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Urteil vom 05.10.2023 · IWW-Abrufnummer 238280

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg - Aktenzeichen 10 Sa 356/23

Tarifbeschäftigte Seiteneinsteiger im Vorbereitungsdienst haben in Brandenburg bereits mit dem erfolgreichen Ablegen der Staatsprüfung Anspruch auf eine höhere Vergütung und nicht erst mit der (späteren) Beendigung des Vorbereitungsdienstes.


Tenor:

I. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 5. Oktober 2022 - 3 Ca 274/22 teilweise abgeändert.

1. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin weitere 157,47 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2021 zu zahlen. 2. Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

II. Die Berufung des beklagten Landes wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.

IV. Der Gebührenwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.059,35 EUR festgesetzt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der Höhergruppierung von der Entgeltgruppe E11 TV-L zur Entgeltgruppe E13 TV-L nach Ablegung der Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II (berufliche Fächer) bzw. nach Beendigung des Vorbereitungsdienstes.

Die Klägerin ist 48 Jahre alt (geb. .... 1975) und steht aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 19. Juni 2017 seit dem 1. August 2017 in einem Beschäftigungsverhältnis als Lehrerin. Nachdem das Arbeitsverhältnis zunächst bis zum 31. Juli 2018 und mit einem weiteren Arbeitsvertrag vom 1. August 2018 bis zum 31. Juli 2019 befristet war, besteht seit dem 1. August 2019 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis der Parteien entsprechend einem Arbeitsvertrag vom 20. Juni 2019. Zuletzt haben die Parteien Teilzeit mit einem Anteil von 20/25 Lehrerwochenstunden vereinbart.

Nach § 2 des Arbeitsvertrages haben die Parteien u.a. vereinbart:

(1) Für das Arbeitsverhältnis gelten

- Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)

- Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) sowie

- Tarifverträge, die den TV-L und den TVÜ-Länder ergänzen, ändern oder ersetzen,

- in der Fassung, die für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und für das Land Brandenburg jeweils gilt.

(2) Ebenso finden die für die Tarifbeschäftigten in der Landesverwaltung geltenden landesbezirklichen Tarifverträge und Vereinbarungen in der jeweils geltenden Fassung Anwendung, soweit darin nichts anderes bestimmt ist.

In § 4 haben die Parteien u.a. vereinbart:

Für die Eingruppierung gilt der Tarifvertrag über die Eingruppierung und die Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder (TV EntgO-L). Danach ist die Lehrkraft in der Entgeltgruppe E11 eingruppiert (§ 12 Absatz 2 TV-L in der Fassung des § 3 der TV EntgO-L).

In § 6 haben die Parteien folgende Nebenabrede vereinbart:

Frau A verpflichtet sich, den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst zu absolvieren und ein Lehramt zu erwerben. Dieses Ziel ist bis zum Ende des Schuljahres 2020/2021 zu erreichen. Ansonsten endet das Arbeitsverhältnis am 31.07.2021.

Die Klägerin unterrichtet die Fächer Psychologie, Pädagogik und Sozialpädagogik am OSZ Werder.

Auf einen Antrag der Klägerin vom 26. Februar 2019 teilte das beklagte Land der Klägerin mit Schreiben vom 23. Mai 2019 u.a. mit:

Hiermit lasse ich Sie nach § 7 Lehrkräfteausbildungs- und -prüfungsverordnung zum berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst für das Lehramt für die Sekundarstufe II (berufliche Fächer) mit den Fächern/Fachrichtungen

Sozialpädagogik

Psychologie

beginnend zum 01.09.2019 zu. Die Ausbildung dauert 24 Monate.

In einem weiteren Schreiben des beklagten Landes vom 20. Mai 2021 teilte dieses der Klägerin mit:

Mitteilung des Ergebnisses der Staatsprüfung

Frau von A, geb. am ...1975 hat die Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II (berufliche Fächer) abgelegt. Vorbehaltlich der Ausstellung des Zeugnisses über das Bestehen der Staatsprüfung wird folgendes Ergebnis mitgeteilt:

...

Gesamtnote: sehr gut (1,2)

Der Vorbereitungsdienst endet am 31.07.2021.

In dem ebenfalls unter dem 20. Mai 2021 ausgestellten Zeugnis über die Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II (berufliche Fächer) ist ausgeführt:

A, geboren ... hat die Staatsprüfung bestanden und die Befähigung für das Lehramt für die Sekundarstufe II (berufliche Fächer) erworben.

...

Als Gesamtnote wurde sehr gut (1,2) festgelegt.

Nachdem die Klägerin das beklagte Land mit E-Mail vom 15. Juni 2021 über das Ergebnis der Staatsprüfung informiert und eine Vergütung nach Entgeltgruppe 13, Stufe 3 ab dem 21. Mai 2021 beantragt hatte, teilte das beklagte Land mit Schreiben vom 7. Juli 2021 der Klägerin zum Betreff "Ihr Schreiben vom 15.06.2021" mit:

Sehr geehrte Frau A,

mit Mitteilung des Ergebnisses der Staatsprüfung vom 20.05.2021 weisen Sie das Bestehen der Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II (berufliche Fächer) nach. Ihr Vorbereitungsdienst endet entsprechend der Mitteilung am 31.07.2021.

Mit Schreiben vom 15.06.2021 beantragen Sie nunmehr die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 TV-L bei einer Zuordnung zur Stufe 3 ab dem 21.05.2021.

Die Eingruppierung einer Lehrkraft gem. § 12 Abs. 1 S. 1 TV-L i.V.m. § 3 des Tarifvertrags über die Eingruppierung und die Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder (TV EntgO-L) richtet sich nach den Eingruppierungsregelungen der Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L).

Danach erfolgt die Eingruppierung einer Lehrkraft die die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis erfüllt, nach Abschn. 1 der Anlage zum TV EntgO-L. Nach Abschn. 1 Abs. 1 der Anlage zum TV EntgO-L ist die Lehrkraft in der Entgeltgruppe eingruppiert, die der beim Arbeitgeber geltenden Besoldungsgruppe entspricht, in welche sie eingestuft wäre, wenn sie unter Zugrundelegung ihrer fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen im Beamtenverhältnis stünde, mithin in die Besoldungsgruppe A 13 entsprechend Entgeltgruppe 13.

Die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis liegen mit Erwerb der Lehramtsbefähigung vor. Die Ausbildung zur Befähigung für ein Lehramt umfasst gem. § 2 Brandenburgisches Lehrerbildungsgesetz (BbgLeBiG) auch den Abschluss des Vorbereitungsdienstes. Der berufsbegleitende Vorbereitungsdienst dauert 24 Monate, vgl. § 7 Abs. 3 BbgLeBiG.

Ihr Vorbereitungsdienst endet nachweislich am 31.07.2021. Mit Ablauf dieses Tages erfüllen Sie die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis. Somit sind Sie gem. Abschn. 1 Abs. 1 Anlage zum TV-L ab dem 01.08.2021 in die Entgeltgruppe 13 einzugruppieren. Eine Zuordnung zur Entgeltgruppe 13 vor dem 01.08.2021 ist danach nicht möglich. Ein entsprechender Änderungsvertrag wurde an Ihre Schulleitung übersandt. Einen Termin zu dessen Unterzeichnung vereinbaren Sie bitte mit Ihrer Schulleitung.

Die Stufenzuordnung bei der Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe richtet sich nach § 17 Abs. 4 TV-L und wird nach Vertragsunterzeichnung und entsprechender Mitteilung an die Zentrale Bezügestelle des Landes Brandenburg (ZBB) durch diese vorgenommen. Bei Fragen zu Ihrer Stufenzuordnung wenden Sie sich bitte an die ZBB.

Bei Rückfragen zu Ihrer Eingruppierung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit Schreiben vom 26. Juli 2021 teilte die Klägerin dem beklagten Land u.a. mit:

Bitte veranlassen Sie die Korrektur des Änderungsvertrags ... aus dem hervorgeht, dass meine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 TV-L Stufe 3 bereits nach Abschluss meiner Staatsprüfung am 20. Mai 2021 erfolgt, und nicht erst nach Ablauf des 31.07.2021.

In Ihrem Schreiben (Bezug) begründen Sie Ihre Absicht meiner späteren Höhergruppierung damit, dass mein berufsbegleitender Vorbereitungsdienst gemäß Brandenburgisches Lehrerbildungsgesetz (BbgLeBiG) 24 Monate dauere (ebd. § 7 Abs. 3), und damit erst am 31.07.2021 ende.

Stattdessen aber beschließt bereits meine Staatsprüfung am 20. Mai 2021 den Vorbereitungsdienst, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 BbgLeBiG.

Mit dem Bestehen der Staatsprüfung habe ich die Befähigung für ein Lehramt gemäß § 2 Abs. 1 erworben, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 3. Damit liegen, auch nach Ihrer eigenen Aussage in Bezug, alle Voraussetzungen vor, die ursächlich für meine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 sind. Diese bitte ich nun auch zu vollziehen.

Auch nach einer weiteren Geltendmachung durch die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 11. November 2021, in dem diese mitteilten, dass die Klägerin ab dem 20. Mai 2021 die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die EG 13 TV-L erfülle, teilte das beklagte Land mit Schreiben vom 28. Februar 2022 mit, dass im Rahmen einer erneuten Prüfung keine neuen Erkenntnisse hätten gewonnen werden können und deshalb seitens des Staatlichen Schulamtes Brandenburg an der Havel an der im Schreiben vom 7. Juli 2021 geäußerten Rechtsauffassung festgehalten werde.

Unstreitig finden nach § 44 Nr. 2a TV-L zu Abschnitt III - Eingruppierung, Entgelte und sonstige Leistungen - die §§ 12, 14, 16 und 17 Anwendung nach Maßgabe der §§ 3-7 des Tarifvertrages über die Eingruppierung und die Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder in der jeweils geltenden Fassung. § 3 TV EntgO-L bestimmt, dass § 12 TV-L in der Fassung gilt, dass sich die Eingruppierung der Lehrkraft nach den Eingruppierungsregelungen der Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L) richtet.

Die (allgemeinen) Vorbemerkungen zu allen Abschnitten der Entgeltordnung Lehrkräfte regeln, soweit für den Rechtsstreit relevant in Ziffer 1:

(1) Für das Verhältnis der Abschnitte zueinander gelten die Regelungen der Absätze 2 bis 8.

(2) Für Lehrkräfte in der Tätigkeit von Lehrkräften mit abgeschlossenem Lehramtsstudium an einer wissenschaftlichen Hochschule und mit abgeschlossenem Referendariat oder Vorbereitungsdienst gelten nur die Abschnitte 1 und 2.

Abschnitt 1 der Entgeltordnung, der überschrieben ist mit "Lehrkräfte, bei denen die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis erfüllt sind" gilt entsprechend Ziffer 1 der dortigen Vorbemerkungen unstreitig für Lehrkräfte, bei denen die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis erfüllt sind. Entsprechend Absatz (1) des Abschnitts 1 ist die Lehrkraft in der Entgeltgruppe eingruppiert, die der beim Arbeitgeber geltenden Besoldungsgruppe entspricht, in welche sie eingestuft wäre, wenn sie unter Zugrundelegung ihrer fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen im Beamtenverhältnis stünde. Dabei entspricht die Besoldungsgruppe A 13 der Entgeltgruppe 13.

Abschnitt 2 der Entgeltordnung, der überschrieben ist mit "Lehrkräfte, bei denen die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht erfüllt sind, in der Tätigkeit von Lehrkräften mit abgeschlossenem Lehramtsstudium an einer wissenschaftlichen Hochschule und mit abgeschlossenem Referendariat oder Vorbereitungsdienst" gilt entsprechend Ziffer 1 der dortigen Vorbemerkungen unstreitig für Lehrkräfte, bei denen die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht erfüllt sind. Dort wäre die Klägerin entsprechend Ziffer 3 in die Entgeltgruppe 11 eingruppiert.

Die Klägerin unterrichtet am Oberstufenzentrum W.. Sie wird dort wie eine Studienrätin mit der Befähigung für das Lehramt für die Sekundarstufe II (berufliche Fächer) im Unterricht eingesetzt. Entsprechende beamtete Studienrätinnen würden nach der Anlage 1 zum Brandenburgischen Besoldungsgesetz in die Besoldungsgruppe A 13 eingestuft.

Die Klägerin meint, dass ihr nach § 44 TV-L i.V.m. der Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder Entgelt aus der Entgeltgruppe 13 ab dem 20. Mai 2021 zustehe. Das entspreche insgesamt einem Betrag von 1.059,35 EUR brutto (2x 443,78 EUR = 887,56 EUR und 12/31 von 443,78 EUR = 171,79 EUR).

Für die dem Eingangsamt des vergleichbaren Beamten entsprechende Entgeltgruppe seien nur die jeweiligen (fachlichen und pädagogischen) Anforderungen der Eingruppierungsregelungen zu erfüllen, also z.B. eine abgeschlossene Lehramtsausbildung einschließlich Vorbereitungsdienst. Ab diesem Zeitpunkt greife die sogenannte Tarifautomatik.

Das beklagte Land meint, dass die Klägerin bis zum 31. Juli 2021 zutreffend in Entgeltgruppe 11 TV-L eingruppiert sei. Die Ausbildung zur Befähigung für ein Lehramt gemäß § 2 Abs. 2 BbgLeBiG umfasse auch den Abschluss des Vorbereitungsdienstes. Gemäß § 7 Abs. 3 BbgLeBiG dauere der Vorbereitungsdienst 24 Monate und habe deshalb erst am 31. Juli 2021 geendet. Ein Antrag der Klägerin auf vorzeitige Zulassung zur Staatsprüfung, die ggf. auch den Vorbereitungsdienst hätte frühen enden lassen können, sei nicht erfolgt. Soweit die Klägerin vorbringe, dass gemäß § 8 Abs. 1 BbgLeBiG die Staatsprüfung den Vorbereitungsdienst abschließe, bedeute das nicht, dass mit dem Tag der Prüfung der Vorbereitungsdienst beendet sei. § 8 Abs. 1 BbgLeBiG besage vielmehr, dass die Staatsprüfung am Ende des Vorbereitungsdienstes liege. Das sei nicht der letzte Tag des Vorbereitungsdienstes, sondern aus organisatorischen Gründen eine Zeitspanne. Für eine vorzeitige Zulassung zur Staatsprüfung sehe § 8 Abs. 2 BbgLeBiG vor, dass dann der Vorbereitungsdienst mit Ablauf des Monats ende, in dem die Staatsprüfung bestanden werde. Die Fortdauer des Vorbereitungsdienstes jeweils bis zum 31. Juli sichere dem Lehramtskandidaten auch einen nahtlosen Übergang zum am 1. August beginnenden nächsten Schuljahr.

Mit Urteil vom 5. Oktober 2022 hat das Arbeitsgericht der Klage in Höhe von 887,56 EUR brutto nebst Zinsen stattgegeben. Seit dem 1. Juni 2021 könne die Klägerin eine Vergütung entsprechend Entgeltgruppe E 13 vom beklagten Land verlangen. Denn nach §8 Abs. 2 des Gesetzes über die Ausbildung und Prüfung für Lehrämter und die Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern im Land Brandenburg (Brandenburgisches Lehrerbildungsgesetz - BbgLeBiG) könnten Lehramtskandidaten mit einem Vorbereitungsdienst von länger als 12 Monaten eine vorzeitige Zulassung zur Staatsprüfung beantragen. Werde dann die Staatsprüfung bestanden, ende der (berufsbegleitende) Vorbereitungsdienst mit Ablauf des Monats, in dem die Staatsprüfung bestanden werde. Soweit das beklagte Land meine, dass die Klägerin keinen entsprechenden Antrag gestellt habe, könne dem nicht gefolgt werden. Die Klägerin sei zur vorzeitigen Staatsprüfung zugelassen gewesen und habe diese am 20. Mai 2021 bestanden.

Gegen dieses dem beklagten Land am 3. März 2023 zugestellte Urteil hat dieses rechtzeitig Berufung eingelegt und diese auch rechtzeitig begründet.

Das beklagte Land wiederholt und vertieft die erstinstanzlichen Ausführungen. Das Arbeitsgericht habe die Begrifflichkeiten des BbgLeBiG nicht richtig ausgelegt. Es sei zwischen dem "Abschließen" des Vorbereitungsdienstes und dem (rechtlichen) "Beenden" des Vorbereitungsdienstes zu unterscheiden. Die Vorbemerkungen zu allen Abschnitten der Entgeltordnung Lehrkräfte, seien rechtlich quasi eine vorgeschaltete "Klammer" der folgenden Abschnitte, deren inhaltliche Voraussetzungen in jedem Falle für die Feststellung eines tariflichen Vergütungsanspruches gegeben sein müssten. In der dortigen Ziffer 1 Abs. (2) werde ausdrücklich auf Lehrkräfte mit abgeschlossenem Hochschulstudium an einer wissenschaftlichen Hochschule und mit abgeschlossenem Referendariat oder Vorbereitungsdienst abgestellt. Somit sei der Vorbereitungsdienst ausdrücklich zur tariflichen Voraussetzung gemacht worden. Die Entgeltordnung unterscheide zwischen den sogenannten "Erfüllern" nach Abschnitt 1 und den sogenannten "Nichterfüllern" nach Abschnitt 2. Erfüller seien die Lehrkräfte, bei denen die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis erfüllt seien. Nichterfüller seien Lehrkräfte, bei denen die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht erfüllt seien, in der Tätigkeit von Lehrkräften mit abgeschlossenem Hochschulstudium an einer wissenschaftlichen Hochschule und mit abgeschlossenem Referendariat oder Vorbereitungsdienst. Auch in den sogleich folgenden Vorbemerkungen zu Ziffer 1 des Abschnitts 2 sei auf eine Tätigkeit von Lehrkräften mit abgeschlossenem Lehramtsstudium an einer wissenschaftlichen Hochschule und mit abgeschlossenem Referendariat oder Vorbereitungsdienst abgestellt. Deshalb sei den Tarifvorschriften zu entnehmen, dass die Klägerin als Nichterfüllerin immer auch einen abgeschlossenen Vorbereitungsdienst aufweisen müsse. Der Abschluss des Vorbereitungsdienstes sei Teil der "fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis", deren Vorliegen die Tarifvertragsparteien als Voraussetzung für die Anwendung des Abschnitts 1 festgelegt hätten. Dies finde seine Bestätigung auch in der inhaltlichen Ausgestaltung des § 2 Abs. 2 S. 1 BbgLeBiG, wenn es dort heiße "Die Ausbildung zur Befähigung für ein Lehramt umfasst das Lehramtsstudium und den Vorbereitungsdienst." Auch § 2 Abs. 2 S. 1 BbgLeBiG stelle auf "beide Ausbildungsphasen" ab. Die Durchführungshinweise der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) vom 13. Oktober 2015 zum TV EntgO-L vom 28. März 2015 in der für das Land Brandenburg geltenden Fassung gingen davon aus, dass es auf die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen des Bundeslands für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis ankomme und lediglich die übrigen Voraussetzungen, wie die Staatsangehörigkeit, Alter und gesundheitliche Eignung, für eine Eingruppierung nach Abschnitt 1 entbehrlich seien.

Das beklagte Land beantragt in der Berufungsinstanz,

das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg a.d.H. vom 5. Oktober 2022 - 3 Ca 274/22 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen sowie die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg a.d.H. vom 5. Oktober 2022 - 3 Ca 274/22 teilweise abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere 171,79 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2021 zu zahlen.

Auch die Klägerin wiederholt weitgehend ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht mit der Anschlussberufung zusätzlich die Differenzvergütung für den Zeitraum vom 20. Mai 2021 bis 31. Mai 2021 geltend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung des beklagten Landes vom 2. Juni 2023 sowie dessen Schriftsätze vom 14. August 2023, 11. September 2023 und 13. September 2023 und auf den Inhalt der Berufungsbeantwortung und Anschlussberufungsschrift der Klägerin vom 10. Juli 2023 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des beklagten Landes und die Anschlussberufung der Klägerin sind form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung des beklagten Landes ist aber nicht begründet, die Anschlussberufung der Klägerin ist nur zum Teil begründet.

1.

Ob der Vorbereitungsdienst mit der Staatsprüfung abgeschlossen oder rechtlich beendet wird, bedarf im Rahmen dieses Rechtsstreits keiner Entscheidung.

Zutreffend weist das beklagte Land darauf hin, dass die Tarifvertragsparteien in der Entgeltordnung Lehrkräfte in den Abschnitten 1 und 2 zwischen Lehrkräften unterschieden haben, die einerseits die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis erfüllen (Abschnitt 1) und denen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen (Abschnitt 2).

Nach den Vorbemerkungen zum Abschnitt 1 gilt dieser Abschnitt der Entgeltordnung für Lehrkräfte, bei denen die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis erfüllt sind.

Nach Absatz (1) Satz 1 des Abschnitts 1 der Entgeltordnung für Lehrkräfte ist die Lehrkraft in der Entgeltgruppe eingruppiert, die nach Satz 3 der beim Arbeitgeber geltenden Besoldungsgruppe entspricht, in welche sie eingestuft wäre, wenn sie unter Zugrundelegung ihrer fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen im Beamtenverhältnis stünde. Nach dem dortigen Satz 3 entspricht die Besoldungsgruppe A 13 der Entgeltgruppe 13 des TV-L.

Welche fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis jeweils zu erfüllen sind, ist somit den jeweiligen Landesgesetzen, hier also dem Besoldungsgesetz für das Land Brandenburg (Brandenburgisches Besoldungsgesetz - BbgBesG) in Verbindung mit dem Gesetz über die Ausbildung und Prüfung für Lehrämter und die Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern im Land Brandenburg (Brandenburgisches Lehrerbildungsgesetz - BbgLeBiG) zu entnehmen, worauf das beklagte Land erstinstanzlich (bezüglich des dortigen Vergleichs der Klägerin mit der rechtlichen Situation in Sachsen) auch ausdrücklich und zutreffend hingewiesen hat.

Nach der Anlage 1 zum BbgBesG sind in die Besoldungsgruppe A 13 Studienrätinnen und Studienräte mit der Befähigung für das Lehramt für die Sekundarstufe II (berufliche Fächer) eingestuft. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 BbgLeBiG wird für das Lehramt für die Sekundarstufe II (berufliche Fächer) ausgebildet.

Nach § 8 Abs. 1 S. 3 BbgLeBiG, der nach dem dortigen Satz 4 wie auch die dortigen Sätze 1 und 2 auch für Lehrkräfte Anwendung findet, die berufsbegleitend am Vorbereitungsdienst teilnehmen, gilt:

Mit dem Bestehen der Staatsprüfung erwirbt die Lehramtskandidatin oder der Lehramtskandidat die Befähigung für ein Lehramt gemäß § 2 Absatz 1.

Somit hat die Klägerin mit dem Bestehen der Staatsprüfung die Befähigung für ein Lehramt gemäß § 2 Abs. 1 BbgLeBiG erworben. Denn in § 2 Abs. 1 BbgLeBiG ist u.a. ausgeführt:

Es wird für folgende Lehrämter ausgebildet:

das Lehramt für die Sekundarstufe II (berufliche Fächer) und

Zwar regelt § 2 Abs. 2 BbgLeBiG:

Die Ausbildung zur Befähigung für ein Lehramt umfasst das Lehramtsstudium und den Vorbereitungsdienst. Beide Ausbildungsphasen sind berufsfeldorientiert und mit dem Ziel einer wissenschaftlich fundierten Berufsausbildung inhaltlich eng aufeinander bezogen.

Doch nimmt § 8 Abs. 1 BbgLeBiG darauf gerade nicht Bezug. Ganz im Gegenteil stellt § 8 Abs. 1 Satz 2 BbgLeBiG darauf ab, dass mit der Staatsprüfung festgestellt wird, ob der Lehramtskandidat oder die Lehramtskandidatin das Ausbildungsziel erreicht hat. Der brandenburgische Gesetzgeber hat gerade nicht darauf abgestellt, dass es bei der Staatsprüfung darum geht, ob das Ausbildungsziel - nach Absolvierung des Vorbereitungsdienstes - erreicht ist. Vielmehr wird mit der Staatsprüfung insbesondere die fachliche und pädagogische Eignung der Lehramtskandidatin oder des Lehramtskandidaten festgestellt, da dies der vorrangige Teil des Vorbereitungsdienstes ist (vgl. § 5 Abs. 5 BbgLeBiG).

2.

Damit hatte die Klägerin mit dem erfolgreichen Bestehen der Staatsprüfung, wie auch vom beklagten Land im Zeugnis vom 20. Mai 2021 angegeben, die Befähigung für das Lehramt für die Sekundarstufe II (berufliche Fächer) erworben. Das umfasste die tariflich notwendigen fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen ab dem 21. Mai 2021. Denn wenn die Prüfung erst im Laufe des 20. Mai 2021 erfolgt ist, hatte sie zum Unterrichtsbeginn an diesem Tag die tariflichen Voraussetzungen noch nicht erfüllt.

Dass bei einer beamtenrechtlichen Handhabung eventuell mit dem rechtlichen Abschluss des Vorbereitungsdienstes noch eine formelle Voraussetzung hinzutreten müsste, wurde von den Tarifvertragsparteien nicht zur Voraussetzung der Eingruppierung gemacht und ist deshalb in diesem Rechtsstreit unerheblich.

3.

Soweit das beklagte Land meint, dass die Klägerin nicht dem Abschnitt 1, sondern dem Abschnitt 2 der Entgeltordnung Lehrkräfte zuzuordnen sei, ist diese Annahme bis zum 20. Mai 2021 einschließlich zutreffend. Mit dem Bestehen der Staatsprüfung hat die Klägerin jedoch alle Voraussetzungen erfüllt, um dem Abschnitt 1 zugeordnet zu werden. Aufgrund der Tarifautomatik (§§ 44 Nr. 2a, 12 Abs. 1 Satz 3 und 4 TV-L) "rutschte" die Klägerin mit dem Bestehen der Staatsprüfung automatisch vom Abschnitt 2 in den Abschnitt 1 der Entgeltordnung Lehrkräfte.

Daran ändert auch die (allgemeine) Vorbemerkung in Ziffer 1 Absatz (2) der Entgeltordnung Lehrkräfte nichts. Denn in der dortigen Ziffer 1 Absatz (1) ist ausdrücklich der Sinn und Zweck dieser Vorbemerkung definiert. Die Tarifvertragsparteien hatten dort ausdrücklich festgelegt:

Für das Verhältnis der Abschnitte zueinander gelten die Regelungen der Absätze (2) bis (8).

Es wurde von den Tarifvertragsparteien somit gerade nicht definiert, dass es sich bei den allgemeinen Vorbemerkungen um (weitere) tarifliche Voraussetzungen für die Eingruppierung handele.

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 92 Abs. 2 ZPO. Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da das Unterliegen der Klägerin nur minimal ist.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.

Vorschriften§ 12 Absatz 2 TV-L, § 3 der TV EntgO-L, § 12 Abs. 1 S. 1 TV-L, Besoldungsgruppe A 13, § 2 Brandenburgisches Lehrerbildungsgesetz, § 17 Abs. 4 TV-L, § 44 Nr. 2a TV-L, § 3 TV EntgO-L, § 12 TV-L, Anlage 1 zum Brandenburgischen Besoldungsgesetz, § 44 TV-L, § 64 Abs. 2 ArbGG, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO), §§ 44 Nr. 2a, 12 Abs. 1 Satz 3, 4 TV-L, § 64 Abs.6 ArbGG, § 92 Abs. 2 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG