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Urteil vom 08.11.2022 · IWW-Abrufnummer 237878

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Aktenzeichen 2 Sa 214/21

1. Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist.

2. Dem Arbeitnehmer steht ein eine verhaltensbedingte Kündigung ausschließendes Zurückbehaltungsrecht zur Seite, wenn der Arbeitgeber seine Pflicht zur vertragsgemäßen Beschäftigung des Arbeitnehmers verletzt (vgl. LAG Berlin, Urteil vom 12.03.1999 - 2 Sa 53/98 - Rn. 27, juris). Eine Kündigung wegen Arbeitsverweigerung scheidet demgemäß aus, wenn der Arbeitnehmer berechtigt war, Arbeiten abzulehnen, die der Arbeitgeber unter Überschreitung des Direktionsrechts nach Art, Zeit und Ort zuweist (BAG, Urteil vom 12.04.1973 - 2 AZR 291/72 - Rn. 18, juris).

3. Eine Abmahnung ist aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält (BAG, Urteil vom 27.11.2008 - 2 AZR 675/07 - Rn. 15 ff m.w.N., juris). Werden in einem Abmahnungsschreiben mehrere Pflichtverletzungen gleichzeitig gerügt und treffen davon nur einige (aber nicht alle) zu bzw. ist auch nur ein Vorhalt unberechtigt, so muss das Abmahnungsschreiben auf Verlangen des Arbeitnehmers vollständig aus der Akte entfernt werden und kann nicht teilweise aufrechterhalten bleiben (BAG, Urteil vom 13.03.1991 - 5 AZR 133/90 - Rn. 68, juris).

4. Ein Arbeitnehmer kann für die Urlaubserteilung Wünsche äußern und die Urlaubserteilung für einen allein durch den Arbeitgeber festgelegten Zeitraum ablehnen, vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG. Hat der Arbeitgeber ihn nicht vor der Festlegung des Urlaubszeitraumes nach seinen Wünschen gefragt, kann der Arbeitnehmer ein Annahmeverweigerungsrecht geltend machen (BAG, Urteil vom 06.09.2006 - 5 AZR 703/05 - Rn. 19, juris). Dieses muss er dem Arbeitgeber gegenüber unverzüglich mitteilen.

5. Wird mit der Berufungserwiderung erstmalig die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Zahlungen aus Annahmeverzug sowie auf Urlaubsabgeltung begehrt, handelt es sich um die Einführung eines neuen Streitgegenstandes in das Berufungsverfahren. Auf diese nachträgliche objektive Klagehäufung ist § 263 ZPO entsprechend anwendbar. Über die Zulässigkeit der Klageänderung in der Berufungsinstanz ist nach dem Maßstab des § 533 ZPO zu entscheiden (vgl. BAG, Urteil vom 09.02.2022 - 5 AZR 347/21 - Rn. 19, juris).


Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 18.05.2021 zum Aktenzeichen 2 Ca 52/20 wird zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin die vertraglich vereinbarte Vergütung für die Monate Februar 2020 bis einschließlich April 2021 in Höhe von 180.000,00 € brutto abzüglich der der Klägerin für den Monat Februar 2020 von der Beklagten bereits gezahlten Vergütung in Höhe von 6.105,08 € netto sowie abzüglich der auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Ansprüche in Höhe von 25.554,60 € und abzüglich des von der Klägerin erzielten anderweitigen Verdienstes aus dem Monat April 2021 in Höhe von 8.364,33 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf die Bruttovergütung in Höhe von 10.226,10 € seit dem 11. April 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von 10.029,00 € seit dem 11. Mai 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von 10.029,00 € seit dem 11. Juni 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von 10.029,00 € seit dem 11. Juli 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von 10.029,00 € seit dem 11. August 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von 10.029,00 € seit dem 11. September 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von 10.029,00 € seit dem 11. Oktober 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von 10.029,00 € seit dem 11. November 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von 10.029,00 € seit dem 11. Dezember 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von 10.029,00 € seit dem 11. Januar 2021, auf die Bruttovergütung in Höhe von 9.986,10 € seit dem 11. Februar 2021, auf die Bruttovergütung in Höhe von 9.986,10 € seit dem 11. März 2021, auf die Bruttovergütung in Höhe von 9.986,10 € seit dem 11. April 2021 und auf die Bruttovergütung in Höhe von 7.222,15 € seit dem 11. Mai 2021 zu zahlen.

III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Urlaubsabgeltung in Höhe von 44.307,70 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. September 2021 zu zahlen.

IV. Die Widerklage wird abgewiesen.

VI. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Kündigungen, einer Abmahnung sowie um diverse Zahlungsansprüche.

Die im Januar 1959 geborene Klägerin war gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag (Anlage K 1, Bl. 17 ff d.A.) ab dem 01.03.2017 in der von der Beklagten betriebenen Rehaklinik zu einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 12.000,00 € als Chefärztin der orthopädischen Abteilung beschäftigt. In § 1 des Arbeitsvertrages ist zudem vorgesehen, dass die Klägerin den ärztlichen Direktor in Abwesenheit vertritt und die Position nach dem Ausscheiden des ärztlichen Direktors übernehmen wird. Unter § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ist die Ableistung von Bereitschaftsdiensten und deren Vergütung geregelt sowie eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Monatsende. § 3 des Arbeitsvertrages sieht einen Urlaub von 30 Arbeitstagen vor. Ab dem 30.10.2018 erkrankte die Klägerin arbeitsunfähig. Auf die schriftliche Anfrage der Beklagten vom 14.10.2019 ob und wann mit einer Wiederaufnahme der Tätigkeit durch die Klägerin gerechnet werden könne, teilte die Klägerin mit Schreiben vom 18.10.2019 (Anlage K 2, Bl. 21 d.A.) mit, dass sie ihre Tätigkeit ab 12.12.2019 wiederaufnehmen könne. Die Beklagte unterrichtete die Klägerin mit Schreiben vom 08.11.2019 darüber, dass aufgrund der klägerischen Abwesenheit der Zwang bestanden habe, den Klinikbetrieb neu zu strukturieren, um den Anforderungen der Kostenträger gerecht zu werden. So seien Herr Prof. Dr. N., Fachbereich Orthopädie, zum ärztlichen Direktor benannt, Herr H. als Chefarzt für die Orthopädie verpflichtet worden und trete seinen Dienst zum Januar 2020 an. Die Klägerin würde gerne ab dem 12.12.2019 als Fachärztin im Bereich Orthopädie wieder im Hause begrüßt werden. Die arbeitsvertraglichen Grundlagen sollten im Übrigen unverändert bleiben.

Nachdem die Klägerin den Geschäftsführer der Beklagten am 11.12.2019 während eines Gespräches erfolglos darauf hingewiesen hatte, dass sie über einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Beschäftigung als Chefärztin verfüge, bereit sei, die orthopädische Abteilung gemeinsam mit Herrn Dr. H. als Chefärztin im Kollegialsystem zu leiten, nahm die Klägerin ihre Tätigkeit ab dem 12.12.2019 auf, wurde jedoch nicht als Chefärztin eingesetzt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.12.2019 (Anlage K 4, Bl. 23 ff d.A.) wies die Klägerin nochmals auf die Rechtswidrigkeit der Weisung zur Beschäftigung als Fachärztin hin und forderte die Beklagte auf, spätestens bis zum 20.12.2019 verbindlich schriftlich zu bestätigen, dass sie auch ab Januar 2020 als Chefärztin der orthopädischen Abteilung beschäftigt werde. Zudem stellte sie in Aussicht, dass sie andernfalls von ihrem Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung solange Gebrauch machen werde, bis ihr ein vertragsgerechter Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt würde.

Am 20.12.2019 erlitt der Geschäftsführer der Beklagten einen Schlaganfall. Im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung wurden die Beschäftigten über die Erkrankung des Geschäftsführers in Kenntnis gesetzt. Gegenüber der Lebensgefährtin des Geschäftsführers der Beklagten, Frau H., erklärte die Klägerin am 06.01.2020, dass sie nicht mehr bereit sei, in der Klinik zu arbeiten, wenn sie nicht als Chefärztin eingesetzt würde. Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.10.2020 (Anlage K 5, Bl. 26 ff d.A.) hat die Klägerin u.a. vor dem Hintergrund der Weigerung der Beklagten sie als Chefärztin zu beschäftigen von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht und die Beklagte aufgefordert, ihr einen arbeitsvertragsgemäßen Arbeitsplatz zuzuweisen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.01.2020 (Anlage K 6, Bl. 28 d.A.) wies die Klägerin wiederum darauf hin, dass die seitens der Beklagten erfolgte Freistellung von der Arbeitsleistung unwirksam sei und bot nochmals ihre Arbeitskraft als Chefärztin an. Daraufhin leugnete die Beklagte durch anwaltliches Schreiben vom 08.01.2020 (Anlage K 7, Bl. 29 d.A.) eine Freistellung und wies darauf hin, dass sich die Klägerin im Urlaub befinde. Hierauf antwortete die Klägerin durch anwaltliches Schreiben vom 09.01.2020 (Anlage K 8, Bl. 30 d.A.), dass sie sich nicht im Urlaub befinde, einen solchen nicht beantragt habe, eine einseitige Urlaubsfestlegung durch einen Arbeitgeber unzulässig sei, vielmehr eine Freistellung vorliege. Sie bat nochmals um vertragsgemäße Beschäftigung als Chefärztin der orthopädischen Abteilung. Die Beklagte erteilte der Klägerin durch Schreiben vom 13.01.2020 (Anlage K 9, Bl. 31 ff d.A.) eine Abmahnung, teilte mit, dass sich die Klägerin ab dem 06.01.2020 in Urlaub befinde und sich die Dauer des Urlaubs nach dem ihr noch für die Vergangenheit zu gewährenden Jahresurlaub bestimme. Zudem enthielt die Abmahnung die Vorwürfe, dass die Klägerin unzutreffend eine Verlängerung einer Rehabilitationsmaßnahme abgelehnt, einen Patienten unsachgemäß behandelt habe, Hospitanten in der orthopädischen Abteilung allein arbeiten müssten und nicht betreut würden. Wegen des Inhalts der Abmahnung im Einzelnen wird ausdrücklich auf Bl. 32, 33 d.A. verwiesen.

Der Klägerin ging am 20.01.2020 das von Frau M. H. unterzeichnete Kündigungsschreiben (Anlage K 10, Bl. 34 ff d.A.) der Beklagten vom 15.01.2020 zu, nach welchem sich sowohl der ärztliche Direktor als auch der Chefarzt der Orthopädie und der Verwaltungsdirektor der Klinik weigerten, mit der Klägerin weiterhin zusammenzuarbeiten. Aus diesem Grunde müsse das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des letzten Urlaubstages am 26.02.2020 ohne Einhaltung einer weiteren Kündigungsfrist beendet werden. Die Klägerin wies diese Kündigung mit Schreiben vom 21.01.2020 (Anlage K 11, Bl. 36 d.A.), der Beklagten am 22.01.2020 zugegangen, gemäß § 174 Satz 1 BGB mangels Vollmachtsvorlage zurück.

Mit der am 03.02.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung vom 15.01.2020 gewandt, die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung als Chefärztin und die Entfernung der Abmahnung vom 13.01.2020 aus der Personalakte begehrt. Nach dem gerichtlichen Hinweis durch den Vorsitzenden im Termin der Güteverhandlung, dass die streitbefangene Kündigung aufgrund der Zurückweisung möglicherweise unwirksam sei und Zweifel an einer Berechtigung der Beklagten bestünden, der Klägerin entgegen den arbeitsvertraglichen Regelungen andere Tätigkeiten zuzuweisen zu dürfen als die einer Chefärztin, ging der Klägerin das wiederum von Frau M. H. unterzeichnete Kündigungsschreiben der Beklagten vom 27.05.2020 (Anlage K 13, Bl. 63 d.A.) zu, mit welchem die Beklagte das Arbeitsverhältnis hilfsweise, für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung vom 15.01.2020, nochmals zum 30.11.2020 kündigte. Diesem Schreiben waren Kopien einer Frau H. durch den Geschäftsführer der Beklagten erteilten Generalvollmacht (Bl. 64 d.A.) vom 03.01.2020 sowie einer durch den Geschäftsführer der Beklagten für Frau H. erteilten Vollmacht vom 31.03.2020 nebst Kopie einer notariellen Beglaubigung der Unterschrift des Geschäftsführers der Beklagten beigefügt. Durch anwaltliches Schreiben vom 02.06.2020 (Anlage K 14, Bl. 67 d.A.) hat die Klägerin die Kündigung wegen Nichtvorlage von Originalvollmachten wiederum gemäß § 174 BGB zurückgewiesen und sich mit der am 04.06.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung auch gegen diese Kündigung gewandt sowie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 155,43 € für am 18.12.2019 und 27.12.2019 geleistete Bereitschaftsdienste begehrt. Am 28.10.2020 ging der Klägerin das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 23.10.2020 (Anlage K 15, Bl. 186 d.A.) zu, mit welchem die Beklagte das Arbeitsverhältnis hilfsweise zum 30.04.2021 kündigte. Dieser Kündigung war eine notariell beglaubigte Vollmachtsurkunde beigefügt.

Mit am 12.11.2020 beim Arbeitsgericht eingegangener Klageerweiterung hat sich die Klägerin auch gegen diese Kündigung gewandt und die Feststellung begehrt, dass ihr aus den Jahren 2019 und 2020 jeweils ein Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen zusteht.

Die Klägerin hat ausgeführt, sowohl die Kündigung vom 15.01.2020 als auch die Kündigung vom 27.05.2020 seien mangels Vorlage einer Originalvollmacht und infolge ihrer Zurückweisung unwirksam. Allen ausgesprochenen Kündigungen mangele es zudem an dem erforderlichen Kündigungsgrund. Die Abmahnung sei formal und inhaltlich unwirksam, da nicht hinreichend bestimmt und vom Inhalt her unzutreffend. Enthaltene Vorwürfe seien unberechtigt. Die Beklagte sei verpflichtet, die unstreitig geleisteten Bereitschaftsdienste zu vergüten. Nachdem sie auf der von ihr der Beklagten überreichten Stundenabrechnung die Daten 18.12.2019 und 27.12.2019, an denen Bereitschaftsdienste geleisteten worden waren, durch Einkreisen kenntlich gemacht, die Stundenabrechnung mit der Bitte an Frau M., der Sekretärin des ärztlichen Dienstes, übergeben habe, diese beiden Tage bei der Abrechnung als Bereitschaftsdienste zu berücksichtigen.

Sie habe ab dem 06.01.2020 keinen Urlaub realisiert und solchen auch nicht beantragt. Sie sei mit einer Urlaubsgewährung ab dem 06.01.2020 auch nicht einverstanden gewesen, wie ihre Schreiben vom selben und nächsten Tage belegten. Sie sei vielmehr von der Beklagten einseitig freigestellt worden. Die einseitige durch die Beklagte erfolgte Freistellung vom 06.01.2020 könne nicht zu einer Anrechnung auf Urlaubsansprüche führen. Sie habe keineswegs Urlaub beantragt, sondern im Gegenteil um vertragsgemäße Beschäftigung gebeten. Eine einseitige Urlaubsfestlegung durch den Arbeitgeber sei unzulässig. Selbst wenn man für den Zeitraum vom 06.01.2020 bis zur Kündigung vom 15.01.2020 eine Urlaubsgewährung annehmen sollte, wäre dadurch allenfalls der krankheitsbedingt nicht erloschene Urlaub aus dem Jahr 2018 eingebracht und abgegolten, nicht jedoch ein Urlaubsanspruch aus den Jahren 2019 und 2020.

Entgegen der Behauptung der Beklagten habe sie während ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit an von ihr datumsmäßig bezeichneten Tagen mit dem Geschäftsführer der Beklagten, der Sekretärin des ärztlichen Dienstes bzw. der Qualitätsmanagementbeauftragten der Beklagten telefoniert und auch noch nach dem 04.06.2019 an allerdings von ihr nicht mehr datumsmäßig bezeichenbaren Tagen weitere Telefonate mit diesen Personen geführt. Sie habe nicht nur ihre Arbeitsunfähigkeits- und Folgebescheinigungen vorgelegt, sondern die Beklagte ständig über den Heilungsverlauf informiert. Sie sei weder am 11.12.2019 über die Berechtigung der Frau H., Personalentscheidungen treffen zu können, noch in der Mitarbeiterversammlung vom 06.01.2020 hierauf hingewiesen worden.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 15. Januar 2020 nicht zum 26. Februar 2020 aufgelöst wird, sondern darüber hinaus ungekündigt und zu unveränderten Bedingungen weiter fortbesteht.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise erklärte fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 15. Januar 2020 nicht zum 31. Juli 2020 aufgelöst wird, sondern darüber hinaus ungekündigt und zu unveränderten Bedingungen weiter fortbesteht.

3. Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu Ziffer 1, 2 oder 3 wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Chefärztin der orthopädischen Abteilung zu beschäftigen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, die der Klägerin mit Schreiben vom 13. Januar 2020 erteilte Abmahnung ersatzlos aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

5. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 27. Mai 2020 nicht zum 30. November 2020 aufgelöst wird, sondern darüber hinaus ungekündigt und zu unveränderten Bedingungen weiter fortbesteht.

6. Die Beklagte wird verurteilt, die Vergütung für die von der Klägerin am 18. Dezember 2019 und am 27. Dezember 2019 geleisteten Bereitschaftsdienste in Höhe von Euro 310,86 brutto abzurechnen und die sich ergebenden Nettobeträge an die Klägerin zu zahlen.

7. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 23. Oktober 2020 nicht zum 30. April 2021 aufgelöst wird, sondern darüber hinaus ungekündigt und zu unveränderten Bedingungen weiter fortbesteht.

8. Festzustellen, dass die Klägerin in der Zeit vom 06.01.2020 bis zum 26.02.2020 nicht im Urlaub war.

9. Das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die der Höhe nach ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr betragen sollte, bezogen auf die Kündigung vom 23.10.2020 aufzulösen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen sowie das Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Die Beklagte hat sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits durch die Kündigung vom 15.01.2020, hilfsweise durch die Kündigung vom 27.05.2020 zum 30.11.2020 sowie die Kündigung vom 23.10.2020 zum 30.04.2021 berufen. Sie hat Zahlungsansprüche geleugnet, ist von der Wirksamkeit der Abmahnung und einer Urlaubserteilung ab dem 06.01.2021 ausgegangen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin habe sie zu keinem Zeitpunkt über die voraussichtliche Dauer ihrer Arbeitsunfähigkeit unterrichtet, sie über den Zeitpunkt einer möglichen Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit im Unklaren gelassen. Nachdem die Klägerin sich nach ihrer ersten Krankschreibung im Oktober 2018 mehr als ein Jahr nicht bei ihr gemeldet habe, sei es zu der Aufforderung mit Schreiben vom 14.10.2019 gekommen. Weil sich die Klägerin am 11.12.2019 geweigert habe, ihre personelle Situation mit der hierfür zuständigen Mitarbeiterin der M. H. zu besprechen, habe ihr Geschäftsführer der Klägerin die durch ihre Abwesenheit entstandene Situation am 12.12.2019 nochmals erläutert und sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Falle seiner Abwesenheit alle Personalentscheidungen verbindlich von Frau M. H. getroffen würden. Am 06.01.2020 seien nicht nur alle Mitarbeiter im Rahmen der Mitarbeiterversammlung über die Erkrankung des Geschäftsführers in Kenntnis gesetzt worden, sondern es sei ebenfalls die Information erfolgt, dass Frau H. für die Dauer der krankheitsbedingten Abwesenheit den Geschäftsführer mit allen Kompetenzen vertrete. An der Mitarbeiterversammlung habe auch die Klägerin teilgenommen. Die Klägerin könne sich nicht auf eine Zurückweisung gemäß § 174 BGB berufen, denn eine solche sei nur berechtigt, wenn keine Gewissheit darüber bestehe, ob der Erklärende wirklich bevollmächtigt sei und der Vertretende die Erklärung gegen sich gelten lassen müsse. Die Klägerin habe jedoch gewusst, dass Frau H. bevollmächtigt war, Personalentscheidungen einschließlich der Begründung und Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen zu treffen. Dies belege, dass die Klägerin Frau H. am 06.01.2020 aufgefordert habe, sie wieder als Chefärztin einzusetzen.

Die Kündigung vom 15.01.2021 sei erfolgt, nachdem sich die Klägerin mehrfach nachhaltig und unmissverständlich endgültig geweigert habe, mit dem Verwaltungsdirektor zusammenzuarbeiten. Damit sei ein ordnungsgemäßer Klinikbetrieb nicht möglich gewesen. Eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen dem medizinisch Verantwortlichen und der Verwaltungsleitung sei unabdingbare Voraussetzung für einen ordnungsgemäßen Klinikbetrieb. Eine Abmahnung sei bei der unmissverständlichen Verhaltensweise der Klägerin nicht erforderlich gewesen.

Die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses sei auch deshalb geboten gewesen, weil die Klägerin sich grundlos geweigert habe, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Sie habe die ihr zugewiesene Tätigkeit als Fachärztin bei im Übrigen gleichbleibenden Arbeitsbedingungen nicht verweigern dürfen. Unter den gegebenen Umständen sei eine Arbeitsverweigerung unverhältnismäßig.

Die ausgesprochene Abmahnung sei wirksam, so dass der Klägerin kein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zustehe. Die gegenüber einer Patientin erteilte Auskunft, es sei zu spät für eine Verlängerung der Maßnahme, sei unzutreffend gewesen. Nach Rücksprache der Patientin mit dem Verwaltungsdirektor habe dieser eine Verlängerung der Maßnahme durchsetzen können.

Am 27.12.2019 habe die Klägerin einen Patienten in harschem Ton angefahren, sie könne jetzt nicht, sie hätte eine Besprechung.

Am 02.01.2020 habe der Verwaltungsdirektor erfahren, dass in der orthopädischen Abteilung die Hospitanten allein arbeiten müssten und nicht wie im Dienstplan angeordnet, durch die Klägerin betreut würden. Auf den Hinweis des Verwaltungsdirektors, dass sie - die Klägerin - hierzu verpflichtet sei, habe sie erklärt, sie hätte dazu keine Zeit. In allen diesen drei Fällen habe die Klägerin gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten und gegen die Fürsorgeverpflichtungen gegenüber den Patienten und Hospitanten verstoßen.

Die Klägerin könne keine Vergütungsansprüche für angeblich im Dezember geleistete Bereitschaftsdienste geltend machen. Das von der Klägerin für den Monat Dezember 2019 eingereichte Formular weise keine Bereitschaftsdienste aus.

Sie - die Beklagte - gehe davon aus, dass die Klägerin zumindest im zweiten Halbjahr 2019 nicht durchgängig arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und ihre Erkrankung nur vorgetäuscht habe. Anders sei es für sie nicht erklärbar, warum sie auf die ihr bekannt gewordene Einstellung des Herrn H. reagiert und bereits am 18.10.2019 gewusst habe, dass sie 8 Wochen später pünktlich zum Vertragsbeginn des Herrn H. ihren Dienst wiederaufnehmen werde.

Am 06.01.2020, nachdem die Klägerin gegenüber Frau H. erklärt habe, sie sei nicht bereit, in der Klinik zu arbeiten, wenn sie nicht wieder als Chefärztin beschäftigt werde, habe Frau H. die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie keinerlei Einschränkungen in ihrem Arbeitsbereich erfahre und der Klägerin vorgeschlagen, zunächst noch ihren nicht genommenen Urlaub aus den Vorjahren in Anspruch zu nehmen, da dieser ohnehin zum 31.03.2020 zu verfallen drohe, und sich in der Zwischenzeit Gedanken über die weitere Zusammenarbeit zu machen. Damit sei die Klägerin einverstanden gewesen. Auch wenn die durch Frau H. geäußerte Rechtsauffassung unzutreffend ist, sei entscheidend, dass die Klägerin dem Vorschlag der Frau H. zugestimmt und die Klinik verlassen habe.

Die Klägerin habe sich geweigert, diverse Vorfälle im Umgang mit Mitarbeitern der Klinik, bei Fragen der Dienstplangestaltung und der Bereitschaftsdienste mit dem Verwaltungsdirektor zu klären. Sie habe jegliches Gespräch mit dem Verwaltungsdirektor verweigert und geäußert, dass sie nur mit dem Geschäftsführer spreche.

Die Kündigung vom 15.01.2020 sei berechtigt, weil sich die Klägerin mehrfach und unmissverständlich, zuletzt auch durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.01.2020 geweigert habe, ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

Das Arbeitsverhältnis sei aufzulösen, falls das Gericht die ausgesprochenen Kündigungen für unwirksam erachten sollte. Dies sei erforderlich, weil sich auch der ärztliche Direktor nach den Vorfällen geweigert habe, mit der Klägerin zusammenzuarbeiten. Das gesamte Verhalten der Klägerin habe deutlich gemacht, dass das für ein erfolgreiches Zusammenarbeiten mit einer Fachärztin erforderliche Vertrauen auf Seiten der Klägerin nicht mehr vorhanden sei. Die Klägerin sei nicht bereit, sich in einen ordnungsgemäßen Klinikablauf einzubringen.

Der wegen Bereitschaftsdienste erhobene Vergütungsanspruch sei jedenfalls derzeit nicht fällig. Die Klägerin sei nach Dienstanweisung des Verwaltungsdirektors verpflichtet, ihre Bereitschaftsdienste auf dem als "Stundenabrechnung" überschriebenen Formular unter Angabe des Tätigkeitsbereiches und des tatsächlichen Bereitschaftszeitraumes darzulegen. Eine dementsprechende Abrechnung liege jedoch nicht vor.

Das Arbeitsgericht hat der Klage vollends stattgegeben und das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2021 aufgelöst, die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Abfindung in Höhe von 24.000,00 € zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht angeführt, die Kündigungen vom 15.01.2020 und 27.05.2020 seien gemäß § 174 BGB unwirksam, weil der Kündigung vom 15.01.2020 keinerlei Vollmachtsurkunde, der Kündigung vom 27.05.2020 lediglich Kopien von Vollmachtsurkunden beigefügt gewesen seien. Die Zurückweisung sei jeweils unverzüglich durch die Klägerin erfolgt. Diese sei dazu auch berechtigt gewesen, weil die Beklagte nicht dargetan habe, dass der Geschäftsführer über eine Kündigungsberechtigung der Frau H. informiert hätte und nicht ersichtlich sei, wann ihr eine solche überhaupt erteilt worden sein soll. Die Kündigung vom 23.10.2020 sei sozial ungerechtfertigt. Die Klägerin habe keinen diese Kündigung rechtfertigenden Grund gesetzt. Das Arbeitsverhältnis sei auf Antrag beider Parteien auf der Grundlage der sozialwidrigen Kündigung vom 23.10.2020 zum 30.04.2021 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 24.000,00 € aufzulösen, weil beide Parteien eine gedeihliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausschließen. Der seitens der Klägerin erhobene Vergütungsanspruch für Bereitschaftsdienste sei gegeben, da sie die genannten Bereitschaftsdienste unstreitig geleistet habe. Die Klägerin habe in der Zeit vom 06.01.2020 - 26.02.2020 keinen Urlaub realisiert, da keine einvernehmliche Festlegung zur Urlaubsgewährung während dieses Zeitraumes vorliege. Die Klägerin verfüge über einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte, weil die ihr gegenüber im Zusammenhang mit der Abmahnung erhobenen Vorwürfe unsubstanziiert seien. Es sei nicht aufzuklären, welche Vorgänge der Klägerin exakt vorgehalten würden.

Die Beklagte hat gegen des ihr am 16.08.2021 zugestellte Urteil mit am 07.09.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.11.2021, mit am 16.11.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Klägerin hat nach Verlängerung der Berufungserwiderungsfrist bis zum 21.01.2022 mit am 21.01.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz auf die Berufung der Beklagten erwidert und Anschlussberufung erhoben sowie diese begründet.

Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Berufung aus, das Arbeitsgericht habe sich bezüglich der Zurückweisung der Kündigungen vom 15.01.2020 und 27.05.2020 nicht einmal im Ansatz mit der vorgetragenen, durch die Erkrankung des Geschäftsführers hervorgerufenen, besonderen Situation auseinandergesetzt. Die Klägerin habe das Recht zur Zurückweisung rechtsmissbräuchlich ausgeübt, weil ihr bekannt gewesen sei, dass ihr Geschäftsführer einen schweren Schlaganfall erlitten hatte, sich schriftlich gar nicht, mündlich lediglich gegenüber ihm nahestehende Personen artikulieren konnte und ihn in Kenntnis dieser Situation aufgefordert habe, sie tatsächlich wieder als Chefärztin einzusetzen, was ihm aufgrund der Erkrankung unmöglich gewesen sei. Ihr Geschäftsführer habe die Mitarbeiterin H. ausdrücklich aufgefordert und bevollmächtigt, das Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin zu beenden. Die Rechtsmissbräuchlichkeit ergebe sich auch aus der Kenntnis der Klägerin, dass Frau H. den Geschäftsführer während seiner Abwesenheit vertreten hat.

Das Arbeitsverhältnis habe durch Kündigung beendet werden müssen, weil die Klägerin sich mehrfach, nachhaltig und unmissverständlich endgültig geweigert habe, mit dem Verwaltungsdirektor zusammenzuarbeiten und somit ein ordnungsgemäßer Klinikbetrieb unmöglich geworden sei. Ein weiterer Grund liege darin, dass sich die Klägerin grundlos geweigert habe, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Die Klägerin habe erklärt, ihre fachärztliche Tätigkeit nicht ausüben zu wollen, weil sie nicht wieder als Chefärztin eingesetzt werde. Eine solch radikale auf völlige Leistungsverweigerung ausgerichtete Handlung müsse nicht akzeptiert werden. Die totale Leistungsverweigerung sei unverhältnismäßig und habe von ihr - der Beklagten - nicht hingenommen werden müssen. Es sei der Klägerin zumutbar gewesen, ihre vermeintlichen Ansprüche auf Beschäftigung als Chefärztin gerichtlich durchzusetzen. Dies hätte die weniger einschneidende Maßnahme dargestellt.

Auch sei spätestens seit der Güteverhandlung vom 05.05.2020 offenkundig, dass Frau H. zum Kündigungsausspruch berechtigt gewesen sei.

Das Arbeitsgericht habe einen klägerischen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte nicht mit der Begründung, die im Zusammenhang mit der Abmahnung gemachten Vorwürfe seien unsubstanziiert, anerkennen dürfen. Zu einer solchen Einschätzung könne das Arbeitsgericht nur gelangen, wenn es sich mit ihrem Vorbringen nicht hinreichend auseinandergesetzt habe. Es sei zu den drei gerügten Punkten vorgetragen und sie seien unter Beweis gestellt worden.

Der zugesprochene Vergütungsanspruch für angeblich geleistete Bereitschaftsdienste sei jedenfalls derzeit nicht fällig. Die Klägerin sei nach Dienstanweisung des Verwaltungsdirektors verpflichtet, ihre Bereitschaftsdienste auf dem als "Stundenabrechnung" überschriebenen Formular unter Angabe des Tätigkeitsbereiches und des tatsächlichen Bereitschaftszeitraumes darzulegen. Da entsprechende Abrechnungen durch die Klägerin bisher nicht getätigt seien, sei die Fälligkeit nicht gegeben. Auch hier habe das Gericht nicht ohne Beweisaufnahme entscheiden dürfen. Eine durchzuführende Beweisaufnahme hätte ihren Vortrag bestätigt.

Die Klägerin habe sich mit Frau M. H. darüber verständigt, dass sie zunächst den ihr noch zustehenden Urlaub bis 26.02.2020 nimmt.

Mit dem seitens der Klägerin erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer gestellten Auflösungsantrag habe sie sich nicht auseinandersetzen und positionieren können. Es werde ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör gerügt. Die zu zahlende Abfindung habe das Gericht nicht nach pflichtgemäßem Ermessen festgesetzt. Es habe seine Erwägungen zur Abfindungshöhe nicht dargestellt. Die Festsetzung sei der Höhe nach damit willkürlich und könne keinen Bestand haben. Die tatsächliche Höhe des Abfindungsanspruchs müsse sich gegen null bewegen. Bei Zugrundelegung eines Bestandes des Arbeitsverhältnisses vom 01.03.2017 bis zum 30.04.2021 habe das Arbeitsverhältnis gerade einmal vier Jahre und zwei Monate bestanden. In dieser Zeit habe die Klägerin ihre berufliche Tätigkeit lediglich vom 01.03.2017 bis zum 30.10.2018 und 12.12.2019 bis zum 06.01.2020, also 20 Monate und 25 Tage ausgeübt. In der übrigen Zeit sei sie entweder krank gewesen oder habe ihr Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Aufgrund der geringen Dauer der Betriebszugehörigkeit und der trotz ihres fortgeschrittenen Lebensalters auf dem Arbeitsmarkt bestehenden guten Chancen eine neue Erwerbstätigkeit aufzunehmen, bedürfe es keiner hohen Abfindungszahlung.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung kostenpflichtig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und hält die seitens der Beklagten hiergegen erhobenen Berufungsangriffe nicht für überzeugend. Sie meint, das Gericht habe zutreffend und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass die drei streitbefangenen Kündigungen unwirksam seien, sich die Unwirksamkeit der beiden ersten Kündigungen bereits gemäß § 174 BGB ergebe, die dritte Kündigung sozial ungerechtfertigt sei. Eine Bevollmächtigung der Frau H. habe die Beklagte bis heute nicht konkret vorgetragen. Es komme danach nicht mehr darauf an, ob ein Vollmachtgeber die Klägerin über die Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt habe. Über die Bevollmächtigungen vom 03.01.2020 und 31.03.2020 sei sie unstreitig nicht in Kenntnis gesetzt worden. Es liege auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten ihrerseits vor, weil sie von der Erkrankung des Geschäftsführers der Beklagten gewusst habe. Es sei für die Beklagte lediglich erforderlich gewesen, eine Originalvollmacht dem Kündigungsschreiben beizufügen.

Ein Kündigungsgrund sei nicht gegeben, weil sie sich nicht unberechtigt geweigert habe, die Tätigkeiten einer Fachärztin auszuüben. Sie habe auch nie eine Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsdirektor abgelehnt. Demgemäß habe die Beklagte auch lediglich die pauschale Behauptung aufgestellt, jedoch keine konkreten Vorfälle benannt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Vergütungsanspruch für die geleisteten Bereitschaftsdienste fällig. Dass sie hierfür ein Formular ausfüllen müsse oder die Dienste gesondert abzurechnen seien, sei im Arbeitsvertrag nicht geregelt.

Es habe auch keine Beweisaufnahme über eine Urlaubsgewährung stattfinden müssen, da sie - die Klägerin - unstreitig keinen Urlaubswunsch geäußert, sondern vielmehr ausdrücklich darum gebeten habe, vertragsgemäß beschäftigt zu werden. Von einer Einigung über eine Urlaubsnahme könne keine Rede sein. Zudem habe eine solche Vereinbarung allenfalls mit dem Verwaltungsdirektor als disziplinarischen Vorgesetzten getroffen werden können. Hierzu träge die Beklagte jedoch selbst nichts vor.

Die wegen des Auflösungsantrages von der Beklagten erhobene Rüge des rechtlichen Gehörs greife nicht durch, da die Beklagte selbst einen Auflösungsantrag gestellt hatte. Auch sei der Abfindungsbetrag nach den maßgeblichen Kriterien durch das Gericht zutreffend festgesetzt.

Mit der Anschlussberufung erweitert die Klägerin ihre Klage um Verzugslohn- und Urlaubsabgeltungsansprüche. Hierzu führt sie aus, eine dementsprechende Klageänderung sei, ohne dass es auf die Einwilligung der Beklagten ankäme, zulässig, weil sie sachdienlich sei. Entscheidend sei insoweit, dass ein weiterer Prozess der Parteien durch die Zulassung der Klageerweiterung vermieden werden könne. Ihre Vergütungsansprüche für die Monate Februar 2020 - April 2021 hingen von der (Un-) Wirksamkeit der Kündigungen ab. Gleiches gelte auch für die Urlaubsabgeltungsansprüche, da noch offenstehender Urlaub finanziell nur nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten werden könne.

Die Klägerin hat als Anlage BBK 6 (Bl. 373 ff d.A.) Stellenangebote der Bundesagentur für Arbeit zur Akte gereicht und dazu erklärt, weil aufgrund der Corona-Pandemie zahlreiche Reha-Kliniken geschlossen gewesen bzw. Behandlungen abgesagt oder verschoben worden seien, habe sie erst ab dem 29. Juli 2020 Stellenangebote von der Bundesagentur erhalten. Für diese Stellen sei sie jedoch nicht in Betracht gekommen, weil sie entweder als für zu alt befunden worden sei oder aber als ungeeignet. Während sie seit 1995 als Reha-Medizinerin im Reha-Bereich tätig war, also rein konservativ nicht operativ, habe es sich bei den Stellenangeboten um Stellen in Akut-Kliniken gehandelt, es seien operativ tätige Ärzte gesucht worden. Sie habe sich intensiv um eine neue Beschäftigung bemüht und eine solche erst zum 1. April 2021 gefunden.

Aus dem Jahr 2018 seien noch 10 offene Urlaubstage entsprechend dem ihr erteilten Urlaubsschein (Anlage BBK 7, Bl. 393 d.A.) abzugelten. Hinzu kämen jeweils 30 Tage Urlaub aus den Jahren 2019 und 2020 sowie 10 Tage anteiliger Urlaub aus dem Jahr 2021. Insgesamt 80 Urlaubstage seien danach finanziell in der geforderten Höhe zu begleichen.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die vertraglich vereinbarte Vergütung für die Monate Februar 2020 bis einschließlich April 2021 in Höhe von EUR 180.000,00 brutto abzüglich der der Klägerin für den Monat Februar 2020 von der Beklagten bereits gezahlten Vergütung in Höhe von EUR 6.105,08 netto sowie abzüglich der auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Ansprüche in Höhe von EUR 25.554,60 und abzüglich des von der Klägerin erzielten anderweitigen Verdienstes aus dem Monat April 2021 in Höhe von EUR 8.364,33 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf die Bruttovergütung in Höhe von EUR 10.226,10 seit dem 11. April 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von EUR 10.029,00 seit dem 11. Mai 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von EUR 10.029,00 seit dem 11. Juni 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von EUR 10.029,00 seit dem 11. Juli 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von EUR 10.029,00 seit dem 11. August 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von EUR 10.029,00 seit dem 11. September 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von EUR 10.029,00 seit dem 11. Oktober 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von EUR 10.029,00 seit dem 11. November 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von EUR 10.029,00 seit dem 11. Dezember 2020, auf die Bruttovergütung in Höhe von EUR 10.029,00 seit dem 11. Januar 2021, auf die Bruttovergütung in Höhe von EUR 9.986,10 seit dem 11. Februar 2021, auf die Bruttovergütung in Höhe von EUR 9.986,10 seit dem 11. März 2021, auf die Bruttovergütung in Höhe von EUR 9.986,10 seit dem11. April 2021 und auf die Bruttovergütung in Höhe von EUR 7.222,15 seit dem 11. Mai 2021 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Urlaubsabgeltung in Höhe von EUR 44.307,70 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. September 2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

auch die mit Schriftsatz vom 12.09.2022 angekündigten Anträge zurückzuweisen.

Sollte das Gericht die Anschlussberufung als zulässig erachten, wird widerklagend beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, Auskunft über ihr in dem Zeitraum zwischen dem 27.02.2020 bis zum 30.04.2021 erzieltes Einkommen unter gleichzeitiger Darlegung ihrer beruflichen Tätigkeiten unter genauer Angabe seiner Tätigkeitszeiten in dem vorgenannten Zeitraum zu erteilen,

hilfsweise,

die Widerbeklagte zu verurteilen, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass sie ihre Einnahmen so vollständig angegeben hat, als sie dazu im Stande ist.

Die Beklagte hält die mit der Anschlussberufung erhobene Klageerweiterung für unzulässig, weil bezüglich der geltend gemachten Forderungen eine Tatsacheninstanz genommen und ihre Rechtsschutzmöglichkeiten in unzulässiger Weise verkürzt würden. Darüber hinaus vertritt sie die Auffassung, der Klägerin stünden die erhobenen Zahlungsansprüche nicht zu, weil ihr bereits der für Ansprüche aus Annahmeverzug erforderliche Leistungswille gefehlt habe. Die Beklagte bestreitet, dass sich die Klägerin im Jahre 2020 um die Aufnahme einer Beschäftigung bemüht habe und meint, die Klägerin habe vielmehr derartige Bemühungen um eine erneute Tätigkeit böswillig unterlassen. Hätte sich die Klägerin tatsächlich um eine neue Beschäftigung bemüht, hätte sie bereits im März 2020 eine neue Beschäftigung aufnehmen können. Der Bedarf an Fachärzten für Orthopädie sei in der gesamten Bundesrepublik so groß, dass freie Stellen nicht besetzt werden könnten. Dies gelte nicht nur für den Fachärztebereich, sondern auch für den Bereich der Oberärzte und der Chefärzte. Im Internet lasse sich dieses deutlich ablesen. Allein die Fa. H. in XXXXX W-Stadt, P-Straße 1, habe nach ihrer Internetseite seit Februar 2020 ständig mehr als 10 Stellenangebote für Orthopäden ausgewiesen. Die Klägerin habe danach bereits am 01.03.2020 eine neue Tätigkeit aufnehmen können, wenn sie sich um eine solche bemüht hätte. Dem stehe das Lebensalter der Klägerin nicht entgegen und es müsse bestritten werden, dass Kliniken sie abgelehnt hätten, weil sie über keine ausreichenden operativen Erfahrungen verfüge. Die Beklagte bestreitet, dass sich die Klägerin überhaupt in diesem Bereich beworben habe. Zumindest könne der erhobene Anspruch nicht in der geforderten Höhe durchdringen. Die Klägerin lasse dabei außer Betracht, dass sich die Mitarbeiter der Beklagten in den Zeiträumen März 2020 bis einschließlich Juni 2020 und Januar 2021 bis einschließlich März 2021 in Kurzarbeit befunden haben. Wäre die Klägerin noch beschäftigt gewesen, wäre sie auch in Kurzarbeit gegangen.

Ein Urlaubsabgeltungsanspruch stehe der Klägerin nicht in der geforderten Höhe zu, weil ihr im Zeitraum 06.01.2020 - 26.02.2020 Urlaub gewährt worden sei. Auch müsse Berücksichtigung finden, dass sich die Klägerin nicht bereitgefunden habe, bei ihr - der Beklagten - eine Tätigkeit als Fachärztin zur unveränderten Vergütung in Höhe von 12.000,00 € brutto monatlich fortzusetzen.

Die Beklagte bestreitet, dass der Klägerin erst am 29.07.2020 ein erstes Stellenangebot seitens der Bundesagentur für Arbeit vorgelegt worden sei und sie sich auf alle ihr von der Bundesagentur für Arbeit übermittelten Stellenangebote beworben habe. Spätestens seit Einführung der Corona-Impfstoffe seien dringend Ärzte gesucht worden, welche in den angebotenen Impfaktionen tätig werden sollten. Es werde bestritten, dass sich die Klägerin um eine solche Tätigkeit bemüht habe.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die im Verfahren seitens der Klägerin erteilten Auskünfte seien nicht geeignet, den von ihr widerklagend erhobenen Auskunftsanspruch zu erfüllen. Soweit die Klägerin darlegt, in welcher Höhe sie Sozialleistungen von der Bundesagentur für Arbeit erhalten habe, könne dies der Höhe nach nicht zutreffen. Auch habe die Klägerin nicht offenbart, welche Vergütung sie im Rahmen ihres Probearbeitsverhältnisses beim sozialmedizinischen Dienst der Knappschaft erhalten habe. Ebenfalls fehlten Ausführungen zu der Ausübung eventueller geringfügiger Beschäftigungen. Es erscheine unvorstellbar, dass sich die Klägerin in der Zeit vom 27.02.2020 bis zum 31.03.2021 überhaupt nicht beruflich betätigt habe, obgleich Ärzte zur Bewältigung der Pandemie dringend gesucht worden seien.

Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin sich unverzüglich binnen Wochenfrist nach Ausspruch der ersten Kündigung am 15.01.2020 beim zuständigen Arbeitsamt arbeitsuchend gemeldet und ihre Vermittlungsbereitschaft erklärt habe. Ihr Vortrag, ihr sei erst am 29.07.2020, also mehr als ein halbes Jahr nach ihrer Meldung beim Arbeitsamt ein Vermittlungsangebot zugegangen, sei unglaubwürdig. Die Beklagte bestreitet, dass die als Anlage BBK 6 vorgelegten Vermittlungsvorschläge vollständig seien und alle der Klägerin von der Bundesagentur für Arbeit übermittelten Vermittlungsvorschläge umfassen. Auch dürfe sich die Klägerin nicht auf die Vermittlungsvorschläge der Bundesagentur für Arbeit verlassen. Es sei ihr zuzumuten, sich selbst um eine neue Beschäftigung zu bemühen. Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin Bewerbungen mit dem ernsthaften Willen geführt habe, eine angemessene Beschäftigung zu finden. Soweit die Klägerin vorträgt, es habe in der Zeit zwischen dem 27.02.2020 und dem 31.03.2021 keine freien Stellen gegeben, sei dies unzutreffend.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Klägerin hat über durch sie erzieltes Einkommen derart Auskunft erteilt, dass sie mitgeteilt hat, ab dem 27.02.2020 bis zum 31.03.2021 Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 25.554,60 € erhalten zu haben, im Monat April 2021 eine Bruttovergütung in Höhe von 8.364,33 € aus einem neuen Arbeitsverhältnis. Zum 01.04.2021 habe sie eine Tätigkeit am Sport- und Reha-Zentrum M-Stadt aufnehmen können. Weitere Einkünfte habe sie nicht erzielt. Die Klägerin hat schriftsätzlich versichert, dass diese Angaben zu ihren Einkünften in der Zeit vom 27.02.2020 bis zum 30.04.2021 wahrheitsgemäß und vollständig sind.

Sie hat vorgetragen, die Suche nach einem neuen Beschäftigungsverhältnis habe sich für sie außerordentlich schwierig gestaltet, weil wegen der Corona-Pandemie sämtliche Reha-Kliniken schließen mussten bzw. wegen des Lockdowns keine Patienten mehr aufnehmen konnten und dementsprechend auch keine Neueinstellungen von Rehabilitationsmedizinern vorgenommen haben. Auch in Akutkliniken seien sämtliche nicht unaufschiebbaren Eingriffe abgesagt oder verschoben worden. Der 2. Lockdown habe auch ihre Bemühungen um eine neue Beschäftigung wieder zurückgeworfen, weil während der Phasen der Kurzarbeit Neueinstellungen nicht haben vorgenommen werden dürfen.

Die Klägerin meint, ihr könne nicht böswilliges Unterlassen entgegengehalten werden, denn sie habe umfangreiche Anstrengungen unternommen, um ein neues Beschäftigungsverhältnis zu finden. Insbesondere aufgrund des Zusammentreffens des Kündigungstermins aufgrund der von der Beklagten ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist erklärten Kündigung zum 26.02.2020 und des ersten staatlich angeordneten Corona-Lockdowns von März 2020 - Juni 2020 sowie des 2. Corona-Lockdowns von Januar 2021 - März 2021 sei es ihr jedoch erst zum 01.04.2021 möglich gewesen, ein neues Beschäftigungsverhältnis anzutreten.

Von einem fehlenden Leistungswillen könne angesichts ihrer ständigen Angebote ihrer Arbeitsleistung gegenüber der Beklagten nicht gesprochen werden. Darüber hinaus habe sie mit Erhebung der Kündigungsschutzklage ihre fortbestehende unbedingte Leistungsbereitschaft hinreichend verdeutlicht.

Sie habe es auch nicht böswillig unterlassen, eine zumutbare Tätigkeit anzunehmen. Böswilligkeit scheide grundsätzlich aus, wenn sich ein Arbeitnehmer bei der Agentur für Arbeit gemeldet habe. Damit habe er zugleich alles ihm zumutbare getan, da die Agentur für Arbeit eine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Nachweis von Arbeitsmöglichkeiten habe. Als Anlage BBK 6 habe sie sämtliche ihr von der Bundesagentur für Arbeit unterbreiteten Vermittlungsvorschläge vollständig offengelegt. Dabei habe die Bundesagentur für Arbeit überhaupt erst am 29.07.2020 einen ersten Vermittlungsvorschlag unterbreiten können. Es sei zu berücksichtigen, dass die Bundesagentur die Klägerin nicht ein einziges Mal wegen Ablehnung eines Vermittlungsvorschlages oder unzureichender Eigenbemühungen mit einer Sperrzeit sanktioniert habe.

Die Klägerin hat erklärt, dass sie keiner geringfügigen Beschäftigung und auch keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen sei, so dass auch insoweit keine Einkünfte angegeben werden könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften, die erstinstanzliche Entscheidung verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht in vollem Umfang stattgegeben und das Arbeitsverhältnis auf Antrag der Parteien gegen eine Abfindungszahlung in Höhe von 24.000,00 € brutto aufgelöst.

Auf die Anschlussberufung der Klägerin war die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen, weil insoweit Ansprüche aus Annahmeverzug und auf Urlaubsabgeltung bestehen. Die Widerklage der Beklagten war hingegen als unbegründet abzuweisen.

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 ZPO, § 66 Abs. 1 ArbGG).

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

1.

Die Kündigungen vom 15.01.2020 und 27.05.2020 sind gemäß § 174 BGB mangels Vorlage der erforderlichen Originalvollmacht unwirksam.

Dass Frau H. gemäß § 44 GmbHG als Stellvertreterin des Geschäftsführers der Beklagten bestellt ist und als solche mit Ausstellung der Kündigungen tätig geworden ist, kann nicht festgestellt werden. Gemäß § 44 GmbHG kommen die für Geschäftsführer geltenden Vorschriften auch für die Stellvertreter von Geschäftsführern zur Anwendung. Dass die diesbezüglichen Voraussetzungen, insbesondere die Eintragung ins Handelsregister, erfüllt sind, hat die Beklagte nicht dargetan. Der stellvertretende Geschäftsführer einer GmbH gilt als Organ einer juristischen Person. Diese Position ist Frau H. nicht eingeräumt.

Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Folge der Zurückweisung im Sinne des § 174 Satz 1 BGB ist - unabhängig vom Bestehen einer Vollmacht - die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Eine Heilung oder Genehmigung nach § 177 BGB scheidet aus (BAG, Urteil vom 25.09.2014 - 2 AZR 567/13 - Rn. 12 m.w.N., juris). Auch die Vorlage einer Vollmachtsurkunde nur in beglaubigter Abschrift ist nicht ausreichend (BGH, Urteil vom 04.02.1981 - VIII ZR 313/79 - Rn. 15, juris). Denn aus der Erteilung einer beglaubigten Abschrift ergibt sich lediglich, dass die Vollmacht einmal erteilt war, dagegen nicht, dass sie bei Absendung des Kündigungsschreibens noch bestand und nicht etwa unter Zurückforderung der Vollmachtsurkunde entzogen worden ist. Diese Ungewissheit entfällt nur, wenn die Urschrift der Vollmachtsurkunde vorgelegt wird. Lediglich in diesem Fall muss der Vertretene gemäß § 172 Abs. 2 BGB die Vertretung für und gegen sich gelten lassen.

Den Kündigungsschreiben vom 15.01.2020 und 27.05.2020 waren keine Originalvollmachten beigefügt. Das Kündigungsschreiben vom 15.01.2020 war mit keinerlei Vollmacht übersandt, das Kündigungsschreiben vom 27.05.2020 lediglich mit Kopien von Vollmachten. Erforderlich ist jedoch die Übersendung einer Originalvollmacht. Die Klägerin hat die Kündigung vom 15.01.2020 mit Schreiben vom 21.01.2020, bei der Beklagten am 22.01.2020 eingegangen, wegen der fehlenden Vollmachtsurkunde zurückgewiesen. Dies ist unverzüglich. Wegen der Unverzüglichkeit gelten nämlich die zu § 121 BGB aufgestellten Grundsätze entsprechend. Die Zurückweisung muss daher nicht sofort erfolgen. Dem Erklärungsempfänger ist vielmehr eine gewisse Zeit zur Überlegung und zur Einholung des Rates eines Rechtskundigen darüber einzuräumen, ob er das einseitige Rechtsgeschäft wegen fehlender Vorlage eines Vollmachtbelegs zurückweisen soll. Innerhalb welcher Zeitspanne der Erklärungsempfänger das Rechtsgeschäft zurückweisen muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung ist nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ohne Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalles nicht mehr unverzüglich im Sinne des § 174 Satz 1 BGB. Die Frist beginnt mit der tatsächlichen Kenntnis des Empfängers von der Kündigung und der fehlenden Vorlage einer Vollmachtsurkunde (BAG, Urteil vom 05.12.2019 - 2 AZR 147/19 - Rn. 48, m.w.N., juris).

Der Klägerin war das Kündigungsschreiben vom 15.01.2020 am 20.01.2020 zugegangen. Die Zurückweisung mit dem am 22.01.2020 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben erfolgte damit unverzüglich. Das Kündigungsschreiben vom 27.05.2020 hat die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 02.06.2020 wiederum innerhalb der einwöchigen Frist unter Hinweis auf die Nichtvorlage der Vollmacht zurückgewiesen.

Die Zurückweisung war der Klägerin nicht versagt. Eine Zurückweisung ist nach § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Vertretene den Erklärungsempfänger von der Vollmacht ausdrücklich oder konkludent in Kenntnis gesetzt hatte. Hierfür reicht die bloße Mitteilung im Arbeitsvertrag, der jeweilige Inhaber einer bestimmten Funktion dürfe kündigen, nicht aus, vielmehr bedarf es zusätzlichen Handelns des Arbeitgebers, aufgrund dessen es dem Arbeitnehmer ermöglicht wird, die Person des Stelleninhabers der im Arbeitsvertrag angegebenen Funktion zuzuordnen (BAG, Urteil vom 14.04.2011 - 6 AZR 727/09 - Rn. 24, juris).

§ 174 BGB steht im Zusammenhang mit dem Verbot vollmachtlosen Handelns bei einseitigen Rechtsgeschäften. Ohne Nachweis einer Vollmacht weiß der Erklärungsempfänger nicht, ob das ihm gegenüber vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft wirksam ist. § 174 BGB dient dazu, klare Verhältnisses zu schaffen. Der Erklärungsempfänger ist zur Zurückweisung der Kündigung berechtigt, wenn er keine Gewissheit hat, dass der Erklärende wirklich bevollmächtigt ist und sich der Arbeitgeber dessen Erklärung tatsächlich zurechnen lassen muss. Der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung soll nicht nachforschen müssen, welche Stellung der Erklärende hat und ob damit das Recht zur Kündigung verbunden ist oder üblicherweise verbunden zu sein pflegt. Er soll vor der Ungewissheit geschützt werden, ob eine bestimmte Person bevollmächtigt ist, das Rechtsgeschäft vorzunehmen. Dass In-Kenntnis-setzen nach § 174 Satz 2 BGB muss darum ein gleichwertiger Ersatz für die fehlende Vorlage der Vollmachtsurkunde sein.

Ein In-Kenntnis-setzen im Sinne des § 174 Satz 2 BGB liegt vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter - z.B. durch die Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Leiter einer Personalabteilung - in eine Stelle berufen hat, die üblicherweise mit dem Kündigungsrecht verbunden ist. Dabei reicht allerdings die bloße Übertragung einer solchen Funktion nicht aus, wenn diese Funktionsübertragung aufgrund der Stellung des Bevollmächtigten im Betrieb nicht ersichtlich ist und auch keine sonstige Bekanntmachung erfolgt. Vielmehr ist es erforderlich, dass der Erklärungsempfänger davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Erklärende diese Stellung tatsächlich innehat. Ein In-Kenntnis-setzen im Sinne des § 174 Satz 2 BGB verlangt aber begriffsnotwendig auch einen äußeren Vorgang, der diesen inneren Vorgang öffentlich macht und auch die Arbeitnehmer erfasst, die erst nach einer eventuell im Betrieb bekannt gemachten Berufung des kündigenden Mitarbeiters in eine mit dem Kündigungsrecht verbundene Funktion eingestellt worden sind (BAG, Urteil vom 14.04.2011 - 6 AZR 727/09 - Rn. 23 ff, juris).

Eine dementsprechende Bevollmächtigung der Frau H. liegt nicht vor. Sie ist nicht im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Sie bekleidet keinerlei Funktion und ist in keine Stelle berufen, die üblicherweise mit dem Kündigungsrecht verbunden sind. Frau H. ist überhaupt nicht im Betrieb der Beklagten angestellt, sondern ist die Lebensgefährtin des Geschäftsführers der Beklagten. Dabei handelt es sich jedoch um keinerlei betriebliche Stellung, sondern Frau H. bleibt damit betriebsfremd.

Soweit die Beklagte behauptet, ihr Geschäftsführer habe die Klägerin am 12.12.2019 darauf hingewiesen, dass im Falle seiner Abwesenheit alle Personalentscheidungen verbindlich von Frau M. H. getroffen werden, ist dies nicht ausreichend, einer hinreichend bestimmten In-Kenntnis-Setzung zur Kündigungsberechtigung zu genügen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Frau H. keinerlei Position bei der Beklagten bzw. im Betrieb der Beklagten wie etwa die einer Prokuristin, einer Niederlassungs- oder Personalleitung einnimmt, mit der üblicherweise eine Kündigungsbefugnis verbunden sein kann, sind die Begriffe der Personalentscheidungen sowie der Abwesenheit nicht eindeutig klar, derart, dass ein Erklärungsempfänger Gewissheit darüber erlangen kann, ob eine ihm gegenüber abgegebene Erklärung dieser Bevollmächtigung entspricht oder nicht.

Wenn die Beklagte darauf verweist, dass am 06.01.2020 im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung die Information erfolgt sei, dass Frau H. für die Dauer der krankheitsbedingten Abwesenheit den Geschäftsführer mit allen Kompetenzen vertrete, ist bereits nicht ersichtlich, dass diese Information durch die Beklagte geschah bzw. welche zur Vertretung der Beklagten befugte Person über eine gegebenenfalls erfolgte Vollmachtserteilung informiert haben soll. Nur eine Information durch den Vollmachtgeber kann jedoch eine wirksame Kenntniserlangung über eine Bevollmächtigung bewirken.

Es ist der Klägerin auch unter Berücksichtigung der Erkrankung des Geschäftsführers der Beklagten nicht verwehrt, sich auf eine fehlende Vollmachtvorlage zu berufen. Gerade in einer derartigen Situation, wenn das gesetzlich vorgesehene Vertretungsorgan der Beklagten krankheitsbedingt ausfällt, ist es erforderlich, Gewissheit über eine Vollmachtserteilung und deren Bestand zum Zeitpunkt der empfangsbedürftigen Erklärung zu erhalten. Insoweit weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass die Vorlage einer Originalvollmacht durch Frau H. genügt hätte, eine Zurückweisungsmöglichkeit nach § 174 BGB zu verhindern. Frau H. verfügte über Kopien von Vollmachten vom 03.01.2020 und 31.03.2020. Sie hätte diese im Original vorlegen können.

Soweit die Beklagte darauf verweist, die Klägerin habe Frau H. aufgefordert, sie wieder als Chefärztin einzusetzen, was belege, dass sie gewusst habe, dass Frau H. bevollmächtigt gewesen sei, Personalentscheidungen einschließlich der Begründung und Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen zu treffen, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen geht es bei dem Einsatz als Chefärztin lediglich um den Aufgabenbereich, nicht um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, zum anderen hat die Klägerin die Beklagte selbst durch anwaltliche Schreiben zum vertragsgemäßen Einsatz aufgefordert und ihr gegenüber ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Eine Anerkennung einer Kündigungsbefugnis kann danach der Bitte auf arbeitsvertragsgemäßen Einsatz nicht entnommen werden.

Die Kündigungen vom 15.01.2020 und 27.05.2020 haben das Arbeitsverhältnis der Parteien folglich nicht beendet.

2.

Die Kündigung vom 23.10.2020 hat das Arbeitsverhältnis nicht zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.04.2021 aufgelöst, denn diese Kündigung ist rechtsunwirksam, weil sie - wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat - sozial ungerechtfertigt ist.

Die Kündigung stellt sich nicht als von Anfang an rechtswirksam nach §§ 7, 4 KSchG dar, weil die Klägerin die maßgebliche dreiwöchige Klagefrist versäumt hätte. Die Klägerin hat sich mit der am 12.11.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung gegen die am 28.10.2020 zugegangene Kündigung vom 23.10.2020 gewendet. Damit hat sie die dreiwöchige Klagefrist gewahrt. Das Kündigungsschutzgesetz ist anwendbar, § 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG.

Die Kündigung ist nicht durch Gründe im Verhalten der Klägerin im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

Eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit sozial gerechtfertigt, wenn dieser mit den ihm vorgeworfenen Verhalten seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist.

Eine beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, kann sogar "an sich" geeignet sein, selbst eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Das gilt nicht nur für die Weigerung, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, sondern auch für die Verletzung von Nebenpflichten. Ein Arbeitnehmer weigert sich beharrlich, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht erfüllen will. Welche Pflichten ihn treffen, bestimmt sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Pflicht in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat er grundsätzlich selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als falsch erweist (BAG, Urteil vom 28.06.2018 - 2 AZR 436/17 - Rn. 16, juris).

Es kann nach vorgenannten Grundsätzen nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die ihr arbeitsvertraglich obliegenden Pflichten verletzt hat. Soweit die Beklagte vorträgt, die Klägerin habe sich mehrfach nachhaltig und unmissverständlich endgültig geweigert, mit dem Verwaltungsdirektor zusammenzuarbeiten, ist dieses Vorbringen - worauf bereits die Klägerin hingewiesen hat - pauschal. Die Beklagte benennt keine nach einer Zeitangabe und konkreten Verhaltensweise der Klägerin dargestellten Sachverhalte, aus denen sich ergeben könnte, dass die Klägerin unberechtigt eine Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsdirektor verweigert hätte. Es ist dem Gericht deshalb nicht möglich, zu beurteilen, ob ein klägerisches Verhalten eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellen und ohne vorherige Abmahnung geeignet sein kann, eine Kündigung zu rechtfertigen.

Die Klägerin hat die ihr obliegende arbeitsvertragliche Pflicht zur Erbringung der Tätigkeit einer Chefärztin der Abteilung Orthopädie nicht erfüllt. Hierin liegt allerdings kein rechtswidriger, schuldhafter Vertragsverstoß, weil die Beklagte sich weigerte, die Klägerin gemäß den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen als Chefärztin der orthopädischen Abteilung zu beschäftigen, sondern sie lediglich als Fachärztin einsetzen wollte. Auch wenn mit diesem Einsatz eine Verringerung der klägerischen Vergütung nicht erfolgen sollte, war es der Klägerin nicht zumutbar, ein solches Beschäftigungsangebot der Beklagten anzunehmen. Der Klägerin stand vielmehr ein wirksam ausgeübtes Leistungsverweigerungsrecht für die Zurückbehaltung ihrer Arbeitskraft gemäß § 273 BGB zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat sich die Klägerin nicht grundlos geweigert, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Die Klägerin war vielmehr bereit, ihre arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit als Chefärztin der orthopädischen Abteilung zu erbringen. Sie hat ihre Arbeitskraft diesbezüglich mehrfach - auch mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage - angeboten. Die Beklagte war jedoch lediglich bereit, die Klägerin als Fachärztin und damit nicht entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen einzusetzen. Die Beklagte war nicht berechtigt, im Wege der Ausübung ihres Direktionsrechts der Klägerin einen Arbeitsplatz als Fachärztin zuzuweisen. Ein dementsprechendes Direktionsrecht der Beklagten ist zwischen den Parteien arbeitsvertraglich nicht vereinbart.

Dem Arbeitnehmer steht ein eine verhaltensbedingte Kündigung ausschließendes Zurückbehaltungsrecht zur Seite, wenn der Arbeitgeber seine Pflicht zur vertragsgemäßen Beschäftigung des Arbeitnehmers verletzt (vgl. LAG Berlin, Urteil vom 12.03.1999 - 2 Sa 53/98 - Rn. 27, juris). Eine Kündigung wegen Arbeitsverweigerung scheidet demgemäß aus, wenn der Arbeitnehmer berechtigt war, Arbeiten abzulehnen, die der Arbeitgeber unter Überschreitung des Direktionsrechts nach Art, Zeit und Ort zuweist (BAG, Urteil vom 12.04.1973 - 2 AZR 291/72 - Rn. 18, juris). Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen vertragsgemäßen Arbeitsplatz zur Verfügung, entsteht keine Arbeitspflicht (LAG Niedersachsen, Urteil vom 08.12.2003 - 5 Sa 1071/03 - Rn. 33, juris). Weist ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen ordnungsgemäßen Arbeitsplatz zu, kann der Arbeitnehmer von seinem Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Gebrauch machen (LAG Berlin, Urteil vom 12.03.1999 - 2 Sa 53/98 - Rn. 27, juris).

Danach liegt eine beharrliche Arbeitsverweigerung nicht vor. Die Klägerin hat nach der objektiven Rechtslage keine vertraglichen Pflichten verletzt, weil sie der Tätigkeitszuweisung im Hinblick auf die Aufgaben einer Fachärztin nicht nachkommen musste. Hierzu wäre sie nur verpflichtet gewesen, wenn diese Weisung sowohl die äußeren wie auch die inneren Grenzen des Direktionsrechts gewahrt hätte. Nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB besteht grundsätzlich keine auch bloß vorläufige Bindung des Arbeitnehmers an "lediglich" unbillige Weisungen (BAG, Urteil vom 18.10.2017 - 10 AZR 330/16 - Rn. 63, juris).

Vorliegend hat die Beklagte nicht eine Änderungskündigung mit dem Zwecke der Änderung der arbeitsvertraglichen Tätigkeit der Klägerin ausgesprochen. Sie hat lediglich aufgrund Direktionsrechts der Klägerin die Tätigkeit als Fachärztin zugewiesen, die nicht arbeitsvertraglich vorgesehen ist. Zwar ist ein Arbeitgeber gemäß § 106 Satz 1 GewO berechtigt, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen, dies gilt jedoch nur soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag festgelegt sind. Das ist vorliegend jedoch der Fall. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag den Tätigkeitsbereich der Klägerin als Chefärztin konkretisiert. Die Klägerin hat sich auch bereit erklärt, diese Tätigkeit neben Herrn Dr. H. auszuüben. Selbst auf dieses Arbeitsangebot ist die Beklagte jedoch nicht eingegangen. Ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung einseitig die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringerwertige Tätigkeiten zu Lasten des Arbeitnehmers zu ändern, entspricht jedoch nicht dem Direktionsrecht der Beklagten. Nur wenn es an einer Festlegung des Inhalts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag fehlt, ergibt sich der Umfang der Weigerungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner die vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben im Wege des Direktionsrechts zuzuweisen. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehaltes kommt es dann nicht an. Bei einer engen Bestimmung der Tätigkeit wird das Direktionsrecht allerdings eingeschränkt. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nur die betreffenden Aufgaben zuweisen. Eine Veränderung des Tätigkeitsbereiches kann er nur einvernehmlich oder durch Änderungskündigung herbeiführen (LAG Berlin Brandenburg, Urteil vom 28.10.2020 - 25 Sa 1105/20 - Rn. 62, juris).

Der klägerische Arbeitsvertrag steht einer Zuweisung der Tätigkeit einer Fachärztin entgegen. Die Beklagte hat der Klägerin ohne Abstimmung mit ihr eine andere Tätigkeit zugewiesen, als sie im Arbeitsvertrag ausschließlich vereinbart ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte die materiellen Vertragskonditionen unangetastet gelassen hat. Die Zuweisung einer vom Direktionsrecht nicht gedeckten Tätigkeit wird nicht dadurch rechtmäßig, dass die sonstigen vertraglichen Verpflichtungen erfüllt werden.

Da keine Pflichtverletzung vorliegt, ist das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auf Grund der Kündigung vom 23.10.2020 beendet worden.

3.

Die der Klägerin mit Schreiben vom 13.01.2020 erteilte Abmahnung ist unwirksam und gemäß §§ 242, 1004 BGB ersatzlos aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

Ein Arbeitgeber ist im laufenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich befugt, ein objektiv vertragswidriges Verhalten eines Arbeitnehmers zu rügen und den Arbeitnehmer zu künftiger vertragsgerechter Leistungserbringung anzuhalten (§ 314 Abs. 2 BGB). Ist die Abmahnung zu Unrecht erteilt, kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen.

Eine missbilligende Äußerung des Arbeitgebers in Form einer Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb kann der Arbeitnehmer die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zu Stande gekommen ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht.

Darüber hinaus ist eine Abmahnung auch dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält (BAG, Urteil vom 27.11.2008 - 2 AZR 675/07 - Rn. 15 ff m.w.N., juris). Werden in einem Abmahnungsschreiben mehrere Pflichtverletzungen gleichzeitig gerügt und treffen davon nur einige (aber nicht alle) zu bzw. ist auch nur ein Vorhalt unberechtigt, so muss das Abmahnungsschreiben auf Verlangen des Arbeitnehmers vollständig aus der Akte entfernt werden und kann nicht teilweise aufrechterhalten bleiben (BAG, Urteil vom 13.03.1991 - 5 AZR 133/90 - Rn. 68, juris).

Nach Maßgabe vorgenannter Grundsätze ist die Abmahnung vom 13.01.2020 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen. Dies bereits deshalb, weil der unter Ziffer 1 der Abmahnung beschriebene Sachverhalt nicht hinreichend bestimmt ist. Für ihn ist mangels Bezeichnung eines Zeitpunktes eine zeitliche Einordnung nicht möglich, der Name der Patientin wird nicht angegeben, es fehlt an Tatsachenangaben, aus denen bewertet werden kann, ob die Klägerin eine falsche Auskunft erteilt hat oder nicht. Zudem ist die Vermutung aufgestellt, die Klägerin habe nicht mit zusätzlicher Arbeit belastet werden wollen. Es werden Wertungen aufgestellt wie "unsauberen und ungepflegten Eindruck", "stark nach Schweiß gerochen", die nicht überprüfbar sind. Die Abmahnung ist deshalb insgesamt unwirksam und aus der Personalakte zu entfernen.

4.

Die Klägerin hat einen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 310,86 € brutto für am 18.12.2019 und 27.12.2019 geleistete Bereitschaftsdienste (§ 611a Abs. 2 BGB). Die Klägerin hat die vorgenannten Bereitschaftsdienste unstreitig geleistet. Gemäß § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrages steht ihr dafür die arbeitsvertraglich vorgesehene Vergütung zu. Soweit die Beklagte einwendet, der Vergütungsanspruch sei nicht fällig, weil die Klägerin ein entsprechendes Formular nicht ausgefüllt habe, hat bereits das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass der Arbeitsvertrag der Parteien eine dementsprechende Fälligkeitsregelung nicht vorsieht. Soweit die Beklagte vorträgt, nach einer Dienstanweisung seien geleistete Bereitschaftsdienste in Formulare einzutragen, ist nicht erkennbar, inwieweit sich ein Unterlassen dieser Verpflichtung auf die Fälligkeit der Vergütung auswirken könnte. Gemäß § 614 BGB ist die Vergütung nach der Leistung der Dienste zu entrichten. Zwar können die Parteien die Regelung des § 614 abbedingen, dass dieses durch die Klägerin und die Beklagte geschehen ist, hat die Beklagte jedoch nicht dargetan.

5.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Klägerin in der Zeit vom 06.01.2020 - 26.02.2020 Urlaub nicht gewährt wurde.

Der Urlaubsanspruch erlischt durch Erfüllung, durch Freistellung von der Arbeit und das Fernbleiben von der Arbeit im festgelegten Zeitraum. Der Erfüllungstatbestand gliedert sich in zwei Abschnitte. Die Freistellungserklärung ist die vom Arbeitgeber geschuldete Erfüllungshandlung. Der Leistungserfolg tritt ein, wenn der Arbeitnehmer infolge der Freistellungserklärung tatsächlich von der Arbeitspflicht befreit wird. Wird der Urlaub gewährt, erlischt der Urlaubsanspruch gemäß § 362 Abs. 1 BGB.

Die Parteien haben sich nicht auf eine Urlaubserteilung verständigt. Soweit die Beklagte vorträgt, die Klägerin sei mit einer Urlaubsgewährung ab dem 06.01.2020 einverstanden gewesen, stellt die Beklagte nicht dar, durch welche konkrete Erklärung eine Äußerung der Klägerin zur Urlaubserteilung erfolgt sein soll. Es kann durch das Gericht deshalb nicht beurteilt werden, ob in einer etwaigen Erklärung ein Einverständnis liegt.

Die Klägerin hat ihren Urlaubsanspruch nicht aufgrund einer berechtigten einseitigen Urlaubserteilung durch die Beklagte realisiert. Insoweit ist fraglich, ob die erforderliche Erklärung des Arbeitgebers vorliegt. Eine auf Gewährung von Urlaub gerichtete Erklärung des Arbeitsgebers ist nur geeignet, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will. Anderenfalls ist nicht feststellbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken oder als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme mit den in § 615 BGB bezeichneten Folgen verzichten will (BAG, Urteil vom 20.08.2019 - 9 AZR 468/18 - Rn. 18, juris). Die Erfüllung eines Anspruchs auf Erholungsurlaub setzt voraus, dass der Arbeitnehmer im Voraus durch eine unwiderrufliche Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von seiner sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit wird und sich diese Freistellung innerhalb eines bestehenden ungekündigten Arbeitsverhältnisses auf einen bestimmten Zeitraum bezieht (BAG, Urteil vom 16.07.2013 - 9 AZR 50/12 - Rn. 15, juris).

Fraglich ist bereits, ob die Beklagte die erforderliche Erklärung zur Urlaubserteilung durch eine dazu berechtigte Person abgegeben hat. Zudem ergibt sich auch aus dem Beklagtenvortrag zur durch Frau H. abgegebenen Erklärung nicht, für welchen konkreten Zeitraum eine Freistellung der Klägerin zur Erfüllung von Urlaubsansprüchen erfolgt sein soll. Gegebenenfalls sollte der Urlaub ab dem 06.01.2020 gewährt werden, zu welchen Zeitpunkt die Urlaubsgewährung jedoch enden sollte, hat die Beklagte nicht dargetan. Auch ergibt sich nach dem Beklagtenvortrag nicht, dass eine unwiderrufliche Freistellung durch Frau H. erklärt worden ist. Frau H. hat einen konkreten Freistellungszeitraum nicht benannt. Soweit die Beklagte darstellt, Frau H. habe geäußert, die Freistellung beziehe sich auf den Zeitraum zur Gewährung der Resturlaubsansprüche wird hiermit nicht deutlich, wie viele Arbeitstage von der Freistellung umfasst seien sollten. Will der Arbeitgeber den Arbeitnehmer jedoch z.B. während des Laufs der Kündigungsfrist zum Zwecke der Gewährung von Erholungsurlaub von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freistellen, muss der Arbeitnehmer als Adressat der Erklärung hinreichend deutlich erkennen können, in welchem Umfang der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erfüllen will. Erklärt sich der Arbeitgeber nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit, geht dies zu seinen Lasten. Denn als Erklärender hat er es in der Hand, die Freistellungserklärung sprachlich so zu fassen, dass der Arbeitnehmer über ihren Inhalt nicht im Unklaren ist (BAG, Urteil vom 17.05.2011 - 9 AZR 189/10 - Rn. 27, juris).

Darüber hinaus tritt der Leistungserfolg zur Urlaubsgewährung nur ein, wenn der Arbeitnehmer infolge der Freistellungserklärung tatsächlich von der Arbeitspflicht befreit wird. Dies ist nicht der Fall, weil die Klägerin der Urlaubserteilung widersprochen hat.

Die Erklärung, für einen bestimmten Zeitraum Urlaub zu erteilen, ist grundsätzlich eine ordnungsgemäße Erfüllung der Schuld. Der Arbeitnehmer ist aber nicht gehalten, die Bestimmung des Urlaubszeitraumes hinzunehmen. Er kann seine Wünsche äußern und die Urlaubserteilung für den vom Arbeitgeber festgelegten Zeitraum ablehnen, vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG. Hat der Arbeitgeber ihn nicht vor der Festlegung des Urlaubszeitraumes nach seinen Wünschen gefragt, kann der Arbeitnehmer ein Annahmeverweigerungsrecht geltend machen (BAG, Urteil vom 06.09.2006 - 5 AZR 703/05 - Rn. 19, juris). Dieses muss er dem Arbeitgeber gegenüber unverzüglich mitteilen. Nur wenn dies unterbleibt oder der Arbeitnehmer den Urlaub tatsächlich in Anspruch nimmt, kann davon ausgegangen werden, dass der Urlaub durch den Arbeitnehmer akzeptiert wird.

Vorliegend ist aufgrund der Zurückweisung des Urlaubs durch anwaltliches Schreiben vom 07.01.2020 im Ergebnis keine wirksame Urlaubserteilung erfolgt. Zwar kann ein derartiges Annahmeverweigerungsrecht eines Arbeitnehmers nicht bestehen, wenn der Arbeitgeber den Urlaub während des Laufs einer Kündigungsfrist gewährt. Die Urlaubsgewährung in der Kündigungsfrist liegt nämlich im wohlverstandenen Eigeninteresse des Arbeitgebers, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern. Der Arbeitnehmer kann mit dem Annahmeverweigerungsrecht nicht das Ziel verfolgen, die Urlaubserteilung überhaupt zu verhindern, um in den Genuss einer Abgeltung zu kommen. Es besteht daher grundsätzlich kein Annahmeverweigerungsrecht hinsichtlich einer Urlaubsgewährung in der Kündigungsfrist (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.10.2016 - 7 Sa 171/16 - Rn. 80, juris). Vorliegend bestand das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der von der Beklagten behaupteten Urlaubsgewährung am 06.01.2020 jedoch noch ungekündigt. Es lief keine Kündigungsfrist. Der Urlaubsanspruch der Klägerin wäre auch nicht erloschen. Es gibt keinerlei Gründe, die eine Urlaubsgewährung für den Urlaubsanspruch der Klägerin ab dem 06.01.2020 erfordern.

Die Beklagte durfte die Klägerin im laufenden Arbeitsverhältnis deshalb nicht einseitig von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellen. Eine rechtswidrige Freistellung hat zur Folge, dass die Klägerin weiterhin einen Beschäftigungsanspruch geltend machen konnte (vgl. BAG, Urteil vom 16.07.2013 - 9 AZR 50/12 - Rn. 50, juris). Die Klägerin hat diesen Beschäftigungsanspruch mit anwaltlichem Schreiben vom 07.01.2020 gegenüber der Beklagten mit dem Hinweis erhoben, dass sie keinen Urlaub beantragt, sondern eine vertragsgemäße Beschäftigung gefordert hat. Die Klägerin hat damit Widerspruch gegen eine gegebenenfalls durch die Beklagte vorgenommene Urlaubserteilung erhoben. Es wird jedoch nur mit einer vom Arbeitnehmer akzeptierten Freistellung unter Anrechnung auf Urlaub der Freistellungsanspruch zur Erfüllung von Urlaubsansprüchen erfüllt (BAG, Urteil vom 14.03.2006 - 9 AZR 11/05 - Rn. 15, juris).

Der Klägerin stand ein Annahmeverweigerungsrecht bezüglich der Urlaubsgewährung zu. Der Gläubiger gerät mit der Annahme einer Leistung nicht in Verzug, wenn er berechtigt ist, die Annahme der Leistung zu verweigern. Das trifft bei einer Urlaubserteilung zu, wenn der Arbeitnehmer nicht zuvor nach seinen Wünschen gefragt wird. Der Arbeitnehmer kann sich dann darauf berufen, dass ihm Urlaub zur Unzeit gewährt werden soll. Er kann die Annahme der Arbeitsbefreiung verweigern, ohne in Annahmeverzug zu kommen. Dabei kann der Arbeitnehmer jeden Grund äußern, weshalb er die angebotene Leistung des Arbeitgebers nicht annehmen will. Der Arbeitnehmer äußert dann einen vom Gesetz nicht eingeschränkten Wunsch im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG. Der Arbeitgeber muss ihm nachkommen, es sei denn, er hat seinerseits für den vom Arbeitnehmer gewünschten Zeitraum ein Leistungsverweigerungsrecht.

Vorliegend wollte die Klägerin ab dem 06.01.2020 keinen Urlaub in Anspruch nehmen. Sie hatte nach langandauernder Erkrankung die Arbeit am 12.12.2019 erst aufgenommen. Die Klägerin wollte keine Freistellung, sondern vielmehr eine arbeitsvertragsgemäße Beschäftigung als Chefärztin der Orthopädie. Durch anwaltliches Schreiben vom 06.01.2020 hat die Klägerin klargestellt, dass sie arbeitsvertragsgemäß beschäftigt werden möchte, andernfalls von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht. Durch anwaltliches Schreiben vom 07.01.2020 hat die Klägerin unmissverständlich erklärt, dass sie die einseitige Bestimmung eines Urlaubszeitraumes durch die Beklagte ablehnt.

Der Anspruch auf Urlaub ist somit nicht durch Erfüllung erloschen, § 362 Abs. 1 BGB.

6.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß §§ 9, 10 KSchG zum 30.04.2021 aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Abfindung von 24.000,00 € zu zahlen.

Beide Parteien haben die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht beantragt.

Gemäß § 9 KSchG hat das Gericht, wenn es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist, auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte (§ 9 Abs. 2 KSchG).

Das Arbeitsverhältnis war auf Antrag der Klägerin aufzulösen. Prozessual vorrangig ist der Auflösungsantrag der Klägerin zu prüfen, da es sich bei ihm um einen unechten Hilfsantrag handelt, während der Auflösungsantrag der Beklagten einen echten Hilfsantrag darstellt.

Der Auflösungsantrag der Klägerin ist zulässig. Insbesondere liegt - wie zuvor dargestellt - die Sozialwidrigkeit der Kündigung vom 23.10.2020 vor.

Der Auflösungsantrag der Klägerin ist auch begründet. Da nicht nur die Klägerin, sondern auch die Beklagte einen Auflösungsantrag gestellt hat, ist davon auszugehen, dass beide Parteien aus ihrer Sicht eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr für durchführbar halten. Streben beide Seiten die Auflösung des Arbeitsverhältnisses an, erkennen sie die wechselseitigen Behauptungen an, dass dessen Fortsetzung unzumutbar und eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist. In einer solchen Situation bedarf es nicht der Prüfung der Auflösungsgründe durch das Gericht. Es gibt keinen Grund, die Parteien gegen ihren Willen am Arbeitsverhältnis festzuhalten. Das Gericht hat in einem solchen Fall das Arbeitsverhältnis aufzulösen und eine angemessene Entschädigung festzusetzen, wenn festgestellt ist, dass die Kündigung jedenfalls auch auf Grund ihrer Sozialwidrigkeit unwirksam ist (ErfK/Kiel, 22. Auflage 2022, § 9 KSchG, Rn. 24).

Als Auflösungszeitpunkt war gemäß § 9 Abs. 2 KSchG der 30.04.2021 festzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt hätte das Arbeitsverhältnis bei sozial gerechtfertigter Kündigung vom 23.10.2020 geendet.

Der Arbeitnehmer kann den Auflösungsantrag mit Erfolg stellen, wenn die Kündigung zumindest auch sozialwidrig war. Der Antragsteller kann bei mehreren Kündigungen wählen, ob er den Auflösungsantrag auf die zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt wirkende Kündigung oder auf alle Kündigungen beziehen will. Vorliegend hat die Klägerin sich ausdrücklich auf die Kündigung vom 23.10.2020 berufen. Damit kann eine Auflösung allein zum 30.04.2021 geschehen.

Soweit die Beklagte einen Auflösungsantrag zu einem anderen Zeitpunkt gestellt hat, kommt ein früherer Auflösungszeitpunkt nicht in Betracht, weil für die Beklagte keine zeitlich vor der Kündigung vom 23.10.2020 liegende Kündigung gegeben ist, welche ausschließlich wegen der fehlenden sozialen Rechtfertigung und nicht aus anderen Gründen unwirksam ist. Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers erfordert jedoch, dass die Klage des Arbeitnehmers aufgrund des vom Arbeitgeber unterbreiteten Kündigungssachverhalts ausschließlich wegen der fehlenden sozialen Rechtfertigung und nicht aus anderen Gründen im Sinne von § 13 Abs. 3 KSchG Erfolg hat. Weil die Kündigungen vom 15.01.2020 und 27.05.2020 bereits gemäß § 174 BGB unwirksam sind, können sie den Auflösungszeitpunkt nicht bestimmen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Abfindung in Höhe von 24.000,00 € nicht unangemessen.

§ 10 KSchG konkretisiert den Grundsatz der Angemessenheit. Nach § 10 Abs. 1 KSchG beträgt der allgemeine Höchstbetrag der Abfindung zwischen 12 und 18 Monatsverdiensten. Die Angemessenheit der Abfindung hat sich an ihrem Zweck zu orientieren, der in erster Linie darin besteht, dem Arbeitnehmer einen Ausgleich für die Vermögens- und Nichtvermögensschäden zu gewähren, die sich aus dem an sich nicht gerechtfertigten Verlust des Arbeitsplatzes ergeben. Die Abfindung beinhaltet außerdem eine Sanktion, die den Arbeitgeber davon abhalten soll, in Zukunft sozial ungerechtfertigte Kündigungen auszusprechen. Die wichtigsten Faktoren sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter des Arbeitnehmers. Es können weitere Sozialdaten wie der Familienstand, die Anzahl der unterhaltspflichtigen Personen, der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers, eine Schwerbehinderung, die Sanktionsfunktion und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers Berücksichtigung finden.

Danach stellt eine Abfindungszahlung in Höhe von 24.000,00 € eine angemessene Zahlung dar.

Das Arbeitsverhältnis bestand vom 01.03.2017 mit einer Beendigung zum 30.04.2021 vier Jahre lang. Bei einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 12.000,00 € ist es angemessen, bezüglich der Dauer des Arbeitsverhältnisses die zweifache Bruttomonatsvergütung in Ansatz zu bringen. Dabei kann der Beklagten nicht darin gefolgt werden, dass die tatsächliche Beschäftigungszeit der Klägerin Berücksichtigung finden muss. Die Klägerin war zwar wegen einer längeren Erkrankung nicht tatsächlich für die Beklagte tätig, dies ändert jedoch nichts an der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Zeiten der Nichtbeschäftigung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sind deshalb nicht geeignet, Einfluss auf die Abfindungssumme nach § 10 KSchG zu nehmen. Gleiches gilt für Zeiten, die nach gerichtlicher Entscheidung zur Rechtswirksamkeit von Kündigungen als Betriebszugehörigkeitszeiten in Anrechnung zu bringen sind. Vorliegend ist die Klägerin bereits aufgrund der ersten Kündigung, welche mit Datum vom 15.01. zum 26.02.2020 zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen sollte, nicht mehr beschäftigt worden. Eine Beschäftigung durch die Beklagte ist aufgrund der ihrer Ansicht nach durch diese Kündigung bewirkten Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien unterblieben. Die Rechtsauffassung der Beklagten zur Wirksamkeit der Kündigung kann allerdings kein Umstand sein, der dazu geeignet sein könnte, auf die Abfindungshöhe bezüglich eines klägerischen Auflösungsantrages Einfluss nehmen zu können. Entscheidend ist die Dauer des Bestandes des Arbeitsverhältnisses, wie es in den gesetzlichen Regelungen der §§ 1a und 10 KSchG zum Ausdruck gebracht ist.

Auch wenn die Chancen für Ärzte am Arbeitsmarkt grundsätzlich positiv zu beurteilen sind, können diese für die Klägerin aufgrund ihres Lebensalters und der eingeschlagenen beruflichen Entwicklung eher als weniger günstig beurteilt werden. Unter dem Gesichtspunkt des Sanktionscharakters ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte nicht nur eine sozial ungerechtfertigte Kündigung ausgesprochen hat, sondern ihr vorhergehend zwei weitere unwirksame Kündigungen. Zudem ist die Kündigung vom 23.10.2020 im starken Maße sozialwidrig, weil eine Arbeitsverweigerung nicht angenommen werden kann, sondern die Klägerin berechtigt war, von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen, da die Beklagte ohne einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages und auch ohne Ausspruch einer Änderungskündigung von sich aus einseitig gravierend in das Arbeitsverhältnis eingegriffen hat, indem es eine Beschäftigung der Klägerin als Chefärztin in der Orthopädie, wie arbeitsvertraglich vorgesehen, verweigert und die Klägerin lediglich - wenn auch unter Beibehaltung der Vergütungszahlung - als Fachärztin eingesetzt hat. Wenn die Klägerin sodann von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht, die Beklagte dies als unberechtigte Arbeitsverweigerung auffasst, geht dies in Richtung Maßregelung gemäß § 612a BGB, so dass eher ein höherer Ansatz der Abfindungszahlung angemessen erscheint.

Insgesamt ist damit die durch das Arbeitsgericht festgesetzte Abfindungssumme nicht zu beanstanden.

III.

Die Beklagte war zur Zahlung der seitens der Klägerin mit der Anschlussberufung geltend gemachten Forderungen zu verurteilen.

1.

Die Anschlussberufung ist zulässig.

Die Klägerin hat mit am 21.01.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz auf die Berufung der Beklagten erwidert und die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Zahlungen aus Annahmeverzug sowie auf Urlaubsabgeltung begehrt. Damit hat sie einen neuen Streitgegenstand in das Berufungsverfahren eingeführt. Es handelt sich um eine nachträgliche objektive Klagehäufung, auf die § 263 ZPO entsprechend anwendbar ist. Über die Zulässigkeit der Klageänderung in der Berufungsinstanz ist nach dem Maßstab des § 533 ZPO zu entscheiden (vgl. BAG, Urteil vom 09.02.2022 - 5 AZR 347/21 - Rn. 19, juris).

Eine Einwilligung der Beklagten im Sinne des § 533 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor. Die Beklagte hat vielmehr der Einführung des neuen Streitgegenstandes in das Berufungsverfahren ausdrücklich widersprochen. Die nachträgliche objektive Klagehäufung ist jedoch sachdienlich im Sinne des § 533 Nr. 1 ZPO.

Maßgeblich für die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Sachdienlichkeit ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit, für den es entscheidend darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung zu einer sachgemäßen und endgültigen Beilegung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet, und einem andernfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt. Deshalb kommt es für die Beurteilung der Sachdienlichkeit nicht entscheidend darauf an, ob neuer Tatsachenvortrag erforderlich ist. Der Sachdienlichkeit einer Klageänderung steht nicht einmal entgegen, dass im Falle ihrer Zulassung Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird. Die Sachdienlichkeit kann unter diesen Blickpunkt im Allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann. Besteht zwischen mehreren Streitgegenständen ein innerer rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang, so ist es regelmäßig sachdienlich, diese Streitgegenstände auch in einem Verfahren zu erledigen.

Davon ausgehend, wird eine Klageerweiterung auf Vergütung wegen Annahmeverzugs im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit einer Kündigung in der Regel sachdienlich sein, weil sie auf den gleichen Lebenssachverhalt - vom Kläger für unwirksam gehaltene Arbeitgeberkündigung - zurückzuführen ist. Wird die Kündigungsschutzklage durch das Landesarbeitsgericht abgewiesen, entfällt damit auch die Grundlage für einen Annahmeverzug des Arbeitgebers und die Klage auf Annahmeverzugsvergütung ist ohne weiteres abweisungsreif. Stellt das Landesarbeitsgericht hingegen den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses fest, steht damit für das Berufungsgericht regelmäßig zugleich fest, dass sich der Arbeitgeber nach Ablauf der Kündigungsfrist im Annahmeverzug befunden hat (BAG, Urteil vom 09.02.2022 - 5 AZR 347/21 - Rn. 21 f., juris). Diese Fallkonstellation ist vorliegend gegeben. In der Berufungsinstanz ist über drei arbeitgeberseitige Kündigungen sowie über von beiden Parteien gestellte Auflösungsanträge u.a. zu befinden. Nachdem mit Zurückweisung der Berufung der Beklagten festgestellt ist, dass die Kündigungen unwirksam sind und das Arbeitsverhältnis nicht beendet haben, dieses vielmehr durch gerichtliche Auflösung zum 30.04.2021 aufgehoben ist, steht fest, dass sich die Beklagte nach Ausspruch der Kündigungen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Annahmeverzug befand. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist auch ein Abgeltungsanspruch für die Klägerin bezüglich während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllter Urlaubsansprüche gegeben. Es besteht damit ein innerer rechtlicher und tatsächlicher Zusammenhang der Streitgegenstände, welche nach dem Ergebnis der bisherigen Prozessführung einer Entscheidung zugeführt werden können.

Des Weiteren muss nach § 533 Nr. 2 ZPO die in der nachträglichen objektiven Klagehäufung liegende Klageänderung in der Berufungsinstanz auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat, die also entweder vom Arbeitsgericht festgestellt (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder als neue Tatsachen berücksichtigungsfähig (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) sind. Da § 531 Abs. 2 ZPO im Berufungsverfahren vor den Landesarbeitsgerichten keine Anwendung findet, ist für die Frage der Berücksichtigung neuen Tatsachenvorbringens auf § 67 Abs. 4 ArbGG abzustellen (BAG, Urteil vom 09.02.2022 - 5 AZR 347/21 - Rn. 23 f., juris).

Das klägerische Tatsachenvorbringen zur Begründung des Anspruchs aus Annahmeverzug und auf Urlaubsabgeltung ist gemäß § 67 Abs. 4 ArbGG berücksichtigungsfähig. Die Höhe der der Klägerin zustehenden monatlichen Bruttovergütung ist unstreitig. Bezüglich anzurechnenden Verdienstes bzw. anzurechnender Sozialleistungen und eines etwaigen böswillig unterlassenen Zwischenverdienst ist den Parteien gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Eine Verzögerung des Rechtsstreits ist damit nicht bewirkt worden.

2.

Die Anschlussberufung ist erfolgreich. Die Zahlungsklage ist begründet.

a)

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Vergütung für den Zeitraum Februar 2020 bis einschließlich April 2021 in Höhe von 180.000,00 € brutto abzüglich bereits durch die Beklagte gezahlter Vergütung in Höhe von 6.105,08 € netto, sowie der auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Ansprüche in Höhe von 25.554,60 € und abzüglich des durch die Klägerin anderweitig erzielten Verdienstes in Höhe von 8.364,33 € brutto zu.

Die Klägerin verfügt gemäß § 611a Abs. 2, § 615 Satz 1 BGB über einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Arbeitsentgelts für den Zeitraum Februar 2020 bis einschließlich April 2021 in Höhe von jeweils 12.000,00 € brutto, also für 15 Monate in einer Gesamthöhe von 180.000,00 € brutto. Die Beklagte hat die Klägerin aufgrund der zum 26.02.2020 ausgesprochenen Kündigung vom 15.01.2020 nach dem 26.02.2020 nicht mehr beschäftigt und befand sich nach Ausspruch der unwirksamen Arbeitgeberkündigung vom 15.01.2020 in Annahmeverzug (§ 293 ff BGB), ohne dass ein Angebot der Arbeitsleistung durch die Klägerin erforderlich gewesen wäre (vgl. BAG, Urteil vom 21.10.2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 19, juris). Durch den Ausspruch einer unwirksamen Kündigung ist die Beklagte in Annahmeverzug geraten. Zur Vermeidung des Annahmeverzuges hätte sie der Klägerin nach § 296 Satz 1 BGB rechtzeitig eine vertragsgemäße Arbeit zuweisen müssen. Zudem liegt in der Klageerhebung ein wörtliches Angebot nach § 295 BGB.

Die Klägerin hat ihre Klage zutreffend auf den Bruttobetrag gerichtet, da der Arbeitgeber grundsätzlich einen Bruttobetrag schuldet. Dass die Beklagte bestimmte Abzüge für Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge bereits einbehalten und abgeführt hätte, hat sie weder behauptet noch nachgewiesen.

Die Beklagte schuldet die arbeitsvertraglich vereinbarte Bruttomonatsvergütung i.H.v. 12.000,00 €. Soweit die Beklagte sich darauf bezieht, in ihrem Betrieb hätte zu bestimmten Zeiten Kurzarbeit angeordnet werden müssen und wäre die Klägerin beschäftigt worden, hätte auch sie Kurzarbeit verrichten müssen, kann die Beklagte mit diesem Einwand nicht gehört werden. Die Möglichkeit lediglich Kurzarbeitergeld an die Klägerin auszuzahlen, besteht nämlich nur dann, wenn eine Anordnung von Kurzarbeit für das Arbeitsverhältnis der Klägerin entweder aufgrund betrieblicher Regelungen oder infolge Einverständnisses der Klägerin mit der Kurzarbeit tatsächlich angeordnet worden ist. Dies trifft jedoch nicht zu. Betriebliche Regelungen bestehen im Hinblick auf Kurzarbeit für die Klägerin nicht. Auch hat sich die Klägerin nicht damit einverstanden erklärt, lediglich Kurzarbeit auszuüben. Deshalb besteht keine Grundlage dafür, lediglich Kurzarbeitergeld an die Klägerin auszuzahlen.

Eine weitere Anrechnung von Zwischenverdienst nach § 11 Satz 1 Nr. 1 KSchG kommt nicht in Betracht.

§ 11 KSchG ist lex specialis gegenüber § 615 Satz 2 BGB in dem Fall, dass eine Entscheidung des Gerichts über die Unwirksamkeit der Kündigung vorliegt (BAG, Urteil vom 24.02.2016 - 5 AZR 425/15 - Rn. 13, juris).

Gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 KSchG hat sich die Klägerin anderweitigen Verdienst anrechnen zu lassen. Dies ist durch die Klägerin geschehen. Die Klägerin hat den von der Beklagten für den Monat Februar 2020 an sie gezahlten Nettobetrag in Höhe von 6.105,08 € in Ansatz gebracht wie auch den durch anderweitige Arbeit im Monat April 2021 erzielten Bruttoverdienst in Höhe von 8.364,33 €. Dass sich die Klägerin daneben weiteren Verdienst anrechnen lassen müsste, hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Der Arbeitgeber trägt jedoch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer anderweitigen Verdienst erzielt hat (BAG, Urteil vom 06.09.1990 - 2 AZR 165/90 - Rn. 45, juris).

Soweit die Beklagte diesbezüglich auf ein Probearbeitsverhältnis sowie geringfügige Beschäftigungen verweist, ist ihr Vorbringen pauschal. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin entgegen ihrer Darlegungen in dem Probearbeitsverhältnis Verdienst erzielt, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse aufgenommen hat oder ansonsten irgendwo anderweitigen Verdienst erzielt haben könnte.

Die Klägerin lässt sich infolge des Bezuges von Sozialleistungen auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene Ansprüche in Höhe von 25.554,60 € anrechnen (§ 11 Nr. 3 KSchG). Insoweit liegt ein Anspruchsübergang gemäß § 115 Abs. 1 SGB X vor. Der klägerische Anspruch aus Annahmeverzug ist dementsprechend in der Höhe gemindert (BAG, Urteil vom 08.09.2021 - 5 AZR 205/21 - Rn. 19, juris). Erhaltenes Arbeitslosengeld hat die Klägerin zutreffend netto abgezogen (BAG, Urteil vom 24.09.2003 - 5 AZR 282/02 - Rn. 42, juris).

Soweit die Beklagte die Höhe des durch die Klägerin vorgetragenen Sozialleistungsbezugs in Frage stellt, gibt es angesichts der durch die Klägerin mit der Anlage BBK 15 (Bl. 552, 553 d.A.) eingereichten Aufstellung der Bundesagentur für Arbeit keine Veranlassung, berechtigte Zweifel zu erheben. Die Bundesagentur hat vielmehr im Einzelnen für den Zeitraum 27.02.2020 bis 31.03.2021 monatlich erhaltene Sozialleistungen aufgeführt. Angesichts dessen hätte die Beklagte verdeutlichen müssen, aufgrund welcher Umstände berechtigte Zweifel im Hinblick auf die Höhe der Sozialleistungen angebracht sein können.

Schließlich scheidet auch eine weitere Anrechnung gemäß § 11 Nr. 2 KSchG aus. Danach muss sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Dabei hindert die Anrechnung bereits die Entstehung des Annahmeverzugsanspruchs und führt nicht zu einer Aufrechnungslage. Ein Arbeitnehmer unterlässt böswillig im Sinne des § 11 Nr. 2 KSchG anderweitigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. Maßgebend sind dabei die gesamten Umstände des Einzelfalles. Die Unzumutbarkeit der anderweitigen Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann etwa ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen haben. Erforderlich für die Beurteilung der Böswilligkeit ist stets eine unter Bewertung aller Umstände des konkreten Falles vorzunehmende Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen (BAG, Urteil vom 08.09.2021 - 5 AZR 205/21 - Rn. 12, 13, juris).

Der Arbeitgeber ist für den Einwand des böswilligen Unterlassens darlegungs- und beweispflichtig. Er muss konkret vortragen, dass für den Arbeitnehmer eine zumutbare Arbeitsmöglichkeit bestanden hat und dass er in Kenntnis dieser Arbeitsmöglichkeit vorsätzlich untätig geblieben ist oder die Arbeitsaufnahme verhindert hat (BAG, Urteil vom 25.10.2007 - 8 AZR 917/06 - Rn. 55, juris).

Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin es nicht böswillig unterlassen, einen anderweitigen Verdienst zu erzielen.

Soweit die Beklagte darauf verwiesen hat, dass sie bereit gewesen sei, die Klägerin als Fachärztin zu arbeitsvertraglicher Vergütung weiter zu beschäftigen, hat sie ein derartiges Angebot der Klägerin zwar während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses unterbreitet, dass es jedoch auch nach der aufgrund der Kündigung vom 15.01.2020 beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelten sollte, ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat das Angebot nach dem 26.02.2020 nicht nochmals wiederholt und auch nicht klargestellt, dass sie daran festhält. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Klägerin überhaupt verpflichtet gewesen wäre, ein derartiges Angebot unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit anzunehmen.

Die Klägerin ist ihrer Verpflichtung, sich unverzüglich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden (vgl. BAG, Urteil vom 27.05.2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 47, juris), nachgekommen. Dies wird durch den seitens der Bundesagentur für Arbeit bestätigten Bezug von Arbeitslosengeld bestätigt. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass spätestens seit Einführung der Corona-Impfstoffe dringend Ärzte gesucht worden seien, bzw. es für Ärzte zahlreiche Stellenangebote gegeben habe, genügt die Beklagte damit nicht ihrer Darlegungslast. Es wäre vielmehr Pflicht der Beklagten gewesen, konkrete Stellenangebote in den Prozess einzuführen, was jedoch unterblieben ist.

Wenn die Beklagte darauf abstellt, die Klägerin habe ihr zumutbare durch die Bundesagentur für Arbeit vermittelte Stellenangebote nicht angenommen, bleibt auch dieses Vorbringen der Beklagten pauschal. Zudem steht ihm entgegen, dass die Klägerin während des streitbefangenen Annahmeverzugszeitraumes keine Sperrzeit von der Bundesagentur für Arbeit verhängt erhalten hat. Dies dürfte jedoch geschehen sein, wenn sich die Klägerin geweigert hätte, ihr zumutbare Beschäftigung aufzunehmen.

Die Klägerin hat durch Übergabe der Anlage BBK 6 von der Bundesagentur für Arbeit getätigte Vermittlungsverschläge dargestellt und der Beklagten damit Auskunft erteilt. Soweit die Beklagte deren Vollständigkeit bezweifelt, stellt sie keine Tatsachen dar, welche derartige Zweifel begründen könnten. Die Beklagte hat in Kenntnis dieser Vermittlungsvorschläge der Klägerin nicht entgegengehalten, welcher Vorschlag der Klägerin zumutbar gewesen sei und im Hinblick auf welchen Vermittlungsvorschlag die Klägerin es böswillig unterlassen habe, sich darauf einzulassen. Die Klägerin hat ebenfalls eigene Bemühungen zur Erlangung einer Beschäftigung dargestellt. Die Beklagte hat jedoch nicht eingewandt, welche zusätzlichen Bemühungen die Klägerin hätte unternehmen müssen und welche erfolgreich gewesen sein könnten. Die Beklagte hat sich nicht substantiiert erklärt. Sie hat lediglich Zweifel erhoben, dass der Klägerin erst am 29.07.2020 der erste Vermittlungsvorschlag zugegangen sei. Dies ist jedoch angesichts der ab März 2020 herrschenden pandemischen Lage durchaus nachvollziehbar. Zudem verkennt die Beklagte, dass ein Arbeitnehmer primär zunächst nur verpflichtet ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden und auf die dort vorgelegten Vermittlungsvorschläge einzugehen. Der Arbeitnehmer darf sich einerseits nicht ergebenen Arbeitsmöglichkeiten verschließen, er muss aber selbst andererseits nicht eine besondere Initiative an den Tag legen, um neben der Agentur für Arbeit selbst für neue Jobmöglichkeiten zu sorgen. Dennoch hat die Klägerin Eigeninitiative ergriffen und auch Initiativbewerbungen vorgenommen. Wenn die Beklagte demgegenüber pauschal darauf verweist, dass Ärzte gesucht würden, stellt dies eine Beschreibung einer abstrakten Ausgangslage dar, besagt aber noch nichts darüber, welche Stellenangebote einer zumutbaren Tätigkeit für die Klägerin im Zeitraum 27.02.2020 - 30.04.2021 gegeben waren.

Eine Beschäftigung der Klägerin in einem Akutkrankenhaus ist ihr zudem mangels ihrer nunmehr langjährigen Tätigkeit im Reha-Bereich nicht mehr zuzumuten. Die Klägerin verfügt nicht mehr über die für eine derartige Tätigkeit erforderlichen notwendigen aktuellen Fachkenntnisse und Fertigkeiten und es ist ihr auch nicht zumutbar, diese Kenntnisse kurzfristig erwerben zu können. Der Klägerin kann ein Berufswechsel nach derart vielen Jahren im Reha-Bereich nicht mehr zugemutet und von ihr nicht mehr erwartet werden.

Ein böswilliges Unterlassen der Aufnahme einer der Klägerin zumutbaren Tätigkeit kann somit nicht festgestellt werden.

b)

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von 44.307,70 € brutto zu.

Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr durch Freistellung von der Arbeitspflicht realisiert werden kann, abzugelten. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2021 ergeben sich für die Klägerin 80 Urlaubstage, für welche die Beklagte Urlaubsabgeltung zu leisten hat. Insoweit hat die Klägerin einen Resturlaubsanspruch aus dem Jahr 2018 in Höhe von 10 Tagen, aus den Jahren 2019 und 2020 in Höhe von jeweils 30 Tagen und aus dem Jahr 2021 in Höhe von 10 Tagen.

Insbesondere ist der Urlaubsanspruch - wie dargestellt - nicht in dem Zeitraum vom 06.01.2020 bis zum 26.02.2020 erfüllt worden, weil die Klägerin, sofern eine einseitige Freistellung der Beklagten zur Urlaubserteilung rechtmäßig erfolgt sein sollte, berechtigterweise ein Annahmeverweigerungsrecht geltend gemacht hat. Der klägerische Urlaubsanspruch konnte deshalb während dieses Zeitraumes nicht erlöschen (§ 362 BGB).

Die Berechnung, aufgrund derer die Klägerin die Höhe der Urlaubsabgeltung ermittelt hat, ist durch die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Der Klägerin war daher die verlangte Urlaubsabgeltung zuzusprechen.

c)

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1 und 2, § 288 Abs. 1 BGB. Der Arbeitnehmer kann Verzugszinsen aus der Bruttovergütung verlangen (BAG, Beschluss vom 07.03.2001, GS 1/00, Rn. 9, juris).

IV.

Die Widerklage der Beklagten auf Auskunftserteilung, hilfsweise eidesstattliche Versicherung, war abzuweisen, weil die Klägerin durch Auskunftserteilung den entsprechenden Anspruch erfüllt hat und eine Veranlassung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nicht gegeben ist.

1.

Die Beklagte hat widerklagend beantragt, die Klägerin zu verurteilen, Auskunft über ihr in dem Zeitraum zwischen dem 27.02.2020 bis zum 30.04.2021 erzieltes Einkommen unter gleichzeitiger Darlegung ihrer beruflichen Tätigkeiten unter genauer Angabe der Tätigkeitszeiten in dem vorgenannten Zeitraum zu erteilen.

Eine Arbeitgeberin kann von der Arbeitnehmerin in entsprechender Anwendung des § 74c Abs. 2 HGB Auskunft über den Wert desjenigen verlangen, was die Arbeitnehmerin aufgrund des Freiwerdens ihrer Arbeitskraft erworben hat (BAG, Urteil vom 29.07.1993 - 2 AZR 110/93 - Rn. 40, juris). Der Anspruch kann im Wege einer Widerklage geltend gemacht werden (BAG, Urteil vom 27.05.2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 17, juris). Der Auskunftsanspruch kann auch durch eine sogenannte Negativauskunft, also die Angabe, dass keine auskunftsrelevanten Tatsachen oder Vorfälle gegeben sind, erfüllt werden (OLG München, Urteil vom 21.07.2021 - 7 U 2465/18 - Rn. 60, juris).

Die Klägerin hat ungeachtet der Frage, ob der Beklagten im konkreten Fall tatsächlich ein dementsprechender Auskunftsanspruch zusteht, die geforderten Auskünfte erteilt und damit einen gegebenenfalls für die Beklagte bestehenden Anspruch erfüllt, so dass dieser erloschen ist (§ 362 BGB).

Die Klägerin hat die Höhe von ihr bezogener Sozialleistungen durch Vorlage einer seitens der Bundesagentur für Arbeit erstellten Auflistung konkret angegeben. Sie hat den für das Jahr 2020 ihr erteilten Einkommenssteuerbescheid eingereicht. Sie hat ebenfalls vorgetragen, in welchem Arbeitsverhältnis mit welchem Tätigkeitsbereich sie im Monat April 2021 zu welchem Einkommen beschäftigt war, hat die ihr für diesen Monat erteilte Abrechnung zur Akte gereicht. Damit hat sie die von der Beklagten begehrte Auskunft geleistet.

2.

Soweit die Beklagte hilfsweise widerklagend die Verurteilung der Klägerin zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die Vollständigkeit der Auskunft begehrt, sind die Voraussetzungen für einen derartigen Anspruch gemäß §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB nicht gegeben.

Entsprechend § 260 Abs. 1 BGB hat derjenige, der verpflichtet ist, eine Auskunft zu erteilen, dem Berechtigten ein Verzeichnis des Bestands vorzulegen. Besteht Grund zu der Annahme, dass das Verzeichnis (hier die Auskunft) nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist, so hat der Verpflichtete gemäß § 260 Abs. 2 BGB auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Auskunft so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei. Die Auskunft ist eine Wissenserklärung. Inhaltlich wird sie durch den Zweck der Auskunft festgelegt. Sie muss die Informationen enthalten, die der Berechtigte benötigt, um seinen Anspruch geltend machen zu können. Ein Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung setzt voraus, dass Grund zu der Annahme besteht, die geschuldete Auskunft sei nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt worden und infolgedessen inhaltlich unrichtig oder unvollständig (BGH, Urteil vom 03.09.2020 - III ZR 136/18 - Rn 43, juris; BGH, Urteil vom 03.07.1984 - X ZR 34/83 - Rn. 12, juris). Die mangelnde Sorgfalt sowie die hierauf beruhende Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit müssen zwar nicht feststehen. Ausreichend ist bereits ein dahingehender Verdacht. Dieser muss sich jedoch auf Tatsachen gründen, die der Anspruchsteller darlegen und erforderlichenfalls beweisen muss (OLG Hamm, Teilurteil vom 16.07.2015 - 18 U 57/09 - Rn. 32, juris). Die Regelung der §§ 259, 260 BGB sind für den Fall einer Auskunft des Arbeitnehmers im Hinblick auf anderweitigen Verdienst entsprechend heranzuziehen (BAG, Urteil vom 29.07.1993 - 2 AZR 110/93 - Rn. 44, juris; BAG Urteil vom 12.05.1972 - 3 AZR 401/71- Rn.43, juris). Die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bezüglich einer Auskunftserteilung kommt lediglich dann in Betracht, wenn Zweifel an der Richtigkeit bzw. der Vollständigkeit der Auskunftserteilung bestehen. Ansatzpunkte für derartige Zweifel sind jedoch nicht gegeben. Insbesondere der Umstand, dass die Klägerin während des Zeitraumes vom 27.02.2020 bis zum 31.03.2021 Sozialleistungen bezogen hat, spricht dafür, dass sie während dieses Zeitraumes kein anderweitiges Einkommen erzielt hat. Zudem hat die Klägerin für das Jahr 2020 einen Einkommensteuerbescheid zur Akte gereicht.

Die Klägerin hat damit der Beklagten vollständig mitgeteilt, welche Einnahmen sie aufgrund der Nichtbeschäftigung durch die Beklagte erzielt hat. Sie hat ausdrücklich bestätigt, keine sonstigen Einkünfte bezogen zu haben. Die Angaben ergeben insgesamt ein schlüssiges Bild, an keiner Stelle wird eine zeitliche oder inhaltliche Lücke erkennbar, die auf eine mangelnde Sorgfalt bei der Erstellung der Auskunft schließen lassen könnte. Danach ist kein Anhaltspunkt ersichtlich, der die Erforderlichkeit der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung begründen könnte.

Die Widerklage war deshalb insgesamt zurückzuweisen.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor.

Vorschriften