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  • · Fachbeitrag · Grundstücke

    Mehrfachbelastung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer beim Hauskauf bedenklich

    von Dipl.-Finw. Dr. Volker Kreft, RiFG, Bielefeld

    | Viele Bauherren sind verwundert, wenn das Finanzamt bei bestimmten Fallkonstellationen sowohl den Erwerb des unbebauten Grundstücks als auch den späteren Hauskauf einschließlich der in den Baukosten enthaltenen Umsatzsteuer mit Grunderwerbsteuer besteuert. Grund dafür ist die in der Praxis äußerst umstrittene Rechtsfigur des „einheitlichen Vertragswerks“. Der folgende Beitrag analysiert die besonders konfliktträchtigen Fälle aus der aktuellen Finanzrechtsprechung. |

    1. Ausgangssituation

    1.1 Grunderwerbsteuerliche Behandlung

    Die Grunderwerbsteuer bemisst sich gemäß §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 GrEStG nach der Gegenleistung für das erworbene Grundstück. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zwar grundsätzlich das Verpflichtungsgeschäft - der Kaufvertrag über das Grundstück - maßgeblich für die Bestimmung dieser Gegenleistung; die Bemessungsgrundlage soll aber nicht durch das Verpflichtungsgeschäft begrenzt sein. Ergibt sich aufgrund weiterer Absprachen zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer, dass Gegenstand des Erwerbsvorgangs nicht das unbebaute, sondern ein bebautes Grundstück sein soll, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen - einheitlichen - Erwerbsgegenstand (so z.B. BFH 29.7.09, II R 58/07, BFH/NV 10, 63, m.w.N.).

     

    MERKE | Entscheidend ist danach, ob zwischen den selbstständigen Verträgen (Kaufvertrag, Bauerrichtungsvertrag) ein rechtlicher oder zumindest objektiv enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang wird angenommen, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags keine freie Entscheidungsmöglichkeit mehr über das „Ob“ und „Wie“ der Baumaßnahme gegenüber dem Veräußerer besitzt oder aber einen bis (annähernd) zur Baureife vorgeplanten, hinreichend bestimmten Geschehensablauf hinnimmt (BFH 23.8.06, II R 42/04, BFH/NV 07, 760).

    Hinweis | Diese verschärfenden Rechtsprechungsgrundsätze gelten auch beim Erwerb zum Zwecke der Modernisierung, der Sanierung oder des Ausbaus vorhandener Gebäude (BFH 29.7.09, a.a.O.)!

     

    1.2 Sonstige steuerliche, insbesondere umsatzsteuerliche Behandlung

    Die vorgenannte grunderwerbsteuerliche Betrachtung, die durch die Rechtsprechung des II. Senats des BFH geprägt ist, nimmt eine Sonderstellung ein. Im übrigen Steuerrecht, d.h. bei der Umsatzsteuer, bei der Grundsteuer, im Bewertungsrecht und bei der Einkommensteuer wird beim notariellen Erwerb eines unbebauten Grundstücks allein auf dieses abgestellt. So beurteilen die für Umsatzsteuer zuständigen Senate V und XI des BFH die Umsätze aus dem Grundstückskauf und den anschließenden Bauleistungen grundsätzlich als eigenständige Leistungen (Ausnahme: Die Leistungen werden von demselben Unternehmer erbracht). Folgen dieser Rechtsprechung sind die Beschränkung der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG auf den Erwerb des unbebauten Grundstücks und die Umsatzsteuerpflicht der Bauleistungen (vgl. BFH 29.10.08, XI R 74/07, BStBl II 09, 256).

     

    PRAXISHINWEIS | Die vorgenannte, mittlerweile auch von der Rechtsprechung des EuGH (27.11.08, Rs. C-156/08 „Vollkommer“, UR 09, 136) gebilligte Sichtweise des II. Senates führt zunächst zu einer Doppelbelastung der Bauleistungen mit Grunderwerb- und Umsatzsteuer. Die steuerlichen Auswirkungen haben sich durch die Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes in mehreren Bundesländern auf bis zu 5,5 % (ab 2011/2012) noch verschärft. Hinzu kommt zumindest für Erwerber von Privatimmobilien, dass Grunderwerbsteuer kumulierend auf bereits geleistete Umsatzsteuer erhoben wird.

    Hinweis | Gewerbliche Immobilienerwerber, die selbst Leistungen zur Herstellung, Instandsetzung und -haltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken (Ausnahme: Planungs- und Überwachungsleistungen) erbringen, sind dagegen wegen der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft gemäß § 13b Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 S. 2 UStG von dieser kumulierenden Wirkung nicht betroffen (vgl. Rutemöller, UR 12, 657, 658).

    2. Konfliktträchtige Fälle aus der aktuellen Rechtsprechung

    Die vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätze führen wegen fehlender Akzeptanz sowie der „Unschärfe“ der Anwendungsvoraussetzungen immer wieder zu Streitigkeiten mit dem Finanzamt. Hier die konfliktträchtigsten Fallkonstellationen im Überblick:

     

    2.1 Grundstückserwerb und Gebäudeerrichtung in unterschiedlichen Verträgen mit unterschiedlichen Vertragspartnern

    Sachverhalt: Der Kläger und seine Ehefrau hatten zunächst ein unbebautes Grundstück von der Wohnbau GmbH C als Miteigentümer zu je ½ erworben. Kurze Zeit später schlossen sie einen Bauvertrag mit der Firma D über die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem erworbenen Grundstück ab. Ein als Verkaufsberater für C tätiger Mitarbeiter hatte den Abschluss des Bauvertrages mit der Firma D vermittelt.

     

    FG Sachsen-Anhalt (30.11.11, 2 K 1414/09; NZB als unbegründet zurückgewiesen: BFH 23.11.12, II B 72/12): Auch wenn Grundstückserwerb und Gebäudeerrichtung in unterschiedlichen Verträgen mit unterschiedlichen Vertragspartnern geregelt sind, sind die Kosten der Gebäudeerrichtung in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn die auf der Veräußererseite tätigen Personen personell miteinander verbunden sind. Dies bejahte das Gericht hier, weil der Verkaufsberater des Grundstücksverkäufers hier vereinbarungsgemäß für das Zustandekommen und die Abwicklung des Bauvertrags vom Bauunternehmen eine Provision erhielt.

     

    2.2 Erkennbares Zusammenwirken auf Veräußererseite

    Sachverhalt: Der Kläger erwarb ein Grundstück von der B-Bank. Das Geschäft wurde von der B Immobilien GmbH vermittelt, einer Immobiliengesellschaft mehrerer Banken, u.a. der Verkäuferin. Anschließend schloss der Kläger mit der C-GmbH einen Vertrag über die Errichtung einer Doppelhaushälfte auf seinem Grundstück. Die B-GmbH erhielt (auch) von der C-GmbH eine Vermittlungsprovision. Das FA ging von einem einheitlichen Vertragswerk aus.

     

    FG Düsseldorf (23.11.11, 7 K 417/10 GE, EFG 12, 972, Rev. BFH: II R 3/12): Ein Werkvertrag über die Errichtung eines Gebäudes bildet mit dem Kaufvertrag über den Erwerb des unbebauten Grundstücks nur dann ein einheitliches Vertragswerk, das darauf gerichtet ist, dass der Erwerber ein Grundstück mit Bebauung erhält, wenn das Zusammenwirken auf der Veräußererseite für den Erwerber auch objektiv erkennbar war. Der enge zeitliche Rahmen, in dem Werkvertrag und Kaufvertrag abgeschlossen wurden, konnte im Streitfall kein Indiz für eine solche Kenntnis des Käufers sein.

     

    2.3 Einheitlicher Erwerbsgegenstand bei nach dem Grundstückskaufvertrag abgeschlossenem Generalübernehmervertrag

    Sachverhalt: Mit Kaufvertrag vom 19.2.04 erwarb der Kläger von der X-AG ein mit einem alten Verwaltungs- und Produktionsgebäude und einer Tiefgarage bebautes Grundstück. Beim Abschluss des Kaufvertrags war es an einen Dritten vermietet. Der Mietvertrag endete zum 31.12.05. Bereits im Dezember 03 hatte die X-AG dem Kläger den Abschluss eines Generalübernehmervertrags zur Sanierung des Gebäudes - befristet bis zum 30.6.05 - angeboten. Im September 2005 schloss der Kläger mit der X-AG einen dem Angebot (weitestgehend) entsprechenden Generalübernehmervertrag.

     

    BFH (28.3.12, II R 57/10, BStBl II 12, 920): Das Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsgegenstands wird indiziert, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot annimmt. Dies gilt auch, wenn das Angebot nach Abschluss des Kaufvertrags unwesentlich geändert wird. Ein einheitlicher Erwerbsgegenstand kann selbst dann vorliegen, wenn der Käufer das Angebot erst 19 Monate nach Abschluss des Kaufvertrags annimmt.

     

    Hinweis | Zur Anwendung der Korrekturvorschriften der §§ 173 Abs. 1 Nr. 1, 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, wenn das FA später von dem Abschluss des Werkvertrags erfährt, der den Schluss auf den Erwerb des Grundstücks im bebauten Zustand zulässt, siehe Loose, jurisPR-SteuerR 36/2012 Anm. 4.

     

    2.4 Abgestimmtes Verhalten von Grundstückseigentümer und Bauunternehmen

    Sachverhalt: Die Kläger hatten gemeinsam ein unbebautes Grundstück erworben. Zwei Wochen später schlossen sie einen Vertrag mit dem Bauunternehmen T-GmbH über die Errichtung einer „schlüsselfertigen“ Doppelhaushälfte ab. In den Erwerb des Grundstücks und die Bauplanung war das Baubetreuungsunternehmen E einbezogen. In einer gemeinsamen Werbebroschüre traten T und E unter einem gemeinsamen Logo als „ein starkes Team“ auf, das Baupartner zusammenbringe, die sich sonst nicht finden würden.

     

    FG Niedersachsen (26.8.11, 7 K 192/09, 7 K 193/09, 7 K 192/09, 7 K 193/09, EFG 12, 730; inzwischen aufgehoben!): Ein Bauerrichtungsvertrag (Werkvertrag), der im Zusammenhang mit dem Erwerb eines unbebauten Grundstücks (Kaufvertrag) abgeschlossen wird und der für den Bauherrn eine Umsatzsteuerbelastung auslöst, unterliegt regelmäßig nicht der Grunderwerbsteuer.

     

    BFH (27.9.12, II R 7/12): (Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung zum einheitlichen Vertragswerk): Dass das Grundstück von Privatpersonen erworben, der Bauerrichtungsvertrag hingegen mit einer Kapitalgesellschaft als Bauunternehmen geschlossen wurde, steht der Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstands nicht entgegen, wenn die Grundstücksveräußerer und das Bauunternehmen durch ein abgestimmtes Verhalten auf den gemeinsamen Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch des Bauerrichtungsvertrags hingewirkt haben.

     

    PRAXISHINWEIS | Gegen das zitierte Urteil des BFH wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt (Az. 1 BvR 2766/12). Einsprüche, die sich auf das Urteil des FG Niedersachsen stützen und wegen des anhängigen Revisionsverfahrens ruhten, sollten deshalb bis zum Abschluss des Verfahrens beim BVerfG nicht zurückgenommen werden.

    3. Bewertung der derzeitigen Rechtslage

    Die derzeitige Rechtslage ist gekennzeichnet durch viele für die Beratungspraxis schwer zu „kalkulierende“ Einzelfallentscheidungen. Kritikwürdig ist dabei weniger die jeweilige (isolierte) Argumentation der zuständigen Senate des BFH für ihre Rechtsgebiete, sondern vielmehr die fehlende Harmonisierung der beiden Rechtsprechungslinien (vgl. Rutemöller, UR 12, 654, 662). Diese führt letztlich zu unbefriedigenden Ergebnissen für die Betroffenen. Eine Abstimmung der Senate könnte aber nur bei Anrufung des Großen Senats des BFH erfolgen, die vielfach für erforderlich, mindestens wünschenswert gehalten wird (vgl. so bereits FG Niedersachsen vom 26.8.11, a.a.O.; Heine, UR 02, 197, 202). Ob es dazu kommen wird, ist fraglich. Ganz offensichtlich sieht der für das Grunderwerbsteuerrecht zuständige II. Senat des BFH keine für eine Anrufung des Großen Senats erforderliche Divergenz zu der Rechtsprechung des V. bzw. XI. Senats.

     

    FAZIT | Es bleibt also abzuwarten, ob die eingelegte Verfassungsbeschwerde, die sich im Wesentlichen auf eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG stützt (im Hinblick auf die vom BFH unterlassene Anrufung des Großen Senats), insoweit neue Erkenntnisse bringt. Andernfalls bleibt der steuerlichen Praxis wohl nichts weiter übrig, als sich auf die Rechtsprechungsgrundsätze zum einheitlichen Vertragswerk einzustellen (so auch Loose, jurisPR-SteuerR 1/2013 Anm. 5). Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass das „Hase und Igel-Spiel“ zwischen Gestaltungspraxis und BFH auch in Zukunft erhalten bleibt.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 99 | ID 37978460

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