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Urteil vom 18.04.2023 · IWW-Abrufnummer 237962

Landesarbeitsgericht Nürnberg - Aktenzeichen 7 Sa 323/22

Es stellt eine erhebliche Verletzung einer Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB und damit einen wichtigen Grund an sich i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung dar, wenn ein Arbeitnehmer, der in einer Einrichtung beschäftigt wird, die der einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterliegt, sich zum Nachweis einer vorläufigen Impfunfähigkeit im Internet gegen Vorkasse selbst eine solche Bescheinigung erstellt ohne vorherige persönliche oder wenigstens telefonische Besprechung mit dem bescheinigenden Arzt.


Tenor:

I. Auf die Berufungen der Beklagten werden die Endurteile des Arbeitsgerichtes Bamberg vom 27.07.2022 - 2 Ca 136/22 und 2 Ca 137/22 - aufgehoben und die Klagen abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.

Die am 16.12.1979 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger war bei der Stadt B... seit 27.02.2000 als Schreibkraft beschäftigt. Zum 01.01.2004 fand ein Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1) statt, der von einem Personalüberleitungstarifvertrag (Bl. 13 ff der Akte) flankiert wurde. Sie arbeitete zuletzt als Schreibkraft in Teilzeit mit 31,17 % der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 895,47 € ausweislich der Gehaltsabrechnung für Januar 2022 (Bl. 28 der Akte) im Home Office zu den Bedingungen des Zusatzvertrages über alternierendes Home Office vom 31.03.2017 (Bl. 29 ff der Akte). Der TVöD-K ist kraft einzelvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Das Arbeitsverhältnis ist nach § 34 Abs. 2 TVöD-K nur außerordentlich kündbar.

Es besteht ein Personalrat.

Die Klägerin ist ferner bei einer Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1), der hiesigen Beklagten zu 2), seit 08.07.2016 als geringfügig beschäftigte Arbeitnehmerin eingestellt mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 434,80 €, ebenfalls als Schreibkraft im Home Office. Das Arbeitsverhältnis ist nicht tarifgebunden.

Es besteht ein Betriebsrat.

Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 03.01.2022 (Bl. 75 der führenden und Bl. 51 der hinzuverbundenen Akte) auf die eingeführte Impfpflicht gem. § 20a IfSG hingewiesen und gebeten, bis zum 15.03.2022 einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder eine ärztliche Bescheinigung über eine medizinische Kontraindikation vorzulegen. Sie wurde ferner gebeten, dieser Verpflichtung zur vollständigen Impfung umgehend nachzukommen, da der Beklagten bislang keine entsprechende Dokumentation im Mitarbeiterportal vorliege und der vollständige Impfschutz bis 15.03.2022 bestehen müsse.

Die Klägerin leidet nach ihren Angaben an Lipödem, Insulinresistenz, Immunthyreopathie, Euthyreose und Adipositas Grad III. Nach dem Auszug aus der Pateientenkartei ihrer Ärztin (Bl. 288 ff der Akte) leidet sie auch noch an anderen chronischen Erkrankungen.

Am 06.01.2022 erstellte sich die Klägerin auf einer Website im Internet eine Bescheinigung einer vorläufigen Impfunfähigkeit (Bl. 76 der führenden und Bl. 52 der hinzuverbundenen Akte) durch eine Dr. med. M.... Sie druckte sich nach einer Überweisung von 17,49 € und Beantwortung verschiedener Fragen durch Mausklick folgende Bescheinigung aus:

Einen - auch nur telefonischen - Kontakt oder eine Untersuchung zwischen der Klägerin und der Ärztin gab es vor dem Ausdruck der Bescheinigung nicht und war auch nicht vorgesehen.

Diese Bescheinigung legte sie am 28.01.2022 in der Personalabteilung vor. In einer Anhörung durch die Beklagten am 07.02.2022 im Beisein des Vorsitzenden des Personalrates zu dem Verdacht der Vorlage unrichtiger Immunitätsnachweise erklärte die Klägerin nach dem von einem Personalreferenten der Beklagten errichteten Protokoll vom gleichen Tag (Bl. 149 der führenden und Bl. 136 der hinzuverbundenen Akte), sie wolle die Bescheinigung zurückziehen, sie habe diese auf Anraten ihrer Hausärztin erstellen lassen und es sei ihr nicht bewusst gewesen, dass es sich bei dieser Bescheinigung um eine Fälschung handeln würde.

Mit Schreiben vom 14.02.2022 (Bl. 86 ff der führenden Akte) hörte die Beklagte zu 1) den Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen und fristlosen Tatkündigung, hilfsweise Verdachtskündigung an. Dieser teilte mit Schreiben vom 16.02.2022 (Bl. 94 der führenden Akte) mit, dass er sich nicht zu dem Vorgang äußert und eine Prüfung des vorgelegten Zeugnisses vom Gesundheitsamt auf Echtheit empfiehlt.

Mit Schreiben vom 17.02.2022 (Bl. 35 der führenden Akte), von der Personalleiterin der Beklagten unterzeichnet, kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt außerordentlich und fristlos.

Mit Schreiben vom 10.02.2022 (Bl. 62 ff der hinzuverbundenen Akte) hörte die Beklagte zu 2) den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen und fristlosen Tatkündigung, hilfsweise Verdachtskündigung des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses an. Dieser teilte mit Schreiben vom 14.02.2021 (Bl. 68 ff der hinzuverbundenen Akte) mit, dass er der Kündigung widerspreche nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 BetrVG.

Mit Schreiben vom 17.02.2022 (Bl. 15 der hinzuverbundenen Akte), vom Geschäftsführer unterzeichnet, kündigte die Beklagte zu 2) das geringfügige Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt außerordentlich und fristlos.

Die Klägerin wandte sich mit Erhebung der Kündigungsschutzklagen am 24.02.2022 gegen beide Kündigungen.

Nach Anhörung des Betriebsrates zu einer ordentlichen und fristgemäßen Kündigung aus demselben Sachverhalt mit Schreiben vom 17.05.2022 (Bl. 137 ff der hinzuverbundenen Akte) kündigte die Beklagte zu 2) das geringfügige Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17.06.2022 (Bl. 77 der hinzuverbundenen Akte) ordentlich und fristgerecht zum 31.08.2022.

Dagegen wandte sich die Klägerin mit Erweiterung der Kündigungsschutzklage mit Schriftsatz vom 22.06.2022.

Die Klägerin machte vor dem Arbeitsgericht geltend:

Die Kündigung der Beklagten zu 1) sei schon formal unwirksam, da sie ohne Beifügung einer Originalvollmacht übersandt worden sei und deshalb mit Schreiben vom 23.02.2022 (Bl. 36 der führenden Akte) zurückgewiesen worden sei.

Die Kündigung der Beklagten zu 2) gehe ins Leere, da schon gar nicht ersichtlich sei, wer da eigentlich gekündigt habe.

Es liege kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor. Sie habe nicht versucht, über einen Immunitätsnachweis zu täuschen, sondern nur eine vorläufige Impfunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Außerdem seien keine Maßnahmen der Beklagten zum Schutz von Arbeitnehmern und Patienten gefährdet gewesen. Sie arbeite nahezu ausschließlich im Home Office.

Es sei ihr nicht bekannt, dass es unter der Anschrift der Ärztin keine Praxis gebe, sondern nur einen Bürodienst. Sie habe davon ausgehen dürfen, dass die bescheinigende Ärztin eine praktizierende Ärztin mit Praxis sei. Eine gründliche Untersuchung des Falles durch die Beklagte sei zu bestreiten. Auch in der Fachliteratur werde diskutiert, ob die streitgegenständliche Bescheinigung medizinisch und rechtlich vertretbar sei. Sie, die Klägerin, sei auch keine Corona-Leugnerin. Sie habe sich auf die Warteliste für einen neuen Impfstoff setzen lassen. Sie sei gutgläubig, allenfalls blauäugig gewesen.

Sie habe zu der Zeit unter erheblichen psychischen Belastungen gelitten. Der pflegebedürftige Schwiegervater sei kurz vor Weihnachten 2021 gestorben. Der Vater sei an Krebs erkrankt. Der Ehemann habe nach zwei Corona-Impfungen Herzprobleme bekommen. Der Cousin sei nach einer Impfung körperlich ganz erheblich geschwächt und förmlich aufgedunsen gewesen. Sie habe deshalb Angst vor einer Impfung gehabt ebenso wie Angst vor Arbeitsplatzverlust. Die schwierige persönliche Situation sei der Beklagten auch bekannt gewesen.

Bei der Anhörung sei sie nicht darüber informiert worden, dass eine Kündigung im Raum stehe. Sie habe auch nicht erklärt, dass ihr bewusst gewesen wäre, dass es sich um eine Fälschung handele. Auch sei nicht die Rede davon gewesen, dass ihr die Hausärztin diese Bescheinigung empfohlen habe.

Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig. Sie arbeite schließlich auch nicht in einer Einrichtung nach § 20a IfSG.

Die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrates bei der Beklagten zu 1) sei zu bestreiten. Sie habe entgegen dem dortigen Vortrag der Beklagten zu 1) in der Anhörung nicht behauptet, sie habe die Bescheinigung auf Anraten ihrer Hausärztin erstellen lassen. Es sei auch nicht die Rede von einer Fälschung gewesen.

Die Anhörung des Betriebsrates bei der Beklagten zu 2) sei zu bestreiten.

Das Arbeitsgericht gab den Kündigungsschutzklagen statt mit Urteilen vom 27.07.2022 in den Verfahren - 2 Ca 136/22 - und - 2 Ca 137/22 -. Es führte aus, ein wichtiger Grund an sich nach § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung läge vor, die Kündigung scheitere aber im Rahmen der Interessenabwägung. Der Beklagten sei es zumutbar gewesen, die Klägerin abzumahnen. Dies gelte gleichermaßen für eine ordentliche Kündigung.

Die Urteile wurden der Beklagten am 24.08.2022 zugestellt. Sie legte dagegen Berufung ein am Montag, den 26.09.2022 und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 14.11.2022 am gleichen Tag. Nach Anhörung der Parteien und mit deren Einverständnis wurde das Verfahren - 2 Sa 324/22 - mit Beschluss vom 12.01.2023 dem Verfahren - 7 Sa 323/22 - hinzuverbunden.

Die Beklagten tragen in der Berufung vor:

Die Wertung des Arbeitsgerichtes sei unzutreffend. Richtig werde festgestellt, dass die Klägerin in schwerwiegender Art gegen ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nach § 241 Abs. 2 BGB verstoßen habe und ein Kündigungsgrund an sich vorliege. Unzutreffend sei, dass den Beklagten noch eine Abmahnung zumutbar gewesen wäre im Hinblick auf die Schwere des Pflichtverstoßes. Eine Überprüfung der Bescheinigung durch das Gesundheitsamt stelle kein milderes Mittel dar. Die Beschäftigung im Home Office relativiere den Pflichtverstoß nicht.

Die Beklagten und Berufungsklägerinnen stellen folgende Anträge:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 27.07.2022 (2 Ca 136/22) wird abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

sowie

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 27.07.2022 (2 Ca 137/22) wird abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt:

Die Berufungen werden kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt in der Berufung vor:

Es sei zu bestreiten, dass unter der Adresse in der Bescheinigung nur ein Bürodienst und keine Arztpraxis zu finden sei.

Die Bescheinigung sei am 26.01.2022 per E-Mail an die Beklagte zu 1) übersandt worden nach dem Aufforderungsschreiben vom 03.01.2022. Ferner sei sie auch mündlich aufgefordert worden, entsprechende Nachweise einzureichen, verbunden mit der Ankündigung, andernfalls werde gekündigt.

Im Hinblick auf die Möglichkeit telefonischer Krankschreibung und MDK-Gutachten ohne persönliche Untersuchung sei sie davon ausgegangen, dass die Bescheinigung ein gültiger Nachweis sei. Eine Täuschung sei weder beabsichtigt gewesen noch erfolgt. Als sie vor der Anhörung erfahren habe, dass gegen die Ärztin ermittelt würde, habe sie die Bescheinigung auch zurückziehen wollen.

Die Kündigung sei jedenfalls unverhältnismäßig insbesondere unter dem Aspekt der nahezu ausschließlichen Arbeit im Home Office.

An der Anhörung hätten nicht nur Mitarbeiter der beiden Beklagten, sondern auch eine Mitarbeiterin einer weiteren Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1) teilgenommen. Die Anhörung sei deshalb fehlerhaft.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Ferner wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründungen der Beklagten vom 14.11.2022 und den weiteren Schriftsatz vom 06.04.2023 und die Berufungserwiderungen vom 29.12.2022 und die weiteren Schriftsätze vom 06.04. und 17.04.2023.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufungen sind zulässig. Sie sind statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufungen sind begründet. Die außerordentlichen Kündigungen vom 17.02.2022 sind in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden und erfolgten aus wichtigem Grund. Die Beteiligung des Personalrates und des Betriebsrates waren ordnungsgemäß. Die Kündigungen beenden die beiden Arbeitsverhältnisse als außerordentliche und fristlose Kündigungen mit ihrem Zugang.

A. Die Kündigung der Beklagten zu 1) hat das Arbeitsverhältnis als außerordentliche Kündigung mit ihrem Zugang beendet.

1. Die Klägerin macht ohne Erfolg geltend, die Kündigung sei nach § 174 BGB rechtsunwirksam.

a. Nach § 174 S. 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere Teil das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Das Zurückweisungsrecht ist nach § 174 S. 2 BGB nur dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber demjenigen, gegenüber dem das einseitige Rechtsgeschäft vorgenommen werden soll, die Bevollmächtigung vorher mitgeteilt hat. Folge der Zurückweisung i.S.d. § 174 S. 1 BGB ist die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine entsprechende Vollmacht bestanden hat.

b. Hier hat die Klägerin mit Zurückweisungsschreiben vom 23.02.2022 die Rüge fehlender Vorlage einer Vollmacht unverzüglich geltend gemacht nach Erhalt der Kündigung mit Schreiben vom 17.02.2022. Die Zurückweisung geht jedoch ins Leere.

Die Bevollmächtigung der Unterzeichnerin ergibt sich aus ihrer Stellung im Unternehmen der Beklagten. Die Unterzeichnerin der Kündigung hat als "Personalleitung" unterzeichnet. Mit der Bezeichnung als Personalleiter ist regelmäßig auch die Befugnis zum Abschluss, zur Änderung und zur Beendigung von Arbeitsverträgen verbunden. Es sind keine Umstände ersichtlich, aus denen sich darauf schließen ließe, dass dies im vorliegenden Fall nicht so ist.

Der Klägerin war auch bekannt, dass es sich bei der die Kündigung unterzeichnende Person um die Personalleiterin handelte. Die vorherige Bekanntgabe ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalles. Nach dem Betriebsübergang zum Jahreswechsel 2003/2004 wurden alle im Verfahren vorgelegten Änderungsverträge vom 07.05.2014 (Bl. 22 der führenden Akte), vom 30.04.2015 (Bl. 23 der führenden Akte), vom 17.03.2016 (Bl. 24 der führenden Akte), vom 20.04.2017 (Bl. 25 der führenden Akte), vom 08.04.2020 (Bl. 26 der führenden Akte) und vom 13.12.2021 (Bl. 27 der führenden Akte) jeweils links unterzeichnet von dem Leiter Personal bzw. der Personalleitung und rechts unterzeichnet von einem Personalreferenten. Ab dem Änderungsvertrag vom 20.04.2017 wurden die Änderungsverträge durch die Personalleiterin unterzeichnet, die auch die Kündigung unterzeichnete. Darin liegt eine hinreichende Bekanntgabe der Person der Personalleiterin mit der Vollmacht als Personalleitung zum Abschluss, zur Änderung und zur Beendigung von Arbeitsverträgen vor Ausspruch der Kündigung.

2. Die Kündigung erfolgte aus wichtigem Grund.

a. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die rechtliche Überprüfung nach § 626 Abs. 1 BGB erfolgt in zwei Stufen: Zum einen muss der Kündigungssachverhalt - unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles - überhaupt an sich geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen der Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, zum Überwiegen des berechtigten Interesses des Kündigenden an der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, BAG, Urteil vom 29.06.2017 - 2 AZR 302/16 -, Rn. 26 ff, BAG, Urteil vom 27.06.2019 - 2 AZR 28/19 -, Rn. 15 ff.

Dieser Maßstab gilt auch für das Erfordernis des wichtigen Grundes für eine Kündigung nach § 34 TVöD-K, BAG, Urteil vom 13.12.2018 - 2 AZR 370/18 -, Rn. 14.

b. Ein wichtiger Grund an sich für eine außerordentliche Kündigung kann darin liegen, dass ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Vorlage geforderter Nachweise oder Zeugnisse darüber täuscht, dass bei ihm bestimmte Eigenschaften oder sonstige Voraussetzungen vorliegen oder nicht vorliegen, die für den Arbeitgeber von entscheidender Bedeutung für die (weitere) Durchführung des Arbeitsverhältnisses sind. So ist die Täuschung des Arbeitgebers über die gesetzlichen Voraussetzungen für eine vertragsgemäße Beschäftigung ein tauglicher Grund zur Anfechtung des abgeschlossenen Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB, BAG, Urteil vom 03.11.2004 - 5 AZR 592/03 -, Rn. 15; LAG Hamm, Urteil vom 24.05.2013 - 18 Sa 281/12 -, Rn. 35; LAG Köln, Urteil vom 26.07.2012 - 7 Sa 327/12 -, Rn. 31. Im laufenden Arbeitsverhältnis stellt die Täuschung des Arbeitgebers über die geleistete Arbeitszeit auch in sehr geringem Umfang einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB dar und ist als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet, BAG, Urteil vom 13.12.2018 - 2 AZR 370/18 -, Rn. 17. Für den Fall der Täuschung des Arbeitgebers, der eine Pflege- und Gesundheitseinrichtung im Sinne des § 20a Abs. 1 IfSG betreibt, über einen der Vorschrift entsprechenden, gültigen Immunitätsnachweis gegen COVID-19 ist ebenfalls von einem wichtigen Grund an sich wegen einer schweren Verletzung vertraglicher Nebenpflichten auszugehen, LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.11.2022 - 4 Sa 139/22 -, Rn. 51; LAG Nürnberg, Urteil vom 23.02.2023 - 5 Sa 322/22 - und Urteil vom 30.03.2023 - 3 Sa 346/22 -.

c. Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die den wichtigen Grund an sich ausmachen, liegt beim Arbeitgeber. Dabei erstreckt sich die Darlegungs- und Beweislast auch auf die Widerlegung der Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe, die der Arbeitnehmer substantiiert in das Kündigungsschutzverfahren einführt.

d. Für den vorliegenden Fall ergibt sich hieraus, dass ein wichtiger Grund an sich für die außerordentliche Kündigung vorliegt, der Beklagten ein milderes und zumutbares Mittel als die Kündigung nicht zur Verfügung stand und das Beendigungsinteresse der Beklagten das Interesse der Klägerin am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses überwiegt.

e. Zum wichtigen Grund an sich nach § 626 Abs. 1 BGB schließt sich das Gericht nach eigener Prüfung den Wertungen im Urteil des LAG Nürnberg vom 30.03.2023- 3 Sa 346/22 - an.

Die Beklagte zu 1) ist als Krankenhaus eine Pflege- und Gesundheitseinrichtung im Sinne des § 20a Abs. 1 Nr. 1a bzw. Nr. 1h IfSG. Die Klägerin wird damit in einer Einrichtung nach § 20a IfSG tätig. Die Klägerin ist daher nach den Regelungen des § 20a IfSG verpflichtet gewesen, den Beklagten als ihren Arbeitgebern einen der Vorschrift entsprechenden Nachweis vorzulegen. Ein Nachweis im Sinne des § 20a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 IfSG ist ein ärztliches Zeugnis darüber, dass eine Impfunfähigkeit aufgrund einer medizinischen Kontraindikation vorliegt.

Bei § 20a IfSG handelt es sich um eine einrichtungsbezogene Nachweispflicht und nicht um eine tätigkeitsbezogene Nachweispflicht. Die Nachweispflicht entfällt deshalb nicht auf Grund der nahezu ausschließlichen Tätigkeit der Klägerin im Home Office.

Die Klägerin hat versucht, dieser Nachweispflicht zu genügen durch Vorlage einer selbst erstellten Bescheinigung einer vorläufigen Impfunfähigkeit. Die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung enthält eine klare und eindeutige medizinische Aussage. Diese besteht darin, dass mit der Bescheinigung "dieser Patient", also die Klägerin, bis zum Vorliegen eines Impfstoff-Allergie-Gutachtens zeitlich begrenzt impfunfähig ist. Weiterhin heißt es in der Bescheinigung, dieser Patient müsse vor einer Impfung mit COVID-19-Impfstoffen eine Überempfindlichkeit gegen einzelne Inhaltsstoffe von einem Facharzt für Allergologie überprüfen lassen. Zu dieser Einschätzung sei die Ausstellerin der Bescheinigung aufgrund ihrer ärztlichen Einschätzung und Bewertung der Angaben des Patienten nach freiem Ermessen gelangt. Dabei tritt die Ausstellerin ausdrücklich als "begutachtender Arzt" auf.

Liest ein unbefangener Dritter ohne Recherche im Internet eine solche Bescheinigung, so muss bei ihm aufgrund des Inhalts der Bescheinigung der Eindruck entstehen, es habe einen individuellen persönlichen Patientenkontakt mit der Ärztin einschließlich einer wenigstens individuellen Anamnese und Untersuchung gegeben. Mit der Formulierung "dieser Patient muss vor einer Impfung mit COVID-19-Impfstoffen eine Überempfindlichkeit gegen einzelne Inhaltsstoffe von einem Facharzt für Allergologie überprüfen lassen" wird zum Ausdruck gebracht, dass hier in der individuellen Situation des Patienten, und damit der Klägerin, Umstände begründet sind, die nach ärztlicher Einschätzung und Bewertung der Angaben des Patienten zu der attestierten vorläufigen Impfunfähigkeit führen. Zwar heißt es weiterhin in der Bescheinigung, weder der Hersteller noch der begutachtende Arzt könnten mit Sicherheit ausschließen, dass es im Falle einer Impfung zu den genannten unerwünschten Impfnebenwirkungen kommen würde. Ein hinreichend deutlicher Hinweis darauf, dass überhaupt keine individuelle Prüfung der gesundheitlichen Situation der Klägerin stattgefunden hat, ergibt sich daraus nicht.

Die Bescheinigung ist in Aufbau und Formulierung auch nicht auf eine solche Aussage hin ausgelegt. Mit der klaren Aussage einer zeitlich begrenzten Impfunfähigkeit, bezogen auf "diesen Patienten", dessen Angaben aufgrund ärztlicher Einschätzung bewertet wurden, wird gezielt der Eindruck erweckt, es werde dort nicht nur eine bloße allgemeine "Haltung" zu den Impfstoffen und deren Gefährlichkeit attestiert, sondern es entsteht der Eindruck, eine Ärztin habe nach individueller Kontaktierung und Untersuchung aufgrund der individuellen Situation dieses Patienten diese Bescheinigung erstellt. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die Aussage in der Bescheinigung "ich als begutachtender Arzt".

Auch das Erscheinungsbild der Bescheinigung, die die persönlichen Daten der Klägerin enthält und zudem das eigens zusätzlich genannte Datum der Bescheinigung sprechen dafür, dass diese Bescheinigung eine stattgefundene persönliche Anamnese und Begutachtung seitens der ausstellenden Ärztin belegen soll. Zusammengefasst enthält die Bescheinigung die Aussage, dass nach einer Begutachtung durch die unterzeichnende Ärztin die Klägerin jedenfalls bis zum Vorliegen eines Impfstoff-Allergie-Gutachtens zeitlich begrenzt bis 06.07.2022 impfunfähig ist.

Die Klägerin hat damit eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt, die den Eindruck vermittelt, eine Ärztin habe nach entsprechender Untersuchung und Begutachtung der gesundheitlichen Situation der Klägerin die Feststellung der vorläufigen Impfunfähigkeit vorgenommen. All das wird mit der Bescheinigung aber nur vorgetäuscht.

Mit der Vorlage der vorläufigen Impfunfähigkeitsbescheinigung hat die Klägerin versucht, die Beklagten darüber zu täuschen, dass zumindest zeitlich befristet eine medizinische Kontraindikation gemäß § 20a Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 IfSG vorliegt. Ein solches ärztliches Attest, das eine medizinische Kontraindikation attestiert, setzt voraus, dass eine individuelle Anamnese und Diagnosestellung im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung stattgefunden habe. Dies setzt zwingend eine individuelle Befunderhebung ärztlicherseits voraus. Das Generieren einer vorläufigen Impfunfähigkeitsbescheinigung im Internet durch wenige Klicks ohne persönlichen oder mindestens telefonischen direkten ärztlichen Kontakt genügt dem nicht.

Das Vorlegen einer solchen vorläufigen Impfunfähigkeitsbescheinigung, mit der der Eindruck erweckt werden soll, es habe eine individuelle Anamnese und Befundung stattgefunden, ist eine schwerwiegende Pflichtverletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Nebenpflicht gemäß § 241 Absatz 2 BGB. Dieser Versuch der Täuschung der Arbeitgeberin ist arbeitsvertraglich schwerwiegend. Damit hat die Klägerin versucht, die Beklagten von befürchteten arbeitsrechtlichen Maßnahmen nach dem 15.03.2022 abzuhalten.

Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe keine Täuschungsabsicht gehabt und sei hinsichtlich der Belastbarkeit der Bescheinigung gutgläubig oder blauäugig gewesen, ist das nicht glaubhaft. Die Klägerin ist als Schreibkraft des Schreibens und Lesens kundig und muss in dieser beruflichen Tätigkeit auch ein Mindestmaß an geistigen Gaben haben, den Anforderungen ihrer beruflichen Tätigkeit zu genügen und den Sinn des von ihr Gelesenen und Geschriebenen im Grunde zu erfassen. Dieses Mindestmaß an geistigen Gaben hat ihr erlaubt, im Internet die entsprechende Websiten zu finden, die ihr das kostenpflichtige Angebot einer Bescheinigung über eine vorläufige Impfunfähigkeit machten und das entsprechende Formular selbst auszufüllen ohne jeglichen Kontakt zu der Ärztin. Dies schließt aus Sicht der Kammer jegliche Gutgläubigkeit oder Blauäugigkeit der Klägerin aus.

f. Bei Vorliegen des "an sich" geeigneten außerordentlichen Kündigungsgrunds ist es der Beklagten zu 1) unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile auch nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.

Im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bedurfte es keiner Abmahnung. Diese ist entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in der Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich und auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist, BAG, Urteil vom 20.05.2021 - 2 AZR 596/20 - Rn. 27. Bei der schweren Pflichtverletzung lässt nach BAG allein deren Gewicht die Basis für eine weitere Zusammenarbeit irreparabel entfallen. Die Pflichtverletzung ist hier so schwerwiegend, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch die Beklagte zu 1) nach objektiven Maßstäben unzumutbar und auch für die Klägerin erkennbar ausgeschlossen war. Mit Schreiben vom 03.01.2022 war die Klägerin aufgefordert worden, Nachweise i.S.d. § 20a Abs. 2 IfSG vorzulegen. Bereits am 06.01.2022 hatte sie sich vorsätzlich in den Besitz der Bescheinigung vom 06.01.2022 gebracht und an der hier schon manifestierten Absicht, ihre Arbeitgeber über eine vorläufige Impfunfähigkeit zu täuschen, auch nach fast drei Wochen Bedenkzeit festgehalten und die Bescheinigung am 26.01.2022 bei den Beklagten vorgelegt. Der von der Pandemie bestimmte gesetzliche Rahmen, in dem die Beklagte zu 1) handelte, war der Klägerin dabei ebenso gleichgültig wie der damit verfolgte Gesundheitsschutz für Beschäftigte und Patienten in den Einrichtungen der Beklagten zu 1). Mit ihrer Täuschungsaktion wollte die Klägerin ungeachtet der Rahmenbedingungen jedenfalls für sich jeder Form von denkbaren arbeitsrechtlichen Maßnahmen durch die Beklagte zu 1) vorbeugen. Dabei hat sich die Klägerin weniger mit den denkbaren Reaktionsformen der Beklagten zu 1) auseinandergesetzt als mit den Möglichkeiten, die Beklagte zu 1) über den Sachverhalt hinwegzutäuschen, dass sie nicht gewillt war, den gesetzlichen Vorgaben des § 20a Abs. 2 IfSG gerecht zu werden und sich mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen auseinanderzusetzen. Arbeitsrechtliche Konsequenzen waren zu diesem Zeitpunkt für bestehende Arbeitsverhältnisse in der rechtlichen und öffentlichen Diskussion, nicht aber in konkreter Form gesetzlich vorgesehen. Mit ihrer Täuschungsaktion hätte die Klägerin die Beklagte zu 1) möglicherweise auch davon abgehalten, gebotene Maßnahmen des Gesundheitsschutzes zu ergreifen wie die Anordnung eines ausschließlichen Arbeitens der Klägerin im Home Office beispielsweise bis zur Beendigung der Pandemielage. Dabei wäre diese Maßnahme auf Grund der Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses der Klägerin naheliegend und unproblematisch umzusetzen gewesen mit einem bis auf weiteres ausschließlichen Arbeiten im Home Office. Die Täuschungsaktion der Klägerin verliert auch nicht dadurch an Gewicht, dass sie ausweislich des Attestes ihrer Hausärztin vom 17.02.2022 (Bl. 294 der Akte) "massive Ängste vor der Coronaimpfung mit MRNA Wirkstoff" hatte. Abgesehen von der irreparablen Belastung des Arbeitsverhältnisses durch die Schwere der Pflichtverletzung konnte die Klägerin auch nicht mit einer Tolerierung ihres Verhaltens durch die Beklagte zu 1) bis zu einer weiteren Täuschungshandlung über ihren Gesundheitsstatus aus Sorge der Klägerin vor eingebildeten Konsequenzen rechnen.

Auch eine ordentliche Kündigung erweist sich nicht als milderes Mittel. Den Beklagten war es nicht zumutbar, mit der Klägerin noch weiter zusammenzuarbeiten. Bei fehlendem Ausschluss der ordentlichen Kündigung durch Tarifvertrag hätte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis bei einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende erst ein halbes Jahr später beenden können. Dies war der Beklagten zu 1) im Hinblick auf die Schwere der Pflichtverletzung der Klägerin nicht zumutbar. Die Klägerin hat vorsätzlich und planvoll eine Bescheinigung hergestellt, mit der sie die Beklagten von etwaigen arbeitsrechtlichen Maßnahmen unter Missachtung der Bemühungen um den Gesundheitsschutz in der Pandemie auf gesetzlicher, unternehmerischer und betrieblicher Ebene abhalten wollte. Dieses vorsätzliche und unehrliche Verhalten der Klägerin lässt ihr Fehlverhalten als besonders schwerwiegend erscheinen. Ihre langjährige und beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten zu 1) und ihre Unterhaltspflichten werden vom Gericht gesehen. Diese Umstände führen aber nicht dazu, dass das Beschäftigungsinteresse der Klägerin das Interesse der Beklagten an der sofortigen Trennung überwiegen könnte. Auch der Umstand, dass sie - vom Arbeitgeber ertappt und damit konfrontiert - bereit war, die Bescheinigung zurückzuziehen, ändert an dieser Bewertung nichts.

3. Die Kündigung erfolgte innerhalb der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB.

a. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann zügig Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Das Anlaufen der Kündigungserklärungsfrist setzt stets voraus, dass dem Kündigungsberechtigten die Tatsachen, die den Kündigungsgrund bilden, bereits im Wesentlichen bekannt sind. Sind dagegen noch zusätzliche Ermittlungen erforderlich oder erscheinen noch erforderlich zu sein, wie etwa die Anhörung des Betroffenen bei einer Verdachtskündigung oder die Ermittlung von gegen eine Kündigung sprechenden Tatsachen, so läuft die Frist noch nicht an. Solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Kündigungssachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen zügig durchführt, ist der Beginn der Ausschlussfrist gehemmt. Eine zügige Durchführung liegt im Regelfall vor, wenn der Arbeitgeber binnen einer Woche den Sachverhalt zu klären versucht.

b. Diesen Vorgaben zur zügigen Sachverhaltsklärung genügte die Beklagte zu 1). Hier hat die Klägerin am 26.01.2022 die Bescheinigung eingereicht. Am 28.01.2022 gelangte diese zur Kenntnis der Personalabteilung und dort der kündigungsberechtigen Personalleiterin. Daraufhin wurde die Klägerin am 03.02.2022 zur Klärung des Sachverhaltes zu einem Gespräch am 07.02.2022 eingeladen. An diesem Tag fand das Gespräch auch statt. Im Anschluss daran wurde binnen Frist von zwei Wochen die außerordentliche Kündigung am 17.02.2022 ausgesprochen.

4. Die Kündigung erfolgte nach ordnungsgemäßer Beteiligung des örtlichen Personalrates nach Art. 77 Abs. 3 S. 1 BayPVG.

a. Die Dienststelle hat dem Personalrat die beabsichtigte Kündigung mitzuteilen, bevor sie die Kündigung ausspricht. Das Beteiligungsverfahren hat über die reine Unterrichtung hinaus den Sinn, der Personalvertretung Gelegenheit zu geben, ihre Überlegungen zu der Kündigungsabsicht dem Arbeitgeber zur Kenntnis zu geben. Die Unterrichtung des Personalrats hat mit dieser Vorgabe entsprechend umfassend zu erfolgen nach Art. 69 Abs. 2 S. 1 BPersVG. Die Dienststelle hat dem Personalrat die Person des Arbeitnehmers, dem gekündigt werden soll, zu bezeichnen, die Art der Kündigung und den Kündigungstermin anzugeben sowie die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Die Angaben über die Kündigungsgründe dürfen sich nicht auf pauschale, schlagwort- oder stichwortartige Bezeichnungen beschränken. Der für die Kündigung maßgebende Sachverhalt und dabei vor allem die für den Kündigungsentschluss wesentlichen Tatsachen sind dem Personalrat so genau anzugeben, dass dieser sich ohne zusätzliche eigene Nachforschungen ein eigenes Bild über die Begründetheit der Kündigung machen und zu ihr Stellung nehmen kann. Jedoch sind an die Mitteilungspflichten des Arbeitgebers nicht dieselben hohen Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess. Der Dienststellenleiter braucht nur diejenigen Gründe mitzuteilen, die für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind, auch wenn es sich nur um subjektive Erwägungen handelt. Der Personalrat ist ordnungsgemäß unterrichtet, wenn ihm der Dienstherr die aus seiner Sicht tragenden Umstände für die beabsichtigte Kündigung mitgeteilt hat. Fehlerhaft ist die Unterrichtung, wenn der Dienststellenleiter dem Personalrat bewusst unrichtige oder unvollständige Sachverhalte unterbreitet oder einen für dessen Entschließung wesentlichen, insbesondere einen den Arbeitnehmer entlastenden Umstand verschweigt. Enthält der Dienststellenleiter dem Personalrat bewusst ihm bekannte und seinen Kündigungsentschluss bestimmende Tatsachen vor, die nicht nur eine Ergänzung oder Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhalts darstellen, sondern diesem erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes verleihen oder weitere eigenständige Kündigungsgründe enthalten, ist die Unterrichtung fehlerhaft und die Kündigung unwirksam.

b. Diesen Vorgaben genügt die mit Schreiben vom 14.02.2022 durchgeführte Beteiligung des Personalrates. Die Beklagte zu 1) fasst den maßgeblichen und aus ihrer Sicht entscheidenden Kündigungssachverhalt am Ende von Ziffer II. 2. der Darstellung der Kündigungsgründe zusammen wie folgt:

"Wir gehen daher davon aus, dass das von Frau Ma... vorgelegte "Gutachten zur Bescheinigung einer vorläufigen Impfunfähigkeit" inhaltlich unrichtig ist und sie das Schreiben vorgelegt hat, um eine nicht bestehende medizinische Kontraindikation bezüglich einer Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 vorzutäuschen."

Damit hat die Beklagte zu 1) den Kern des Fehlverhaltens der Klägerin zutreffend beschrieben. Dem geht eine von der Klägerin nicht bestrittene und damit zugestanden inhaltlich zutreffende Beschreibung des Verfahrens voraus, wie sich die Klägerin in den Besitz der Bescheinigung brachte.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, ihr sei die Ungültigkeit der Bescheinigung nicht bewusst gewesen und sie habe in dem Gespräch am 07.02.2022 weder erklärt, sie habe die Bescheinigung auf Anraten ihrer Hausärztin erstellen lassen noch habe sie erklärt, dass ihr nicht bewusst gewesen sei, dass es sich um eine Fälschung handele, kommt es darauf nicht an. Zum einen hatte der Personalratsvorsitzende an dem Gespräch am 07.02.2022 teilgenommen und wusste daher, was dort im Einzelnen besprochen worden war. Zum anderen waren die Äußerungen der Klägerin in diesem Gespräch nicht die Umstände, die die Beklagte zu 1) zum Kündigungsentschluss brachten, sondern die Tatsache der selbst erstellten Bescheinigung zur Vortäuschung einer ärztlicherseits festgestellten vorläufigen Impfunfähigkeit.

5. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, ob auch die Voraussetzungen einer außerordentlichen Verdachtskündigung oder einer ordentlichen Tat- oder Verdachtskündigung vorlagen.

B. Auch die Kündigung der Beklagten zu 2) hat das geringfügige Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien als außerordentliche Kündigung mit ihrem Zugang beendet.

1. Die Kündigung erfolgte aus wichtigem Grund.

Auf die Ausführungen des Gerichtes unter A. 2. a. bis f. wird verwiesen. Auch hier erweist sich eine ordentliche Kündigung nicht als milderes Mittel. Der Beklagten zu 2) war es nicht zumutbar, mit der Klägerin noch weiter zusammenzuarbeiten. Die Klägerin hat in dem nicht tarifgebundenen und seit 2016 bestehenden Arbeitsverhältnis eine Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Monatsende. Die weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin war der Beklagten zu 2) im Hinblick auf die Schwere der Pflichtverletzung der Klägerin für diesen Zeitraum nicht zumutbar. Die Klägerin hat vorsätzlich und planvoll eine Bescheinigung hergestellt, mit der sie die Beklagten über ihren Gesundheitsstatus täuschen und von etwaigen arbeitsrechtlichen Maßnahmen abhalten wollte. Dieses vorsätzliche und unehrliche Verhalten der Klägerin lässt ihr Fehlverhalten als besonders schwerwiegend erscheinen. Ihre Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten zu 1) und ihre Unterhaltspflichten werden vom Gericht gesehen. Diese Umstände führen aber nicht dazu, dass das Beschäftigungsinteresse der Klägerin das Interesse der Beklagten an der sofortigen Trennung überwiegen könnte. Auch der Umstand, dass sie - vom Arbeitgeber ertappt und damit konfrontiert - bereit war, die Bescheinigung zurückzuziehen, ändert an dieser Bewertung nichts.

2. Die Kündigung erfolgte innerhalb der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB.

Auf die Ausführungen des Gerichtes unter A. 3. wird verwiesen.

3. Die Kündigung erfolgte nach ordnungsgemäßer Beteiligung des örtlichen Betriebsrates nach § 102 BetrVG.

a. Zu den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates wird auf die Ausführungen des Gerichtes unter A. 4. verwiesen, die entsprechend bei der Beteiligung des Betriebsrates gelten. Auch hier ist unter Geltung des Grundsatzes der subjektiven Determination vom Arbeitgeber der für ihn entscheidende Kündigungssachverhalt mitzuteilen.

b. Diesen Voraussetzungen wird die Anhörung mit Schreiben vom 10.02.2022 gerecht. Auch hier fasst die Beklagte zu 2) den kündigungsauslösenden Sachverhalt nach näherer Darstellung zusammen mit dem Hinweis auf die inhaltliche Unrichtigkeit der vorgelegten Bescheinigung und den damit verbundenen Versuch, die Beklagte zu 2) über eine nicht bestehende medizinische Kontraindikation bezüglich einer Impfung gegen das Coronavirus zu täuschen. Auf die von der Klägerin behaupteten Ungenauigkeiten der Beklagten bei der Schilderung des Aufklärungsgespräches am 07.02.2022 kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die von der Klägerin behauptete Täuschung des Betriebsrates ergibt sich daraus nicht. Dies zeigt auch die Reaktion des Betriebsrates mit seinem Widerspruch mit Schreiben vom 14.02.2022. Dort setzt sich der Betriebsrat im Kern nur mit der Frage auseinander, ob es denn schon erwiesen sei, dass es sich bei der Bescheinigung nicht um eine rechtsgültige Bescheinigung handele.

4. Vor diesem Hintergrund kommt es auch hier nicht mehr darauf an, ob auch die Voraussetzungen einer außerordentlichen Verdachtskündigung oder der weiteren ordentlichen Kündigung vom 17.06.2022 vorlagen.

III.

1. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 72 Abs. 1 und 2 ArbGG.

Vorschriften§ 20a IfSG, § 102 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 BetrVG, § 626 Abs. 1 BGB, § 241 Abs. 2 BGB, § 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, § 174 BGB, § 174 S. 1 BGB, § 174 S. 2 BGB, § 123 BGB, § 20a Abs. 1 IfSG, § 20a Abs. 1 Nr. 1a bzw. Nr. 1h IfSG, § 20a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 IfSG, § 20a Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 IfSG, § 241 Absatz 2 BGB, § 20a Abs. 2 IfSG, § 626 Abs. 2 BGB, Art. 77 Abs. 3 S. 1 BayPVG, Art. 69 Abs. 2 S. 1 BPersVG, § 102 BetrVG, § 91 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 1, 2 ArbGG