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Urteil vom 12.01.2023 · IWW-Abrufnummer 237868

Landesarbeitsgericht Köln - Aktenzeichen 8 Sa 450/22

In einer zusätzlich anberaumten Güteverhandlung kann bei Säumnis einer Partei nur dann ein Versäumnisurteil ergehen, wenn die Parteien mit der Anberaumung des weiteren Gütetermins einverstanden waren


Tenor: 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das 2. Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.09.2021 - 1 Ca 3965/21 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Arbeitsgericht Köln zurückverwiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis sowie über die Erteilung von Abrechnungen.

Der Kläger war auf Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 17.03.2021 seit dem 01.02.2021 bei der Beklagten im Umfang von 24 Stunden pro Woche beschäftigt. Seine Vergütung belief sich gem. § 5 des Arbeitsvertrags auf 2.299,50 Euro brutto monatlich. Das Arbeitsverhältnis endete auf Grund einer Kündigung der Beklagten vom 09.07.2021 zum 23.07.2021.

Mit seiner am 15.07.2021 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage nebst Klageerweiterung vom 01.09.2021 hat der Kläger geltend gemacht, er könne aus dem beendeten Arbeitsverhältnis noch rückständige Vergütung in Höhe von 6.465,11 Euro brutto sowie korrekte Gehaltsabrechnungen für die Zeit von Februar bis Juli 2022 beanspruchen.

In dem auf den 20.09.2021 anberaumten Gütetermin erschien die Beklagte nicht. Das Arbeitsgericht hat auf Antrag des Klägers daraufhin das folgenden erste Versäumnisurteil erlassen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 9.261,59 Euro brutto abzüglich am 30.04.2021 gezahlter 1.154,85 Euro, abzüglich am 31.05.2021 gezahlter 1.584,91 Euro sowie abzüglich am 06.07.2021 gezahlter 56,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.144,65 Euro seit dem 01.05.2021, aus 714,59 Euro seit dem 01.06.2021, aus 2.242,78 Euro seit dem 01.07.2021 sowie aus 2.363,09 Euro seit dem 24.07.2021 zu zahlen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. 3. Der Streitwert wird auf 6.465,11 Euro festgesetzt.

Gegen das ihr am 25.09.2021 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte am 01.10.2021 Einspruch eingelegt.

Mit Beschluss vom 07.10.2021 hat das Arbeitsgericht einen neuen Gütetermin auf den 15.11.2021 bestimmt. Auch in diesem Termin erschien die Beklagte nicht. Das Arbeitsgericht hat auf Antrag des Klägers daraufhin mit zweitem Versäumnisurteil den Einspruch der Beklagten vom 01.10.2021 gegen das am 20.09.2021 verkündete Versäumnisurteil verworfen.

Gegen das ihr am 23.11.2021 zugestellte zweite Versäumnisurteil hat die Beklagte am 17.12.2021 Berufung eingelegt, die sie - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.02.2022 - am 23.02.2022 begründet hat.

Sie ist der Auffassung, das zweite Versäumnisurteil sei fehlerhaft ergangen, da sie zum Termin am 15.11.2021 über eine falsche Anschrift geladen worden sei und von dem Termin keine Kenntnis gehabt habe. Zudem habe das Arbeitsgericht keinen Termin zur Verhandlung über den Einspruch, sondern lediglich einen weiteren Gütetermin bestimmt.

Die Beklagte meint weiter, auch in der Sache sei die Klage unbegründet. Der Kläger stünden keine weiteren Vergütungsansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis mehr zu, da er seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu keiner Zeit erbracht habe.

Die Beklagte beantragt,

1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.09.2021 - 1 Ca 3965/21 - aufzuheben und die Klage abzuweisen; 2. den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Köln zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung als unzulässig zu verwerfen; 2. hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Berufung sei unzulässig, da ein Versäumnisurteil nur dann mit der Berufung angegriffen werden könne, wenn bei Erlass des zweiten Versäumnisurteils unverschuldete Säumnis vorlag. Dieses sei hier nicht der Fall, da die Beklagte sowohl zum Termin am 20.09.2021 als auch zum Termin am 15.11.2021 ordnungsgemäß geladen worden sei.

Die Berufung sei im Übrigen auch unbegründet. Entgegen den Behauptungen der Beklagten habe der Kläger seine Arbeitsverpflichtung vollumfänglich erfüllt. Die geltend gemachten Ansprüche seien auch nicht gem.§ 9 des Arbeitsvertrags verfallen, da er seine Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht habe; zudem sei die von der Beklagten in Bezug genommene und im Arbeitsvertrag geregelte Ausschlussfrist unwirksam.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig, weil sie statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 Buchstabe c) ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Die Berufung erfüllt insbesondere die Anforderungen des § 64 Abs. 2 d) ArbGG, da die Beklagte schlüssig vorgetragen hat, dass hinsichtlich des (weiteren) Gütetermins vom 15.11.2021 kein Fall der Säumnis vorgelegen habe, weil das Arbeitsgericht unzulässigerweise einen weiteren Termin zur Güteverhandlung bestimmt hatte mit der Folge, dass es an einer ordnungsgemäßen Terminsbestimmung fehlte und kein Fall der Säumnis vorlag.

II. Die Berufung ist mit dem Antrag, das zweite Versäumnisurteil vom 15.11.2021 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Arbeitsgericht Köln zurückzuweisen, begründet.

1. Das zweite Versäumnisurteil vom 15.11.2021 war aufzuheben, da es an einer ordnungsgemäßen Terminsbestimmung fehlte und somit kein Fall der Säumnis der Beklagten vorlag. Nachdem die Beklagte gegen das Versäumnisurteil vom 20.09.2021 Einspruch eingelegt hatte, hätte kein erneuter Gütetermin, sondern ein Kammertermin bestimmt werden müssen.

Gem. § 54 Abs. 1 Satz 5 ArbGG ist die Anberaumung einer weiteren Güteverhandlung nur mit Zustimmung beider Parteien zulässig. Das diesbezügliche Einverständnis der Parteien muss ausdrücklich erklärt werden, ohne dieses ist eine Fortsetzung der Güteverhandlung nicht möglich (ErfK/Koch, 23. Aufl., § 54 ArbGG Rn. 4; HWK-Ziemann, 10. Aufl., § 54 ArbGG Rn. 19). In einer zusätzlichen Güteverhandlung kann daher bei Säumnis einer Partei nur dann ein Versäumnisurteil ergehen, wenn die Parteien mit ihrer Durchführung einverstanden waren (ErfK/Koch, a.a.O.; Arbeitsgericht Hamburg v. 09.03.2007 - 11 Ca 422/06 - juris; Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. September 2016 - 4 Sa 509/15 -, Rn. 26, juris). Eine Einverständniserklärung der Parteien hinsichtlich der Anberaumung eines weiteren Gütetermins lag hier indes nicht vor.

2. Da die Sache nicht zur Entscheidung reif war, sondern weitere Sachverhaltsaufklärung erfordert, war sie gem. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG auf den Antrag der Beklagten an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.

Der Zurückverweisung steht auch nicht § 68 ArbGG, nach dem eine Zurückverweisung wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts unzulässig ist, entgegen. Denn anders als der vom Zurückverweisungsverbot erfasste § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO bleiben die Zurückverweisungsmöglichkeiten des § 538 Abs. 2 Nrn. 2, 3, 4, 6 und 7 ZPO von § 68 ArbGG unberührt (GMP/Schleusener, 10. Aufl. 2022, ArbGG § 68 Rn. 10; HWK-Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 10. Auflage 2022, § 68 ArbGG, Rn. 6; Schwab in: Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, § 68 ArbGG, Rn. 2).

III. Die Kostenentscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, bleibt dem Arbeitsgericht vorbehalten.

IV. Da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen, war die Revision nicht zuzulassen.

Am 14.03.2023 erging folgender Berichtigungsbeschluss:

Der Tenor des Urteils vom 12.01.2023 wird in Ziff. 1 wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass das Datum des 2. Versäumnisurteils "20.09.2021" durch "15.11.2021" ersetzt wird.

Vorschriften§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, § 64 Abs. 2 d) ArbGG, § 54 Abs. 1 Satz 5 ArbGG, § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 68 ArbGG, § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 538 Abs. 2 Nrn. 2, 3, 4, 6 und 7 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG