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  • · Fachbeitrag · Verjährung

    Verjährungshemmung im gerichtlichen Mahnverfahren

    Bei der Geltendmachung von Schadenersatz im Mahnverfahren bleibt verjährungsrechtlich unerheblich, ob später vom kleinen Schadenersatzanspruch auf den großen Schadenersatzanspruch gewechselt wird (BGH 5.8.14, XI ZR 172/13, Abruf-Nr. 142724).

     

    Sachverhalt

    Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistung von Schadenersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten in Anspruch. Zwischen dem 17.7.09 und dem 26.8.09 haben die Parteien wegen eines Anspruchs gegen die Beklagte aus Beratungspflichtverletzung korrespondiert. Der Kläger hat am 7.6.10 Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gestellt, mit dem er die Beklagte u.a. auf („kleinen“) Schadenersatz wegen einer Beratungspflichtverletzung von 30.738 EUR in Anspruch genommen hat. Der antragsgemäß erlassene Mahnbescheid ist der Beklagten am 14.6.10 zugestellt worden. LG und OLG haben nach dem Widerspruch der Beklagten die Klage, die in ihrer Begründung und Antragstellung nun auf den „großen“ Schadenersatz abhob abgewiesen, da die verfolgten Ansprüche jedenfalls nach § 37a WpHG verjährt seien.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Diese Auffassung teilt der BGH nicht. Der Kläger hat die drohende Verjährung mit der Beantragung des Mahnbescheids jedenfalls rechtzeitig gehemmt. Bei schwebenden Verhandlungen wirkt die Hemmung grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurück, in dem der Gläubiger seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend gemacht hat (BGH FMP 14, 132). Nach den bindenden Feststellungen des Ausgangsgerichts haben die Parteien zwischen dem 17.7.09 und dem 26.8.09 über den Anspruch des Klägers verhandelt. Der 17.7. und der 26.8. gehörten als die Tage, in deren Verlauf der Hemmungsgrund entstand und wegfiel, zur Hemmungszeit. Damit lief die Verjährungsfrist des § 37a WpHG a.F. ‒ deren Anlaufen am 26.4.07 unterstellt (§ 187 Abs. 1 BGB) ‒ nicht mit dem Ende des 26.4.10 (§ 188 Abs. 2 Fall 1 BGB), sondern nicht vor dem Ende des 6.6.10, da es sich dabei um einen Sonntag handelte, also dem 7.6.10 ab.

     

    Der am 7.6.10 eingegangene Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids konnte die Verjährung damit erneut nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB hemmen.

     

    MERKE | § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB stellt nicht auf den Mahnbescheidsantrag, sondern auf dessen Zustellung ab. Hier hilft allerdings § 167 BGB. Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 BGB gehemmt werden, tritt diese Wirkung danach bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Das war im konkreten Fall gegeben.

     

    Allerdings wird nur die Verjährung der Ansprüche aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt wie ihn der Mahnbescheidsantrag beschreibt, gehemmt. Dies stand hier infrage, weil mit dem Mahnbescheidsantrag noch der kleine Schadenersatzanspruch geltend gemacht wurde, während die Klagebegründung dann auf den großen Schadenersatzanspruch abhob. Für den BGH hindert das den Eintritt der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht. Ob die eine oder die andere Art des Schadenersatzes geltend gemacht wird, ist lediglich eine Frage der Schadensberechnung. Wechselt der Kläger die Art der Schadensberechnung, ohne seinen Antrag auf einen abgewandelten Lebenssachverhalt zu stützen, liegt keine Klageänderung vor. Ein Missbrauch des Mahnverfahrens, der den Antragsteller bei der Geltendmachung von „großem“ Schadenersatz im Einzelfall nach § 242 BGB daran hindern kann, sich auf die Hemmung der Verjährung zu berufen, wenn er eine Erklärung nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO abgibt, obwohl er nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung die empfangene Leistung Zug um Zug zurückzugeben hat, fällt dem Kläger nicht zur Last.

     

    MERKE | Der Kläger hat „Glück“ gehabt, dass sein Anspruchswechsel nicht als Klageänderung galt. Grundsätzlich ist das Mahnverfahren nach § 688 Abs. 2 BGB nicht statthaft, wenn die begehrte Leistung ‒ wie beim großen Schadenersatzanspruch ‒ von einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung abhängig ist. Wird dies durch eine fehlerhafte Bezeichnung des verfolgten Anspruchs oder ab einer bewusst wahrheitswidrige Angabe im Mahnbescheidsantrag zu umgehen versucht, ist damit zu rechnen, dass dem Kläger die verjährungshemmende Wirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben wieder genommen wird. Das hat der BGH schon entschieden (NJW 12, 995).

    Quelle: Ausgabe 01 / 2015 | Seite 17 | ID 43085352