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Urteil vom 12.10.2023 · IWW-Abrufnummer 238694

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz - Aktenzeichen 5 Sa 154/22

War ein Bewährungshelfer vor seiner Einstellung bei einem Betreuungsverein als gesetzlicher Betreuer von Erwachsenen nach § 1896 BGB tätig, hat er keine einschlägige Berufserfahrung im Sinne des § 16 Abs. 2 TV-L für seine Tätigkeit als Bewährungshelfer. Die Vortätigkeit als Betreuer deckt nicht im Wesentlichen die gesamte inhaltliche Breite der Tätigkeit eines Bewährungshelfers ab.


Tenor: 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 28. April 2022, Az. 2 Ca 2917/21, wird auf seine Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anrechnung der bei einem anderen Arbeitgeber erworbenen Berufserfahrung im Rahmen der Stufenzuordnung bei Einstellung des Klägers.

Der 1983 geborene Kläger ist Sozialarbeiter/Sozialpädagoge mit staatlicher Anerkennung. Er wurde ab 1. September 2016 vom beklagten Land auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags als Bewährungshelfer im Landgerichtsbezirk Koblenz eingestellt. Anschließend schlossen die Parteien mehrere befristete Änderungsverträge. Am 1. Oktober 2020 wurde der Kläger zum Sozialinspektor ernannt und in das Beamtenverhältnis berufen. Vor seiner Einstellung war der Kläger vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. August 2016 beim Betreuungsverein der Arbeiterwohlfahrt Rhein-Hunsrück e.V. (im Folgenden AWO) als Fachkraft beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörten die Führung von gesetzlichen Betreuungen von Erwachsenen nach § 1896 BGB sowie die Querschnitts- und Öffentlichkeitsarbeit. Seine Tätigkeiten wurden von der AWO in einem Arbeitszeugnis vom 31. August 2016 und in einer Ergänzung vom 22. Februar 2021 dargestellt. Ausweislich des vorgelegten Arbeitsvertrags und der Verdienstabrechnungen der AWO wurde der Kläger nach VergGr. IVa des Bundesmanteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (BMT-AW II) vergütet.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Der Kläger wurde bei seiner Einstellung ab 1. September 2016 nach Entgeltgruppe 10 TV-L vergütet und der Stufe 1 zugeordnet, ab 1. September 2017 erfolgte eine Zuordnung in Stufe 2, ab 1. September 2019 in Stufe 3. Zum 1. Januar 2020 wurde der Kläger nach § 29e TVÜ-L in die neue S-Entgeltgruppe 15 TV-L übergeleitet und Stufe 3 zugeordnet.

Die Stufenzuordnung bei einer Einstellung bestimmt sich nach § 16 TV-L. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 16 Stufen der Entgelttabelle (1) 1Die Entgeltgruppen 2 bis 15 umfassen jeweils sechs Stufen. ... (2) 1Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. 2Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis. 3Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, beziehungsweise - bei Einstellung nach dem 31. Januar 2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren - in Stufe 3. ... Protokollerklärungen zu § 16 Abs. 2: 1. Einschlägige Berufserfahrung ist eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogen entsprechenden Tätigkeit. ... (3) Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe - von Stufe 3 an in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 17 Abs. 2 - nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit): - Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1, - Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2, - Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3, ..."

Mit Schreiben vom 22. Februar 2017 stellte der Kläger einen "Antrag auf Stufenzuordnung gem. § 16 II TV-L" und begehrte eine "Höhergruppierung in die Stufe 3". Er ist der Ansicht, er habe aufgrund seiner Tätigkeit als Betreuer bei der AWO einschlägige Berufserfahrung im Tarifsinne erworben. Das beklagte Land lehnte eine höhere Stufenzuordnung ab. Mit Klageschrift vom 15. Dezember 2021 machte der Kläger für die Zeit von Januar 2018 bis einschließlich September 2020 Entgeltdifferenzen zwischen der tatsächlich gezahlten Vergütung und Entgelt nach Stufe 3 bzw. ab 1. September 2019 nach Stufe 4, einschließlich der Jahressondervergütungen 2018 und 2019, in einer Gesamthöhe von zuletzt € 9.029,22 brutto nebst Prozesszinsen geltend. Dieser Anspruch ist zwischen den Parteien nach Grund und Höhe streitig. Das beklagte Land beruft sich ua. darauf, dass etwaige Ansprüche des Klägers nach der tarifvertraglichen Ausschlussfrist in § 37 TV-L verfallen seien. Für etwaige Ansprüche bis zum 31. Dezember 2018 erhebt das beklagte Land hilfsweise die Verjährungseinrede, weil die Klageschrift vom 15. Dezember 2021 erst am 20. Januar 2022 wirksam zugestellt worden sei. Ferner wendet es rechtsmissbräuchliches Verhalten bzw. Verwirkung ein.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn € 9.029,22 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 28. April 2022 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine höhere Stufenzuordnung. Er habe nicht schlüssig dargelegt, dass er bei seiner Einstellung als Bewährungshelfer zum 1. September 2016 über einschlägige Berufserfahrung iSd. § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L verfügt habe. Die Vortätigkeit des Klägers als gesetzlicher Betreuer bei der AWO sei eingruppierungsrechtlich nicht gleichwertig. Der beim Vorarbeitgeber wohl angewendete Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale (TV-TM) zum BMT-AW II enthalte zwar Eingruppierungsvorschriften für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst, die dem Vergütungsgefüge des BAT ähnelten. Für Bewährungshelfer habe jedoch bereits der BAT, nunmehr der TV-L, exklusive Vergütungs-/Fallgruppen bzw. Entgeltgruppen statuiert. Es bestehe daher keine eingruppierungsrechtliche Äquivalenz zwischen Arbeitnehmern, die als Sozialarbeiter/Sozialpädagogen oder Bewährungshelfer beschäftigt werden. Ferner sei dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen, dass er aufgrund seiner in der früheren Tätigkeit bei der AWO erworbenen Qualifikationen und Erfahrungen in der Lage gewesen sei, "aus dem Stand" die Tätigkeit als Bewährungshelfer voll auszufüllen. Eine wertende Vergleichsdarstellung könne zwar auch - wie vom Kläger wesentlich vorgenommen - unter Berücksichtigung von Berufsbildbeschreibungen stattfinden. Es müsse sich hieraus jedoch ein mit der Vortätigkeit tatsächlich erworbenes "volles Spektrum der Anforderungen der neuen Tätigkeit" verbinden lassen. Daran fehle es im Streitfall. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 28. April 2022 verwiesen.

Gegen das am 10. Mai 2022 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 9. Juni 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 11. August 2022 verlängerten Begründungsfrist mit Schriftsatz vom 9. August 2022 begründet.

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, nach den tariflichen Vorgaben sei er bei seiner Einstellung in Stufe 3 der Entgeltgruppe 10 TV-L einzustufen gewesen, denn er habe bei der AWO einschlägige Berufserfahrung erworben. Er habe erstinstanzlich umfangreich zur Vergleichbarkeit seiner Tätigkeiten als Sozialarbeiter/Sozialpädagoge im Rahmen seiner Vorbeschäftigung als gesetzlicher Betreuer mit seiner aktuellen Tätigkeit als Bewährungshelfer vorgetragen. Seinen Ausführungen lasse sich die einschlägige Berufserfahrung iSd. Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 TV-L entnehmen. Dies habe das Arbeitsgericht verkannt. Erwähnenswert sei, dass auch die grundlegenden Qualifikationen der beiden Tätigkeiten, zB. die Gesprächsführung, die sozialpädagogischen Handlungsansätze und die Netzwerkstrukturen keine Unterschiede aufwiesen. Die Bewährungshilfe sei derart stark in die Sozialarbeit integriert, dass nicht mehr von einem Zweig der Sozialarbeit gesprochen werden könne, sondern von einem Bestandteil. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe er seine bei der AWO erworbenen Qualifikationen und Erfahrungen "eins zu eins" in seine Tätigkeit als Bewährungshelfer einbringen können. Ansonsten wäre er nicht in der Lage gewesen, ohne nennenswerte Einarbeitungszeit von Beginn an ca. 35 Bewährungen zu übernehmen und eigenständig zu bearbeiten. Dies bestätige auch der Sprecher der Bewährungshilfe bei dem Landgericht Koblenz in seinem Schreiben vom 29. Juni 2022. Ausschlaggebend für seine Einstellung als Bewährungshelfer sei seine einschlägige Berufserfahrung als gesetzlicher Betreuer gewesen. Er habe seine Tätigkeit im neuen Arbeitsverhältnis "aus dem Stand" voll ausfüllen können. Dies hätten ihm Faktoren ermöglicht, wie die Arbeit mit dem identischen Personenkreis und deren Problemlagen, die ihm bekannt und vertraut gewesen seien. Er habe deshalb auch nicht die Netzwerkpartner kennenlernen müssen, sondern weiter in einem ihm wohlbekannten System gearbeitet. Da die Arbeitsabläufe für ihn nicht neu gewesen seien, habe er weitere Hilfen schnell beantragen können. Er habe seit dem ersten Tag voll eigenverantwortlich gearbeitet, was ohne einschlägige Berufserfahrung unmöglich gewesen wäre. Er habe sofort an der Fallverteilung teilnehmen können, ihm seien neue Fälle zugeordnet worden. Bereits nach zehn Arbeitstagen sei ihm ein Eilfall zugewiesen worden. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts bestehe die Aufgabe eines Bewährungshelfers nicht nur darin, den Probanden beizubringen, ohne Straftaten zu leben. Vielmehr seien die auszuübenden Tätigkeiten vielfältig und vom Einzelfall abhängig. Nach Checkliste 2 der "Standards der Bewährungshilfe Rheinland-Pfalz" vom 19. November 2010 erstreckten sich die Hilfs- und Betreuungsangebote im Fachbereich Bewährungshilfe auf folgende Themenkreise: Aufarbeitung der Straftat und deren Folgen, allgemeine Lebensberatung mit dem Ziel der Hilfe zur Selbsthilfe (wie zB. psychosoziale Beratung, Partnerberatung, Erziehungsberatung, Schul-, Ausbildungs- und Berufsberatung, Freizeitberatung und -angebote, Beratung und Unterstützung in finanziellen Angelegenheiten, Unterstützung bei Behördenangelegenheiten, Begleitung bei Behördengängen, Hilfestellung bei notwendigem Schriftverkehr). Auch die Annahme des Arbeitsgerichts, dass die Kontrolle der Erfüllung von Auflagen und Weisungen einen Aufgabenfokus ausmachten, gehe fehl. Hauptaufgabe eines Bewährungshelfers sei, dem Verurteilten helfend und betreuend zur Seite zu stehen. Er helfe insbesondere bei der Gestaltung der existenziellen Lebensbedingungen, wie Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche und den bereits aufgelisteten Themenkreisen. Über diese Hilfe hinaus habe der Bewährungshelfer auch die vom Strafgericht auferlegten Auflagen und Weisungen zu überwachen. Aufgabenfokus sei hier eindeutig, wie auch bei dem Sozialarbeiter, die Hilfsfunktion. Dies werde auch in einem Infoblatt deutlich, dass das Justizministerium im Jahr 2016 herausgegeben habe. Hier werde die Hilfe explizit vor der Kontrolle genannt. Auch die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu seiner Einarbeitung seien unrichtig. Nach den "Standards der Bewährungshilfe" erhalte jeder Kollege von diensterfahrenen Bewährungshelfern im Rahmen eines Mentorenprinzips eine Einarbeitung. In der Anfangszeit sollten maximal zehn Probanden zu betreuen sein. Er habe in der Zeit vom 30. August 2016 bis zum 31. Dezember 2018 bereits eine überdurchschnittlich hohe Anzahl von 68 Fällen übernommen. Dies sei ihm ua. dadurch möglich gewesen, dass er aus seinem vorherigen Tätigkeitsbereich profunde Vorkenntnisse mitgebracht habe, die er "eins zu eins" habe einsetzen können. Seine gesammelten beruflichen Erfahrungen im vorausgegangenen Arbeitsfeld als Betreuer seien insoweit von großer Bedeutung gewesen.

Zweitinstanzlich stützt der Kläger seinen Anspruch zusätzlich auf einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Es liege eine sachwidrige Ungleichbehandlung gegenüber der Bewährungshelferin R. vor, die vom beklagten Land ebenfalls am 1. September 2016 eingestellt worden sei. R. sei bei ihrer Einstellung in Stufe 2 eingestuft worden, weil ihre Vorbeschäftigungszeit als Sozialpädagogin bei dem privaten Arbeitgeber GFBI (einer Gesellschaft zur Förderung beruflicher Integration) als einschlägige Berufserfahrung anerkannt worden sei. Ferner liege gegenüber der Bewährungshelferin Z. eine Ungleichbehandlung vor. Deren Vorbeschäftigungszeit sei als einschlägige Berufserfahrung dem Grunde nach anerkannt, jedoch wegen einer zeitlich erheblichen Unterbrechung nicht berücksichtigt worden. Seine Tätigkeiten bei der AWO seien mit den Vortätigkeiten der Bewährungshelferinnen R. und Z. bei deren Vorarbeitgebern vergleichbar.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 28. April 2022, Az. 2 Ca 2917/21, abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, an ihn € 9.029,22 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land ist der Ansicht, die Berufung sei bereits unzulässig, weil es an einer hinreichenden Berufungsbegründung fehle. Das Rechtsmittel sei jedenfalls unbegründet. Es verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die angefochtene Entscheidung. Die erstmalig mit der Berufungsbegründung aufgestellte und damit verspätete Behauptung des Klägers, bei "verschiedenen Kollegen" seien Vordienstzeiten anerkannt worden, sei unsubstantiiert und nicht einlassungsfähig. Der zweitinstanzliche Vortrag des Klägers zu einer angeblichen Ungleichbehandlung gegenüber der Bewährungshelferin R. sei unsubstantiiert und verspätet. Im Übrigen habe Frau R. im Gegensatz zum Kläger bei ihrer Einstellung über einschlägige Berufserfahrung im Tarifsinne verfügt. Die Bewährungshelferin Z. sei nicht besser eingestuft worden als der Kläger. Deren Vordienstzeiten seien in der Korrespondenz mit ihrem Bevollmächtigten nicht als einschlägig anerkannt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig. Entgegen der Ansicht des beklagten Landes hat sich der Kläger mit den entscheidungserheblichen Erwägungen des Arbeitsgerichts hinreichend auseinandergesetzt und die Gesichtspunkte dargetan, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll.

II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Die Zahlungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Entgeltdifferenzen iHv. € 9.029,22 brutto für die Zeit von Januar 2018 bis September 2020, weil das beklagte Land nicht verpflichtet war, ihn bei seiner Einstellung der begehrten Stufe 3 der Entgeltgruppe 10 TV-L zuzuordnen. Die Berufungskammer folgt den Gründen der überzeugenden Entscheidung des Arbeitsgerichts und nimmt auf die Ausführungen (§ 69 Abs. 2 ArbGG) Bezug. Die zweitinstanzliche Klageerweiterung verhilft dem Kläger auch nicht zum Erfolg.

1. Der Anspruch auf eine höhere Einstufung ergibt sich nicht aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen iVm. § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Regelungen des TV-L auf das mit Wirkung zum 1. September 2016 begründete Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung Anwendung fanden und sich die Höhe der Vergütung des Klägers demzufolge nach den tariflichen Vorgaben richtete. Die streitbefangene Stufenzuordnung bei der Einstellung richtete sich nach § 16 Abs. 2 TV-L. Entgegen der Ansicht der Berufung hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass der Kläger bei seiner Einstellung über keine "einschlägige" Berufserfahrung iSd. § 16 Abs. 2 TV-L verfügte.

a) Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 TV-L einschlägige Berufserfahrung eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogen entsprechenden Tätigkeit ist. Der Beschäftigte muss also in der früheren Tätigkeit einen Kenntnis- und Fähigkeitszuwachs erworben haben, der für die nach der Einstellung konkret auszuübende Tätigkeit erforderlich und prägend ist und ihm damit weiterhin zugutekommt. Das ist nach dem hinter dem Stufensystem des TV-L stehenden Leistungsgedanken der Fall, wenn die frühere Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird oder zumindest gleichartig war (vgl. BAG 29.06.2022 - 6 AZR 475/21 - Rn. 19 mwN).

Das setzt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die Berufungskammer folgt, voraus, dass der Beschäftigte die Berufserfahrung in einer Tätigkeit erlangt hat, die in ihrer eingruppierungsrechtlichen Wertigkeit der Tätigkeit entspricht, die er nach seiner Einstellung auszuüben hat. Das Entgeltsystem des TV-L geht davon aus, dass es keine entgeltgruppenübergreifende Berufserfahrung gibt. Nach der Vorstellung der Tarifvertragsparteien versetzt die in früheren Arbeitsverhältnissen erworbene Berufserfahrung den Beschäftigten nur dann in die Lage, ohne nennenswerte Einarbeitungszeit die Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber auszuüben, wenn die Vorbeschäftigung qualitativ im Wesentlichen die gesamte inhaltliche Breite der aktuellen Beschäftigung abdeckt und deshalb einschlägig ist (vgl. BAG 29.06.2022 - 6 AZR 475/21 - Rn. 20 mwN).

Die Beurteilung, ob einschlägige Berufserfahrung vorliegt, bezieht sich stets auf die in Aussicht genommene Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber. Bei dieser Prüfung ist ein tätigkeitsbezogener Vergleich zwischen den in der Vergangenheit erlangten Kenntnissen und Fähigkeiten mit den nach der Einstellung künftig zu bewältigenden Aufgaben erforderlich. Diese eigenständige Prüfung weist nur bezüglich der Wertigkeit der zu vergleichenden Tätigkeiten einen Bezug zum Eingruppierungsrecht auf. Im Übrigen ist Beurteilungsmaßstab allein der Vergleich der fachlichen Anforderungen der bisherigen und der nunmehr auszuübenden Tätigkeit. Eine eingruppierungsrechtlich geprägte Betrachtung wird dem Zweck des § 16 Abs. 2 TV-L, der den Entfall einer Einarbeitungszeit honoriert, nicht gerecht. Entscheidend ist, dass der Beschäftigte unmittelbar nach der Einstellung seine neue Tätigkeit vollumfänglich ohne nennenswerte Einarbeitungszeit aufnehmen kann. Das Vorhandensein einschlägiger Berufserfahrung indiziert nach Einschätzung der Tarifvertragsparteien bei typisierter Betrachtung, dass eine Einarbeitungszeit entfallen wird. Ob sich diese Erwartung tatsächlich erfüllt oder ob trotz der Berufserfahrung im Einzelfall tatsächlich eine (längere) Einarbeitung erforderlich ist, ist für die Stufenzuordnung ohne Belang. Die Rechtsfolge der Anrechnung wird allein durch das Vorliegen einer mindestens einjährigen einschlägigen Berufserfahrung als Tatbestandsvoraussetzung ausgelöst. Es kommt daher nicht auf die persönlichen Fähigkeiten des Beschäftigten, die trotz fehlender einschlägiger Berufserfahrung zu einer kurzen Einarbeitungszeit führen können, an (vgl. BAG 29.06.2022 - 6 AZR 475/21 - Rn. 22 mwN).

Dieses vom Eingruppierungsrecht gelöste Verständnis der einschlägigen Berufserfahrung gebietet auch der Umstand, dass nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L einschlägige Berufserfahrung auch in Tätigkeiten bei anderen Arbeitgebern erworben werden kann, die einem von den Bewertungsgrundsätzen des TV-L abweichenden Entgeltsystem unterfallen. Eine solche Vorbeschäftigung kann qualitativ dennoch im Wesentlichen die gesamte inhaltliche Breite der aktuellen Beschäftigung abdecken und deshalb einschlägig sein (vgl. BAG 29.06.2022 - 6 AZR 475/21 - Rn. 27 mwN).

Haben dieselben Tarifvertragsparteien jedoch für bestimmte Tätigkeiten (wie bspw. die von Erziehern und Lehrern) grundlegend unterschiedliche Eingruppierungsvoraussetzungen geschaffen und diese in verschiedene Eingruppierungsregelungen eingebettet, haben sie hierdurch ihre Vorstellung zum Ausdruck gebracht, dass sich die jeweiligen Tätigkeiten bezogen auf ihre Anforderungen und ihre Inhalte so maßgeblich unterscheiden, dass keine Einschlägigkeit im Sinne der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 TV-L vorliegt (vgl. BAG 15.10.2021 - 6 AZR 268/20 - Rn. 19).

b) Nach diesen Grundsätzen, denen die Berufungskammer folgt, ist die Würdigung des Arbeitsgerichts, der Kläger habe keine "einschlägige" Berufserfahrung erworben, nicht zu beanstanden.

aa) Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes für die Tätigkeit von Sozialarbeitern/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und Bewährungshelfern unterschiedliche Eingruppierungsvoraussetzungen geschaffen haben, so dass bereits deshalb keine Einschlägigkeit der Berufserfahrung des Klägers iSd. Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 TV-L vorliegt.

Für seine Tätigkeit als gesetzlicher Betreuer erhielt der Kläger nach seinem Vorbringen beim Betreuungsverein der AWO eine Vergütung nach der VergGr. IVa des Teils I Abschnitt B Unterabschnitt 1, Sozial- und Erziehungsdienst, des Tarifvertrags über die Tätigkeitsmerkmale zum Bundesmanteltarifvertrag (BMT-AW II) für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (TV-TM). Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, hat der BMT-AW II und der TV-TM für Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt das Eingruppierungsgefüge des öffentlichen Dienstes für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst vielfältig aufgegriffen und ähnlich abgebildet. Nach VergGr. IVa Fallgr. 15 BMT-AW II wurden "Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen gleichwertige Tätigkeiten ausüben, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IVb Fallgr. 16 heraushebt" vergütet. Der Abschnitt G (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) der Anlage 1a zum BAT in der für die Bereiche des Bundes und der Länder geltenden Fassung (BAT/BL) bestimmte zu VergGr. IVa Fallgr. 15 BAT/BL gleiches.

Bewährungshelfer waren indes in VergGr. IVb Fallgr. 18 BAT/BL eingruppiert, die VergGr. IVa Fallgr. 17 BAT/BL ergab sich für Bewährungshelfer nach vierjähriger Berufstätigkeit in der Bewährungshilfe. Die Anlage 1a zum BAT unterschied zwischen Sozialarbeitern/Sozialpädagogen und Bewährungshelfern in den Vergütungs- und Fallgruppen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst. Die Tarifvertragsparteien haben für Bewährungshelfer im Gegensatz zu den Sozialarbeitern/Sozialpädagogen ohne weitere Voraussetzungen nach vier Jahren einen Bewährungsaufstieg aus der VergGr. IVb BAT/BL in die VergGr. IVa BAT/BL vorgesehen. Zeiten als Sozialarbeiter waren nicht bewährungszeitrelevant. Das zeigt, dass die Tarifvertragsparteien die Tätigkeit als Bewährungshelfer als höherwertig eingeschätzt haben (vgl. BAG 07.11.2001 - 4 AZR 711/00 - Rn. 29).

Das beklagte Land weist zutreffend daraufhin, dass der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2016 maßgebliche Teil II der Entgeltordnung zum TV-L Bewährungshelfer, ohne weitere Anforderungen festzulegen, der Entgeltgruppe (EG) 10 TV-L zuordnete. Für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechenden Tätigkeiten wurde von den Tarifvertragsparteien eine Eingruppierung in EG 10 TV-L nur vorgesehen, wenn sich ihre Tätigkeit zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der EG 9 Fallgr. 1 TV-L heraushob. Seit dem 1. Januar 2020 werden Sozialarbeiter und Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung nach EG S14 TV-L vergütet. Im Unterschied hierzu sind Bewährungshelfer in EG S15 Fallgr. 2 TV-L eingruppiert. Auch daraus wird deutlich, dass die frühere Tätigkeit des Klägers als Sozialarbeiter/Sozialpädagoge bei der AWO und seine Tätigkeit als Bewährungshelfer beim beklagten Land eingruppierungsrechtlich eine unterschiedliche Wertigkeit aufweisen. Das Entgeltsystem des TV-L geht davon aus, dass es keine entgeltgruppenübergreifende Berufserfahrung gibt (vgl. BAG 18.02.2021 - 6 AZR 205/20 - Rn. 18 mwN). Die frühere Tätigkeit des Klägers als Sozialarbeiter/ Sozialpädagoge bei der AWO kann daher das Merkmal der einschlägigen Berufserfahrung iSd. Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 TV-L nicht erfüllen.

bb) Eine "einschlägige" Berufserfahrung liegt ferner nicht vor, weil die Vorbeschäftigung des Klägers bei der AWO - entgegen der Ansicht der Berufung - nicht im Wesentlichen die gesamte inhaltliche Breite der aktuellen Beschäftigung als Bewährungshelfer abdeckte. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

Zu den Aufgaben des Klägers beim Betreuungsverein der AWO gehörten nach seinem Vortrag (ausweislich der Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitszeugnis der AWO vom 31. August 2016) überwiegend die Führung von Betreuungen nach §1896 BGB in Form der gesetzlichen Vertretung von Erwachsenen. Dazu gehörte u.a. die Vertretung gegenüber Behörden, Sozialleistungsträgern usw. inklusive Antragstellung aller Art, die Vertretung bei Rechtsgeschäften und Verträgen, die Sicherstellung des existenziellen und finanziellen Grundbedarfs, die Vermögensverwaltung und die Regelung des täglichen Zahlungsverkehrs, die Sicherstellung der medizinischen Behandlung, Weiterbildungs-, Eingliederungs- und Rehabilitationsmaßnahmen, Organisation und Sicherstellung der ambulanten, stationären oder teilstationären Versorgung, die Regelung des Aufenthaltes (Unterbringung, unterbringungsähnliche Maßnahmen) und die Aufnahme in geeignete Einrichtungen (Altenpflegeheime, Wohnheime uä). In einem Ergänzungsschreiben vom 22. Februar 2021, dass der Kläger als Anlage zur Klageschrift vom 15. Dezember 2021 vorlegte, bescheinigte ihm der Vorsitzende des Betreuungsvereins der AWO zusätzlich Folgendes:

Es kann zugunsten des Klägers unterstellt worden, dass er die von der AWO bescheinigten Tätigkeiten ausgeübt hat. Der Kläger verfügte über Berufserfahrung als rechtlicher Betreuer. Wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen hat, war die Tätigkeit als rechtlicher Betreuer jedoch nicht mit derjenigen eines Bewährungshelfers gleichartig. Die Vortätigkeit des Klägers deckte - entgegen der Ansicht der Berufung - nicht im Wesentlichen die gesamte inhaltliche Breite der Beschäftigung als Bewährungshelfer ab.

Wie das beklagte Land bereits erstinstanzlich im Einzelnen vorgetragen hat, wird die Tätigkeit eines Bewährungshelfers wesentlich durch die dem unter Bewährung stehenden Probanden erteilten Weisungen und Auflagen bestimmt (vgl. §§ 56d Abs. 3, 56c StGB für die Bewährung zur Aussetzung einer Freiheitsstrafe; §§ 68a, 68b StGB für die bei Aussetzung einer Maßregelung oder isoliert eintretende Führungsaufsicht). Anders als die Berufung meint, bestimmt die spezifische strafrechtliche Aufgabenstellung des Bewährungshelfers dessen Tätigkeit maßgeblich.

Das beklagte Land stellt nicht in Abrede, dass Bewährungshelfer den unter Bewährung stehenden Personen bei der Lebensführung helfend und betreuend zur Seite stehen. Sie überwachen aber gleichzeitig im Einvernehmen mit dem Gericht die Erfüllung der Auflagen und Weisungen sowie der Anerbieten und Zusagen des Probanden. Zudem berichten sie dem Gericht über dessen Lebensführung und mussen hierbei gröbliche oder beharrliche Verstöße gegen Auflagen, Weisungen, Anerbieten oder Zusagen dem Gericht mitteilen. Da der Bewährungshelfer vom Gericht bestellt wird, kann ihm dieses für seine Aufsichtstätigkeit Anweisungen erteilen. Der Bewährungshelfer ist insoweit Beauftragter des Gerichts und hat sein Amt nach Weisung des Gerichts zu führen. Der spezifisch durch die Normen des Strafrechts festgelegten Aufgabenstellung des Bewährungshelfers Rechnung tragend, hat das Ministerium der Justiz in den "Standards der Bewährungshilfe Rheinland-Pfalz" vom 19. November 2010 konkretisierend festgelegt, dass die Überwachung der Erfüllung von Weisungen, Auflagen, Zusagen und Anerbieten zu den Aufgaben der Bewährungshilfe zählt und dass die Beobachtung der Lebensführung auch der Einschätzung von Rückfallrisiken und Gefährdungsmomenten dient (Ziff. 1.2.2). Der Bewährungshelfer muss dem Gericht Bericht erstatten. Dieser Bericht muss Informationen enthalten, die es dem Gericht ermöglichen, Feststellungen für Entscheidungen über die Abänderung bzw. Neuerteilung von Auflagen und Weisungen, die Verlängerung oder Abkürzung der Bewährungs-/Unterstellungszeit oder den Widerruf der Bewährung oder einen Straferlass zutreffen. Im Jugendstrafrecht ist darüber hinaus zu berichten, ob die im Schuldspruch des Gerichts festgestellte Tat auf schädlichen Neigungen (§ 27 JGG) beruht, die die Verhängung einer Jugendstrafe gebieten und im Fall der Vorbewährung, ob die Jugendstrafe endgültig zur Bewährung ausgesetzt werden kann (Ziffer 1.2.3). Die Kontrolle des Probanden und die Erstellung spezifischer Bewährungsberichte machen einen wesentlichen Teil der Aufgaben eines Bewährungshelfers aus. Diese Aufgaben hat ein rechtlicher Betreuer nach §§ 1896 ff BGB nicht wahrzunehmen.

Das Arbeitsgericht hat zugunsten des Klägers angenommen, dass rechtliche Betreuer wie auch Bewährungshelfer es mit (zum Teil auch psychisch auffälligen) Personen zu tun haben, die in vielfältigen Lebenssituationen Unterstützung und Hilfe benötigen. Sowohl betreute Personen als auch Probanden können sich in prekären Lebenssituationen befinden, die mit Arbeitslosigkeit, Schulden, Suchtproblemen usw. zu tun haben können. Zu den Aufgaben des Bewährungshelfers gehört ausdrücklich die Hilfe und Betreuung. Soweit es die Resozialisierung erfordert, ist den Probanden aktive Hilfe zu leisten, etwa als Mitwirkung bei der Arbeits- oder Wohnungssuche, bei Anträgen gegenüber Behörden oder bei Absprachen über eine Schuldenregulierung (vgl. nur Schönke/Schröder 30. Aufl. StGB § 56d Rn. 5). Der Bewährungshelfer hat - im Gegensatz zum rechtlichen Betreuer - eine Doppelrolle, weil er den Probanden nach § 56d Abs. 3 Satz 2 StGB zu überwachen hat. Die Vortätigkeit des Klägers hat daher nicht die gesamte inhaltliche Breite der Tätigkeit eines Bewährungshelfers inhaltlich abgedeckt. Das Arbeitsgericht hat außerdem zutreffend angenommen, dass der Kläger in seiner Vortätigkeit keine besonderen Erfahrungen und Kenntnisse im Bereich des Strafrechts, insbesondere im Bereich des Jugendstrafrechts, erwerben konnte.

Die Angriffe der Berufung verfangen nicht. Die Berufung übersieht, dass die Tätigkeit des Bewährungshelfers eine doppelte Funktion erfüllt, nämlich zum einen im Verhältnis zum Gericht und zum anderen im Verhältnis zu dem unter Bewährung stehenden Straftäter. Das ergibt sich auch aus den "Standards der Bewährungshilfe Rheinland-Pfalz" vom 19. November 2010. Das beklagte Land macht zutreffend darauf aufmerksam, dass bereits im Vorwort dieser Standards hervorgehoben wird, dass die Bewährungshilfe straffällig gewordenen Menschen Hilfestellungen zur Resozialisierung bietet und gleichzeitig dafür Sorge trägt, dass die von den Gerichten vorgegebenen Weisungen und Auflagen erfüllt werden. Dadurch sollen zukünftige Straftaten verhindert und die Sicherheit für die Bevölkerung erhöht werden. Die für den Bewährungshelfer wesentlichen Überwachungsaufgaben (einschließlich der damit einhergehenden Berichtspflichten gegenüber dem Gericht) hat der Kläger während seiner vorangegangenen Tätigkeit als rechtlicher Betreuer bei der AWO nicht ausgeübt.

Aus dem als Anlage zur Berufungsbegründungsschrift vorgelegten Schreiben des Sprechers der Bewährungshilfe bei dem Landgericht Koblenz vom 29. Juni 2022 kann der Kläger nicht herleiten, dass er bei seiner Einstellung in der Lage gewesen sei, die Tätigkeit als Bewährungshelfer "aus dem Stand" voll auszufüllen. Der Sprecher der Bewährungshilfe teilt in diesem (an den Kläger adressierten) Schreiben mit, dass nach den "Standards der Bewährungshilfe" jeder neu eingestellte Bewährungshelfer von diensterfahrenen Bewährungshelfern im Rahmen des Mentorenprinzips eingearbeitet werde. Die allgemeine Zielsetzung der Bewährungshilfe Koblenz sei, dass kein neu eingestellter Kollege mit voller Fallzahl sofort seinen Dienst verrichten müsse. Anzustreben sei, dass maximal zehn Probanden in der Anfangszeit zu betreuen seien. Im Anschluss solle eine maßvolle Aufstockung stattfinden, die eine Einarbeitung ermögliche. Dem Dienstregister der Fachanwendung der Bewährungshilfe lasse sich entnehmen, dass der Kläger vom 30. August bis zum 31. Dezember 2016 68 Fälle übernommen habe, davon bereits 53 Fälle im September, was überdurchschnittlich hoch sei. Dies sei in seinem Fall darauf zurückzuführen, dass er die laufenden Fälle von zwei Kolleginnen, die in andere Dienststellen im Land gewechselt seien, übernommen und unmittelbar weiter betreut habe. Jeder Bewährungshelfer sei von Anfang an für die eigenen Fälle vollumfänglich verantwortlich und zuständig. Das Mentorenprinzip biete hier keine Entlastung. Abschließend sei mitzuteilen, dass zum damaligen Zeitpunkt für die Einstellung des Klägers, ua. seine beruflichen Erfahrungen, die er im vorangegangenen Arbeitsfeld als Betreuer gesammelt habe, von Bedeutung gewesen seien.

Das beklagte Land weist zutreffend darauf hin, dass der Sprecher der Bewährungshilfe bei dem Landgericht Koblenz den Kläger nicht eingestellt hat, so dass er über die Gründe der Einstellung nur Mutmaßungen anstellen kann. Es kommt auf die Ausführungen des Sprechers der Bewährungshilfe Koblenz auch in rechtlicher Hinsicht nicht an. § 16 Abs. 2 TV-L fordert, dass der Beschäftigte unmittelbar nach der Einstellung seine neue Tätigkeit vollumfänglich ohne nennenswerte Einarbeitungszeit aufnehmen kann. Der Kläger verfügte bei seiner Einstellung ab 1. September 2016 unstreitig über keine (Jugend-)Strafrechtskompetenzen. Er musste auch eingearbeitet werden. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Kläger eingearbeitet wurde und anfänglich noch kein volles Pensum führte. Auch hierauf hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend abgestellt.

2. Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auf eine höhere Stufenzuordnung nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen.

a) Der Kläger hat in der Berufungsinstanz zusätzlich geltend gemacht, das beklagte Land habe den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt und somit einen weiteren Streitgegenstand in den Prozess eingeführt. Nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 533 ZPO ist eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz zulässig, wenn entweder der Gegner einwilligt oder das Gericht die Klageerweiterung für sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt ist, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat.

Vorliegend hat das beklagte Land zwar nicht in die Klageerweiterung eingewilligt, sie ist aber aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit sachdienlich. Ferner müssen der Verhandlung und Entscheidung keine Tatsachen zu Grunde gelegt werden, deren Berücksichtigung unzulässig wäre. Die neu vorgetragenen Tatsachen zur behaupteten Ungleichbehandlung mit den Bewährungshelferinnen R. und Z. sind nach § 67 ArbGG im Berufungsverfahren nicht ausgeschlossen, weil die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert wird.

b) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein Gebot der Verteilungsgerechtigkeit, das verlangt, Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln. Er ist zugleich Anspruchsgrundlage und Schranke der Rechtsausübung. Wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers greift der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nur dort ein, wo der Arbeitgeber durch gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk bzw. eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen bei bloßem - auch vermeintlichem - Normenvollzug (vgl. BAG 21.12.2017 - 6 AZR 790/16 - Rn. 31 mwN). Innerhalb des Anwendungsbereichs kollektiv-rechtlich geschaffener Normen ist eine Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht möglich. Dies gilt auch dann, wenn der Tarifvertrag mangels Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers nicht unmittelbar und zwingend, sondern - wie hier - lediglich aufgrund einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahme Anwendung findet. Diese Inbezugnahme ändert nichts daran, dass letztlich ein bloßer Vollzug eines fremden Regelungswerks vorliegt (vgl. BAG 22.12.2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 21).

c) Danach kann sich der Kläger im Streitfall nicht mit Erfolg auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Ein gestaltendes Verhalten hat der Kläger durch die Behauptung, das beklagte Land habe bei der Bewährungshelferin R. aus seiner Sicht vergleichbare Vorbeschäftigungszeiten bei einem privaten Arbeitgeber als "einschlägige" Berufserfahrung berücksichtigt und bei der Bewährungshelferin Z. zwar (wegen einer zeitlich erheblichen Unterbrechung) nicht berücksichtigt, aber im Schriftverkehr mit deren Bevollmächtigten dem Grunde nach anerkannt, nicht substantiiert dargelegt. Der Kläger behauptet nicht, das beklagte Land habe die Bewährungshelferin R. bewusst übertariflich vergütet. Auch nach seiner Darstellung handelt es sich bei deren Einstufung lediglich um einen Normenvollzug. Die Bewährungshelferin Z. ist vom beklagten Land nicht besser eingestuft worden als der Kläger. Aus den zwei Fällen lässt sich kein durch das beklagte Land geschaffenes, eigenes Regelwerk herleiten. Es liegen keine zusätzlichen freiwilligen Leistungen vor, die bewusst und unter Verzicht auf die tariflichen Anforderungen gewährt worden wären. In Anbetracht des Grundsatzes, dass der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Zweifel nur die Leistungen gewähren will, zu denen er tariflich verpflichtet ist, bestehen dafür keine Anhaltspunkte. Das beklagte Land hat lediglich die Vorgaben des TV-L zur Anwendung gebracht. Selbst wenn die Bewährungshelferin R. bei ihrer Einstellung zu hoch eingestuft worden sein sollte, bestünde kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Irrtum.

III.

Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Verkündet am 12.10.2023

Vorschriften§ 1896 BGB, § 29e TVÜ-L, § 16 TV-L, § 16 II TV-L, § 37 TV-L, § 69 Abs. 2 ArbGG, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L, § 64 Abs. 1, 2 ArbGG, §§ 66 Abs. 1, 64 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 16 Abs. 2 TV-L, Anlage 1a zum BAT, §1896 BGB, § 1906 BGB, §§ 56d Abs. 3, 56c StGB, §§ 68a, 68b StGB, § 27 JGG, §§ 1896 ff BGB, § 56d Abs. 3 Satz 2 StGB, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 533 ZPO, § 67 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG