14.11.2014 · IWW-Abrufnummer 172887
Bundesgerichtshof: Urteil vom 01.10.2014 – VII ZR 164/12
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers eines Bauvertrags enthaltene Vertragsklauseln, wonach Gewährleistungsansprüche bis zur vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung des Auftraggebers in Höhe von 7 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme durch Bürgschaften gesichert sind, benachteiligen den Auftragnehmer unangemessen und sind daher unwirksam (im Anschluss an BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - VII ZR 179/10, BauR 2011, 1324 = NZBau 2011, 410).
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richter Halfmeier, Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterin Graßnack
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 3. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der durch die Nebeninterventionen verursachten Kosten zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1 aus zwei Gewährleistungsbürgschaften auf Zahlung in Anspruch. Von der Beklagten zu 2, einer Ingenieurgesellschaft, die am Revisionsverfahren nicht beteiligt ist, fordert die Klägerin Schadensersatz wegen mangelhafter Bauüberwachung.
2
Die Klägerin beauftragte die Streithelferin der Beklagten zu 1 (im Folgenden: Auftragnehmerin) am 29. Oktober 1997 auf der Grundlage eines Angebots vom 9. September 1997 mit Bauarbeiten zur Erschließung des Baugebietes "L. Ä. " in Z. Die Leistungen der Auftragnehmerin wurden am 1. Juli 1999 unter Vorbehalt von Mängeln abgenommen. Die Auftragnehmerin hatte der Klägerin zunächst eine Vertragserfüllungsbürgschaft der Beklagten zu 1 übergeben. Am 8. Juli 2002 übersandte die Auftragnehmerin der Klägerin die streitgegenständlichen Gewährleistungsbürgschaften vom 25. Juni 2002 und 1. Juli 2002 über 19.778,10 € und 24.659,93 €. Die zuvor gestellte Vertragserfüllungsbürgschaft gab die Klägerin daraufhin zurück. Die Klägerin nimmt, nachdem die Auftragnehmerin eine Mängelbeseitigung trotz Fristsetzung nicht vorgenommen hat, die Beklagte zu 1 aus den Bürgschaften wegen Mängelbeseitigungskosten für Straßenschäden sowie für einen fehlenden Grundstücksanschluss und Schäden an einem Absperrschieber in Anspruch.
3
In den dem Auftrag zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin zugrundeliegenden Besonderen Vertragsbedingungen EVM (B) BVB (im Folgenden: BVB) ist unter Nr. 6. Sicherheitsleistungen Folgendes vereinbart:
"6.1Als Sicherheitsleistung für die Vertragserfüllung nach Nr. 33.1 ZVB/E hat der Auftragnehmer eine Bürgschaft nach dem Formblatt EFB-Sich 1 in Höhe von 5 v.H. der Auftragssumme einschließl. der Nachträge zu stellen.
Leistet der Auftragnehmer die Sicherheit nicht binnen 18 Werktagen nach Vertragsschluß (Zugang des Auftragsschreibens bzw. der Nachtragsvereinbarung), so ist der Auftraggeber berechtigt, die Abschlagszahlungen einzubehalten, bis der Sicherheitsbetrag erreicht ist. Nach Empfang der Schlußzahlung und Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche kann der Auftragnehmer verlangen, daß die Bürgschaft in eine Gewährleistungsbürgschaft gemäß Formblatt EFB-Sich 2 in Höhe von 2 v.H. der Abrechnungssumme umgewandelt wird.
6.2Als Sicherheit für die Gewährleistung nach Nr. 33.2 ZVB/E werden 2 v.H. der Auftragssumme einschließl. der Nachträge einbehalten, nach Feststellung der Abrechnungssumme ist diese maßgebend. Der Auftragnehmer kann stattdessen eine Gewährleistungsbürgschaft nach dem Format EFB-Sich 2 stellen.
...6.4Für Bürgschaften gilt Nr. 34 ZVB/E."
4
Nr. 33.1 der EVM (B) ZVB (im Folgenden: ZVB) lautet:
"Die Sicherheit für Vertragserfüllung erstreckt sich auf die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag, insbesondere für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich Abrechnung, Gewährleistung und Schadensersatz, sowie auf die Erstattung von Überzahlungen einschließlich der Zinsen."
5
In Nr. 34 der ZVB ist Folgendes bestimmt:
"34.3
Die Bürgschaftsurkunden enthalten folgende Erklärungen des Bürgen:
- Der Bürge übernimmt für den Auftragnehmer die selbstschuldnerische Bürgschaft nach deutschem Recht.
- Auf die Einreden der Anfechtung und der Aufrechnung sowie der Vorausklage gemäß §§ 770, 771 BGB wird verzichtet.
- Die Bürgschaft ist unbefristet: sie erlischt mit der Rückgabe dieser Bürgschaftsurkunde.
- Gerichtsstand ist der Sitz der zur Prozessvertretung des Auftraggebers zuständigen Stelle.
34.4Bei Bürgschaften für Vertragserfüllung, Abschlagszahlungen oder Vorauszahlungen hat sich der Bürge zu verpflichten, auf erstes Anfordern an den Auftraggeber zu zahlen.
...34.6Die Urkunde über die Vertragserfüllungsbürgschaft wird nach vorbehaltloser Annahme der Schlußzahlung zurückgegeben, wenn der Auftragnehmer
- die Leistung vertragsgemäß erfüllt hat,
- etwaige erhobene Ansprüche (einschließlich Ansprüche Dritter) befriedigt hat und
- eine vereinbarte Sicherheit für Gewährleistung geleistet hat."
6
Die Klägerin hat die Beklagte zu 1 - insoweit gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 2 - auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 43.070,24 € sowie auf Feststellung in Anspruch genommen, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, die den Zahlungsbetrag übersteigenden Kosten der Mängelbeseitigung an den Straßen und Wegen der Erschließungsanlage und am Trinkwasserabsperrschieber am Schieberkreuz L. Straße/L. Ä. bis zu einem Betrag von 44.434,03 € zu ersetzen.
7
Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 1 im Wege des Teilurteils abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
8
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
9
Auf das Schuldverhältnis der Parteien ist das Bürgerliche Gesetzbuch und das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Fassung anzuwenden, die für bis zum 31. Dezember 2001 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.
I.
10
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der in den überreichten Bürgschaften entsprechend der Sicherungsabrede vereinbarte formularmäßige Ausschluss der Einreden der Anfechtung und der Aufrechnung sei unwirksam, weil keine Einschränkung hinsichtlich unbestrittener oder rechtskräftig festgestellter Forderungen bzw. solcher Anfechtungsgründe enthalten sei. Der unwirksame Ausschluss der Bürgenrechte gemäß § 770 BGB in der Sicherungsabrede und in den Bürgschaftsverträgen habe jedoch eine Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede oder des Bürgschaftsvertrags nicht zur Folge.
11
Die Beklagte zu 1 könne der Inanspruchnahme aus den Bürgschaften aber deswegen die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung entgegenhalten, weil die in Nr. 34.4 der zusätzlichen Vertragsbestimmungen enthaltene formularmäßige Bestimmung für die Vertragserfüllungsbürgschaft, wonach der Bürge auf erstes Anfordern an den Auftraggeber zu zahlen habe, unwirksam sei und dies die Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede zur Folge habe. Aufgrund der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede für die Vertragserfüllungsbürgschaft habe die Klägerin keinen Anspruch auf Stellung der streitgegenständlichen Gewährleistungsbürgschaften, die die Vertragserfüllungsbürgschaft ablösen sollten.
12
Die Klausel in Nr. 34.6 der zusätzlichen Vertragsbestimmungen sei ebenfalls wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam. Dadurch, dass der Austausch der Vertragserfüllungsbürgschaft durch eine weniger hohe Gewährleistungsbürgschaft von einer vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung abhängig gemacht werde, gerate das gleichwertige Gefüge der beiderseitigen Rechte und Pflichten faktisch aus dem Gleichgewicht, weil der Auftraggeber die Auswechslung der Bürgschaften durch eine zögerliche Schlusszahlung behindern und zudem ein unangemessener Druck auf den Auftragnehmer ausge übt werden könne, auch eine unzureichende Schlusszahlung vorbehaltlos anzunehmen. Die zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führende Klausel, die sich zunächst auf die Vertragserfüllungsbürgschaft bezogen habe, habe zur Folge, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Ablösung der Vertragserfüllungsbürgschaft durch die streitgegenständlichen Gewährleistungsbürgschaften gehabt und die Gewährleistungsbürgschaften somit ohne Rechtsgrund erlangt habe.
II.
13
Dies hält der rechtlichen Überprüfung nur im Ergebnis stand.
14
Die Beklagte zu 1 kann der Inanspruchnahme aus den von ihr übernommenen Gewährleistungsbürgschaften mit Erfolg die Einrede nach § 768 Abs. 1 Satz 1, § 821 BGB entgegenhalten, die Auftragnehmerin habe die Bürgschaften ohne rechtlichen Grund gestellt. Die den Bürgschaften zugrunde liegenden Sicherungsabreden sind unwirksam.
15
1. Dem Bürgen stehen gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB die Einwendungen des Schuldners aus der Sicherungsabrede mit dem Gläubiger zu. Hat der Bürge eine Sicherung gewährt, obwohl die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger unwirksam ist, so kann er sich gegenüber dem Leistungsverlangen des Gläubigers auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und auf die Einrede des Hauptschuldners berufen, dass der Gläubiger die Inanspruchnahme des Bürgen zu unterlassen hat. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des Akzessorietätsgedankens, der sicherstellen soll, dass der Bürge grundsätzlich nicht mehr zu leisten hat als der Hauptschuldner (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - VII ZR 39/08, BGHZ 179, 374 Rn. 9; Urteil vom 23. Januar 2003 - VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311, 316 m.w.N.; Urteil vom 10. Februar 2000 - IX ZR 397/98, BGHZ 143, 381, 384 f.).
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2. Der Senat kann offen lassen, ob der nach Nr. 34.3 ZVB formularmäßig ausbedungene Verzicht des Bürgen auf die Einrede der Aufrechenbarkeit für die von der Beklagten zu 1 zu stellenden Gewährleistungsbürgschaften die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede zur Folge hat, wenn der Einredeausschluss auch unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen umfasst, wie die Beklagte zu 1 unter Hinweis auf obergerichtliche Entscheidungen geltend macht (vgl. OLG Jena, MDR 2010, 259 [OLG Jena 17.11.2009 - 4 W 485/09]; OLG Frankfurt, NJW-Spezial 2012, 686 [OLG Frankfurt am Main 27.09.2012 - 5 U 7/12]; anders dagegen: OLG Hamburg, BauR 2011, 1007 Rn. 5; OLG Düsseldorf, NZBau 2008, 767, 768 [OLG Düsseldorf 30.05.2008 - 22 U 113/07]). Denn die den Gewährleistungsbürgschaften zugrunde liegende Sicherungsabrede ist bereits aus anderen Gründen unwirksam. Sie führt zu einer unangemessenen Übersicherung von Gewährleistungsansprüchen, § 9 Abs. 1 AGBG.
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a) Von Rechtsfehlern beeinflusst ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, die in Nr. 34.4 ZVB enthaltene formularmäßige Bestimmung für die Vertragserf üllungsbürgschaft sei im vorliegenden Fall bereits deswegen unwirksam, weil der Bürge als Vertragserfüllungsbürgschaft eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen habe.
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aa) Die Verpflichtung eines Auftragnehmers in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, zur Sicherung des Anspruchs auf Erfüllung des Vertrags eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen, ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB (§ 9 Abs. 1 AGBG) unwirksam, weil der Auftragnehmer hierdurch unangemessen benachteiligt wird. Die Unwirksamkeit der Klausel hat für vor dem 1. Januar 2003 geschlossene Verträge jedoch nicht zur Folge, dass keine Verpflichtung des Auftragnehmers besteht, eine Bürgschaft zu stellen. Vielmehr ist für eine Übergangszeit, wobei der maßgebende Zeitpunkt der 1. Januar 2003 ist, der Vertrag dahin auszulegen, dass der Auftragnehmer eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft schuldet (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - VII ZR 502/99, BGHZ 151, 229, 234 ff.; Urteil vom 25. März 2004 - VII ZR 453/02, BauR 2004, 1143, 1145 = NZBau 2004, 322; Urteil vom 9. Dezember 2010 - VII ZR 7/10, BauR 2011, 677 Rn. 20 = NZBau 2011, 229). Der Bauvertrag zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin ist am 29. Oktober 1997 und damit vor Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. Juli 2002 (VII ZR 502/99, BGHZ 151, 229) geschlossen worden. Die Vertragsklausel in Nr. 34.4 ZVB ist daher dahin auszulegen, dass der Auftragnehmer eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft schuldet. Die Beklagte zu 1 hat die Vertragserfüllungsbürgschaft auch als unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft erteilt.
19
bb) Ohne Erfolg macht die Beklagte zu 1 geltend, der Klägerin käme im vorliegenden Fall ein Vertrauensschutz nicht zugute. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Mai 2011 (VII ZR 179/10, BauR 2011, 1324 = NZBau 2011, 410). In dem dort entschiedenen Fall ging es um die Wirksamkeit einer Vertragsklausel, nach der eine Vertragserfüllungsbürgschaft nur durch eine Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden konnte. Eine solche Vertragsbestimmung steht nicht in Rede. Die Bestimmung in Nr. 34.4 ZVB bezieht sich ausdrücklich nur auf Bürgschaften für Vertragserfüllung, Abschlagszahlungen oder Vorauszahlungen, nicht dagegen auf Gewährleistungsbürgschaften.
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Nicht zu folgen ist ferner der von der Beklagten zu 1 vertretenen Ansicht, eine ergänzende Vertragsauslegung scheide deswegen aus, weil bereits im Jahr 1997 die Problematik von Sicherungsabreden, die die Akzessorietät einer Bürgschaft teilweise aufheben, bekannt gewesen sei. Dies ergibt sich aus der angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Juli 2011 (VII ZR 207/09, BauR 2011, 1809 = NZBau 2011, 610) nicht. Diese betraf einen im Jahr 2005 und damit nach Bekanntwerden der Entscheidung vom 4. Juli 2002 geschlossenen Bauvertrag. Eine hinreichende Kenntnis der Problematik der im Streit stehenden Sicherungsabrede hat der Bundesgerichtshof erst ab dem 1. Januar 2003 angenommen.
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b) Die Sicherungsabrede in Nr. 6.1 BVB ist jedoch unwirksam, weil sie in Verbindung mit Nr. 34.6 ZVB und im Zusammenwirken mit Nr. 6.2 BVB eine Übersicherung des Auftraggebers für Gewährleistungsansprüche zur Folge hat, die ihm für den nach der Abnahme der Werkleistung liegenden Zeitraum zustehen können. Dies benachteiligt den Auftragnehmer im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG unangemessen.
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aa) Nach den von der Klägerin gestellten Vertragsbestimmungen hat der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme zu stellen, die nicht nur Vertragserfüllungs- und Überzahlungsansprüche, sondern auch Gewährleistungsansprüche absichert. Diese Bürgschaft wird gemäß Nr. 34.6 ZVB nach vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung zurückgegeben, wenn der Auftragnehmer vertragsgemäß erfüllt, etwaige Ansprüche (einschließlich Ansprüche Dritter) befriedigt und eine vereinbarte Sicherheit für die Gewährleistung geleistet hat. Diese Regelung ermöglicht es dem Auftraggeber, die Vertragserfüllungsbürgschaft auch noch längere Zeit nach der Abnahme zu behalten. Denn eine vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung durch den Auftragnehmer ist nicht zwingend, sondern es kann Streit über noch offene Forderungen des Auftragnehmers entstehen, der sich sogar über Jahre hinziehen kann, etwa dann, wenn er in einem Prozess ausgetragen wird. Die Klausel soll dem Auftraggeber nach der maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung das Recht verschaffen, die Vertragserfüllungsbürgschaft solange zurückzubehalten, bis die Höhe der dem Auftragnehmer zustehenden Forderung feststeht. Auf diese Weise werden jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Gewährleistungsansprüche über die Vertragserfüllungsbürgschaft mitgesichert (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - VII ZR 179/10, BauR 2011, 1324 Rn. 23 = NZBau 2011, 410).
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bb) Das von der Klägerin gestellte Klauselwerk führt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers, weil er für einen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit von 7 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme leisten muss. Das ist durch das Sicherungsinteresse des Auftraggebers nicht mehr gedeckt.
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(1) Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, liegt eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers vor, wenn die vom Auftraggeber gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen dazu führen, dass der Auftragnehmer für einen jedenfalls erheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus für mögliche Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit in Höhe von 10 % der Auftragssumme zu leisten hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2014 - VII ZR 248/13, BGHZ 200, 326 Rn. 16; Urteil vom 5. Mai 2011 - VII ZR 179/10, aaO Rn. 27 f.). Der Bundesgerichtshof hat für den nach der Abnahme liegenden Zeitraum Sicherheiten in Form von Gewährleistungsbürgschaften in Höhe von 5 % der Auftragssumme dagegen nicht beanstandet. In der Praxis der privaten Bauwirtschaft hat sich zur Absicherung der dem Auftraggeber nach Abnahme zustehenden Gewährleistungsansprüche die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft von höchstens 5 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme durchgesetzt. Diese Höhe der Sicherheit trägt dem Umstand Rechnung, dass das Sicherungsinteresse des Auftraggebers nach der Abnahme deutlich geringer ist als in der Vertragserfüllungsphase. Sie nimmt vor allem Rücksicht darauf, dass die Belastung des Auftragnehmers durch Sicherheiten nach der Abnahme schon mit Rücksicht darauf, dass er den Vertrag erfüllt hat und dem Auftraggeber wegen des geschuldeten Werklohns auch noch Leistungsverweigerungsrechte zustehen können, gering zu halten ist. Dazu zählt auch eine Belastung mit Avalzinsen. Eine deutlich höhere Sicherung über einen Zeitraum weit über die Abnahme hinaus ist daher nicht mehr hinnehmbar (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - VII ZR 179/10, aaO Rn. 28). Es kann dahinstehen, ob an der Rechtsprechung festzuhalten ist, dass in Ausnahmefällen eine Vereinbarung noch als wirksam anzusehen ist, die eine Sicherheit durch eine kombinierte Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft von 6 % vorsieht, mit der gleichzeitig Überzahlungs- und Gewährleistungsansprüche abgesichert werden (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2004 - VII ZR 453/02, BauR 2004, 1143, 1145 = NZBau 2004, 322). Eine Sicherheit von insgesamt 7 % übersteigt jedenfalls das unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen von Auftraggeber und Auftragnehmer angemessene Maß.
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(2) Die Sicherungsabrede führt für einen - unter Umständen - erheblichen Zeitraum nach der Abnahme der Werkleistung zu einer Sicherung des Auftraggebers im Umfang von 7 %. Der Auftragnehmer hat nach der Vertragsbestimmung in Nr. 6.1 BVB eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme zu stellen. In Höhe von weiteren 2 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme ist der Auftraggeber zur Vornahme eines Sicherheitseinbehalts für Gewährleistung gemäß Nr. 6.2 BVB berechtigt, der durch Stellen einer unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaft abgelöst werden kann. Insoweit unterscheidet sich das von der Klägerin gestellte Klauselwerk von demjenigen, das der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Mai 2011 (VII ZR 179/10, BauR 2011, 1324 = NZBau 2011, 410) zugrunde lag. Nach der dort formularmäßig vereinbarten Vertragsklausel konnte der Auftragnehmer den Sicherheitseinbehalt für Gewährleistung in Höhe von 5 % lediglich gegen Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ablösen. Dies ist für den Auftragnehmer unangemessen belastend und deshalb für ihn nicht zumutbar, weil er durch diese Klausel gezwungen würde, zur Reduzierung der Sicherheit dem Auftraggeber jederzeitigen und auch ungerechtfertigten Zugriff auf seine Liquidität einzuräumen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - VII ZR 179/10, aaO Rn. 27). Auch für den Fall, dass der Auftragnehmer berechtigt ist, den Sicherheitseinbehalt für Gewährleistung gegen Stellung einer unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaft abzulösen mit der Folge, dass der Auftragnehmer die Sicherheiten für Gewährleistungsansprüche nach der Abnahme ausschließlich in Form von Bürgschaften stellen kann, hat eine solche Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers zur Folge, wenn der Umfang der nach Abnahme der Werkleistung für Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers zu stellenden Sicherheiten 5 % der Abrechnungssumme deutlich überschreitet. Dies ist der Fall, wenn der Auftragnehmer für diesen Zeitraum Bürgschaften im Umfang von insgesamt 7 % zu stellen hat.
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cc) Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, die Bestimmung in Nr. 6.2 BVB bilde einen eigenständigen Rechtsgrund für die von der Beklagten zu 1 gestellten Gewährleistungsbürgschaften. Die Vertragsbestimmung in Nr. 6.2 BVB ist in Verbindung mit Nr. 6.1 BVB und Nr. 34.6 ZVB unwirksam.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die belastende Wirkung einer für sich allein gesehen noch hinnehmbaren Klausel durch eine oder mehrere weitere Vertragsbestimmungen derart verstärkt werden, dass der Vertragspartner des Verwenders im Ergebnis unangemessen benachteiligt wird. Ergibt sich die unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers erst aus der Gesamtwirkung zweier, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Klauseln, sind beide Klauseln unwirksam. Denn es ist nicht Sache des Gerichts auszusuchen, welche der beiden Klauseln bestehen bleiben soll (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - VII ZR 179/10, aaO Rn. 29; Urteil vom 17. Januar 1989 - XI ZR 54/88, BGHZ 106, 259, 263 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Unwirksamkeit der Sicherungsvereinbarung wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers ergibt sich aus dem Zusammenwirken der Klauseln über die Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft in Nr. 6.1 BVB in Verbindung mit Nr. 34.6 ZVB und über den Sicherheitseinbehalt nach Nr. 6.2 BVB, der durch eine unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft abgelöst werden kann. Dies hat zur Folge, dass beide Vertragsbestimmungen sowohl in Nr. 6.1 BVB als auch in Nr. 6.2 BVB unwirksam sind.
28
Entgegen der Auffassung der Revision kann die Klausel in Nr. 34.6 ZVB nicht in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil zerlegt und etwa mit dem Inhalt aufrechterhalten werden, der sich nach Streichung des Passus "nach vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung" ergibt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, auch wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen unwirksamen - Regelungen stehen. Nur dann, wenn der als wirksam anzusehende Rest im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel (BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - VII ZR 39/08, BGHZ 179, 374 Rn. 15; Urteil vom 10. Oktober 1996 - VII ZR 224/95, BauR 1997, 302, 303 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Mit der Streichung der Formulierung über die vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung in Nr. 34.6 ZVB erhielte die Klausel einen von ihrem ursprünglichen Inhalt grundsätzlich abweichenden Regelungsgehalt, der letztlich zu einer der Intention des Klauselverwenders entgegenstehenden abweichenden Vertragsgestaltung führen würde. Die Bestimmung in Nr. 34.6 ZVB, durch die die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft von der vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung durch den Auftragnehmer abhängig gemacht wird, soll nach ihrem Sinn und Zweck sicherstellen, dass dem Auftraggeber als Verwender die vom Auftragnehmer gestellte Vertragserfüllungsbürgschaft auch zur Sicherung von Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüchen für den Fall zur Verfügung steht, dass über die Höhe des vom Auftraggeber zu zahlenden Werklohns nachtr äglich Streit zwischen den Vertragsparteien entsteht. Eine solche Sicherung des Auftraggebers würde dagegen mit der Streichung des Passus über die vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung ersatzlos entfallen. Dies hätte zur Folge, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft nach dem dann noch verbleibenden Klauselinhalt gegenüber der ursprünglich intendierten Regelung zu einem grundlegend anderen und seinem Umfang nach deutlich geringwertigeren Sicherungsmittel für den Auftraggeber umgewandelt würde. Dies liefe im Ergebnis auf eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion der beanstandeten Klausel hinaus.
29
dd) Die von der Revision in der mündlichen Verhandlung angeregte Möglichkeit, die Klausel für eine Übergangszeit für wirksam zu halten, kommt nicht in Betracht. Die Revision hat keinen Tatbestand dargelegt, der ein Vertrauen des Auftraggebers dahingehend begründen könnte, die Klausel halte einer Inhaltskontrolle stand. Allein der Umstand, dass über die Wirksamkeit dieser Klausel noch keine Entscheidung ergangen ist, begründet keinen Vertrauenstatbestand.
30
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.
Kniffka
Halfmeier
Kartzke
Jurgeleit
Graßnack
Verkündet am:1. Oktober 2014