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Urteil vom 21.04.2023 · IWW-Abrufnummer 237528

Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 5 Sa 656/22

Ein Sanierungstarifvertrag, der als firmenbezogener Verbandstarifvertrag zwischen der Gewerkschaft und dem Arbeitgeberverband abgeschlossen worden ist, löst im Umfang seines Geltungsbereichs einen normativ geltenden Flächentarifvertrag auch dann ab, wenn im Arbeitsvertrag eine individualrechtliche Bezugnahmeklausel auf die "Tarifverträge für die Metall-, Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens" vereinbart worden ist.


Tenor: I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 03.08.2022 - Az.: 7 Ca 200/22 - wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. III. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand

Die Beklagte ist ein Unternehmen in der Metallindustrie mit Hauptsitz in U. Sie unterhält weitere Standorte, unter anderem in L.. Dort ist der Kläger seit dem 01.08.2010 als CNC-Anlagenführer beschäftigt. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag vom 18.06.2010 enthält unter Ziffer 11 folgende Regelung:

"11. Auf das Arbeitsverhältnis finden im Übrigen die Tarifverträge für die Metall-, Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens, die Arbeitsordnung, deren Inhalt als rechtsverbindlich anerkannt wird, sowie die jeweils gültigen Betriebsvereinbarungen Anwendung."

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 6 der Gerichtsakte Bezug genommen. Der Kläger ist eingruppiert in die ERA-Entgeltgruppe 10, seine monatliche Bruttogrundvergütung beträgt 3.425,00 €.

Der Kläger ist Mitglied der IG Metall, die Beklagte ist Mitglied des Verbandes der Metallindustrie Niedersachsen e.V., des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e.V. (im Folgenden: METALL NRW) sowie des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Sachsen e.V. Diese Arbeitgeberverbände schlossen mit der IG Metall am 12.11.2020 einen unternehmensbezogenen Standort- und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (im Folgenden "Sanierungstarifvertrag", Bl. 7R ff. d. A.). Der Kläger war als Mitglied der Tarifkommission am Abschluss dieses Tarifvertrages beteiligt und stimmte für den Abschluss des Sanierungstarifvertrages.

Im Sanierungstarifvertrag heißt es auszugsweise:

"Präambel Die W. GmbH, ..., ist Mitglied der vorbenannten drei Arbeitgeberverbände. Mit Beschluss vom 01. Oktober 2020 hat das Amtsgericht U. als zuständiges Insolvenzgericht auf Antrag der Geschäftsführung der T. ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. Aufgrund der andauernden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der T. soll für den Zeitraum ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der T. durch das Insolvenzgericht (§ 258 InsO) durch die Parteien der nachfolgende Standort- und Beschäftigungssicherungstarifvertrag abgeschlossen werden. Ziel dieses verbandsbezogenen Tarifvertrages ist die Sicherung der Beschäftigung an den vier Standorten der T. in U., M. Q. und L.. ... ... A. Allgemeine Regelungen § 1 Geltungsbereich 1. Dieser Tarifvertrag gilt räumlich und fachlich:für die W. GmbH und deren Standorte U., M. Q., L. persönlich:Alle Arbeitnehmer der T. die Mitglied der IG Metall sind und auf deren Arbeitsverhältnis das BetrVG Anwendung findet. B. Beiträge der Arbeitnehmer ... § 10 Beiträge der Arbeitnehmer des Betriebs Bergisches Land (Q. und L.) 1. Für die Kalenderjahre 2021 bis 2025 entfällt die Zahlung des tariflichen Zusatzgeldes gemäß § 2 Abs. 2 b. - T-ZUG (B) - des Tarifvertrages zum tariflichen Zusatzgeld (TVT-ZUG). 3. für die Kalenderjahre 2021 bis 2025 verringern sich die zusätzliche Urlaubsvergütung gemäß § 38 des Manteltarifvertrages (MTV) für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens sowie die Sonderzahlung gemäß § 2 des Einheitlichen Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens (ETV 13. ME) in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens jeweils wie folgt: 2021: um 30% 2022: um 30% 2023: um 25% 2024: um 20% 2025: um 20% 4. Für die Laufzeit dieses Tarifvertrages werden Mehrarbeitszuschläge gemäß § 33 des Manteltarifvertrages (MTV) für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens ab der 41. Stunde wöchentlicher Arbeitszeit gewährt; ... 5. Der Gesamtbetriebsrat und die T. werden nach Abschluss dieses Tarifvertrages unverzüglich eine Änderung der bestehenden Gesamtbetriebsvereinbarung Jubiläumsprämien vereinbaren, wonach die Gewährung der monatlichen Prämienzahlung für die Betriebe U. und W. in den Kalenderjahren 2021 bis 2025 entfällt und sich in den Betrieben Q. und L. (Bergisches Land) in den Kalenderjahren 2021 bis 2025 um 50 % verringert. 6. Während der Laufzeit dieses Tarifvertrages für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens wirksam werdende tarifliche Entgelterhöhungen, einschließlich etwaiger Einmalzahlungen werden im Betrieb L. sechs (6) Monate später wirksam. 7. Die Betriebsparteien des Betriebs Bergisches Land werden unverzüglich nach Abschluss dieses Tarifvertrages eine Betriebsvereinbarung für den Betrieb L. zur Aufhebung doppelter Bonuszahlungen abschließen. Ferner wird der Betriebsrat bei der Korrektur tariflicher Eingruppierungen von Arbeitnehmern im Betrieb L. mitwirken. C. Sonstiges § 11 Laufzeit, sonstiges 1. Der Tarifvertrag tritt am 1. Januar 2021 in Kraft und endet - ohne Nachwirkung - am 31. Dezember 2025. ..."

In Anwendung des Sanierungstarifvertrages zahlte die Beklagte an den Kläger im Juli 2021 das tarifliche Zusatzgeld gemäß § 2 Abs. 2 b) und 3 TVT-ZUG i. H. v. 354,67 € brutto nicht aus. Darüber hinaus zahlte sie für die Jahre 2021 und 2022 eine um jeweils 30%, mithin 925,10 € und 912,60 € brutto, geminderte zusätzliche Urlaubsvergütung. Als 13. Monatseinkommen für das Jahr 2021 zahlte sie im November 2021 anstelle von 2309,59 € lediglich 1616,71 € brutto. In den Monaten August 2021 bis November 2021 zahlte sie darüber hinaus eine um 270,17 € brutto geminderte Mehrarbeitsvergütung.

Mit Schreiben vom 29.07.2021 (Bl. 13 d. A.) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er der Auffassung sei, der Sanierungstarifvertrag finde auf sein Arbeitsverhältnis keine Anwendung und machte aufgelaufene Differenzvergütungsansprüche geltend. Eine Zahlung der Beklagten erfolgte nicht. Mit seiner am 31.01.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger die Ansprüche gerichtlich weiter.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, aus Ziffer 11 des Arbeitsvertrages ergebe sich, dass der Sanierungstarifvertrag auf sein Arbeitsverhältnis keine Anwendung finde. Die Parteien hätten darin eine zeitdynamische Bezugnahme auf sämtliche Branchentarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vereinbart. Bei dem Sanierungstarifvertrag handele es sich aber nicht um einen solchen Flächentarifvertrag. Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel könne auch nicht dahingehend umgedeutet oder ausgelegt werden, dass sie sich auch auf andere Tarifregelungen als die Flächentarifverträge beziehe. Insoweit fehle es an einer entsprechenden Regelungslücke. Zumindest jedoch würde im Falle einer Auslegung § 305 c) BGB dazu führen, dass Zweifelsregelungen sich zu Lasten der Beklagten auswirken würden. Ein anderes Ergebnis folge nicht daraus, dass in der Bezugnahmeklausel unter Ziffer 11 des Arbeitsvertrages auch auf Betriebsvereinbarungen und damit betriebsspezifische Regelungen verwiesen worden sei. Tarifregelungen und Betriebsvereinbarungen hätten unterschiedliche Voraussetzungen und beträfen unterschiedliche Wirkungen.

Der Kläger hat weiter die Auffassung vertreten, es könne ihm auch nicht widersprüchliches Verhalten vorgehalten werden.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass der unternehmensbezogene Standort- und Beschäftigungssicherungsvertrag vom 12.11.2020 auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet; 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.242,83 € brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus 925,11 € brutto seit dem 01.05.2021; aus 354,67 € brutto seit dem 01.08.2021; aus 129,79 € brutto seit dem 01.09.2021; aus 20,51 € brutto seit dem 01.10.2021; aus 61,45 € brutto seit dem 01.11.2021; aus 715,31 € brutto seit dem 01.12.2021 zu zahlen; 3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 912,60 € brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 01.05.2022 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Sanierungstarifvertrag finde aufgrund der beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme ergebe sich nichts Anderes, denn diese sei dahingehend auszulegen, dass sie auch den Sanierungstarifvertrag erfasse. Im Übrigen habe der Kläger seinen vermeintlichen Anspruch durch illoyal verspätete Geltendmachung verwirkt, da er - obwohl er als Mitglied der Tarifkommission vom gesamten Sachverhalt vertiefte Kenntnisse gehabt habe - erstmals am 29.07.2021 Forderungen erhoben habe. Durch seine Abstimmung für den Sanierungstarifvertrag habe er ihr gegenüber deutlich gemacht, dass er sich zu den Regelungen des Sanierungstarifvertrages bekenne. Sein Verhalten stelle sich vor diesem Hintergrund als widersprüchlich und rechtsmissbräuchlich dar.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 03.08.2022 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Sanierungstarifvertrag finde kraft beiderseitiger Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Der Anwendbarkeit stehe nicht entgegen, dass bis zum Inkrafttreten des Sanierungstarifvertrages die Regelungen der Flächentarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW teilweise für den Kläger günstigere Regelungen enthielten. Zwischen gleichrangigen Tarifnormen desselben Normgebers gelte das Ablöseprinzip; der Sanierungstarifvertrag habe im Rahmen seines Geltungsbereichs die Flächentarifverträge abgelöst. Einer Geltung des Sanierungstarifvertrages stehe auch nicht die im Arbeitsvertrag vereinbarte Bezugnahmeklausel entgegen. Für die Anwendung des Günstigkeitsprinzips sei bei der Kollision von kollektiv wirkenden Tarifverträgen kein Raum.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 19.09.2022 zugestellt worden. Mit einem am 18.10.2022 auf elektronischem Wege beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz hat der Kläger Berufung eingelegt. Auf seinen Antrag ist die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 23.01.2023 verlängert worden. Am 23.01.2023 ist sodann auf elektronischem Wege die - nicht qualifiziert signierte - und mit "Rechtsanwalt Ekkehard Daun" abschließende Berufungsbegründung durch den Absender "Ekkehard Daun" eingegangen, wobei der Prüfvermerk den Hinweis erhielt: "Prüfung des sicheren Übermittlungswegs zum Prüfungszeitpunkt nicht möglich". Auf entsprechenden Hinweis des Gerichts vom 26.01.2023 hat der Klägervertreter am 27.01.2023 die Berufungsbegründung erneut übersendet sowie Screenshots aus dessen beA- Postausgang (Bl. 120 f. d. A.) beigefügt, nach denen durch Ekkehart Daun am 23.01.2023 um 16:43 eine Datei mit dem Dateinamen "BerufungsbegründungKlageerweiterung.pdf" erfolgreich an das Landesarbeitsgericht Düsseldorf versandt wurde.

Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe unrichtig entschieden. Es sei zwar zutreffend, dass der Sanierungstarifvertrag eigentlich kraft beiderseitiger Tarifbindung grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sei. Dieser Anwendbarkeit stehe jedoch entgegen, dass in dem von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrag bestimmt worden sei, dass auf das Arbeitsverhältnis die "Tarifverträge für die Metall-, Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens" anzuwenden sein. Über die in dieser Weise individualrechtlich im Wege einer AGB-Regelung vereinbarte Anwendung bleibe es bei den Ansprüchen aus den Flächentarifverträgen. Es habe ein Günstigkeitsvergleich zu erfolgen, denn es kollidierten nicht zwei Tarifverträge miteinander, sondern vielmehr ein Tarifvertrag mit einem Arbeitsvertrag. Der Arbeitsvertrag selber nehme den Sanierungstarifvertrag nicht in Bezug, dieser werde - als firmenbezogener Verbandstarifvertrag - von der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel nicht erfasst. Der anzustellende Günstigkeitsvergleich führe dazu, dass die individualrechtlich im Bezug genommenen Flächentarifverträge vorrangig gegenüber dem zeitlich nachfolgenden - ungünstigeren - Sanierungstarifvertrag blieben.

Der Kläger ist darüber hinaus weiterhin der Ansicht, widersprüchliches Verhalten seinerseits liege nicht vor. Zwischen der Tätigkeit als Gewerkschafts- bzw. Betriebsratsmitglied und der Eigenschaft als Arbeitnehmer müsse unterschieden werden.

Im Rahmen der Berufungsbegründung hat der Kläger seine Klage um das tarifliche Zusatzgeld für das Jahr 2022 sowie um einen Differenzanspruch hinsichtlich des Weihnachtsgeldes 2022 erweitert.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Q. vom 03.08.2022 1. festzustellen, dass der unternehmensbezogene Standort- und Beschäftigungssicherungsvertrag vom 12.11.2020 auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet; 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.242,83 € brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus 925,11 € brutto seit dem 01.05.2021; aus 354,67 € brutto seit dem 01.08.2021; aus 129,79 € brutto seit dem 01.09.2021; aus 20,51 € brutto seit dem 01.10.2021; aus 61,45 € brutto seit dem 01.11.2021; aus 715,31 € brutto seit dem 01.12.2021 zu zahlen; 3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 912,60 € brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 01.05.2022 zu zahlen; 4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn das tarifliche Zusatzgeld T-ZUG (B) gemäß Tarifvertrag Tarifliches Zusatzgeld für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 14.02.2018 i. H. v. 354,67 € (brutto) zu zahlen nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2022; 5. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für das Jahr 2022 restliches "Weihnachtsgeld" zu zahlen i. H. v. 689,61 € (brutto) nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2023.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Die Beklagte trägt vertiefend vor, für einen Günstigkeitsvergleich sei vorliegend schon deswegen kein Raum, da ein Tarifvertrag durch einen anderen abgelöst worden sei. Eine Kollision von tariflichen Regelungen mit individualvertraglichen Regelungen bestehe auch deswegen nicht, da die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel den Sanierungstarifvertrag einbeziehe. Die Bezugnahme auf die "Tarifverträge für die Metall-, Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens" umfasse vollumfänglich den von den Arbeitgeberverbänden und der IG-Metall geschlossenen Sanierungstarifvertrag. Selbst wenn man also, der Argumentation des Klägers folgend, eine Anwendung des Günstigkeitsprinzips über die Bezugnahmeklausel in Betracht ziehen würde, so sei als Ergebnis festzustellen, dass nach dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel nicht lediglich Flächentarifverträge einbezogen worden sein, die für alle Unternehmen in Nordrhein-Westfalen gelten würden, sondern vielmehr auch unternehmensbezogene Verbandstarifverträge.

Ergänzend ist die Beklagte der Auffassung, der Kläger sei zudem seiner Darlegungslast nicht nachgekommen, da er die seiner Ansicht nach einschlägigen Tarifverträge nicht konkret bezeichnet und zu deren Inhalt vorgetragen habe. Er habe das Gericht damit nicht in die Lage versetzt, den behaupteten Günstigkeitsvergleich vorzunehmen. Die einfache Benennung der entsprechenden Klauseln reiche nicht aus.

Hinsichtlich der im Rahmen der Berufungsbegründung klageerweiternd geltend gemachten Ansprüche ist die Beklagte darüber hinaus der Ansicht, zumindest der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf tarifliches Zusatzgeld sei verfallen. § 19 Ziffer 2 EMTV sehe eine Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit vor. Der behauptete Anspruch auf tarifliches Zusatzgeld sei vor der Klageerweiterung nicht geltend gemacht worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Parteischriftsätze in beiden Instanzen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge sowie auf den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung. Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO form- und fristgerecht auf elektronischem Wege eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. c) ArbGG. Es bestehen insbesondere keine Bedenken, dass die Berufungsbegründung frist- und formgemäß am 23.01.2023 beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangen ist. Sie trägt die Unterschrift des Klägervertreters, wurde von diesem an das Landesarbeitsgericht gesandt und ist dort eingegangen.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Die geltend gemachten Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Der Sanierungstarifvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

1.

Der Feststellungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

a.

Der Feststellungsantrag ist zulässig, das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor.

aa.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsantrages ein besonderes rechtliches Interesse daran erforderlich, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Sie stellt sicher, dass die Gerichte das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses tatsächlich klären können und nicht im Sinn einer gutachterlichen Tätigkeit über bloße Meinungsverschiedenheiten der Betroffenen befinden. Demzufolge muss die erstrebte Feststellung geeignet sein, den zwischen den Parteien bestehenden Streit zu beenden und die Rechtsunsicherheit über die Rechtsstellung der klagenden Partei zu beseitigen sowie andernfalls ggf. erforderliche Leistungsklagen entbehrlich zu machen (vgl. BAG v. 15.07.2020 - 10 AZR 507/18 - Rn. 40, juris).

bb.

Hiernach ist das besondere Feststellungsinteresse gegeben. Durch die gerichtliche Entscheidung kann der Streit der Parteien über die Anwendbarkeit des Sanierungstarifvertrages beigelegt werden. Ist geklärt, ob dieser Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, kann auch festgestellt werden, ob und in welcher Höhe dem Kläger weitere Zahlungsansprüche zustehen.

b.

Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Der Sanierungstarifvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

aa.

Der Sanierungstarifvertrag findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Parteien gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG Anwendung.

(1)

Der Kläger ist Mitglied der IG Metall, die Beklagte ist Mitglied der Arbeitgeberverbände, die den Sanierungstarifvertrag geschlossen haben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterfällt auch dem räumlichen und persönlichen Anwendungsbereich des Tarifvertrages gemäß A. § 1 1. Sanierungstarifvertrag.

(2)

Im Umfang seines Geltungsbereichs hat der Sanierungstarifvertrag die - ebenfalls kraft beiderseitiger Tarifbindung geltenden - Flächentarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens abgelöst.

(a)

Zwischen gleichrangigen Tarifnormen desselben Normgebers gilt das Ablöseprinzip (Zeitkollisionsprinzip). Danach löst ein neuer Tarifvertrag die alte Ordnung in dem von den Tarifvertragsparteien bestimmten Umfang ab. Tarifvertragliche Normen tragen somit während der Laufzeit des Tarifvertrages den immanenten Vorbehalt ihrer Abänderbarkeit durch Tarifvertrag in sich. Die Tarifvertragsparteien können grundsätzlich jederzeit einen von ihnen früher selbst vereinbarten Tarifvertrag abändern, einschränken oder aufheben (BAG v. 06.12.2017 - 10 AZR 575/16 - Rn. 34 f., BAG v. 21.09.2010 - 9 AZR 515/09 - Rn. 45, juris). Dabei setzt die Ablösung tariflicher Regelungen durch einen anderen Tarifvertrag voraus, dass die aufeinanderfolgenden Tarifvereinbarungen von denselben Tarifvertragsparteien geschlossen werden. Ein solcher Fall ist nicht gegeben, wenn ein an einen Verbandstarifvertrag kraft Mitgliedschaft gebundener Arbeitgeber mit der Gewerkschaft, die diesen Tarifvertrag vereinbart hat, einen Haustarifvertrag, abschließt. In einem solchen Fall findet auch hinsichtlich übereinstimmender Regelungsbereiche keine Ablösung statt, sondern es kann lediglich eine Tarifkonkurrenz eintreten (Münchner Kommentar zum Arbeitsrecht/Spinner 9. Auflage 2023 § 611a BGB Rn. 277).

(b)

Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, waren im vorliegenden Fall sowohl an den Flächentarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens als auch an dem streitgegenständlichen Sanierungstarifvertrag die IG Metall einerseits und METALL NRW andererseits als Normgeber beteiligt. Diese Tarifvertragsparteien konnten durch Abschluss des Sanierungstarifvertrages die von ihnen selbst gesetzten Normen der Flächentarifverträge für die Arbeitnehmer der Beklagten am Standort L. vorübergehend abändern. Es handelt sich gerade nicht um einen Sanierungstarifvertrag, der als Haustarifvertrag zwischen der Beklagten und der IG Metall abgeschlossen worden wäre. Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien im vorliegenden Fall den Weg über einen verbandsbezogenen Firmentarifvertrag gewählt und sind selber als tarifschließende Parteien tätig geworden. Dabei ist es unerheblich, dass es sich bei dem Sanierungstarifvertrag nicht um einen Flächentarifvertrag, sondern um einen firmenbezogenen Tarifvertrag handelt. Ebenfalls unerheblich ist es, dass auf Arbeitgeberseite am Abschluss des Sanierungstarifvertrages auch der Verband der Metallindustrie Niedersachsen e. V. sowie der Verband der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt e. V. beteiligt gewesen sind. Entscheidend für die Frage der Ablösung ist, ob die Tarifvertragsparteien, die die Flächentarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens abgeschlossen haben, auch als Tarifvertragsparteien am Abschluss des Sanierungstarifvertrages beteiligt waren. Das ist hier der Fall.

bb.

Etwas Anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Parteien in Ziffer 11 des Arbeitsvertrages vereinbart haben, dass auf das Arbeitsverhältnis "die Tarifverträge für die Metall-, Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens, ..." Anwendung finden. Entgegen der Auffassung des Klägers sind damit nicht aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung ausschließlich die Flächentarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens in Bezug genommen worden. Für einen Günstigkeitsvergleich ist kein Raum.

(1)

Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis normativ geltenden Tarifregelungen sowie den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG) zu lösen (ständige Rechtsprechung vgl. nur BAG v. 25.01.2023 - 4 AZR 171/22 - Rn. 21, juris; BAG v. 12.12.2018 - 4 AZR 123/18 - Rn. 34, juris). Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertragliche Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt sich aus einem Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung. Bei diesem sogenannten Günstigkeitsvergleich sind die durch Auslegung zu ermittelnden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen zu vergleichen, die in einem inneren Zusammenhang stehen, sog. Sachgruppenvergleich (BAG v. 25.01.2023 - 4 AZR 171/22 - Rn. 21, juris; BAG v. 15.04.2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 27 ff., juris; BAG v. 10.12.2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 41/42, juris).

(2)

Im vorliegenden Rechtsstreit kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einem Günstigkeitsvergleich im Sinne des § 4 Abs. 3 TVG zwischen den Regelungen des Sanierungstarifvertrages und den über Ziffer 11 des Arbeitsvertrages individualrechtlich vereinbarten Regelungen der (Flächen)Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens. Ein Günstigkeitsvergleich findet zwar statt, wenn eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag verweist und ein anderer Tarifvertrag unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis einwirkt (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Franzen 23. Auflage 2023, § 4 TVG Rn. 37), nicht jedoch, wenn ein Tarifvertrag durch einen anderen abgelöst wird (MüKo/Spinner § 611a BGB Rn. 277). Hinsichtlich der im Sanierungstarifvertrag geregelten Tatbestände war dieser jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum der einzig gültige Tarifvertrag, der die Flächentarifverträge abgelöst hat.

(3)

Selbst wenn man dies anders sehen wollte und grundsätzlich einen Günstigkeitsvergleich zuließe, fehlte es an einer Kollision. Eine Auslegung von Ziffer 11 des Arbeitsvertrages ergibt, dass es sich auch bei dem Sanierungstarifvertrag um einen der "Tarifverträge für die Metall-, Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens" handelt, die individualrechtlich in Bezug genommen worden sind.

(a)

Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, also nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB um Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und die eine Vertragspartei, der Verwender, der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Arbeitsvertrages oder bei dessen Änderung gestellt hat. Aus dem äußeren Erscheinungsbild und dem Inhalt typisierter Bedingungen kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein für das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen ergeben (vgl. BAG v. 03.12.2019 - 9 AZR 33/19 - juris; BAG v. 18.09.2018 - 9 AZR 162/18 - juris). Für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingungen liegen bereits dann vor, wenn eine Partei von einem anderen vorformulierte Vertragsbedingungen benutzt, selbst wenn die Partei eine mehrfache Verwendung nicht plant (BGH v. 16.11.1990 - NJW 1991, 843 [BGH 16.11.1990 - V ZR 217/89] ; Erf.Komm./ Preis § 310 BGB Rn. 22). Es reicht deshalb, wenn einmalig ein Vertragsmuster verwendet wird (vgl. Erf.Komm./ Preis § 310 Rn. 22a).

Im vorliegenden Fall sind Allgemeine Geschäftsbedingungen gegeben. Es handelt sich offenkundig um einen vorformulierten Arbeitsvertrag auf Basis eines Vertragsmusters.

(b)

Für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen kommt es darauf an, wie die Klauseln nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn von verständigen und redlichen Geschäftspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen (st. Rspr., vgl. nur BAG v. 16.06.2021 - 10 AZR 31/20 - Rn. 17, juris; BAG v. 03.06.2020 - 3 AZR 730/19 - Rn. 51, juris; BAG v. 30.01.2019 - 5 AZR 450/17 - Rn. 47, juris). Ansatzpunkt für die sich nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist er nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG v. 16.06.2021 - 10 AZR 31/20 - Rn. 17, a.a.O.; BAG v. 23.03.2021 - 3 AZR 99/20 - Rn. 15, juris; BAG v. 30.01.2019 - 5 AZR 450/17 - Rn. 47, a.a.O.; BAG v. 19.12.2018 - 10 AZR 233/18 - Rn. 31, juris). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders (BAG v. 16.06.2021 - 10 AZR 33/20 - Rn. 17, a.a.O.; BAG v. 23.03.2021 - 3 AZR 99/20 - Rn. 15, a.a.O.; BAG v. 30.01.2019 - 5 AZR 450/17 - Rn. 47, a.a.O.).

(c)

Eine Auslegung von Ziffer 11 des Arbeitsvertrages anhand der dargelegten Auslegungsgrundsätze ergibt, dass der Sanierungstarifvertrag von der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel umfasst wird. Schon der Wortlaut der Bezugnahmeklausel, nach dem die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung finden sollen, spricht - auch nach dem objektiven Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Vertragspartners - dafür, dass sämtliche Tarifverträge, die für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens gelten, in Bezug genommen worden sind. Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens sind dabei solche, die von den zuständigen Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden sind, also von der IG Metall auf der einen und METALL NRW auf der anderen Seite. Zu diesen Tarifverträgen gehört auch der hier streitige Sanierungstarifvertrag.

Nicht entscheidend ist hingegen, dass es sich - was dem Kläger zuzugeben ist - bei den Tarifverträgen "für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens" üblicherweise um Flächentarifverträge handelt, die für eine Vielzahl von Unternehmen abgeschlossen werden (so auch BAG v. 11.07.2018 - 4 AZR 533/17 -, juris für eine Bezugnahme auf die "jeweils geltenden Tarifverträge des Einzelhandels"); der hier abgeschlossene firmenbezogene Verbandstarifvertrag jedoch kein solcher Flächentarifvertrag ist. Zwar ist bei der Bezugnahme auf die Tarifverträge einer bestimmten Branche, unter der regelmäßig eine Vielzahl von Unternehmen umfasst sind, üblicherweise ein Flächentarifvertrag zu verstehen (BAG v. 11.07.2018 - 4 AZR 533/17 - Rn. 23, juris; BAG v. 12.12.2018 - 4 AZR 123/18 - Rn. 22, juris). Dies bedeutet jedoch im Streitfall nicht, dass sich die hier streitgegenständliche Bezugnahmeklausel vom Wortlaut her ausschließlich auf Flächentarifverträge bezieht. Auch Tarifverträge, die keine Flächentarifverträge sind, können "Tarifverträge für die Metall-, Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen" sein. Die Abgrenzung richtet sich maßgeblich danach, wer die vertragsschließenden Tarifvertragsparteien sind. Dies entspricht auch der Wertung des Bundesarbeitsgerichts, das beispielsweise in der Entscheidung vom 12.12.2018 - 4 AZR 123/18 - darauf abgestellt hat, dass eine Auslegung dahingehend, dass von einer allgemeinen Bezugnahmeklausel auch Haustarifverträge erfasst würden, zur Folge hätte, dass der Vertragsinhalt über seinen Wortlaut hinaus erweitert würde. Es würden dadurch nicht nur Tarifverträge zur Anwendung gelangen, die einen anderen Geltungsbereich haben, sondern auch solche, die - anders als bei verbandsbezogenen Firmentarifverträgen - von anderen Tarifvertragsparteien geschlossen worden sind. Dies sei vom erkennbaren Willen der Arbeitsvertragsparteien nicht erfasst (BAG vom 12.12.2018 - 4 AZR 271/18 - Rn. 23, juris). Mithin sieht es auch das Bundesarbeitsgericht als maßgebend an, ob der zeitlich jüngere Tarifvertrag von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden ist wie der bislang geltende Tarifvertrag. Nichts Anderes ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.07.2018 (- 4 AZR 370/17 -). In der dortigen Bezugnahmeklausel hieß es "ab dem 01.Juli 2007 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ... und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung ..." Auch in diesem Fall wurde zeitlich später ein Haustarifvertrag abgeschlossen. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass es sich bei dem Haustarifvertrag nicht um einen "ergänzenden, ändernden oder ersetzenden" Tarifvertrag im Sinne des Arbeitsvertrages handelte und dieses Ergebnis damit begründet, mit der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeregelung hätten nur die von den Tarifvertragsparteien des TVöD/VKA abgeschlossenen (Verbands-) Tarifverträge in Bezug genommen werden sollen. Dies könnten zwar auch firmenbezogene Sanierungstarifverträge sein. Sie müssten dann aber unter Beteiligung des kommunalen Arbeitgeberverbandes geschlossen worden sein. Nicht von der Bezugnahme Klausel erfasst seien hingegen Haustarifverträge eines privaten Arbeitgebers, denn diese seien, jedenfalls arbeitgeberseitig, nicht von den Tarifvertragsparteien des TVöD/VKA abgeschlossen worden (BAG v. 11.07.2018 - 4 AZR 370/17 - Rn. 17).

Soweit das Bundesarbeitsgericht in der weiteren Entscheidung vom 11.07.2018 (- 4 AZR 533/17 -) unter Rn. 23 ausgeführt hat, ein Verweis auf die Tarifverträge einer bestimmten Branche sei als Verweis auf die jeweiligen Flächentarifverträge zu verstehen, hat es auch diese Ausführungen in Bezug auf einen später abgeschlossenen Haustarifvertrag gemacht und ausdrücklich offengelassen, ob von einer solchen Bezugnahmeklausel gegebenenfalls auch ein firmenbezogener Verbandstarifvertrag erfasst wäre (für eine solche Inbezugnahme vgl. auch: BAG v. 20.01.2009 - 9 AZR 146/08 - juris sowie BAG v. 11.10.2006 - 4 AZR 486/05 - juris).

Abstellend auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Verwenders ist demnach festzustellen, dass dieser rechnen musste, dass geltende Tarifregelungen durch die Tarifvertragsparteien, die auch die Flächentarifverträge der Metall- und Elektroindustrie abgeschlossen haben, abgeändert werden würden. Ob die Abänderung durch die Tarifvertragsparteien im Einzelfall über den Abschluss neuer Flächentarifverträge, die Änderung bestehender Flächentarifverträge oder - wie hier - firmenbezogene Verbandstarifverträge erfolgt, ist unerheblich.

c.

Die Zahlungsanträge sind ebenfalls unbegründet.

aa.

Allerdings ist die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung zulässig.

(1)

Nach § 533 ZPO, der gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren Anwendung findet, ist eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO bzw. im Arbeitsgerichtsprozess gemäß § 67 ArbGG zugrunde zu legen hat (LAG Düsseldorf v. 17.03.2017 - 6 Sa 982/16 - Rn. 61, juris). Sachdienlichkeit liegt vor, wenn der bisherige Prozessstoff als Entscheidungsgrundlage verwertbar bleibt und durch die Zulassung der Klagehäufung ein neuer Prozess vermieden wird. Maßgeblich für die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Sachdienlichkeit ist demnach der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit (BAG v. 14.06.2017 - 10 AZR 308/15 - Rn. 39, juris). Die Sachdienlichkeit einer Klageänderung ist erst dann zu verneinen, wenn in der Berufungsinstanz ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt wird, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann. Besteht zwischen mehreren Streitgegenständen ein innerer rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang, so ist es regelmäßig sachdienlich, diese Streitgegenstände in einem Verfahren zu erledigen (BAG v. 06.12.2001 - 2 AZR 733/00 - Rn. 34 ff., juris).

(2)

Hiernach ist die Klageerweiterung zulässig. Der Kläger macht mit ihr weitere ihm grundsätzlich auf Basis der Flächentarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens zustehende tarifliche Ansprüche geltend. Bei der Beurteilung dieser geltend gemachten Ansprüche kann das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet werden.

bb.

Dem Kläger stehen keine weiteren Zahlungsansprüche zu. Der Sanierungstarifvertrag vom 12.11.2020 findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung und schränkt in seinem § 10 für den Standort L. im Zeitraum 2020 bis 2025 die tariflichen Ansprüche auf Zahlung des Tariflichen Zusatzgeldes, der zusätzlichen Urlaubsvergütung, des 13. Monatseinkommens sowie Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung ein. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche betreffen ausschließlich solche aufgrund des Sanierungstarifvertrages nicht geschuldete Vergütungsbestandteile. Ein Anspruch darauf besteht nicht.

Da der Zahlungsanspruch bereits tatbestandlich nicht gegeben ist, konnte die Frage eines etwaigen Verfalls der geltend gemachten Ansprüche bzw. die Frage, ob der Kläger sich bei der Verfolgung individualrechtlicher Ansprüche rechtsmissbräuchlich verhalten hat, weil er als Mitglied der Tarifkommission dem Abschluss des Sanierungstarifvertrages zugestimmt hat, dahinstehen.

B.

I.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO. Als unterlegene Partei trägt der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens.

II.

Die Kammer hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung zugemessen und daher für den Kläger die Revision zugelassen.

D. BarthEhrhardtBrodrick

Vorschriften§ 305 c) BGB, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 ZPO, § 256 Abs. 1 ZPO, §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG, § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG, § 4 Abs. 3 TVG, § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 305c Abs. 2 BGB, § 533 ZPO, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 529 ZPO, § 67 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO