetzungen einer umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft. Die Rechtsinstitute der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge und der umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung stehen gleichberechtigt nebeneinander. Sie können den gleichen Zeitraum betreffen, müssen es aber nicht.

     

    Zwar folgt aus dem Ausnahmecharakter der Organschaft grundsätzlich eine strenge Auslegung der gesetzlichen Regelungen über die Voraussetzungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft. In Umwandlungsfällen werden diese Regelungen aber durch die umwandlungssteuerlichen Vorschriften ergänzt. Diese sehen eine umfassende umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge vor. Selbst eine enge Auslegung der Organschaftsregeln kann aber nicht dazu führen, diese umwandlungssteuerlichen Sonderregelungen zu negieren, zumal das Merkmal der finanziellen Eingliederung nicht personengebunden ist, sondern der Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft anhaftet, die mit der Umwandlung auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht.

     

    Aus Sicht der Organgesellschaft ändert die Umwandlung auf der Ebene des Organträgers nichts an der „Eingliederung“ in ein anderes Unternehmen. Ein umfassendes Verständnis der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge führt auch nicht dazu, dass die Regelungen zur umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung obsolet werden. Dies zeigt sich schon daran, dass die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge nicht für sämtliche Umwandlungen des UmwStG Anwendung findet. Außerdem bleibt die umwandlungssteuerliche Rückbeziehung insbesondere dann von Bedeutung, wenn es um die Zurechnung des Einkommens geht, das die Organgesellschaft in einem bereits abgeschlossenen Wirtschaftsjahr erzielt hat.

     

    Wird bei der Organgesellschaft zum umwandlungssteuerlichen Übertragungsstichtag ein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet, ist nur der ab diesem Zeitpunkt erzielte Gewinn an den neuen Organträger abzuführen und diesem steuerlich zuzurechnen. Wird dagegen ‒ wie im vorliegenden Fall ‒ kein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet, ist handelsrechtlich keine Zwischenbilanz aufzustellen. Der zivilrechtliche Anspruch auf Gewinnabführung richtet sich in diesem Fall allein danach, wer am Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft nach dem Gewinnabführungsvertrag anspruchsberechtigter Organträger ist. Auch § 14 Abs. 1 S. 1 KStG knüpft an den gesamten Gewinn nach dem handelsrechtlichen Jahresabschluss zum Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an, sodass keine Rechtsgrundlage für eine zeitanteilige unterjährige Einkommenszurechnung besteht.

     

    Beachten Sie | Bei der Verschmelzung auf Ebene des Organträgers kommt es gerade nicht zu einer unterjährigen Beendigung des EAV. Vielmehr geht der EAV aufgrund zivilrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge auf den neuen Organträger über. Entsprechend hat die Organschaft im gesamten Wirtschaftsjahr 02 bestand und alle Gewinne der B-GmbH sind der A-AG zuzurechnen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Mit der Entscheidung hat der BFH Umwandlungsvorgänge, an denen Organgesellschaften beteiligt sind, erheblich erleichtert. Unabhängig vom Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft ist für die finanzielle Eingliederung, und damit für das Bestehen einer Organschaft, entscheidend, wer am Ende des Wirtschaftsjahrs des Organträgers Mehrheitsgesellschafter der Organgesellschaft ist. Diesem werden alle Gewinne bzw. Verluste des gesamten Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft zugerechnet. Diese können dann vom Organträger verrechnet werden.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2024 | Seite 75 | ID 49871215

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents