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  • · Fachbeitrag · Urteil des Monats

    Nachweis der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung durch Privaturkunde

    • 1. Stellt der Insolvenzschuldner in einem gerichtlichen Vergleich den Rechtsgrund der titulierten Forderung als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung außer Streit, steht das Beruhen der Forderung auf 
einer unerlaubten Handlung für den Feststellungsprozess bindend fest.
    • 2. Der Nachweis der deliktischen Forderung ist auch durch einen Vertrag möglich, der ein Anerkenntnis enthält.
    • 3. Der Streitwert der Feststellungsklage ist nicht in Höhe der Forderung festzusetzen, sondern auf das Feststellungsinteresse zu reduzieren.

    (OLG Düsseldorf 7.6.13, 7 U 198/11, Abruf-Nr. 133581)

     

    Sachverhalt

    Der Kläger begehrt vom beklagten Insolvenzschuldner die Feststellung, dass eine vom Kläger im Insolvenzverfahren des Beklagten angemeldete Forderung aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung stammt. Gläubiger und Schuldner waren in einer Sozietät als Rechtsanwalt (Gläubiger/Kläger) und als Steuerberater (Schuldner/Beklagter) verbunden. Die Umsatzsteuern, für die beide Parteien dem Finanzamt nach außen als Gesamtschuldner hafteten, musste der Rechtsanwalt im Innenverhältnis anteilig für die 
Umsätze der rechtsanwaltlichen Tätigkeit und der Schuldner für die steuerberatende Tätigkeit leisten, wobei der Schuldner es übernommen hatte, die Erklärungen zu fertigen und einzureichen. Der Rechtsanwalt leistete dazu seinen Beitrag. Ab April 2008 meldete der Schuldner dem Finanzamt als 
Umsatz der Sozietät nur noch die Umsätze aus der Tätigkeit des Rechtsanwalts und verschwieg seine Einkünfte. Das führte dazu, dass in Unkenntnis des Rechtsanwalts Ansprüche des Finanzamts auf Umsatzsteuerzahlungen der Sozietät für die Umsätze des Beklagten entstanden, für die der Kläger im Außenverhältnis haftete und dementsprechend nach Aufdeckung des Sachverhalts in Anspruch genommen wurde.

     

    Der Rechtsanwalt schloss mit dem Schuldner einen notariellen „Darlehensvertrag“ mit Vollstreckungsunterwerfung ‒ bei gleichzeitiger Aufhebung der Sozietät ‒, über die von ihm ausgeglichene rückständige Umsatzsteuer von 42.000 EUR.

     

    In § 8 heißt es dort: „Der Darlehensnehmer bekennt, dass die Forderung des Darlehensgebers auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Darlehensnehmers beruht und somit in einer Insolvenz des Darlehensnehmers nicht der Rechtsschuldbefreiung unterliegt, weil der Darlehensnehmer vor dem Darlehensgeber systematisch und trotz Nachfragen verborgen hat, dass er keine Umsatzsteuervoranmeldungen auf seine Umsätze angegeben hat. Bis zum Tag der Selbstanzeige hat er dem Darlehensgeber geflissentlich verborgen, dass er die Umsatzsteuerzahlungen zum eigenen Konsum verwendet hat in Kenntnis, dass der Darlehensgeber aufgrund der gemeinsamen Haftung diese Beträge zwangsläufig zahlen muss und wird, um der Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz zu entgehen.“

     

    Nachdem der Schuldner in Insolvenz geraten ist, hat der Rechtsanwalt seine Darlehensrückzahlungsforderung (auch) aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung angemeldet. Dem hat der Schuldner widersprochen, 
sodass der Rechtsanwalt Feststellungsklage erhoben hat. Zur Begründung bezieht er sich primär auf das Anerkenntnis in der Vereinbarung, in zweiter Linie auf die Darstellung der tatsächlichen Umstände und die sich hieraus nach §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 StGB ergebende unerlaubte Handlung. Der Beklagte sieht keinen über den Darlehensrückzahlungsanspruch und einen Gesamtschuldnerausgleichanspruch (§ 426 BGB) hinausgehenden Rechtsgrund.

     

    Das LG hat die Klage abgewiesen. Das vertragliche Anerkenntnis sei unwirksam, da damit die Hinweispflicht des Insolvenzgerichts auf die Folgen unterlaufen werde. Im Übrigen fehle es an einem kausalen Schaden, da die 
Umsatzsteuerschuld auch bei richtiger Erklärung angefallen wäre.

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Die dargestellte Konstellation ist für die Praxis der Forderungsbeitreibung von hoher Bedeutung. Ist die Forderung auch aus vorsätzlich begangener 
unerlaubter Handlung begründet, wird sie in der Vollstreckung nach § 850f Abs. 2 ZPO durch die Verdrängung des Pfändungsschutzes für Arbeitseinkommen nach § 850c ZPO privilegiert und in der Insolvenz durch die Nichtteilnahme an der Restschuldbefreiung nach § 302 InsO.

     

    Nachweis des deliktischen Charakters der Forderung

    Gegenüber dem Vollstreckungsgericht und dem Insolvenzgericht muss der deliktische Charakter der Forderung nachgewiesen werden. Eine eigene Prüfungskompetenz kommt diesen nicht zu. Als Nachweis dient selbstverständlich ein entsprechendes Feststellungsurteil, das zu erlangen für den Gläubiger aber mit besonderen Mühen verbunden ist.

     

    Der BGH hat sich zum Nachweis schon mehrfach zu Wort gemeldet:

     

    • Ist in dem zu vollstreckenden Titel keine oder nur eine vertragliche 
Anspruchsgrundlage genannt, kann der Gläubiger im Vollstreckungsverfahren ohne Zustimmung des Schuldners nicht mehr nachweisen, dass der titulierte Anspruch auch auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht. Eine Herabsetzung des pfändbaren Betrags nach § 850f Abs. 2 ZPO scheidet deswegen aus, weil das Vollstreckungsgericht den Titeln nicht hat entnehmen können, dass die Zwangsvollstreckung (auch) wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben wird. Eine weitergehende Prüfungskompetenz steht dem Vollstreckungsgericht nicht zu (BGH NJW 03, 515). Diese Entscheidung begründet, dass ein besonderer Nachweis erforderlich ist.

     

    • Wenn der Gläubiger erst aufgrund von Erkenntnissen, die ihm nach Erwirken des Titels zuwachsen, zur erfolgreichen Geltendmachung eines 
Anspruchs aus unerlaubter Handlung in der Lage ist, kann das Vollstreckungsgericht dem Antrag auf eine privilegierte Pfändung gemäß § 850f Abs. 2 ZPO nur stattgeben, wenn der Schuldner zustimmt. Fehlt es an 
dieser Zustimmung, muss der Gläubiger Feststellungsklage erheben, 
um dem Schuldner, der bisher keinen Anlass hatte, sich gegen den Vorwurf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung zu wehren, eine sachgerechte Verteidigung vor dem Prozessgericht zu ermöglichen (BGH ZVI 02, 422).

     

    MERKE  | Ein Nachweis ist entbehrlich, wenn der entgegen § 834 ZPO zum 
Antrag anzuhörende Schuldner den deliktischen Rechtsgrund im Sinne des § 138 ZPO ausdrücklich einräumt. Das wird regelmäßig nicht zu erreichen sein.

     

     

    • Durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheids kann der Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung für das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO durch den Gläubiger nicht geführt werden (BGH NJW 05, 1663).

     

    MERKE  | Damit hat der BGH der Praxis ein bis zu diesem Zeitpunkt höchst praktikables Instrument genommen und die heutigen Schwierigkeiten des Gläubigers, den Nachweis kostengünstig zu führen und Verzögerungsstrategien des Schuldner entgegentreten zu können, zunichte gemacht.

     

     

    • Hat der Schuldner mit einem gerichtlichen Vergleich auch den Rechtsgrund der dadurch titulierten Forderung als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung außer Streit gestellt, steht für den Feststellungsprozess bindend fest, dass die Forderung auf einer entsprechenden Handlung beruht (BGH VE 09, 171).

     

    Kann der Schuldner im Nachweisverfahren den deliktischen Rechtsgrund anerkennen, stellt sich natürlich die Frage, ob er das nicht auch in einer privatrechtlichen Vereinbarung kann. Genau damit hatte sich das OLG Düsseldorf auseinanderzusetzen und hat die Frage positiv beantwortet.

     

    Das eröffnet in der Praxis neue Möglichkeiten, die früher durch den Vollstreckungsbescheid geschaffene Option durch ein praktikables Instrument zu ersetzen. Im Angesicht seiner deliktischen Handlung und in zeitlicher Nähe zu ihr wird der Schuldner nämlich häufig bereit sein, ein entsprechendes 
Anerkenntnis abzugeben.

     

    Ratenzahlungsvereinbarungen können so insolvenzsicher(er) gestaltet werden. Die Entscheidung umschreibt die Voraussetzungen dazu und weist Einwände gegen diese Verfahrensweise zurück.

     

    Ordnungsgemäße Forderungsanmeldung

    Die Forderungsanmeldung, die den Sachverhalt der unerlaubten Handlung skizzieren muss, war zunächst ordnungsgemäß. Ein Fall des § 184 Abs. 2 InsO lag hier nicht vor. Der Kläger hat seine Forderung zwar in der notariellen 
Urkunde vom 28.9.09 tituliert. Es fehlte aber die Feststellung, dass die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht.

     

    MERKE  | Wenn der Schuldner bereit ist, ein notarielles Schuldanerkenntnis 
abzugeben, kann also auch der Feststellungsausspruch über den deliktischen Rechtsgrund tituliert werden. Nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO konnten sich die Parteien über die Feststellung verständigen. Es wäre nur auch insoweit die Vollstreckungsunterwerfung erforderlich gewesen. Hieran fehlte es.

     

     

    Nach Ansicht des OLG Düsseldorf bedurfte es keiner erneuten Feststellung und Entscheidung, ob das Verhalten des Beklagten eine unerlaubte Handlung oder nur ein Anspruch aus Darlehensvertrag oder aus § 426 BGB ist. Für die Feststellung des Rechtsgrundes der unerlaubten Handlung reicht es aus, dass der Beklagte in dem „Darlehensvertrag“ vom 23.9.09 in § 8 das Attribut der unerlaubten Handlung mit einer entsprechenden Belehrung als Steuerberater mit den entsprechenden Kenntnissen über Sinn und Zweck dieses Attributes bestätigt hat.

     

    Checkliste / Drei Voraussetzungen der Rechtswirksamkeit

    Aus den Ausführungen ergibt sich, dass drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um das Anerkenntnis gelten zu lassen:

     

    • Es ist ein ausdrückliches Anerkenntnis erforderlich, dass der anerkannte Zahlungsanspruch auch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stammt.
    • Das Anerkenntnis muss von der Belehrung über die Folgen nach § 850f Abs. 2 ZPO und § 302 InsO eingerahmt sein.
    • Das Anerkenntnis soll eine grobe Schilderung enthalten, woraus sich der 
deliktische Grund im Tatsächlichen ergibt.
     

    Die Rechtsgrundsätze des BGH

    Das OLG Düsseldorf stellt damit das Anerkenntnis in einem privatrechtlichen Vergleich demjenigen im gerichtlichen Vergleich gleich (BGH VE 09, 171). Eine richterliche Schlüssigkeitsprüfung ist im Fall einer Willensübereinstimmung der Parteien zum deliktischen Charakter der Forderung nicht erforderlich, weil sie durch die Einigung der Parteien ersetzt wird, die sich auch über die Rechtsnatur des Anspruchs verhielt und diese dem Streit der Parteien entzog. Diese Rechtsgrundsätze des BGH gelten nicht nur für den gerichtlichen Vergleich, sondern zumindest auch für außergerichtliche Erklärungen mit Vergleichscharakter, in denen die Parteien die Rechtsnatur des Anspruchs außer Streit stellen. Aufgrund der Einigung der Parteien sei der Sachverhalt auch anders zu beurteilen als beim Vollstreckungsbescheid (BGH NJW 05, 1663; WM 12, 1874).

     

    Das OLG Düsseldorf erachtet es anders als das AG Göttingen (NZI 12, 31 und NZI 12, 679) auch nicht für erforderlich, dass der Schuldner anwaltlich vertreten ist. Die Möglichkeit der rechtlichen Beratung durch einen Rechtsanwalt 
‒ gegebenenfalls auf Kosten der Staatskasse ‒ sei nicht gleichzusetzen mit der Unwirksamkeit einer Erklärung, die durch nicht rechtlich beratene Parteien abgegeben wird. Im Rahmen der Privatautonomie bleibe es jedem Schuldner überlassen, auch ohne rechtliche Beratung wirksam Erklärungen abzugeben. Das Erfordernis einer anwaltlichen Vertretung für die Wirksamkeit der Erklärung würde ein im Gesetz nicht vorgesehenes Erfordernis schaffen.

     

    Ein derartiges Erfordernis gibt es beispielsweise beim Anwaltsvergleich 
gemäß § 796 a ZPO oder im Fall der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung beim Notar gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Für den Fall des Anerkenntnisses der Rechtsnatur einer Forderung sieht das Gesetz in 
§§ 781, 782 BGB teilweise Schriftform, aber keine Vertretung durch Rechtsanwälte vor. Im Zwangsvollstreckungsrecht ist auch sonst keine Vertretung durch Rechtsanwälte zwingend erforderlich. Ein Schuldner kann nachträglich im Rahmen einer laufenden Zwangsvollstreckung auch ohne anwaltliche Vertretung dem Schuldgrund einer vorsätzlich unerlaubten Handlung und einer Pfändung ohne Rücksicht auf die in § 850c ZPO vorgesehenen 
Beschränkungen gemäß § 850f Abs. 2 ZPO zustimmen (BGH NJW 03, 515).

     

    Auch eine Umgehung der Belehrungspflicht des § 175 Abs. 2 InsO sei nicht festzustellen. Der Gesetzgeber hat diese Vorschrift eingeführt, um den Schuldner davor zu schützen, dass er nach erfolgreicher Wohlverhaltensperiode 
erfahren würde, eine Forderung wäre von einer Restschuldbefreiung nicht 
erfasst, da ihr eine Deliktshandlung zugrunde liegt. Diese Belehrung enthält aber schon das Anerkenntnis.Es kann nach Ansicht des OLG Düsseldorf nicht eingewendet werden, eine nach anwaltlicher Beratung abgetretene Erklärung sei erforderlich, weil Inkasso-Unternehmen oder hartnäckige Gläubiger den Schuldner, der wirtschaftlich in die Enge getrieben ist und sich möglicherweise im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens keine Gedanken über die weitere Abwicklung des Verfahrens macht, veranlassen könnten, bedenkenlos die Erklärung zum Rechtsgrund der unerlaubten Handlung abzugeben, insbesondere wenn einer solchen Erklärung nicht der Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 302 InsO beigefügt sein sollte. Das OLG sieht hier andere Wege: Erklärungen von Schuldnern in Drucksituationen könne die rechtliche Wirksamkeit im Einzelfall versagt werden. Das heißt: Der Schuldner kann seine Erklärung kondizieren, trägt hierfür aber die Darlegungs- und Beweislast. Auch können die Erklärungen durch Anfechtung beseitigt werden oder aufsichtsrechtlich gegen ein unseriöses Inkassounternehmen vorgegangen werden.

     

    Anwendung der Rechtsgrundsätze des BGH auf den konkreten Fall

    Hier war die Entscheidung einfach. Ein Inkassobüro war nicht tätig. Der Beklagte war Steuerberater und von Berufs wegen mit den Grundzügen des Insolvenzrechts vertraut. Darüber hinaus enthielt die Klausel den Hinweis auf die Rechtsfolgen der Restschuldbefreiung für deliktische Tatbestände. Der Schuldner hat auch nicht vorgetragen, dass er bei der Abgabe seiner Erklärung unter Druck gesetzt wurde. Er hatte die Wahl, den Darlehensvertrag oder die sonst eintretenden Rechtsfolgen zu akzeptieren. Eine Anfechtung wegen Täuschung oder aus anderen Rechtsgründen hat er nicht erklärt.

     

    Im Übrigen ist auch eine deliktische Forderung gemäß § 826 BGB, sollte sie entgegen der vom OLG vertretenen Meinung gesondert zu prüfen sein, zu bejahen. Eine Vertragsverletzung, hier eine Verletzung des Sozietätsvertrags, ist eine gesetzlich sittenwidrige Schädigung, wenn ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit gegenüber dem betroffenen Gläubiger und ein schwerwiegender Verstoß gegen das Anstandsgefühl vorliegt, der mit dem Grundbedürfnis loyaler Gesinnung unvereinbar ist (Palandt, BGB, 72. Aufl., § 826, 
Rn. 23). Der Beklagte missbrauchte seine Rechtstellung als steuerlicher 
Berater im Innenverhältnis der Parteien, indem er für den Kläger unerkannt dessen Haftung im Außenverhältnis begründete, weil er ihn absichtlich in die Haftung für seine eigenen Umsatzsteuerschulden laufen ließ. Das war auch vorsätzlich, weil der Beklagte als Steuerberater die Konstruktion zur Schaffung eigener Liquidität um den Preis der Haftung des Klägers in einem steuerlichen Tatbestand ‒ Umsatzsteuer ‒ geschaffen hat.

     

    Es bestehen keine Bedenken zur Kausalität. Hätte der Beklagte den Kläger über seine Geldnot informiert und angezeigt, dass er zur Zahlung der 
Umsatzsteuervorausleistung nicht in der Lage ist, hätte der Kläger sofort die Sozietät beenden und damit die Haftung des Klägers für die zukünftig entstehenden Umsatzsteuerschulden des Beklagten vermeiden können. Dies zeigt auch § 9 des abgeschlossenen Darlehensvertrags, weil der Kläger sofort die Beendigung der Sozietät im Rahmen des Darlehensvertrags erklärt hat.

     

    Der Höhe nach umfasst der Anspruch aus unerlaubter Handlung nicht nur die Hauptforderung. Die Zinsen und Kosten sind Ansprüche aus unerlaubter Handlung im Sinne der §§ 174, 175, 302 InsO, auch wenn sie zugleich Nebenforderungen aus Verzug oder Darlehen sind (BGH MDR 11, 195).

     

    Gemäß § 3 ZPO kennzeichnet der festgesetzte Streitwert angemessen das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Feststellung des Attributs. Wird dem Beklagten die Restschuldbefreiung aufgrund der deliktischen Natur der Forderung versagt, kann der Kläger seinen Anspruch auch nach Ende des Insolvenzverfahrens betreiben. Der Wert der Feststellung ist das Vollstreckungsinteresse, gemessen an dem voraussichtlichen Vollstreckungserfolg. Da es nicht um die Forderung selbst, sondern nur um eine Feststellung des Attributes der deliktischen Handlung zur Erhaltung einer Vollstreckungsmöglichkeit nach dem Ende des Insolvenzverfahrens geht, ist der Streitwert nicht in Höhe der Forderung festzusetzen, sondern auf das Feststellungsinteresse zu reduzieren. Der BGH hat für eine deliktische Forderung 25 Prozent des Nominalbetrags der Forderung abzüglich der voraussichtlichen Quote angenommen (BGH 12.2.09, IX ZB 56/08). Abzuziehen vom Nennwert der Forderung ist die auf die angemeldete Forderung voraussichtlich entfallende Insolvenzdividende, da der Gläubiger diesen Betrag auch erlangt, wenn er in dem Feststellungsprozess unterliegt (BGH MDR 66, 996).

     

    Die Vollstreckungsaussichten des Klägers sind in diesem Fall gleichwohl deutlich besser als 25 Prozent der Forderung abzüglich der Quote. Der 
Beklagte ist aufgrund der Planinsolvenz weiterhin vermutlich bis zur Altersgrenze im Jahr 2020 als Steuerberater tätig und erzielt damit nicht unerhebliche Einnahmen. Das OLG bewertet daher die Vollstreckungsaussichten des Gläubigers mit einem Betrag in Höhe von 50 Prozent der Forderung.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 203 | ID 42418939