Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

Zurück

Urteil vom 23.08.2023 · IWW-Abrufnummer 237863

Landesarbeitsgericht Hamm - Aktenzeichen 9 Sa 538/22

Bewirbt sich ein Mann auf eine bei eBay-Kleinanzeigen lediglich für Frauen ausgeschriebene Stelle unter besonderer Hervorhebung, dass es sich bei dem Bewerber um einen Mann handelt, sowie dergestalt, dass eine Absage provoziert wird, kann es sich im konkreten Einzelfall um rechtsmissbräuchliches Vorgehen handeln.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 6. April 2022 - 2 Ca 1421/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch des Klägers nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.

Der Kläger ist am 15. März 1994 geboren, ledig und keiner Person zum Unterhalt verpflichtet.

Der Beklagte entwickelt und vertreibt Wärmekonzepte für Endverbraucher (AG Hagen HRA XXXX).

Der Beklagte veröffentlichte am 27. Juli 2021 über das Portal eBay-Kleinanzeigen eine Stellenausschreibung. Die Stellenausschreibung lautete auszugsweise:

"Suche pfiffige Büromanagerin/Sekretärin [...] Wir sind ein Heizungsunternehmen aus [...] und suchen Unterstützung im Büro und den kaufmännischen Tätigkeiten der Geschäftsführung. Ein faires Gehalt sowie ein nettes Team sind selbstverständlich. Wir suchen eine Teilzeitmitarbeiterin für 25 - 30 Stunden in der Woche mit späterer möglichen Beschäftigung in Vollzeit. Ich freue mich über Ihre Bewerbung per Mail."

Der Stellenausschreibung waren die Kontaktdaten des Beklagten einschließlich eines Links zu dessen Homepage zu entnehmen.

Der Kläger sandte am 3. August 2021 über die Chat-Funktionalitäten von eBay-Kleinanzeigen eine Nachricht an den Beklagten. Diese lautete:

"Hallo, ich habe gerade auf Ebay Kleinanzeigen ihre Stellenausschreibung gefunden, womit Sie eine Sekretärin suchen. Ich suche derzeit eine neue Wohnung im Umkreis und habe Interesse an Ihrer Stelle. Ich habe Berufserfahrung im Büro und kenne mich mit Word und Excel und Gesetzen gut aus. Lieferscheine und Rechnungen kann ich auch schreiben und sonst typische Arbeiten einer Sekretärin, die Sie fordern. Ich bewerbe mich hiermit auf ihrer Stelle. Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau? In Ihrer Stellenanzeige haben Sie dies so angegeben. Ich habe eine kaufmännische abgeschlossene Ausbildung als Industriekaufmann und suche derzeit eine neue Herausforderung. Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen. Ich wäre absofort verfügbar. Mit freundlichen Grüßen Herr A"

Weitere Unterlagen übersandte der Kläger an den Beklagten nicht, auch nicht außerhalb der Chat-Funktionalitäten von eBay-Kleinanzeigen.

Am gleichen Tag lehnte der Beklagte die Bewerbung ab und schrieb hierzu auszugsweise Folgendes:

"Guten Tag Herr A, vielen Dank für Ihr Interesse an der ausgeschriebenen Stelle. Wie von Ihnen bereits angesprochen, möchten wir die Stelle ausschließlich mit einer Frau besetzen. [...]"

Mit Schreiben vom 7. September 2021 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Zahlung einer Entschädigung geltend und unterbreitete dem Beklagten zur gütlichen Beilegung einen ausformulierten Vergleichsvorschlag unter anderem über die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 2.500,00 Euro.

Der Beklagte lud den Kläger mit E-Mail vom 23. September 2021 zum Vorstellungsgespräch ein und schlug zwei Termine hierfür vor. Der Kläger reagierte auf die Einladung zunächst nicht und erschien auch nicht an den durch den Beklagten vorgeschlagenen Terminen zum Vorstellungsgespräch.

Mit seiner am 11. Oktober 2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 15. Oktober 2021 zugestellten Klage hat der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 6.000,00 Euro gegen den Beklagten geltend gemacht.

