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Urteil vom 08.08.2023 · IWW-Abrufnummer 237963

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz - Aktenzeichen 8 Sa 332/22

In der unbefugten Zuleitung eines Nacktfotos an einen gemeinsamen Arbeitskollegen kann eine so gravierende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des betroffenen Arbeitnehmers liegen, dass diesem ein Entschädigungsanspruch zusteht.


Tenor: I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 13.10.2022, Az. 8 Ca 1712/21, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und der Klarstellung halber insgesamt wie folgt neu gefasst: 1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 3.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.01.2022 zu zahlen. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 92% und die Beklagte zu 8%. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 92% und die Beklagte zu 8%. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche.

Der Kläger ist seit dem 01.09.1983 bei der B. in E-Stadt (im Folgenden: B.) als kaufmännischer Angestellter im Customer Service beschäftigt, zuletzt zu einer Bruttomonatsvergütung von durchschnittlich 5.437 Euro. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Arbeitskollegin, mit der er sich in Abwesenheit vertrat und seit Oktober 2017 ein Büro teilte. Im August 2018 war der Kläger wegen einer Bronchitis arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem er seine Arbeit im September 2018 wiederaufgenommen hatte, wurde er von der B. mit Schreiben vom 28.09.2018 ab 01.10.2018 bis auf weiteres freigestellt. In dem Schreiben heißt es:

"Wegen der Nichtbeachtung Ihnen erteilter Anweisungen und damit einhergehender Störung des betrieblichen Friedens ist eine Sachverhaltsklärung erforderlich. Sie werden daher ab 01.10.2018 ... freigestellt ... Wir bitten Sie, in dieser Angelegenheit am Montag, 15.10.2018 ... in unserem Personalwesen vorzusprechen."

Ab 08.10.2018 wurde dem Kläger von seinem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie H. Arbeitsunfähigkeit wegen einer mittelgradigen depressiven Episode nebst Angstzuständen und Schlafstörungen bescheinigt. In dem Personalgespräch am 15.10.2018 teilte die B. dem Kläger mit, es habe Kollegen und den Betriebsfrieden gestört, dass er aus seiner Arbeitsunfähigkeit im August heraus weitergearbeitet habe. Seine Freistellung hob sie auf. Der Kläger seinerseits informierte sie in diesem Gespräch über seine aktuelle Arbeitsunfähigkeit. Mit Schreiben vom 09.11.2018 stellte die B. den weiter arbeitsunfähig erkrankten Kläger "anlässlich aus weiteren Ermittlungen ... ab sofort ... bis auf weiteres" von seiner Arbeitspflicht frei. Eine Rehabilitationsmaßnahme vom 21.05. - 25.06.2019 verlief erfolglos, die Arbeitsfähigkeit des Klägers konnte ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts vom 05.07.2019 nicht wiederhergestellt werden. Am 16.01.2020 erschien der immer noch arbeitsunfähig erkrankte Kläger zu einem Gespräch beim betriebsinternen Ermittlungsdienst der B.. Dort wurde er zu verschiedenen, von Kollegen gegen ihn erhobenen Vorwürfen angehört, unter anderem, er habe Eigentum der Beklagten entwendet, Teebeutel in ihrem Schrank zurückgelassen, ihren Mülleimer durchwühlt, sie während ihrer Arbeitszeit wie auch privat mit langen Telefonaten belästigt und eine Minikamera im gemeinsamen Büro installiert. Wegen der Einzelheiten des Protokolls sowie der diese Vorwürfe bestreitenden Einlassungen des Klägers wird auf die Anlage K2 (Bl. 15 ff. d.A.) verwiesen. Der Kläger erhielt bis 18.11.2018 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, vom 19.11.2018 bis 01.04.2020 Krankengeld (bis September 2019 zzgl. eines Zuschusses der B.) sowie ab 02.04.2020 Arbeitslosengeld. Am 01.03.2021 trat er seine Arbeit wieder an.

Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt erstellte eine Person aus Indien, bei der es sich nach dem Vorbringen der Beklagten um einen Ex-Geliebten des Klägers handelt, eine Facebook-Gruppe mit dem Namen "T." (D.), in der sie selbst unter dem Pseudonym "H." auftrat. In den dortigen Chat lud sie unter anderem ein Video hoch, das den Kläger beim Onanieren in der Badewanne zeigt, und schrieb über ihn zahlreiche Kommentare wie etwa (aus dem Englischen frei übersetzt): "Er ist ein Lügner, Manipulator, Aufmerksamkeitssuchender, verdeckter Narzisst, alles, was er hätte sagen müssen, ist, es tut mir leid, aber ich glaube, dass sein Ego wesentlich größer ist als sein Schwanz jemals sein kann." In diese Gruppe lud H. zahlreiche Arbeitskollegen des Klägers ein. Am 24.09.2019 schickte die Beklagte Frau E., einer gemeinsamen Arbeitskollegin von ihr und dem Kläger, per WhatsApp zwei Bilder. Auf dem einen ist (als Ausschnitt) der erigierte Penis des in der Badewanne liegenden Klägers zu sehen, mit einem von ihr über der Penisspitze angebrachten - und daher nichts verdeckenden - Emoticon ("Kacksmiley" / lachenderHaufen). Auf dem anderen Bild ist (ebenfalls als Ausschnitt) zu sehen, wie die Hand des Klägers dessen Hoden über dem Wasserspiegel der Badewanne umfasst. Wegen der Einzelheiten zu den Bildern und dem diese begleitenden Chat wird auf die Anlage K25 (Bl. 260 ff. d.A.) verwiesen. Von der Existenz des Videos erfuhr der Kläger in dem Gespräch mit dem Ermittlungsdienst am 16.01.2020.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Hierzu hat er erstinstanzlich vorgetragen, aufgrund der von der Beklagten unberechtigt gegenüber der B. erhobenen Vorwürfe, er habe ihr Eigentum entwendet, Sachen von ihr versteckt, sie im Büro mit einer Minikamera überwacht und ihren Mülleimer durchwühlt, sowie der Übersendung eines Nacktbildes von ihm, das die Beklagte aus dem in der Facebook-Gruppe eingestellten Video herausfotografiert habe, an die Arbeitskollegen E. und F. sei er an einer Depression erkrankt und letztlich vom 08.10.2018 bis 28.02.2021 arbeitsunfähig gewesen. Die B. habe ihn angesichts der Vorwürfe freigestellt, er habe sich bis Ende 2019 einer Psychotherapie unterziehen müssen, Angst um seinen Arbeitsplatz gehabt und an Schlafstörungen gelitten. Er nehme weiter Medikamente ein. Hierzu verweist er auf eine Bescheinigung seines Psychotherapeuten J. vom 22.10.2021 (Anlage K 11, Bl. 28 d.A.). Die Beklagte habe mit ihrem Verhalten seine Intimsphäre in demütigender Weise verletzt und ihn am Arbeitsplatz der Lächerlichkeit preisgegeben. Sie habe gegenüber der B. bewusst unrichtige Tatsachenbehauptungen erhoben, um ihm beruflich zu schaden, zumal sie um seine psychische Vorerkrankung gewusst habe. Eigentum der Beklagten habe er nicht entwendet. Ihren Mülleimer habe er nicht durchwühlt, sondern lediglich einmal geleert und die Mülltüte der Reinigungskraft übergeben. Er habe sie auch nicht mit einer Kamera überwacht. Da er nach den Vorwürfen der Beklagten freigestellt worden sei und das Büro nur noch in Begleitung habe betreten dürfen, um seine persönlichen Gegenstände mitzunehmen, hätte er im übrigen gar keine Gelegenheit zur Entfernung einer solchen Kamera gehabt. Vorgefunden worden sei eine solche Kamera unstreitig nicht. Insoweit trage die Beklagte das Risiko der objektiven Nichterweislichkeit dieser von ihr zu Unrecht behaupteten Tatsache.

Wegen des Verhaltens der Beklagten verlangt der Kläger zunächst Schadensersatz in Höhe der Differenz des von ihm bezogenen Kranken-/Arbeitslosengeldes zu seinem ohne die Arbeitsunfähigkeit weiter verdienten regulären Gehalt. Dies seien für die Zeit von Oktober 2018 bis Februar 2021 insgesamt 20.494,13 Euro (wegen der Berechnung wird auf die Begründung in der Klageschrift S. 8 f. [Bl. 8 f. d.A.] Bezug genommen). Trotz seiner psychischen Vorerkrankung habe die Beklagte, indem sie das Nacktbild zwei Kollegen gezeigt habe, die es noch nicht aus der Facebook-Gruppe gekannt hätten, einen eigenen Kausalverlauf in Gang gesetzt. Zudem begehre er wegen des erlittenen immateriellen Schadens ein Schmerzensgeld, da die Beklagte mit ihrem Verhalten sein allgemeines Persönlichkeitsrecht in gravierender Weise verletzt habe. Bei der Bemessung sei zu berücksichtigen, dass die B. ihn aufgrund der Vorwürfe der Beklagten freigestellt habe, er langwierig depressiv erkrankt sei, eine Rehamaßnahme zunächst nicht erfolgreich verlaufen sei, die Beklagte ihre Falschbehauptungen weder später widerrufen noch sich bei ihm entschuldigt und durch ihre wahrheitswidrigen Behauptungen das Verhältnis seines Arbeitgebers zu ihm gezielt und nachhaltig zerrüttet habe. Da sich hierdurch auch der Zeitraum vermindert habe, für den die B. in die betriebliche Altersvorsorge einzahle, sowie die Beitragszahlungen in die Rentenversicherung, begehrt der Kläger schließlich Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz ihm künftig noch entstehender Schäden verurteilt wird.

Nachdem der Kläger erstinstanzlich ursprünglich beantragt hatte,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.494,24 Euro zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 10.000 Euro nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; 3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aufgrund der Falschbeschuldigungen, er habe ihr Eigentum entwendet oder vor ihr versteckt, sie mit einer versteckten Kamera im Büro überwacht und ihren Mülleimer durchwühlt, und dem Verbreiten eines seiner Intimsphäre zuzuordnenden Lichtbildes durch die Beklagte und der daraus folgenden Langzeiterkrankung entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen Dritten übergegangen ist; 4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.626,49 Euro zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hat er nach Rücknahme des Klageantrags zu 4) noch die Anträge zu 1) - 3) gestellt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich vorgetragen, Kollegen kein Nacktbild des Klägers gezeigt zu haben. Bei dem von ihm gemeinten Bild handle es sich um Teile eines Videos aus dem Chat in der Facebook-Gruppe, die von seinem indischen Ex-Geliebten erstellt worden sei, der ihm auf die Schliche gekommen sei, dass er verschiedenen jungen Männern in tendenziell ärmeren Ländern großspurige Versprechungen gemacht habe, sie nach Deutschland zu holen. Nachdem der Ersteller der Facebook-Gruppe festgestellt habe, lediglich sexuell ausgebeutet worden zu sein, habe er die Facebook-Gruppe erstellt, um andere Opfer und Bekannte sowie B.-Mitarbeiter und Familienmitglieder über die Machenschaften des Klägers zu informieren und vor ihm zu warnen. In diese Gruppe seien alle möglichen Kollegen eingeladen worden, zeitweise hätten über 100 Mitglieder die Videos anschauen können. Selbst wenn sie Frau E. und Herrn F. das Bild gezeigt hätte, wäre daher die bereits bestehende psychische Erkrankung des Klägers dadurch nicht schlimmer geworden. Der Kläger sei ein schwerer psychotischer Narzisst, jemand, der mit allen anderen Mitarbeitern Schwierigkeiten habe, wobei diese allein von ihm ausgingen. Er habe eine Kamera im Büro, vermutlich in der Zimmerpflanze, versteckt, um sie zu überwachen. Dies wisse sie, weil er sie mit teilweise stundenlangen, sinnlosen Telefonaten von ihrer Arbeit abgehalten habe, als er nicht im Büro gewesen sei, und dabei Informationen preisgegeben habe, die allein durch optische Überwachung des Büros hätten gewonnen werden können. Er habe immer bildlich gewusst, was sie gerade tue. Auch habe er in ihrem Mülleimer gewühlt und evtl. noch mehr.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, wann, wo und auf welche Art und Weise die Beklagte den beiden Kollegen das Bild aus dem Video gezeigt haben solle. Eine Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugen wäre auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen. Hinsichtlich der weiteren Vorwürfe habe der Kläger ebenfalls nicht dargelegt, wann er durch wen erstmals von welchen Vorwürfen der Beklagten erfahren habe, welche Gespräche daraufhin mit dem Arbeitgeber geführt worden seien, wann es zu seiner Freistellung gekommen und wie insbesondere das Gespräch am 15.10.2018 im einzelnen verlaufen sei. Unabhängig hiervon fehle es am adäquaten Kausalzusammenhang zwischen den vom Kläger gerügten Verletzungshandlungen und seiner Erkrankung. So räume er ein, bereits früher psychisch erkrankt gewesen zu sein, lege aber nicht dar, ob dies bereits auf der Verbreitung des Facebook-Videos beruht habe oder ausgeheilt gewesen sei. Da der Kläger eine gewisse Anfälligkeit für psychische Erkrankungen zugebe, lasse sich nicht ausmachen, welcher Erkrankungsanteil sich ab 08.10.2018 auf die hier behaupteten Vorfälle zurückführen lasse. Der für ihn verheerende Schaden sei bereits durch das in die Facebook-Gruppe hochgeladene Video entstanden. Daher sei nicht nachvollziehbar, warum seine schwere psychische Erkrankung darauf beruhen solle, dass die Beklagte zwei weiteren Kollegen ein Bild aus dem Video gezeigt hätte. Die Verleumdungsvorwürfe hätten ein viel geringeres Gewicht im Vergleich dazu, mit diesen lasse sich leichter umgehen. Daher seien weder Schadensersatz- noch Schmerzensgeldansprüche begründet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 160 ff. d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihm am 07.11.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger mit beim Landesarbeitsgericht am 05.12.2022 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage Berufung eingelegt und diese mit beim Landesarbeitsgericht am Montag, den 09.01.2022, eingegangenem Schriftsatz vom 04.01.2023 begründet. Zur Begründung seiner Berufung trägt er nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 04.01.2023 (Bl. 185 ff. d.A.), 11.07.2023 (Bl. 240 ff. d.A.) und 01.08.2023 (Bl. 259 ff. d.A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, vor, er habe die Vorwürfe gegen die Beklagte hinreichend substantiiert dargelegt. Einzelheiten seien für die von ihm angestrebte Rechtsfolge ohne Bedeutung und konkreterer Vortrag nicht möglich, da er bei den Verletzungshandlungen nicht dabei gewesen sei. Die Beklagte habe die Bilder den Zeugen im Arbeitskontext gezeigt, und zwar vor seiner psychischen Erkrankung. Das Arbeitsgericht hätte die von ihm benannten Zeugen vernehmen müssen, um einen Ausforschungsbeweis hätte es sich dabei nach den strengen Anforderungen des Bundesgerichtshofs nicht gehandelt. Im Übrigen habe die Beklagte an ihrer Behauptung, er hätte eine Kamera im Büro installiert, im Prozess ausdrücklich festgehalten. Seine frühere psychische Erkrankung sei irrelevant, da es sich zum einen um keinen der sog. Anlagefälle handle und zum anderen nicht mathematisch ermittelt werden könne, wie viele Prozentpunkte seiner ab dem 08.10.2018 aufgetretenen depressiven Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit auf Disposition und wie viele auf die Verleumdung durch die Beklagte zurückzuführen seien. Das Arbeitsgericht ignoriere, dass die unberechtigten Vorwürfe der Beklagten zu seiner Suspendierung und seinen Ängsten um seinen Arbeitsplatz geführt hätten. Sie habe im Übrigen gar nicht bestritten, die streitgegenständlichen Äußerungen getätigt zu haben. Sie habe Frau E. gegenüber im Chatverlauf (den der Kläger zweitinstanzlich vorgelegt hat [Bl. 260 ff. d.A.]) sogar erklärt, die Bilder ebenfalls an Herrn F. geschickt zu haben. Von den Vorwürfen der Beklagten über ihn habe er erst durch die Einladung zum Gespräch mit dem Ermittlungsdienst Anfang 2020 erfahren.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 13.10.2922, Az. 8 Ca 1712/21, 1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.494,24 Euro zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 10.000 Euro nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; 3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aufgrund der Falschbeschuldigungen, er habe Eigentum der Beklagten entwendet oder vor dieser versteckt, sie mit einer versteckten Kamera im Büro überwacht und ihren Mülleimer durchwühlt, und dem Verbreiten eines seiner Intimsphäre zuzuordnenden Lichtbildes durch die Beklagte und der daraus folgenden Langzeiterkrankung entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen Dritten übergegangen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschriftsätze vom 09.05.2023 (Bl. 226 d.A.) und 02.08.2023 (Bl. 267 d.A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, und trägt hierzu vor, ein Foto, das den Kläger nackt zeige, weder angefertigt noch aus einem Video herausfotografiert noch sich sonstwie verschafft noch ein solches Foto jemandem gezeigt zu haben. An den vom Kläger vorgelegten Chatverlauf könne sie sich nicht mehr erinnern. Zudem sei Frau E. bereits in der Facebook-Gruppe gewesen, sie habe sie überhaupt erst auf diese Gruppe aufmerksam gemacht. Frau E. habe das Video vom Kläger daher bereits gesehen gehabt und die Bilder aus der WhatsApp-Kommunikation schon gekannt. Daher sei dem Kläger jedenfalls kein ihr zurechenbarer Schaden entstanden. Eigentum von ihr habe er entwendet bzw. versteckt. Sie habe häufiger festgestellt, dass immer wieder Büromaterial von ihr vom Tisch verschwunden und woanders wiederaufgetaucht sei, zum Teil in Schränken, an denen sie vorher noch nie gewesen sei. Ihr sei nach und nach klargeworden, dass jemand anderes die Sachen dorthin gelegt haben müsse. Dies habe sie ihrem Vorgesetzten Z. im August 2018 während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers erzählt. Gleiches gelte für die Vorwürfe, er habe ihren Mülleimer durchwühlt und sie mit einer Kamera im Büro überwacht. Der Kläger habe sie im August 2018 während seiner Arbeitsunfähigkeit belästigt, ihre E-Mails geöffnet und sie permanent angerufen. Als sie vor diesem Hintergrund mit Erlaubnis ihres stellvertretenden Teamleiters W. ihren Mailaccount für den Kläger gesperrt habe, sei kurz danach Frau E. zu ihr gekommen und habe gesagt, der Kläger habe sie angerufen und erklärt, wenn die nicht mehr mit ihm reden wolle, bringe er sich um, woraufhin sie mit Herrn W. zu Herrn Z. gegangen sei, ihm dies erzählt habe und dabei einen Nervenzusammenbruch erlitten habe. Als Herr Z. gefragt habe, ob in der Vergangenheit noch mehr passiert sei, habe sie die hier streitgegenständlichen Äußerungen getätigt. Auch ihre Laptoptasche habe der Kläger im Dezember 2017 einmal versteckt. Ihr Kollege Wi., den sie zufällig auf dem Flur getroffen habe, sei dann in ihrem Büro an einen Schrank gegangen, habe die Laptoptasche in einem nur schwer zugänglichen Fach gefunden und ihr gegeben mit der Bemerkung, bei ihm habe der Kläger das auch immer gemacht, wenn ihm nicht gepasst habe, dass seine Laptoptasche auf dem Boden stehe.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E. und F.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08.08.2023 (Bl. 269 ff. d.A.) Bezug genommen, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften.

Entscheidungsgründe

A.

I.

Die nach § 64 Abs. 1, 2 lit. b) ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

II.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch nur zu einem geringen Teil Erfolg.

1. Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche hat das Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen. Hinsichtlich sämtlicher der Beklagten vorgeworfener Verletzungshandlungen (der Übersendung der Nacktbilder an Frau E. und Herrn F. sowie den Äußerungen gegenüber dem Vorgesetzten Z.) fehlt es bereits an der für einen Schadensersatzanspruch erforderlichen Kausalität.

a) Der Kläger persönlich hat auf gerichtliche Nachfrage in der Berufungsverhandlung erklärt, von den Äußerungen der Beklagten erst Anfang 2020 überhaupt erfahren zu haben, als er zum Gespräch beim betriebsinternen Ermittlungsdienst geladen worden sei. Von dem im Chat aufgetauchten Video über sich habe er erst im Gespräch mit dem Ermittlungsdienst erfahren. Die vom Kläger vorgelegte WhatsApp-Kommunikation zwischen der Beklagten und Frau E., die eine Übermittlung zweier Nacktfotos beinhaltet, datiert vom 24.09.2019. Wann der Kläger hiervon erfuhr, hat er nicht näher vorgetragen. Daraus ergibt sich, dass ihm sämtliche in Betracht kommenden Fehlverhaltensweisen der Beklagten erst erhebliche Zeit - nämlich über ein Jahr - nach (Wieder-)Auftreten seiner depressiven Erkrankung am 08.10.2018 bekannt geworden sind und die Erkrankung daher nicht ausgelöst haben können. Ausweislich der von ihm vorgelegten Bescheinigung seines Psychotherapeuten J. befand er sich lediglich bis Dezember 2019 in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung, weshalb zudem nicht ersichtlich ist, warum er bis einschließlich Februar 2021 unter Verweis auf eine andauernde depressive Erkrankung Schadensersatzansprüche geltend macht.

b) Auf diese erheblichen, in der ersten Berufungsverhandlung aufgetretenen Bedenken an der erforderlichen haftungsbegründenden wie -ausfüllenden Kausalität hat die Kammer ausweislich des Protokolls ausdrücklich hingewiesen. Gleichwohl erfolgte bis zum Ende der Beweisaufnahme und zweiten Berufungsverhandlung gut drei Monate später kein weiterer diesbezüglicher Vortrag seitens des Klägers oder seiner Prozessvertreterin.

c) Die Freistellung des Klägers vom 01. - 15.10.2018 hatte mit den streitgegenständlichen Verhaltensweisen der Beklagten nichts zu tun. Insoweit hat der Kläger in der ersten Berufungsverhandlung auf gerichtliche Nachfrage erklärt, in dem Personalgespräch vom 15.10.2018 sei es ausschließlich darum gegangen, dass er während seiner Arbeitsunfähigkeit im August gearbeitet und dies, anders als sonst, wohl einige Kollegen gestört habe. Dies habe die B. in ihrem Schreiben vom 28.09.2018 mit "Störung des betrieblichen Friedens" gemeint. Von den seitens der Beklagten erhobenen Vorwürfen sei in diesem Gespräch keine Rede gewesen.

d) Soweit dem Kläger ärztlicherseits bescheinigt wird, seine psychischen Belastungen seien durch konflikthafte Bedingungen am Arbeitsplatz ausgelöst und verstärkt worden, so kann sich dies auf eine Vielzahl von Konflikten beziehen, ohne dass dies automatisch Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte begründen könnte. In dem ermittlungsdienstlichen Protokoll vom 16.01.2020 taucht eine ganze Reihe an Beschwerden verschiedenster Arbeitskollegen gegenüber dem Kläger auf. Auch seine zweiwöchige Freistellung vom 01. - 15.10.2018 "wegen der Nichtbeachtung Ihnen erteilter Anweisungen und damit einhergehender Störung des betrieblichen Friedens" bringt eine betriebliche Konfliktsituation zum Ausdruck, die indes nachweislich nichts mit dem Verhalten der Beklagten zu tun, gleichwohl aber das Auftreten der depressiven Erkrankung beim Kläger ausgelöst hatte (vom Inhalt des Personalgesprächs hatte er bei Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit am 08.10.2018 noch gar keine genaue Kenntnis). Die allgemeine ärztliche Formulierung, konflikthafte Situationen am Arbeitsplatz hätten zu einer psychischen Belastung des Klägers geführt, vermag der Kammer daher keine hinreichende Kausalität für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu begründen.

2. Infolge dessen war die Berufung auch hinsichtlich des Feststellungsantrags (Klageantrag zu 3) zurückzuweisen. Dieser Antrag richtet sich auf einen Ersatz sämtlicher künftiger materieller Schäden, die dem Kläger aus dem der Beklagten vorgeworfenen Fehlverhalten resultieren können. Als einzige Beispiele nennt der Kläger verminderte Einzahlungen der B. in seine betriebliche Altersvorsorge sowie geringere Beitragszahlungen in die Rentenversicherung infolge seiner krankheitsbedingten Gehaltsminderung. Da eine Haftung der Beklagten für diese Schäden indes nicht besteht, gilt dasselbe für spätere materielle Folgeschäden. Weitere in Betracht kommende Schadenspositionen sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

3. Die Zahlung einer Entschädigung in Geld wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann der Kläger dagegen verlangen, wenngleich nicht in der eingeklagten Höhe.

a) Ein Entschädigungsanspruch ergibt sich insoweit aus § 823 Abs. 1 BGB iVm Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Das verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als "sonstiges Recht" iSv § 823 Abs. 1 BGB anerkannt (BAG 19.02.2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 14; 15.09.2016 - 8 AZR 351/15 - Rn. 33, 35; BGH 17.12.2013 - VI ZR 211/12 - Rn. 40, juris) und bezeichnet das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zu seinem Schutzbereich zählt auch der sog. Ehrenschutz, der auf den Schutz gegen unwahre Behauptungen, herabsetzende, entwürdigende Äußerungen und Verhaltensweisen sowie auf die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist (BAG 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 71; 28.10.2010 - 8 AZR 546/09 - Rn. 19; 11.12.2014 - 8 AZR 838/13 - Rn. 14; LAG Rheinland-Pfalz 20.11.2015 - 3 Sa 371/15 - Rn. 29; 04.12.2017 - 3 Sa 143/17 - Rn. 100; 16.02.2018 - 1 Sa 259/17 - Rn. 171, juris). Ein hierauf gestützter Entschädigungsanspruch setzt allerdings voraus, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, wobei insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen sind (BAG 19.02.2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 16; 15.09.2016 - 8 AZR 351/15 - Rn. 35; LAG Rheinland-Pfalz 04.12.2017 - 3 Sa 143/17 - Rn. 102; LAG Sachsen 17.02.2005 - 2 Sa 751/03 - Rn. 242; BGH 17.12.2013 - VI ZR 211/12 - Rn. 38; 21.04.2015 - VI ZR 145/14 - Rn. 33; 24.05.2016 - VI ZR 496/15 - Rn. 9; OLG Köln 30.07.2020 - 15 U 313/19 - Rn. 14; OLG Oldenburg - 13 U 70/17 - Rn. 23, juris). Da die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wegen seiner Eigenart als Rahmenrecht durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden muss, ist ein Eingriff in dieses Recht nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BAG 15.09.2016 - 8 AZR 351/15 - Rn. 33; BGH 08.05.2012 - VI ZR 217/08 - Rn. 35; 01.03.2016 - VI ZR 34/15 - Rn. 30, juris).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Verhalten der Beklagten nur teilweise zu einem Entschädigungsanspruch des Klägers in Geld.

aa) Soweit die Beklagte ihrem Vorgesetzten Z. gegenüber erklärt hat, der Kläger habe ihren Mülleimer durchwühlt, vermag dies einen Entschädigungsanspruch nicht zu begründen. Es handelt sich nach dem Vorbringen der Parteien insoweit um einen einmaligen bzw. auf ein einmaliges Verhalten des Klägers gerichteten Vorwurf, da die Beklagte nicht vorgetragen hat, der Auszubildende T. habe ihr erklärt, mehrfach oder wiederholt gesehen zu haben, wie der Kläger ihren Mülleimer durchwühlt habe. Bei einem solchen Verhalten ist die für eine billige Entschädigung in Geld nach der vorstehenden Rechtsprechung geforderte Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht. Das Durchwühlen des Mülleimers eines Bürokollegen - den Vorwurf einmal als wahr unterstellt - mag seltsam oder skurril anmuten. Damit wird jedoch der Ehrenschutz des Klägers nicht in einer so gravierenden Weise beeinträchtigt, dass er nur durch eine Entschädigung in Geld ausgeglichen werden könnte. Ob der Kläger in der betreffenden Situation den Mülleimer lediglich geleert und die Mülltüte der Reinigungskraft übergeben hat - wie er behauptet - oder ob er tatsächlich im Büromülleimer der Beklagten gewühlt hat - wie die Beklagte behauptet -, konnte daher offenbleiben.

bb) Gleiches gilt für den Vorwurf, die Beklagte habe ihrem und seinem Arbeitgeber gesagt, er entwende bzw. verstecke Eigentum von ihr.

aaa) Insoweit hat die Beklagte in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 02.05.2023 zu Protokoll erklärt, sie habe ihrem Vorgesetzten Z. im August 2018 gesagt, der Kläger habe sich immer wieder an ihrem Schrank oder ihren Sachen zu schaffen gemacht und Sachen von sich wie etwa Teebeutel bei ihr im Schrank zwischen ihren persönlichen Dingen hinterlassen. Sie habe häufiger festgestellt, dass immer wieder Büromaterial von ihrem Tisch verschwunden und woanders wiederaufgetaucht sei, zum Teil auch in anderen Schränken, an denen sie vorher noch nie gewesen sei. Nach und nach sei ihr klargeworden, dass die Sachen jemand anderes als sie dort hingelegt haben müsse.

bbb) Soweit die Beklagte Herrn Z. damit erzählt haben mag, der Kläger verräume ihre Sachen und hinterlasse eigene Dinge wie Teebeutel von sich bei ihr im Schrank, so erreicht auch dieser Vorwurf die für eine Geldentschädigung erforderliche Erheblichkeitsschwelle nicht. Der persönliche Geltungsanspruch im Sinne des Ehrenschutzes wird hierdurch nicht verletzt und kann nicht nur durch eine Geldentschädigung befriedigend ausgeglichen werden. Insbesondere hat die Beklagte, sofern sie den Begriff der "Entwendung" von Eigentum gebraucht haben sollte, diesen ersichtlich nicht im Sinne eines "Diebstahls" gemeint, sondern in dem Sinne, dass der Kläger Sachen von ihr an Orte geräumt habe, wo sie sie nicht mehr gefunden habe, da sie zum Teil an diesen Schränken noch nie gewesen sei. Dies mag für den Betroffenen ärgerlich sein, es beinhaltet aber nicht den Vorwurf, der Kläger hätte tatsächlich Eigentum der Beklagten gestohlen oder sich solches aneignen wollen (insoweit bedürfte es streng genommen sogar einer Unterscheidung zwischen persönlichen Gegenständen im Eigentum der Beklagten und im Eigentum des Arbeitgebers stehenden Büromaterialien). Dass die betreffenden Gegenstände für die Beklagte "verschwunden" waren, begründet noch keinen Diebstahl durch den Kläger und daher auch keinen so zu verstehenden Vorwurf. Insbesondere hat die Beklagte erklärt, das - wohl ohnehin nicht in ihrem Eigentum stehende - verschwundene Büromaterial sei "woanders wieder aufgetaucht". Damit hat sie selbst nicht behauptet, es sei gestohlen worden, sondern vom Kläger eben lediglich ohne ihr Wissen umgeräumt worden. Da sie Herrn Z. die Begleitumstände nach ihrem unwidersprochenen Vorbringen aus der Berufungsverhandlung so erklärt hat, wie sie sie zu Protokoll geschildert hat, musste dieser auch nicht von einem Diebstahlsvorwurf ausgehen.

In diesen möglicherweise eigenmächtigen Umräumaktionen des Klägers liegt ebenfalls kein so gravierendes Fehlverhalten, dass es, falls es ihm durch die Beklagte in ungerechtfertigter Weise vorgeworfen und an den Vorgesetzten herangetragen worden wäre, einen finanziellen Entschädigungsanspruch rechtfertigen könnte. Dies gilt auch für den Vorfall mit der "versteckten" Laptoptasche aus Dezember 2017, sofern die Beklagte diesen Herrn Z. ebenfalls geschildert haben sollte. Insoweit wird zwar ersichtlich, dass der Kläger - den Vorwurf einmal als wahr unterstellt - die Laptoptasche an einer Stelle im Büroschrank versteckt hat, wo sie die Beklagte offenbar nicht gesucht und daher auch nicht gefunden hätte. Darin mag kein adäquates kollegiales Verhalten gelegen haben. Die von der Beklagten geschilderte Reaktion des von ihr seinerzeit auf dem Flur angetroffenen Kollegen Wi. fiel gleichwohl offenbar eher erheitert als besorgt aus, da der Kläger mit der Laptoptasche der Beklagten anscheinend dasselbe tat wie zuvor mit seiner, und konnte ihr sofort den entsprechenden Platz im Büroschrank zeigen, wo die Tasche lag. Dies zeigt, dass der Kläger nicht die Absicht hatte, Eigentum der Beklagten zu entwenden oder ihr dauerhaft zu entziehen. Da die Beklagte selbst vorgetragen hat, der Kläger habe häufig Kontakt zu ihr gesucht, mag es sich dabei um die Vorbereitung einer Kontaktaufnahme dergestalt gehandelt haben, dass die ihre Laptoptasche vermissende Beklagte den Kläger als Bürokollegen hätte fragen sollen, ob er etwas über den Verbleib ihrer Tasche wisse. Der in einem solchen Verhalten liegende "Unrechtsgehalt" erreicht auch hier die Erheblichkeitsschwelle für die von der Rechtsprechung geforderte "gravierende" / "schwerwiegende" Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht, selbst wenn die Beklagte diesen Vorwurf zu Unrecht erhoben haben sollte.

cc) Dagegen kann der Kläger eine Entschädigung in Geld dafür verlangen, dass die Beklagte zwei Nacktbilder aus seinem unmittelbaren Intimbereich per WhatsApp an die gemeinsame Arbeitskollegin E. geschickt hat.

aaa) Die Weiterleitung eines Nacktbildes an einen oder mehrere Dritte ohne Wissen und Zustimmung der abgebildeten Person betrifft den rechtlich geschützten Bereich ihres Persönlichkeitsrechts und kann dieses verletzen, weil ihr Selbstbestimmungsrecht missachtet wird. Ein Entschädigungsanspruch kann insbesondere dann entstehen, wenn sich der Angriff gegen die Grundlagen der Persönlichkeit richtet oder die Persönlichkeitsrechtsverletzung das Schamgefühl berührt, zu Peinlichkeiten führt oder ein Gefühl des Ausgeliefertseins verursacht, wenn also - etwa bei schweren Eingriffen in die Intim- und Privatssphäre - über die Persönlichkeit an ihrer Basis verfügt wird (OLG Köln 30.07.2020 - 15 U 313/19 - Rn. 28; LG München 02.10.2013 - 9 O 13087/13 - Rn. 191, juris). Die Veröffentlichung / Verbreitung / Weiterleitung von Nacktbildern einer Person ist in einem so starken Maße mit deren Intimbereich verbunden, dass eine Veröffentlichung ihrer freien Selbstbestimmung unterliegt. Die unbefugte Veröffentlichung eines solchen Bildes stellt sich als Anmaßung einer Herrschaft über ein fremdes Persönlichkeitsgut dar. Es muss jedem Menschen freistehen, selbst zu entscheiden, ob und welchem Personenkreis Einblicke in seine Intimsphäre gestattet werden soll (BGH 02.07.1974 - VI ZR 121/73 - Rn. 22 f.; 22.01.1985 - VI ZR 28/83 - Rn. 19 ff.; OLG Oldenburg 05.03.2018 - 13 U 70/17 - Rn. 22; OLG Köln 30.07.2020 - 15 U 313/19 - Rn. 28; LG Frankfurt 20.05.2014 - 3 O 189/13 - Rn. 42; LG Dresden 29.06.2018 - 1a O 2105/17 - Rn. 34; LG Düsseldorf 16.11.2011 - 12 O 438/10 - Rn. 27; LG Offenburg 29.10.2020 - 2 O 177/20 - Rn. 46, juris).

bbb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in massiver Weise verletzt, indem sie zwei Bilder seiner Genitalien per WhatsApp an die Arbeitskollegin E. weiterleitete. Es handelt sich eindeutig und in denkbar expliziter Weise um Bilder, die seiner Intimsphäre zuzuordnen sind, weshalb es allein ihm anheimsteht, darüber zu befinden, ob und wem er diese Bilder zugänglich machen will. Diese Beurteilung war nicht Sache der Beklagten. Unerheblich ist insoweit, ob möglicherweise auch andere Personen die Bilder und/oder sogar Nacktvideos vom Kläger unbefugt verbreitet hatten, etwa in der von "H." erstellten Facebook-Gruppe. Jemand, der das Persönlichkeitsrecht eines anderen verletzt, kann sich nicht damit entlasten, andere täten dies ebenfalls (LG Dresden 29.06.2018 - 1a O 2105/17 - Rn. 39, juris). Wer Nacktfotos einer anderen Person veröffentlicht, hat sich grundsätzlich vorher zu versichern, dass er dazu auch berechtigt ist (BGH 02.07.1974 - VI ZR 121/73 - Rn. 22 f.; LG Dresden 29.06.2018 - 1a O 2105/17 - Rn. 50; LG Düsseldorf 13.12.2006 - 12 O 194/05 - Rn. 22; 16.11.2011 - 12 O 438/10 - Rn. 27, juris).

(1) Vorliegend hat die Beklagte zur Überzeugung der Kammer der gemeinsamen Arbeitskollegin E. am 24.09.2019 unter anderem die beiden Nacktbilder des Klägers weitergeleitet, ohne dass dieser davon Kenntnis gehabt oder gar sein Einverständnis hiermit erklärt hätte. Zwar hat die Beklagte (zunächst) ausdrücklich bestritten, irgendeine Art an Nacktfoto vom Kläger jemandem gezeigt oder geschickt zu haben. Dies hat sie noch in der ersten Berufungsverhandlung vom 02.05.2023 nachdrücklich behauptet (vgl. S. 3 des Protokolls). Als der Kläger dann mit Schriftsatz vom 11.07.2023 die Whats-App-Kommunikation zwischen ihr und Frau E. als Anlage K 25 vorgelegt hat, ist die Beklagte dann dazu übergegangen zu erklären, an diesen Chat-Verlauf könne sie sich nicht mehr erinnern (vgl. das Protokoll der zweiten Berufungsverhandlung vom 08.08.2023, S. 2). Diese Einlassung erschien der Kammer - selbst ohne Berücksichtigung der Zeugenaussage von Frau E. - unglaubhaft und nicht wahrheitsgemäß. Die Beklagte hat nicht bestritten, dass die vorgelegte, im Laufe der Beweisaufnahme von der Zeugin E. detailliert erinnerte und auf Vorhalt ausdrücklich bestätigte WhatsApp-Kommunikation von ihrem Handy aus erfolgt ist. Ebenso wenig hat die Beklagte bestritten, dass sie die Nachrichten, Bilder und Videos an Frau E. geschickt hat. Eine Erklärung, die ihre Beteiligung an dieser Kommunikation hätte in Frage stellen können, hat die Beklagte nicht ansatzweise abgegeben. Daher gelangte die Kammer zu der Überzeugung, dass sie die Urheberin und Absenderin der WhatsApp-Nachrichten und auch der auf diesem Wege an Frau E. übersandten Bilder war und dies im Prozess schlichtweg solange wahrheitswidrig bestritten hat, bis der Kläger die Kommunikation zur Gerichtsakte eingereicht hat.

Die Zeugin E. hat im Rahmen ihrer Vernehmung detailliert und in sich schlüssig bekundet, die Beklagte habe ihr zwei Videos und zwei Bilder vom Kläger per WhatsApp geschickt, und Einzelheiten der diese Übersendung begleitenden WhatsApp-Textkommunikation erinnert, ehe ihr dann die zu den Akten gereichte Kommunikation (Bl. 260 ff. d.A.) vorgelegt und von ihr ausdrücklich als solche erkannt und bestätigt wurde. Der zudem vernommene Zeuge F. hat demgegenüber bekundet, von der Beklagten kein Nacktfoto des Klägers zugänglich gemacht bekommen zu haben. Eventuelle sonstige Weiterleitungen von Nacktfotos durch die Beklagte an andere Personen hat der Kläger nicht konkret behauptet. Sie haben sich auch nicht aus der Beweisaufnahme ergeben. Daher war vorliegend lediglich die Weiterleitung der beiden Nacktbilder an Frau E. zugrunde zu legen.

(2) Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung scheitert nicht daran, dass Frau E. die Nacktbilder des Klägers schon gekannt hätte, als die Beklagte sie ihr weiterleitete.

(a) Zum einen würde selbst eine solche Kenntnis nichts daran ändern, dass die Beklagte ihrerseits nicht befugt war, über eine Weiterleitung der die Intimsphäre des Klägers betreffenden Bilder eigenmächtig zu entscheiden und damit sein allgemeines Persönlichkeitsrecht zu verletzen (LG Dresden 29.06.2018 - 1a O 2105/17 - Rn. 50, juris).

(b) Zum anderen würde es sich für den Fall, dass Frau E. die beiden Bilder bereits gekannt hätte, beim Verhalten der Beklagten nicht um eine bloße Wiederholung eines bereits durch andere Personen an den Tag gelegten Verhaltens handeln. Dem Verhalten der Beklagten kommt in jedem Fall ein darüber hinausgehender, eigener Unwertgehalt zu, weil sie eines der beiden Fotos in vermeintlich lustiger, für den KIäger jedoch noch herabwürdigenderer Weise bearbeitet hat. In der vorgelegten WhatsApp-Kommunikation hat die Beklagte eingeräumt, auf dem einen Bild über der Spitze des erigierten Penis des Klägers einen - in den Worten der Zeugin - "Kacksmiley" (lachenden Haufen) eingefügt zu haben. Unabhängig davon, welche zusätzliche Aussage mit dieser Bildbearbeitung transportiert werden sollte - eine abwertende Aussage mit Schwerpunkt auf dem Kothaufen-Emoji oder eine sich lustig machende Aussage durch das Lachen des Häufchen-Emojis -, diente die Einfügung des Emoticons augenscheinlich dazu, das Bild entweder in abwertender Weise zu kommentieren oder sich über es lustig zu machen. In beiden Varianten verletzte die Beklagte das Persönlichkeitsrecht und die Ehre des Klägers in über das Bild als solches hinausgehender Weise. Aus der Textkommunikation und der darin auftauchenden Frage von Frau E., ob die Beklagte das "Kacksmiley für T." (gemeint war der Kollege F.) eingefügt habe, hat die Beklagte dies zum einen bejaht ("haja") und dies mit vier weiteren, sich vor Lachen schräg legenden Emojis kommentiert. Damit hat sie sich nochmals in über den bloßen Bildinhalt hinausgehender Weise über den Kläger lustig gemacht.

(c) Hinzu kommt, dass Frau E. ausweislich der begleitenden Textkommunikation mehrfach kundgetan hat, die von der Beklagten zunächst übersandten Videos nicht öffnen zu wollen ("ich will nicht ... bin da echt prüde ... hier glotzt jeder drauf"). Dies hat die Beklagte zunächst mit Belustigung zur Kenntnis genommen, wie entsprechende Emoticons zeigen. Dabei hat sie es indes nicht bewenden lassen, sondern Frau E. zwei Bilder geschickt, die diese nicht erst öffnen und hierfür etwaige Hemmschwellen überwinden musste, sondern die ihr direkt unvermittelt mit ihrem gesamten Inhalt offen entgegentraten. Auch auf den Kommentar von Frau E. nach Übersendung des ersten Bildes ("Du Sau ... ich kotz") hat die Beklagte ihr Verhalten nicht hinterfragt oder gar beendet, sondern einen Kusssmiley zurückgeschickt, verbunden mit dem zweiten Nacktbild vom Kläger. Sie hat also mehrfach im Laufe der Kommunikation von Frau E. deutlich gemachte Widerstände ignoriert. Auch darin liegt ein über die bloße Weiterleitung eines Bildes hinausgehender Unrechtsgehalt.

(d) Schließlich gelangte die Kammer nach Durchführung der Beweisaufnahme zu der Überzeugung, dass Frau E. die beiden Bilder (die Videos hatte sie sich nach ihrer Aussage nicht angesehen) nicht schon vorher kannte.

(aa) So hat die Zeugin bekundet, in die Facebook-Gruppe von deren Ersteller eingeladen worden zu sein, da sie seinerzeit mit dem Kläger bei Facebook verlinkt gewesen sei. Als sie gesehen habe, dass es in der Gruppe thematisch häufig um eine wohl nicht gehabte Liebesbeziehung zwischen dem Gruppenersteller und dem Kläger gegangen sei, habe sie die Gruppe verlassen. In die in der Folgezeit wohl neu gegründete zweite Facebook-Gruppe sei sie auf demselben Wege hineingeraten, dort hinein sei wohl auch das Video hochgeladen worden, dieses habe sie aber nicht gesehen, da sie zu diesem Zeitpunkt die Gruppe schon wieder verlassen gehabt habe. Die Beklagte habe sie dann im September 2019 darauf angesprochen, in der Gruppe sei ein Video eingestellt, es seien auch Nacktbilder vom Kläger darin, und habe sich darüber lustig gemacht. Als sie der Beklagten gesagt habe, die Videos nicht gesehen zu haben, habe ihr die Beklagte die beiden Videos geschickt. Da sie von der Beklagten vorher über den Inhalt der Videos informiert worden sei, habe sie sich die Videos nicht angesehen, woraufhin ihr die Beklagte dann die beiden Bilder geschickt habe.

Diese Schilderung der Zeugin war schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Die Zeugin wirkte glaubwürdig, insbesondere ließ sie keine Belastungstendenz hinsichtlich der Beklagten erkennen. Im Gegenteil hat sie erklärt, sowohl mit dem Kläger wie auch mit der Beklagten befreundet gewesen zu sein und versucht zu haben, nach Auftreten des Konflikts, zwischen beiden zu vermitteln, allerdings erfolglos, weshalb sie nunmehr mit keiner der Parteien mehr befreundet sei, sondern lediglich zum Kläger ein weiterhin kollegiales Verhältnis pflege. Das berufliche Verhältnis zwischen Kläger und Beklagter habe sie stets als "super" empfunden, beide seien eng zusammen gewesen.

(bb) Wenn die Beklagte demgegenüber in der letzten mündlichen Verhandlung eingewendet hat, Frau E. sei in der Facebook-Gruppe gewesen, hat die Zeugin dies zu keinem Zeitpunkt bestritten, sondern ausdrücklich erklärt, in zwei Facebook-Gruppen eingeladen worden und über ihre Verlinkung mit dem Kläger, also nicht aus eigenem Antrieb, dort hineingeraten zu sein. Sie habe sich indes die eingestellten Videos nicht angesehen. Sofern die Beklagte auch dies bestritten und in der letzten mündlichen Verhandlung erstmals dahingehend neuen Sachvortrag gehalten hat, die Zeugin habe ihr auf Nachfrage erklärt, die Videos schon gesehen zu haben, als ob sie sich den Anblick vom kleinen Rüdi entgehen ließe, hat die daraufhin erneut vernommene Zeugin dies klar verneint und ausdrücklich erklärt, weder ein Video gesehen noch der Beklagten gegenüber eine entsprechende Erklärung abgegeben zu haben.

(cc) Abgesehen davon, dass die Aussage der Zeugin insgesamt glaubhaft und die Zeugin selbst glaubwürdig wirkte, sprach für die Kammer für die Richtigkeit der Zeugenaussage zum einen der Umstand, dass die Zeugin ausweislich des vorgelegten WhatsApp-Verlaufs mehrfach erklärt hatte, die Videos nicht ansehen zu wollen. Dies wäre nicht erklärlich - worauf die Zeugin selbst nachvollziehbar hingewiesen hat -, wenn sie die Videos bereits gekannt hätte. Zum anderen hätte es keinen Sinn gemacht, dass die Beklagte der Zeugin zwei Videos und zwei Nacktbilder vom Kläger schickt, wenn die Zeugin ihr vorher gesagt gehabt hätte, Videos und Bilder bereits zu kennen. Soweit die Beklagte, hierauf in der mündlichen Verhandlung angesprochen, erklärte, sie könne "nur mutmaßen", dass sie die Videos Frau E. geschickt habe, um dieser zu signalisieren, dass sie die Videos nunmehr gefunden hätte, vermochte dies die Kammer nicht zu überzeugen. Dagegen spricht bereits die im unmittelbaren Anschluss an die Übersendung der beiden Videos erfolgte Textkommunikation, in deren Rahmen Frau E. erklärte, sich die Videos nicht ansehen zu wollen, was die Beklagte mit belustigten Emoticons kommentierte und ihr daraufhin die beiden Nacktbilder schickte, welche Frau E. nicht erst eigens öffnen musste. Zum anderen hat die Beklagte insoweit keine konkrete Behauptung zur Begründung ihres Verhaltens aufgestellt, sondern lediglich eine Mutmaßung angestellt und damit zu verstehen gegeben, genau wisse sie es nicht mehr. Dies genügte der Kammer nicht, um sowohl den Bekundungen der Zeugin E. keinen Glauben zu schenken wie auch den oben dargestellten Inhalt der vorgelegten WhatsApp-Kommunikation außer Acht zu lassen.

(dd) Daher war die Kammer davon überzeugt, dass die Beklagte der Zeugin die bei-

den Nacktbilder des Klägers geschickt hat, ohne dass die Zeugin diese schon vorher gekannt hätte.

ccc) Bei der einzelfallbezogenen Gesamtabwägung zur Ermittlung der Höhe der Entschädigung steht in Fällen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - anders als beim Schmerzensgeld - regelmäßig zum einen der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund; zum anderen soll von der Entschädigung - auch der Höhe nach - ein Hemmungseffekt ausgehen und mit einer Präventionswirkung das Verhalten des Schädigers für die Zukunft beeinflusst werden (BAG 19.02.2015 - 8 AZR 1007/13 - Rn. 33; BGH 05.10.2004 - VI ZR 255/03 - Rn. 14; OLG Köln 30.07.2020 - 15 U 313/19 - Rn. 35, 38; OLG Zweibrücken 21.02.2013 - 4 U 123/12 - Rn. 7; LG Düsseldorf 13.12.2006 - 12 O 194/05 - Rn. 23, juris).

(1) Im Rahmen der hier anzustellenden Abwägung spricht zu Lasten der Beklagten zunächst, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff nicht nur in die Privat-, sondern sogar in die Intimsphäre des Klägers durch Übersendung der beiden Nacktbilder handelt. Diese zeigen ersichtlich Aufnahmen aus seinem privaten Lebensbereich und machen in eindeutiger Weise seine Genitalien zum Hauptgegenstand, da sie die restliche Person gar nicht erst mit abbilden. Es handelt sich um Bilder mit erotischem/pornografischem Inhalt, zumal auf ihnen nicht lediglich das Geschlechtsteil als solches abgebildet ist, sondern beide Male ersichtlich wird, dass der Kläger Hand an sich anlegt (und zudem das eine Bild seine Erektion in den Mittelpunkt stellt). Gleichwohl handelt es sich nicht um ein anonymes Foto (wenngleich dies den Unrechtsgehalt nicht aufheben würde, denn auch dann käme eine Missachtung des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen und eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts in Betracht, vgl. BGH 05.10.2004 - VI ZR 255/03 - Rn. 14 sowie OLG Zweibrücken 21.02.2013 - 4 U 123/12 - Rn. 10; OLG Oldenburg 05.03.2018 - 13 U 70/17 - Rn. 22, juris), da die Zeugin E. - von der Beklagten unwidersprochen - bekundet hat, wenn man (zumindest) ein Bild im WhatsApp-Verlauf zur Vergrößerung anklicke, erkenne man - über die Vorschau hinaus - das Armband bzw. den Armreif des Klägers. Zudem hat die Zeugin erklärt, die Beklagte habe ihr schon vorher bzgl. der Videos gesagt, wer darauf zu sehen sei. Die Beklagte ihrerseits hat ebenfalls erklärt, Frau E. sei klar gewesen, dass dort Körperteile des Klägers abgebildet gewesen sein. Damit wusste die Zeugin unzweifelhaft, wessen Geschlechtsteile Gegenstand der Bilder waren.

Weiter zu Lasten der Beklagten spricht der eindeutig bloßstellende, erniedrigende und demütigende Charakter der Übersendung (vgl. insoweit LG Offenburg 29.10.2020 - 2 O 177/20 - Rn. 49, juris). Die Kammer hatte keine Zweifel, dass genau dies der Beklagten völlig klar und von ihr beabsichtigt war. Es ergibt sich auch aus der WhatsApp-Kommunikation und den zahlreich verwendeten Emoticons, mit denen die Beklagte deutlich zum Ausdruck brachte, dass sie sich über den Inhalt der Bilder und damit über den Kläger lustig machte. Hinzu kommt, dass sie auf dem einen Bild über dem erigierten Glied des Klägers einen lachenden Haufen (Kacksmiley) eingefügt und damit eine weitere, den Kläger in seiner Ehre und seinem Schamgefühl verletzende Botschaft zum Ausdruck gebracht hat. Schließlich wirkt sich zu Lasten der Beklagten aus, dass - anders als bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Textpassagen - kein Widerruf, keine Richtigstellung, keine Gegendarstellung o. ä. erklärt werden kann, sondern bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Bilder die Möglichkeit einer anderweitigen Befriedigung als durch eine finanzielle Entschädigung grundsätzlich nicht gegeben ist (BGH 05.10.2004 - VI ZR 255/03 - Rn. 13; LG Dresden 29.06.2018 - 1a O 2105/17 - Rn. 52, juris). Dies zeigt sich an den beiden hier streitgegenständlichen Bildern in eindrucksvoller Weise. An deren Inhalt gibt es weder etwas zu berichtigen noch klarzustellen noch zu widerrufen. Sie wurden von der Beklagten abgeschickt und sprachen für sich selbst.

(2) "Zu Gunsten" der Beklagten spricht, dass es sich bei Übersendung der Bilder lediglich um zwei Einzelbilder handelt (die ebenfalls am 24.09.2019 übersendeten beiden Videos waren insoweit nicht zu berücksichtigen, da deren Inhalt nicht bekannt ist und von der Anspruchsbegründung des Klägers nicht umfasst wird), zum anderen, dass die Beklagte die Bilder nicht an eine unbestimmte Öffentlichkeit oder eine Vielzahl von Personen weitergetragen hat, sondern - soweit dies nachgewiesen werden konnte - lediglich an eine einzige andere Person, nämlich Frau E. (zu diesem Abwägungskriterium LG Offenburg 29.10.2020 - 2 O 177/20 - Rn. 60, juris). Zudem handelt es sich um eine Übermittlung per WhatsApp, die einer Löschung zugänglich ist, anders als etwa eine Veröffentlichung/Verbreitung per Internet oder an eine unbestimmte und damit letztlich kaum zu kontrollierende Anzahl an Personen (dazu LG Offenburg 29.10.2020 - 2 O 177/20 - Rn. 53, 60, juris).

(3) Des Weiteren gilt es die Genugtuungsfunktion für den Kläger zu berücksichtigen. Dieser wurde durch die Übersendung der beiden Nacktbilder massiv in seiner Intimsphäre verletzt und in seiner Ehre und Würde gekränkt, ohne dass dem berechtigte Interessen der Beklagten gegenüberstünden. Wenn diese schriftsätzlich vorträgt, sie sei jahrelang vom Kläger gemobbt worden, so hat sie hierzu keinen hinreichend substantiierten Sachvortrag gehalten. Selbst wenn die von ihr konkret vorgebrachten Vorwürfe - der Kläger habe Sachen von ihr umgeräumt bzw. versteckt, sie mit häufigen Anrufen belästigt etc. - dem Kläger als Fehlverhalten angelastet werden könnten, berechtigt dies die Beklagte in keinster Weise dazu, offensichtlich von ihm nicht freigegebene Nacktbilder im gemeinsamen Kollegenkreis zu verbreiten. Auch der Präventionsgedanke ist hinreichend zu berücksichtigen, um die Beklagte davon abzuhalten, sich künftig in ähnlicher Weise zu verhalten. Gleichwohl gilt es bei alldem ebenfalls zu berücksichtigen, dass einer Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung nach der Konzeption des deutschen Rechts kein pönaler Charakter zukommt, sie also keine "Zivilstrafe" darstellt. Sie beruht vielmehr auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Entschädigungsanspruch schwere Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben, mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (BGH 05.10.2004 - VI ZR 255/03 - Rn. 13 f.; OLG Zweibrücken 21.02.2013 - 4 U 123/12 - Rn. 8; LG Düsseldorf 13.12.2006 - 12 O 194/05 - Rn. 23, juris).

(4) Nach Abwägung dieser Kriterien sowie unter Berücksichtigung der in Entscheidungen zur Verbreitung/Veröffentlichung von Nacktfotos/-videos oder pornografischen Fotomontagen ausgeurteilten Beträge (vgl. OLG Oldenburg 05.03.2018 - 13 U 70/17 - Rn. 22; OLG Zweibrücken 21.02.2013 - 4 U 123/12 - Rn. 6; LG Offenburg 29.10.2020 - 2 O 177/20 - Rn. 47; LG Düsseldorf 13.12.2006 - 12 O 194/05 - Rn. 23; 16.11.2011 - 12 O 438/10 - Rn. 30; LG Dresden 29.06.2018 - 1a O 2105/17 - Rn. 55; LG Saarbrücken 19.05.2000 - 13 A S 112/99, juris) hielt die Kammer vorliegend einen Betrag von 2.500 Euro für angemessen, aber auch ausreichend.

dd) Ebenso trifft die Beklagte eine Entschädigungspflicht für ihre unstreitig gegenüber dem Vorgesetzten Z. erhobene Behauptung, der Kläger habe in ihrem Büro eine Minikamera installiert, mit der er sie überwache. Diese Äußerung hat die Beklagte im hiesigen Rechtsstreit nicht nur nicht bestritten, sondern schriftsätzlich wie auch in der Berufungsverhandlung ausdrücklich wiederholt.

aaa) Damit wirft sie dem Kläger vor, sie in ihrer "Privatsphäre" am Arbeitsplatz, namentlich, wenn sie sich dort alleine oder ggf. mit Kollegen, aber jedenfalls ohne den abwesenden Kläger, aufhält - permanent zu beobachten und zu überwachen. Das darin liegende Verhalten verletzt das Persönlichkeitsrecht des Beobachteten in erheblicher Weise und beinhaltet daher einen schwerwiegenden Vorwurf gegenüber dem Beobachtenden. Dieser beeinträchtigt durch ein solches Verhalten nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht des anderen, sondern verletzt zudem seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB in erheblicher Weise. Ihren Vorwurf hat die Beklagte, obwohl unstreitig zu keinem Zeitpunkt eine Minikamera oder sonstige Überwachungsvorrichtung in ihrem Büro vorgefunden werden konnte, unverändert nachdrücklich aufrechterhalten und nicht etwa erklärt, sie vermute eine solche Beobachtung, sondern, sie "wisse", dass der Kläger sie überwacht habe (Schriftsatz vom 07.03.2022 S. 4), bzw., die Kamera sei existent gewesen (Schriftsatz vom 07.03.2022 S. 4 sowie Verhandlungsprotokoll vom 02.05.2023 S. 4 unten). Dies hat sie nach ihrem eigenen Bekunden auch gegenüber Herrn Z. so geäußert (Verhandlungsprotokoll vom 02.05.2023 S. 4 unten). Sie hat damit einen unbeschränkten, absoluten und konkreten Vorwurf gegenüber dem Kläger erhoben, der sich auf einen, wenngleich nicht genau definierten, so doch längeren Zeitraum erstreckt und kein spontanes, unbedachtes, im Affekt erfolgtes oder versehentliches Verhalten bezeichnet, sondern ein bewusstes und zielgerichtetes zu ihren Lasten. Ein solcher Vorwurf beinhaltet eine gravierende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn er nicht zu Recht erhoben wird.

bbb) Insoweit war es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht Sache des Klägers, die Nichtexistenz einer solchen Kamera darzulegen und notfalls zu beweisen, sondern vielmehr Sache der Beklagten, die den Vorwurf gegenüber dem Kläger erhoben hat, die Richtigkeit ihrer Tatsachenbehauptung darzulegen und - da der Kläger den Vorwurf nachdrücklich bestritten hat - zu beweisen. Insoweit obliegt die Beweislast nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB der Beklagten als der die Tatsachenbehauptung Äußernden (BGH 30.01.1996 - VI ZR 386/94 - Rn. 30; 22.04.2008 - VI ZR 83/07 - Rn. 21; 28.02.2012 - VI ZR 79/11 - Rn. 13; 11.12.2012 - VI ZR 314/10 - Rn. 15, juris). Darauf hat der Kläger zutreffend hingewiesen. Die Beklagte hat indes keine greifbaren Anhaltspunkte geschildert, die für die Richtigkeit ihrer Behauptung sprechen könnten, geschweige denn dass sie einen entsprechenden Beweis geführt hätte. Soweit sie sich darauf beschränkt, kurz und knapp zu behaupten, der Kläger habe, wenn er sie von auswärts in ihrem Büro angerufen habe, Informationen preisgegeben, die er allein durch optische Überwachung des Büros habe gewinnen können, so genügt dies nicht ansatzweise für einen substantiierten Tatsachenvortrag. Bei dieser schlichten Behauptung der Beklagten verblieb es bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung. Daher ist sie ihrer insoweit obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen.

ccc) Mithin hat sie über den Kläger eine diesen in seiner Ehre verletzende Behauptung aufgestellt, die Tatsachen zum Gegenstand hat, die sie objektiv nicht nachzuweisen vermochte.

ddd) Im Rahmen der Interessenabwägung ergibt sich folgendes: Die Beklagte hat bewusst und gezielt ihre den Kläger verunglimpfende Tatsachenbehauptung an ihren Vorgesetzten Z. herangetragen, obwohl sie keine Beweise für die Richtigkeit des Vorwurfs hatte. Sie hat diesen auch nicht als Vermutung oder Verdacht geäußert, sondern als konkrete und absolute Behauptung. Zwar war auch ihrem Vorgesetzten bewusst, dass eine Kamera zu keinem Zeitpunkt aufgefunden worden war. Gleichwohl war die Beklagte nicht berechtigt, einen so schwerwiegenden unbewiesenen Vorwurf über den Kläger zu äußern.

eee) In Anbetracht der auch hier zu berücksichtigenden Genugtuungs- und Präventionsfunktion hält die Kammer insoweit einen Betrag von 500 Euro für angemessen und ausreichend.

c) Damit ergibt sich insgesamt ein von der Beklagten zu zahlender Entschädigungsbetrag von (2.500 + 500 =) 3.000 Euro.

d) Auf eine Haftungsprivilegierung nach § 105 Abs. 1 SGB VII kann sich die Beklagte nicht berufen, ebenso wenig greifen die Grundsätze der privilegierten Arbeitnehmerhaftung infolge betrieblicher Veranlassung der schädigenden Handlung ein (hierzu BAG 25.10.2007 - 8 AZR 593/06 - Rn. 85 ff., juris). Dies beansprucht die Beklagte denn auch nicht.

4. Daher war dem Kläger eine Entschädigung im tenorierten Umfang zuzusprechen und das Urteil des Arbeitsgerichts insoweit abzuändern.

B.

Die Kostenentscheidung folgt im Hinblick auf den ersten Rechtszug aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO (was eine Kostenquote zugunsten des Klägers von [3.000: 37.120,73 =] 0,081, also 8%] ergibt). Für den zweiten Rechtszug ergibt sich im Ergebnis dieselbe Quote von ([3.000: 35.494,24 =] 0,0845 =) 8%.

C.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Verkündet am 08.08.2023

Vorschriften