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  • · Fachbeitrag · Inkassokosten

    Wenn behauptet und nicht geprüft wird, kommt man zum falschen Ergebnis

    von RiOLG Frank-Michael Goebel, Koblenz, Stv. Vors. des Kostenrechtssenats

    Inkassokosten sind nur unter Berücksichtigung der Schadensminderungspflicht erstattungsfähig. In der Regel ist von einem einfachen Schreiben auszugehen (AG Kassel 4.3.15, 435 C 4822/14, Abruf-Nr. 144349).

     

    Entscheidungsgründe

    Inkassokosten, die nach Inkrafttreten des RVG entstanden sind, können als Verzugsschadenersatz gegenüber der beklagten Partei im Hinblick auf die Schadensminderungspflicht des § 254 Abs. 2 BGB grundsätzlich nur in Höhe der Kosten beansprucht werden, die bei vorgerichtlicher Beauftragung eines Rechtsanwalts angefallen wären. Zugrunde zu legen ist für die Berechnung eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV RVG, denn die durch Schuldnerverzug veranlasste zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entfaltete Tätigkeit des Inkassobüros ist auf Tätigkeiten gerichtet, die in diesem Gebührentatbestand beschrieben sind, nämlich auf Mahnschreiben einfacher Art, also Schreiben ohne schwierige rechtliche Ausführungen und ohne größere sachliche Auseinandersetzungen. Höherwertige Tätigkeiten, die gemäß Nr. 2300 VV RVG abgerechnet werden könnten, hatte die Klägerin nicht dargelegt.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung ist inhaltlich unzutreffend, weil sie nicht einmal den Wortlaut der einschlägigen Normen prüft und sich mit ihm auseinandersetzt. Dass das Gericht als Gebühr für ein einfaches Schreiben Nr. 2302 VVRVG statt Nr. 2301 VVRVG zitiert ist dabei nur eine Fußnote.

     

    Das AG Kassel unterliegt leider der Versuchung vom Inhalt des Schreibens auf dessen Entstehung zu schließen. Das steht weder im Einklang mit dem Wortlaut der maßgeblichen Bestimmungen noch mit der allgemeinen Auffassung zu den Voraussetzungen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VVRVG im Verhältnis zur Gebühr für ein einfaches Schreiben nach Nr. 2301 VVRVG.

     

    Es ist streng zwischen dem Auftragsverhältnis des Gläubigers mit dem Inkassounternehmen und dem Erstattungsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner zu trennen. Wie das BVerfG (zuletzt 7.9.11, 1 BvR 1012/11, JurBüro 12, 379) in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (st. Rspr. seit BGH 24.5.67, VIII ZR 278/64) ausgesprochen hat, gibt es keinen Zweifel, dass die Inkassovergütung (Gebühren und Auslagen) als zweckentsprechend und notwendig im Rahmen der Rechtsverfolgung erstattungsfähig ist.

     

    Der Gläubiger darf aber nie mehr als die Gebühren nach dem RVG verlangen. Ergab sich dies in der Vergangenheit aus § 254 BGB, hat der Gesetzgeber dies seit Oktober 2013 für vorgerichtliche Forderungen mit § 4 Abs. 5 RDGEG geregelt.

    Der Inkassodienstleister muss also seit dem 9.10.13 im Außenverhältnis nach den Gebührenziffern und Anmerkungen der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG und den Bestimmungen des RVG im Übrigen abrechnen. Ziel des Gesetzgebers war es, mit dieser Regelung Vergleichbarkeit und Transparenz im Erstattungsverhältnis zu wahren.

     

    Nr. 2301 VVRVG ist aber regelmäßig nicht einschlägig, sondern die maßgebliche Gebühr dem Gebührenrahmen der Nr. 2300 VVRVG als Geschäftsgebühr zu entnehmen. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der Norm, wonach Nr. 2301 RVG nur einschlägig ist, wenn sich der Auftrag auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt. Dafür, dass solche Beschränkung des Auftrages im konkreten Fall vorlag, gibt der Sachverhalt der Entscheidung nichts her und darauf stellt das Gericht auch nicht ab.

     

    Im Hinblick auf die notwendige Aktenanlage, die Prüfung der Forderungsberechtigung, die Adressverifikation und die Bonitätskontrolle ist eine solche Beschränkung des Auftrags auch nicht angezeigt. Der Gläubiger ist also auch unter dem Gesichtspunkt der „Notwendigkeit“ von Kosten bzw. der Zweckmäßigkeit seiner Rechtsverfolgung nicht gehalten, lediglich die Versendung eines einfachen Schreibens zu beauftragen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das AG Kassel oder andere Gerichte einen vergleichbaren Maßstab bei der Tätigkeit von Rechtsanwälten anlegen.

     

    MERKE | Vor dem Hintergrund, dass der Gläubiger selbst in der Regel auch schon einfache Mahnschreiben versandt hat, kommt dem auch kein Sinn zu. Gerade in den erweiterten Vorprüfungen und den Wirkungen einer Mahneskalation liegt der Wert der Beauftragung.

     

     

    Es kommt nach allgemeiner Meinung nicht darauf an, wie sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts oder des registrierten Inkassounternehmens nach außen hin darstellt, ob er also aus Sicht des Adressaten und Empfängers nur ein „einfaches Mahnschreiben“ erstellt hat. Es kommt vielmehr auf den Inhalt des Auftrags an. Demgemäß beschränkt sich der Auftrag nicht auf ein Schreiben einfacher Art, wenn der Rechtsdienstleister generell mit der Durchsetzung einer Forderung beauftragt ist, demgemäß mit der rechtlichen Prüfung der Forderung und gegebenenfalls auch mit Verhandlungen mit dem Schuldner sowie ‒ erst recht ‒ mit der Entgegennahme von Zahlungen. Regelmäßig umfasst der Auftrag auch die Aufgabe die Berechtigung der Forderung bzw. die Voraussetzungen einer Kündigung und letztlich die gegen beides erhobenen Einwendungen zu klären. Nach außen hin kann die Überprüfungs- und Beratungstätigkeit durchaus nur in einem „einfachen Mahnschreiben“ zum Ausdruck kommen, gleichwohl ist in derartigen Fällen die Gebühr nach Nr. 2300 VV und nicht nach Nr. 2301 VV entstanden.

     

    Dies entspricht allgemeiner Auffassung in der Kommentarliteratur wie der Rechtsprechung (BGH NJW 83, 2451 ‒ noch zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung in § 120 Abs. 1 BRAGO; Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Aufl., Nr. 2301 Rn. 2; v. Seltmann, in: Beck´scher Onlinekommentar zum RVG, Stand September 2014, Nr. 2301 VVRVG Rn. 1).

    Quelle: Ausgabe 05 / 2015 | Seite 82 | ID 43342310