Der Kläger ist der Ansicht gewesen, dass ihm eine Entschädigung aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts zustehe. Hierzu hat er behauptet, er erfülle die Anforderungen des Beklagten an die ausgeschriebene Stelle und bringe Erfahrungen in dem gesuchten Beruf mit. Letztlich komme es hierauf aber auch nicht an, denn - so hat der Kläger gemeint - seine objektive Eignung sei keine Voraussetzung für das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs. Maßgeblich sei ein formaler Bewerberbegriff. Der Beklagte habe ihn zunächst allein wegen seines männlichen Geschlechts nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Das weibliche Geschlecht sei Einstellungsvoraussetzung gewesen und sein Hinweis, er bewerbe sich als Mann, habe der Klarstellung gedient. Die nachträgliche Einladung zu einem Vorstellungsgespräch führe nicht zu einem Ausschluss eines Entschädigungsanspruchs. Die durchschnittliche Vergütung einer Sekretärin in Teilzeit betrage in [...] 2.000,00 Euro, woraus sich ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 6.000,00 Euro ergebe.

Nachdem die Klage zunächst infolge der Säumnis des Klägers im Termin zur Güteverhandlung am 29. November 2021 im Wege des Versäumnisurteils abgewiesen worden war, hat der Kläger zuletzt sinngemäß beantragt,

das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 29. November 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.600,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Oktober 2021 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 29. November 2021 aufrechtzuerhalten.

Er hat behauptet, der Kläger sei für die seinerzeit ausgeschriebene Stelle nicht geeignet. Bei der Bewerbung des Klägers habe es sich zudem um eine "Scheinbewerbung" gehandelt. Der Kläger habe damit ausschließlich den Zweck verfolgt, unter Bezugnahme auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz "seine Saläre aufzustocken". Er handele rechtsmissbräuchlich.

Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil vom 29. November 2021 mit Urteil vom 6. April 2022 aufrechterhalten. Einem Entschädigungsanspruch des Klägers stehe der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegen. Der Kläger habe sich unter Verstoß gegen Treu und Glauben den formalen Status als Bewerber verschaffen wollen. Dies ergebe sich in objektiver Hinsicht insbesondere daraus, dass der Kläger in seinem Bewerbungstext ausdrücklich in einem eigenen, gut sichtbaren Absatz angefragt habe, ob der Beklagte ausschließlich eine Frau suche. Damit habe der Kläger eine Absage durch den Beklagten provoziert. In subjektiver Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass der Kläger im Rahmen seiner kurz gehaltenen Bewerbung im Übrigen lediglich pauschal und floskelhaft von seiner Erfahrung im Büro und seiner abgeschlossenen Ausbildung als Industriekaufmann spreche, ohne dies näher - z.B. durch Vorlage eines aussagekräftigen Lebenslaufs - untermauert zu haben.

Gegen das dem Kläger am 16. April 2022 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 16. Mai 2022 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. Juli 2023 am 15. Juli 2023 begründete Berufung.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm könne kein Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden. Die Stellenanzeige des Beklagten haben sich ausdrücklich an eine "pfiffige Büromanagerin/Sekretärin" gerichtet. Weitere Qualifikationsmerkmale habe der Beklagte nicht gefordert und hätten vom Kläger demgemäß im Bewerbungstext auch nicht angegeben werden können. Im Übrigen könne sich eine Anzeige nicht deutlicher als geschehen ausschließlich an Frauen richten. Angesichts dieser eindeutigen Formulierung hätten männliche Interessenten lediglich zwei Möglichkeiten gehabt. Die eine habe darin bestanden, sich gar nicht erst zu bewerben. Die andere habe das Halten einer Nachfrage beinhaltet, ob ggf. doch eine Bewerbung durch einen männlichen Interessenten in Betracht komme. Der Kläger habe den zweiten Weg gewählt. Zudem habe sich der Kläger in den letzten Wochen des Kalenderjahres 2021 sowie am 19. Juli 2022 "mit weitestgehend inhaltsgleichen Schreiben" auf insgesamt 27 andere Stellenausschreibungen beworben, die geschlechtsneutral verfasst gewesen seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 6. April 2022 - 2 Ca 1421/21 - abzuändern und unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 29. November 2021 den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.600,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Oktober 2021 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Der Kläger handele offensichtlich rechtsmissbräuchlich. Er gehe standardisiert vor. Dies zeige schon das mittels Textbausteinen verfasste Anspruchsschreiben vom 7. September 2021 nebst ausformuliertem Vergleichsvorschlag. Der Kläger handele in diesem wie offenbar in anderen Fällen allein, um Gewinn zu erzielen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig.

Die Berufung ist gemäß §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG am 16. Mai 2022 gegen das am 16. April 2022 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt, sowie innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 und 5 ArbGG ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Abs. 3 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG am 15. Juli 2022 begründet worden.

II. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil vom 29. November 2021 zu Recht aufrechterhalten. Denn die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 AGG auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 3.600,00 EUR wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot.

1. Zunächst kann zugunsten des Klägers angenommen werden, dass der Beklagte gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne der §§ 7 Abs. 1, 1 AGG verstieß, indem er die Bewerbung des Klägers ablehnte und diese Benachteiligung unzulässig wegen des Geschlechts erfolgte. Ebenso kann zugunsten des Klägers angenommen werden, dass der Beklagte diese unzulässige Benachteiligung mit der nachträglich erfolgten Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nicht mehr heilen konnte (vgl. hierzu: Bundesarbeitsgericht 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08). Der Kläger hat seinen Anspruch auf Entschädigung auch rechtzeitig innerhalb der Fristen des § 15 Abs. 4 AGG und § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht.

2. Zutreffend hat das Arbeitsgericht angenommen, dass der Kläger rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB gehandelt hat.

a) Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, sofern eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum ging, nur den formalen Status als Bewerber gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen (Bundesarbeitsgericht 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16; Bundesarbeitsgericht 26. Januar 2017 - 8 AZR 848/13; Bundesarbeitsgericht 11. August 2016 - 8 AZR 406/14; Bundesarbeitsgericht 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14). Gemäß § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (statt aller: Bundesarbeitsgericht 17. März 2016 - 8 AZR 677/14). Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB vor ( Bundesarbeitsgericht 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16 ).

b) Die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs verlangt das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der betreffenden Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte (statt aller: EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15; EuGH 17. Dezember 2015 - C-419/14) die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13). Das Missbrauchsverbot ist allerdings nicht relevant, wenn das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils (so etwa EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15). Die Prüfung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer missbräuchlichen Praxis erfüllt sind, hat gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts zu erfolgen. Diese Regeln dürfen jedoch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen (statt aller: EuGH 17. Dezember 2015 - C-419/14).

c) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den - rechtshindernden - Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (unter anderem: Bundesarbeitsgericht 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A); Bundesarbeitsgericht 23. August 2012 - 8 AZR 285/11; Bundesarbeitsgericht 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10). Allerdings lässt das Bundesarbeitsgericht bereits Indizien genügen, die sich aus dem Klagevorbringen selbst ergeben (Bundesarbeitsgericht 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16; ErfK/Schlachter, 23. Auflage 2023, AGG § 15 Rn. 13 m.w.N.).

d) Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand gemäß § 242 BGB auch keinen unionsrechtlichen Bedenken. Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist ein anerkannter Grundsatz des Unionsrechts (statt aller: EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15; EuGH 28. Januar 2016 - C-50/14). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht gestattet (so etwa EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13). Dabei ergeben sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Voraussetzungen, unter denen Rechtsmissbrauch angenommen werden kann, vergleichbar strenge Anforderungen wie nach deutschem Recht (Bundesarbeitsgericht 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16).

e) Vor dem Hintergrund dieser Voraussetzungen geht die Kammer davon aus, dass das Entschädigungsverlangen des Klägers dem Rechtsmissbrauchseinwand gemäß § 242 BGB ausgesetzt ist. Denn im Rahmen der Würdigung aller konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls ist davon auszugehen, dass der Kläger es mit der konkreten Fassung des Bewerbungstextes in der Chat-Nachricht vom 3. August 2021 von Beginn an auf eine Absage des Beklagten angelegt und dadurch die Absage provoziert hat, um einen Entschädigungsanspruch geltend machen zu können. Damit liegt sowohl das für den Rechtsmissbrauchseinwand erforderliche objektive als auch das erforderliche subjektive Element vor.

aa) Dies ergibt sich in objektiver Hinsicht daraus, wie der Bewerbungstext gefasst ist.

(1) Der Beklagte hatte am 27. Juli 2021 dem Wortlaut nach die Stelle einer "pfiffigen Büromanagerin/Sekretärin" ausgeschrieben. Damit war die Stellenausschreibung nicht geschlechtsneutral gefasst.

Der Kläger wandte sich daraufhin mit seiner Chat-Nachricht vom 3. August 2021 an den Beklagten. Bereits im Eingangssatz wird hervorgehoben, dass der Beklagte laut Ausschreibung eine Sekretärin, d.h. eine Frau, sucht ("Hallo, ich habe gerade auf Ebay Kleinanzeigen ihre Stellenausschreibung gefunden, womit Sie eine Sekretärin suchen."). Unmittelbar nach dem späteren, völlig unbedingt und vorbehaltlos formulierten sowie durch einen gesonderten Absatz herausgestellten Satz "Ich bewerbe mich hiermit auf ihrer Stelle." folgt dann jedoch, ebenfalls durch einen gesonderten Absatz herausgestellt, die Frage "Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau?", ergänzt durch "In Ihrer Stellenanzeige haben Sie dies so angegeben." Damit wird erneut betont, dass die Stelle dem Wortlaut nach nur für eine Frau ausgeschrieben ist. Neben der bereits bedingungslos erklärten Bewerbung war allerdings auch bereits zu "Berufserfahrungen im Büro" und Kenntnissen in "Word und Excel und Gesetzen" ausgeführt worden. Inhaltlich überraschend folgt durch die Nachfrage eine Unterbrechung. Sehr zentral wird die dem Wortlaut der Ausschreibung nach ausdrückliche Suche des Beklagten nach einer Frau in Gestalt einer Frage - erneut - hervorgehoben. Erst im Anschluss wird eine abgeschlossene Ausbildung genannt, dies unter doppelter Verwendung der männlichen Form ("Ich habe eine kaufmännische abgeschlossene Ausbildung als Industriekaufmann."). Mit dieser konkreten Fassung des Bewerbungstextes wird der Fokus zum Ende des Bewerbungstextes sehr deutlich darauf gelegt, dass sich ein Mann auf die ausgeschriebene Stelle bewirbt - der Beklagte aber ja offenbar eine Frau sucht. Schließlich ist die abschließende Grußformel "Mit freundlichen Grüßen Herr A" ebenfalls so gefasst, dass nochmals das männliche Geschlecht des Klägers betont wird.

Hieraus ergibt sich insgesamt ein Aufbau des Bewerbungstextes, der zu Beginn die Suche des Beklagten nach einer Frau hervorhebt. Es folgen einige Zeilen zu Fähigkeiten und Eigenschaften. Dann wird ohne Einschränkung die Bewerbung erklärt, um im Anschluss in einem gesonderten Absatz an sehr zentraler Stelle zu hinterfragen, ob der Beklagte wirklich eine Frau sucht. Der Text mündet dann in Zeilen, die sein männliches Geschlecht herausstellen.

(2) Bereits dieser Aufbau und Inhalt der Bewerbung indizieren, dass der Beklagte nicht dazu bewegt werden sollte, einen geeigneten Bewerber ggf. zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen oder anderweitig mit ihm interessiert in Kontakt zu treten.

Vielmehr sollte dem Beklagten der Grund für eine Absage quasi "auf dem Silbertablett präsentiert" werden. Dieser Grund war, dass der Kläger ein Mann ist, der Beklagte aber eine Frau, eine "pfiffige Büromanagerin/Sekretärin", suchte. Mithin konnte die konkrete Fassung des Bewerbungstextes nur eine Absage provozieren und damit die Grundlage für eine - die vorliegend zu beurteilende - Klage auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz schaffen. Für die Kammer ist ansonsten nicht erklärlich, warum ein Bewerber, der seine Bewerbung soeben ausdrücklich und bedingungslos erklärt hat, im Anschluss daran durch besondere Betonung seines männlichen Geschlechts direkt hervorheben sollte, dass er die anscheinend durch den Beklagten für eine Bewerbung vorausgesetzte Eigenschaft - das weibliche Geschlecht - gerade nicht erfüllt.

Schließlich trägt der Kläger vor, mit der konkreten Fassung des Bewerbungstextes habe klargestellt werden sollen, dass er sich als Mann um die für eine Frau ausgeschriebene Stelle bewerbe. Diese Argumentation ist nicht stimmig. Denn wenn der Kläger davon ausging, Einstellungsvoraussetzung sei das weibliche Geschlecht, ist nicht erkennbar, was noch hätte klargestellt werden können oder müssen und was dann noch mit der Frage "Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau?" bezweckt werden sollte. Sein eigenes männliches Geschlecht hat er im Übrigen anderweitig deutlich betont.

(3) Im Berufungsverfahren verweist der Kläger ergänzend darauf, dass männliche Bewerber angesichts der Formulierung der Stellenausschreibung lediglich zwei Möglichkeiten gehabt hätten. Die eine habe darin bestanden, sich gar nicht erst zu bewerben. Die andere habe das Stellen einer Nachfrage beinhaltet, ob ggf. doch eine Bewerbung durch einen männlichen Interessenten in Betracht komme. Dem ist nicht so. Die vom Kläger angeführte zweite Variante hat gerade dann keinen Sinn, wenn sich der männliche Bewerber bereits beworben hat. Dies war vorliegend jedoch der Fall. Die Frage konnte - wie vorstehend ausgeführt - für den Kläger gar keine Klarheit bringen, ob eine Bewerbung durch einen männlichen Interessenten in Betracht kommt. Denn er hatte ja schon ausdrücklich eine Bewerbung erklärt. Mithin ergab die Frage nach der Argumentation des Klägers überhaupt keinen Sinn. Dies gölte selbst dann, wenn der Beklagte mit den Begrifflichkeiten "Büromanagerin/Sekretärin" lediglich eine bloße Berufsbezeichnung hätte vornehmen wollen. Wäre dem so gewesen, hätte kein Missverständnis vorgelegen, und es hätte schlicht keiner Aufklärung (mehr) bedurft. Etwaige Nachteile hätte der Kläger nicht zu befürchten gehabt.

bb) Darüber hinaus bestätigen neben den vorstehend geschilderten Auffälligkeiten weitere Umstände im Rahmen der Bewerbung, dass der Kläger subjektiv die Absicht hatte, sich ungerechtfertigt einen Vorteil zu verschaffen, und es ihm allein darum ging, missbräuchlich den formalen Bewerberstatus zu erlangen.

(1) Der Kläger fügte seiner Bewerbung keinerlei konkrete Hinweise oder Belege auf seine Eignung als "pfiffige Büromanagerin/Sekretärin" bei. Auch ein Lebenslauf fehlte.

(2) Dem Kläger unterliefen beim Abfassen des Bewerbungstextes mehrere Rechtschreib- und Grammatikfehler - "Lieferscheine und Rechnungen kann ich auch schreiben und sonst typische Arbeiten einer Sekretärin, die Sie fordern.", "Ich bewerbe mich hiermit auf ihrer Stelle", "Ich wäre absofort verfügbar" -, was allein gestellt kein Indiz für die Absicht, sich einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen, sein mag. Allerdings ist der Kläger, wie seine selbst angefertigten umfangreichen Schriftsätze in diesem Rechtsstreit sehr konkret zeigen, durchaus in der Lage, komplex und fehlerfrei zu formulieren. Dies indiziert dann wiederum in subjektiver Hinsicht eine offenbar kaum gegebene Sorgfalt des Klägers im Hinblick auf den bei einer Bewerbung eigentlich relevanten Aspekt, den ausschreibenden Beklagten von sich als Bewerber zu überzeugen und eine möglichst fehlerfrei verfasste Bewerbung vorzulegen. Die Kammer erachtet zudem gerade Rechtschreib- und Grammatikkenntnisse als eine für eine Sekretariats- und Bürotätigkeit wichtige Grundvoraussetzung, von der der Kläger den Beklagten hätte bereits mit den wenigen Bewerbungszeilen überzeugen können.

(3) Im Übrigen führt der Kläger in der Bewerbung nichtssagend aus, dass er sich "mit Word und Excel und Gesetzen gut" auskenne. Er könne auch "Lieferscheine und Rechnungen [...] schreiben" und "sonst typische Arbeiten einer Sekretärin", die der Beklagte "fordere". Sicherlich handelt es sich um einzelne, inhaltlich angerissene, aber nicht ausschließliche Fähigkeiten einer Sekretärin. Auch erklärt der Kläger nicht, was er unter "sonst typischen Arbeiten einer Sekretärin" versteht. Vielmehr handelt es sich um einen oberflächlich gehaltenen Text, der im Übrigen um die sehr zentral angebrachte Frage, ob der Beklagte allein eine weibliche Kraft sucht, angeordnet ist.

Als besonders bemerkenswert erachtet die Kammer, dass der Kläger ausdrücklich auf vom Beklagten "geforderte" Fähigkeiten Bezug nimmt, obwohl der Beklagte solche in seiner Ausschreibung kaum gefordert hat. Einzig die vom Beklagten gewünschte "Pfiffigkeit" hätte der Kläger begründen können. Davon hat er jedoch abgesehen, obwohl er selbst im Berufungsverfahren besonders hervorhebt, dies sei die einzige vom Beklagten geforderte Qualifikation gewesen.

f) Dem gefundenen Ergebnis steht schließlich nicht entgegen, dass sich der Kläger zum Ende des Jahres 2021 und am 19. Juli 2022 auch auf geschlechtsneutral ausgeschriebene Stellen beworben haben mag. Vorliegend geht es um eine Stellenausschreibung vom 27. Juli 2021 und eine "Bewerbung" vom 3. August 2021. Hierauf konnten etwaige spätere Bewerbungen des Klägers zum Ende des Jahres 2021 und am 19. Juli 2022 keine Auswirkungen mehr haben.

Nicht mehr entscheidungserheblich ist überdies, dass die Kammer insoweit erhebliche Zweifel an der Substanz des klägerischen Vortrags hat. Der Kläger will sich in den letzten Wochen des Kalenderjahres 2021 sowie am 19. Juli 2022 "mit weitestgehend inhaltsgleichen Schreiben" auf 27 andere Stellenausschreibungen beworben haben, die geschlechtsneutral verfasst gewesen sein sollen. Da die streitentscheidende Bewerbungs-Chat-Nachricht des Klägers vom 3. August 2021 unter anderem gerade die nicht geschlechtsneutrale Ausschreibung für eine Sekretärin zum Gegenstand hatte ("[...] "Hallo, ich habe gerade auf Ebay Kleinanzeigen ihre Stellenausschreibung gefunden, womit Sie eine Sekretärin suchen. [...] Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau? In Ihrer Stellenanzeige haben Sie dies so angegeben. [...]"), wäre es bemerkenswert, wenn der Kläger einen "weitestgehend inhaltsgleichen" Text an geschlechtsneutral ausschreibende Arbeitgeber geschickt hätte. Dementsprechend ergibt sich - ohne dass dies noch entscheidungsrelevant wäre - auch aus dem durch den Kläger lediglich auszugsweise zur Gerichtsakte gereichten Bewerbungstext vom 19. Juli 2022 gerade nicht, dass dieser "weitestgehend inhaltsgleich" gewesen wäre.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

IV. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

Die Kammer hatte über einen konkreten Einzelfall zu entscheiden und hat sich insoweit ohne Einschränkungen oder Modifikationen im Rahmen der durch das Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze bewegt (so insbesondere: Bundesarbeitsgericht 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16; vgl. zur Einzelfallentscheidung auch den Hinweis im Rahmen der Kammerverhandlung vom 23. August 2023).

Vorschriften§§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 und 5 ArbGG, §§ 520 Abs. 3 ZPO, § 15 Abs. 2 S. 1 AGG, §§ 7 Abs. 1, 1 AGG, § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG, § 242 BGB, § 6 Abs. 1 S. 2 AGG, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG