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Urteil vom 12.01.2023 · IWW-Abrufnummer 237051

Landesarbeitsgericht Köln - Aktenzeichen 6 Sa 222/22

Einzelfall zur Eingruppierung eines Krankenpflegers in der Psychiatrie


Tenor: 1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.02.2022 - 9 Ca 1561/21 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an ihn 1.275,39 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 157,98 EUR seit dem 17.02.2020, 17.03.2020, 17.04.2020, 17.05.2020, 17.06.2020, 17.07.2020, 17.08.2020 und 17.09.2020. 2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die richtige Eingruppierung des Klägers aus einem inzwischen beendeten Arbeitsverhältnis.

Der Kläger war in der Zeit vom 01.01.2011 bis zum 30.09.2020 bei der Beklagten als Gesundheits- und Krankenpfleger beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag BAT-KF Anwendung. In dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus war der Kläger im Bereich Psychiatrie tätig. Zuletzt wurde der Kläger nach der Entgeltgruppe 7 a BAT-KF ("Fachkraft mit entsprechender Tätigkeit") vergütet. Die Parteien streiten um die Auffassung des Klägers, die Entgeltgruppe 8 a BAT-KF sei die richtige gewesen ("Fachkräfte in Tätigkeiten, für die eine Fachweiterbildung vorgesehen ist und entsprechender Tätigkeit").

In § 10 des BAT-KF heißt es wörtlich (Unterstreichungen nur hier):

§ 10 Eingruppierung

( 1 ) Die Eingruppierung der Mitarbeitenden richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen des Allgemeinen Entgeltgruppenplans zum BAT-KF (Anlage 1), des Pflegepersonal-Entgeltgruppenplanes (Anlage 2), des Entgeltgruppenplans für Stammkräfte in Qualitäts- und Beschäftigungsgesellschaften, Arbeitsmarktinitiativen, arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und Projekten sowie Integrationsfirmen (Anlage 3) des Entgeltgruppenplans für Mitarbeiterinnen in Kindertageseinrichtungen (Anlage 8) oder des Entgeltgruppenplans für Mitarbeiterinnen im Sozial- und Erziehungsdienst (Anlage 9). Mitarbeitende erhalten Entgelt nach der Entgeltgruppe, in die sie eingruppiert sind.

( 2 ) Die/Der Mitarbeitende ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr bzw. ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z. B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Unterabsatz 2 Satz 1 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von Unterabsatz 2 oder 3 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person der bzw. des Mitarbeitenden bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein.

( 3 ) 1 Die Entgeltgruppe der bzw. des Mitarbeitenden ist im Arbeitsvertrag anzugeben.

Protokollnotizen zu Absatz 2:

1 Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der bzw. des Mitarbeitenden, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z. B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung).

2 Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.

3 Eine Anforderung im Sinne des Unterabsatzes 2 ist auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren Entgeltgruppe.

In der Anlage 2 zum BAT-KF; Entgeltgruppenplan zum BAT-KF für Mitarbeiterinnen im Pflegedienst (Pflegepersonal-Entgeltgruppenplan zum BAT-KF - PEGP.BAT-KF) heißt es unter anderem wörtlich (Unterstreichung nur hier):

Fallgruppe Tätigkeitsmerkmal EG 1. Mitarbeiterinnen mit Tätigkeiten, für die eine eingehende fachliche Einarbeitung notwendig ist1 3a 2. Mitarbeiterinnen, die über eine fachbezogene, mindestens einjährige Ausbildung verfügen, mit entsprechender Tätigkeit1 4a 3. Fachkräfte mit entsprechender Tätigkeit1, 2 7a 4. Mitarbeiterinnena. als Fachkräfte in Tätigkeiten, für die eine Fachweiterbildung vorgesehen ist und entsprechender Tätigkeit1, 2, 3 b. als Fachkräfte, die mit der Wahrnehmung einer besonderen pflegerischen Aufgabe betraut sind und entsprechender Tätigkeit1, 2, 4 c. Hebammen mit mindestens dreijähriger Ausbildung und entsprechender Tätigkeitd. als Praxisanleiterinnen in der Pflege mit berufspädagogischer Zusatzqualifikation nach bundesrechtlicher Regelung und entsprechender Tätigkeit 8a 5. Fachkräfte2 a. mit erfolgreich abgeschlossener Fachweiterbildung und entsprechender Tätigkeit1, 3 b. die mit der Wahrnehmung von fachlich koordinierenden Aufgaben betraut sind1, 5 9a

Für den Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege im Bereich "Pflege in der Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie" sieht die deutsche Krankenhausgesellschaft eine Weiterbildung vor. Für Fachkräfte mit einer solchen erfolgreich abgeschlossenen Fachweiterbildung und entsprechender Tätigkeit ist die Entgeltgruppe 9 a BAT-KF vorgesehen. Da der Kläger die Fachweiterbildung nicht abgeschlossen hat, macht er nicht eine Eingruppierung nach dieser Entgeltgruppe 9 a BAT-KF geltend. Er begehrt mit seiner Klage vielmehr die Eingruppierung nach der Fallgruppe 4 a in die Entgeltgruppe 8 a BAT-KF, die eine "entsprechende Tätigkeit" betrifft, für Beschäftigte, die eine solche Fachweiterbildung nicht abgeschlossen haben.

Mit der seit dem 17.03.2021 beim Arbeitsgericht Köln anhängigen Klage hat der Kläger für den tariflich nicht verfallenen Zeitraum die Zahlung des Differenzbetrages zwischen der Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 a und der Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 a begehrt.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe auf seiner Station (P1), die 18 Betten habe, Menschen mit Persönlichkeitsstörungen, Angststörungen, Depressionen, Zwangsstörungen, Neurosen und deren Mischdiagnosen behandelt. Mit Blick auf diese Patienten sei er mit den folgenden Arbeitsleistungen betraut gewesen (Unterstreichungen nur hier):

- Medikamente stellen

- Medikamenteneinnahme und Kontrolle derselben

- Essbegleitung

(Anwesenheit bei den Mahlzeiten zur Kontrolle essgestörter Patienten und Beobachtung sozialer Interaktionen)

- Akten- und Kurvenführung

- Versorgung und Begleitung von Patienten in Krisen (Deeskalation bei Selbstverletzungstendenzen oder Suizidalität durch Gespräche)

- Intensiver Austausch mit Ärzten und Therapeuten zur Feststellung des Status quo.

- Planung der weiteren Therapie jedes Patienten

- Sicherstellung der Teilnahme aller Patienten an den Therapien

- Aufnahme- und Entlassungsprozedere der Patienten (administrativer Aufwand)

- Teilnahme an Visiten

- Versorgung von Patienten mit somatischer Auffälligkeit (Wundversorgung etc.)

- Intervention bei Konflikten der Patienten untereinander

- Dokumentation jedes Patienten im System

- Anforderungen erstellen, Umsetzen von diagnostischen Anordnungen (Blutentnahme/Röntgen/ect.)

- Schreiben von EKG's

- Bei Erkrankungen von Kolleginnen und Kollegen die Suche nach Ersatz

- Das Schreiben des Dienstplans

- Die Sicherung der Einhaltung und Umsetzung von Hygienevorgaben

- Die Sichtung und Bestellung von Arbeitsmaterialien

- Die Organisation und Teilnahme an Konzeptbesprechungen

- Die Pflege fixierter Patienten

- Die Gestaltung von Räumen (sogenannte Milieugestaltung)

- Das Modifizieren von Möbeln und Betten

- Die Sicherstellung pflegerischer Präsenz für die Patienten in der Psychiatrie

Er sei in der Psychiatrie beschäftigt. Damit meine er nicht nur den Ort, an dem er seine Arbeitsleistung zu erbringen habe, sondern er meine den organisatorischen Bereich der Klinik, in dem Tätigkeiten anfielen, für die eine Fachweiterbildung vorgesehen sei. Diese Tätigkeiten übe er auch aus.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn an ihn 1.275,39 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 157,98 EUR seit dem 17.02.2020, 17.03.2020, 17.04.2020, 17.05.2020, 17.06.2020, 17.07.2020, 17.08.2020 und 17.09.2020.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Verteidigung gegen die Klage hat die Beklagte vorgetragen, das bloße Tätigwerden im Bereich Psychiatrie reiche nicht aus, um die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 8 a zu erfüllen. Es müsse auch eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt werden. Die Aufgabenbeschreibung des Klägers lasse aber nicht erkennen, dass er überwiegend Tätigkeiten ausübe, die ansonsten nur Pflegefachkräfte mit einer psychiatrischen Fachweiterbildung übertragen würden. Die Pflegefachkräfte mit einer psychiatrischen Fachweiterbildung übten ganz andere Tätigkeiten als der Kläger aus, nämlich zum Beispiel:

- die Vermittlung von psychisch-medizinischen (nicht pflegerischen!) Grundlagen an andere Mitarbeiter

- die Durchführung von fachspezifischen innerbetrieblichen Fortbildungen

- die Mitwirkung an ethischen und moralischen Grundsatzfragen

- die Umsetzung, Vermittlung und Begleitung bei der Umsetzung von Pflegewissenschaftlichen Grundlagen

- die pädagogische Anleitung von Laien, Hilfspersonal, neuen Mitarbeitern und Fachweiterbildungsteilnehmer für psychiatrische Pflege,

- die Einbeziehung von aktuellen pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen, in den Pflegeprozess

- die Umsetzung von Konzepten und Methoden der psychiatrischen Pflege

- Beratung über psychiatrisch-medizinische Grundlagen im Kontext mit Pflegeproblemen, Pflegediagnosen etc.

- Einbeziehung von psychologischen und sozialwissenschaftlichen Grundlagen in die Pflegebedarfsanalyse

- Kenntnisse rechtlicher Grundlagen in der psychiatrischen Versorgung

- Kenntnisse über regionale psychiatrische und psychosoziale Versorgungsstrukturen.

Das alles ergebe sich aus einer Musterstellenbeschreibung (Bl. 88 d.A.). Die vom Kläger dargestellte Tätigkeit zeige nahezu keine Überschneidungen mit der besagten Musterstellenbeschreibung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage des Klägers mit Urteil vom 02.02.2022 mit der Begründung abgewiesen es sei nach den Darlegungen des Klägers nicht zu erkennen, dass die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit inhaltlich der Tätigkeit einer Pflegefachkraft mit Fachweiterbildung im Bereich Psychiatrie entspreche. Soweit der Kläger Tätigkeiten benannt habe, die tatsächlich für eine Arbeit in der Psychiatrie spezifisch seien, habe er nicht deutlich gemacht, welche dieser Tätigkeiten einen Arbeitsvorgang bildeten und in welchem zeitlichen Umfang der jeweilige Arbeitsvorgang anfalle.

Gegen dieses ihm am 24.02.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.03.2022 Berufung eingelegt und er hat diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.05.2022 am 23.05.2022 begründet.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, es sei nicht der Ort "Psychiatrie" auf den bezogen er sein Höhergruppierungsbegehren verfolge, sondern der Tätigkeitsbereich "Psychiatrie". Er gehe davon aus, dass "psychiatrische Fachpflege" jede Pflege von Patienten mit psychiatrischen Diagnosen bedeute. Alleine die Tatsache, dass er einen Pieper trage, der ihn durchschnittlich mindestens einmal am Tag alarmiere, um ihn zu veranlassen bei Konflikten mit psychiatrischem Hintergrund zu intervenieren, zeige, dass die psychiatrische Fachpflege seine Tätigkeit präge. In der Organisation der Beklagten gebe es keine getrennten Teams von Psychiatriepflegern, bei denen die eine Hälfte ohne Fachweiterbildung "nur" Grundpflege betreibe und die andere Hälfte erst nach Durchführung der Grundpflege mit der fachspezifischen Psychiatriepflege beginne. Eine solche Trennung sei auch gar nicht möglich.

Soweit es für die Entscheidung des Falles darauf ankomme, sei zu betonen, dass nach seiner Auffassung von nur einem einzigen großen Arbeitsvorgang auszugehen sei. Eine Trennung zwischen Fachpflege und Grundpflege sei so gut wie nicht möglich. Jedenfalls finde eine solche Trennung bei der Beklagten nicht statt. Es habe keine einzige Anweisung gegeben, der zufolge konkrete Tätigkeiten nur von fachweitergebildetem Personal durchzuführen gewesen sei. Das Arbeitsergebnis, das den einheitlichen Arbeitsvorgang präge, sei "der gepflegte und betreute Psychiatriepatient".

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.02.2022 - 9 Ca 1561/21 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.275,39 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 157,98 EUR seit dem 17.02.2020, 17.03.2020, 17.04.2020, 17.05.2020, 17.06.2020, 17.07.2020, 17.08.2020 und 17.09.2020.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zu einem überwiegenden Anteil übe der Kläger weisungsgemäß nur solche Tätigkeiten aus, die allgemein pflegerischer Art seien und die sowohl auf somatischen wie auch auf psychiatrischen Stationen anfielen. Dies seien Tätigkeiten, die von allen examinierten Fachkräften auszuüben seien (Beispiele: EKG, Blutentnahme, Medikamentengabe, Materialbestellung usw.). Zu der bereits erstinstanzlich mitgeteilten Stellenbeschreibung einer Fachpflegekraft gebe es hier kaum Überschneidungen. Die psychiatrische Fachpflege bleibe den Pflegerinnen und Pflegern mit abgeschlossener Fachweiterbildung vorbehalten. Es bestehe ein Unterschied zwischen "Pflege in der Psychiatrie" und "Psychiatriepflege". Deshalb könne es nicht nur um einen einzigen Arbeitsvorgang gehen, sondern um zwei getrennte Arbeitsvorgänge, nämlich zum einen die grundsätzliche Pflege und Betreuung der Patienten und zum anderen die individuelle, den Besonderheiten der psychiatrischen Erkrankungen angepasste Unterstützung von Patienten auf ihrem Weg in ein selbstbestimmtes Leben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

I. Die Berufung des Klägers ist als Eingruppierungsfeststellungsklage im Bereich des öffentlichen Dienstes zulässig. Sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte in rechnerisch unstreitiger Höhe einen Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen der an ihn tatsächlich gezahlten Vergütung nach der Entgeltgruppe 7a und der Vergütung, die der Entgeltgruppe 8 a entspricht. Der Anspruch folgt aus § 611 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag und § 10 BAT-KF sowie der Fallgruppe 4 a der Anlage 2 zum BAT-KF, Entgeltgruppenplan zum BAT-KF für Mitarbeiterinnen im Pflegedienst. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Der Rechtsprechung des 6. Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 29.06.2017 - 6 AZR 785/15) folgend war vorliegend der Kläger schon deshalb nach der Entgeltgruppe 8 a BAT-KF zu vergüten, weil die Beklagte beim Arbeitseinsatz nicht zwischen den Beschäftigten mit und ohne Fachweiterbildung unterscheidet. Jedenfalls ist aber von einem einzigen Arbeitsvorgang auszugehen, für den die Tätigkeit prägend war, die der Tätigkeit der Beschäftigten mit erfolgreich abgeschlossener Fachweiterbildung entspricht.

Die vom 6. Senat in der zitierten Entscheidung vorgezeichnete Prüfungsreihenfolge stellt sich wie folgt dar (dort ab Rn. 32): (1.) Zunächst ist zu prüfen, ob die Behauptung des Klägers zutrifft, er erbringe dieselbe Tätigkeit wie alle im Bereich Psychiatrie tätigen Kollegeninnen und Kollegen, sei es mit oder ohne Fachweiterbildung. Dabei kommt es ausschließlich darauf an, welche tatsächlichen Tätigkeiten dem Kläger und den anderen Beschäftigten übertragen worden sind, die die Tätigkeitsmerkmale einer Entgeltgruppe erfüllen und der Tätigkeit das Gepräge geben. Wenn nach dieser Prüfung festgestellt werden kann, dass der Kläger von der dafür verantwortlichen Person tatsächlich dieselben Aufgaben übertragen worden sind wie Fachpflegekräften in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit, die deshalb nach der Fallgruppe 5 in die Entgeltgruppe 9a eingruppiert waren bzw. sind, wird die Beklagte den Kläger in die Entgeltgruppe 8 a einzugruppieren haben. (2.) Wenn die Beklagte bei der Aufgabenzuweisung demgegenüber tatsächlich zwischen Arbeitnehmern, die "einfache" Tätigkeiten als Krankenpfleger verrichten, und solchen, die Aufgaben einer Fachpflegekraft für Psychiatrie erfüllen, differenziert, muss geprüft werden, ob dem Kläger Tätigkeiten übertragen worden sind, die den Aufgaben einer Fachpflegekraft in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit vergleichbar sind. Hier geht es also nicht mehr um den direkten Vergleich der dem Kläger zugewiesenen Tätigkeit mit der Tätigkeit, die weitergebildeten Kolleginnen und Kollegen zu verrichten haben, sondern es geht unmittelbar um die Frage der Eingruppierung nach § 10 BAT-KF. Dabei ist der bloße Bezug auf Stellenbeschreibungen oder Anforderungsprofile grundsätzlich nicht ausreichend. (vgl. BAG 24. August 2016 - 4 AZR 251/15 - Rn. 30). Vielmehr geht es um die Frage, ob die Erfüllung der Aufgaben einer Fachpflegekraft die Tätigkeiten des Klägers im Rahmen eines Arbeitsvorganges, der mehr als die Hälfte der Arbeitszeit in Anspruch nimmt, prägt.

1. Der Kläger erbrachte bei der Beklagten im Bereich Psychiatrie dieselben Tätigkeiten, wie alle in diesem Bereich tätigen Kollegeninnen und Kollegen, also auch den Kolleginnen und Kollegen mit Fachweiterbildung. Damit hat er im Tarifsinne eine "entsprechende" Tätigkeiten ausgeübt, "für die eine Fachweiterbildung vorgesehen ist". Diese Tatsache gilt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig. Der Kläger, der nach der allgemeinen Beweislastregel die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen trägt, die sein Höhegruppierungsbegehren bedingen sollen, hat vorgetragen, dass alle pflegenden Tätigkeiten, die im Bereich Psychiatrie anfallen, von allen Kolleginnen und Kollegen ausgeübt würden und dass im Dienstplan kein Unterschied gemacht werde zwischen den Kolleginnen und Kollegen mit Fachweiterbildung und denen ohne Fachweiterbildung. Nach § 138 Abs. 2 ZPO wäre es nun an der Beklagten gewesen, sich vollständig und wahrheitsgemäß, also nach den Maßstäben des § 138 Abs. 1 ZPO, auf diesen Vortrag einzulassen. Damit wäre es ihre Aufgabe gewesen darzustellen, welche Arbeiten sie ausschließlich den Mitarbeiter*innen mit Fachweiterbildung übertragen hat, die für die Mitarbeiter*innen ohne Fachweiterbildung nach ihrem unternehmerischen Konzept nicht in Betracht kämen. Eine solche Darstellung fehlt. Die Beklagte hat sich auf die Widergabe der Stellenbeschreibung beschränkt. Der bloße Bezug auf eine Stellenbeschreibung oder auf Anforderungsprofile ersetzt aber ebenso wie deren bloße Wiederholung den erforderlichen Tatsachenvortrag nicht (BAG v. 24.08.2016 - 4 AZR 251/15 -). Hinzukommt, dass die von der Beklagten zitierte Stellenbeschreibung zum Teil gar keine Tätigkeiten beschreibt, sondern nur notwendige Kenntnisse wie die "Kenntnisse rechtlicher Grundlagen in der psychiatrischen Versorgung" oder "die Kenntnisse über regionale psychiatrische und psychosoziale Versorgungsstrukturen"; außerdem finden sich in der Musterstellenbeschreibung Formulierungen, die eher Beschreibungen von Zuständen sind, als Beschreibungen von Tätigkeiten wie "die Mitwirkung an ethischen und moralischen Grundsatzfragen" und "die Einbeziehung von aktuellen pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen in den Pflegeprozess;" schließlich finden sich dort auch Formulierungen, die keinerlei Rückschluss auf eine (notwendig) gehobene Fachkenntnis zulassen wie "die Umsetzung von Konzepten und Methoden der psychiatrischen Pflege". Gehobene Fachkenntnisse mögen bei der Entwicklung von Konzepten und Methoden gefragt sein, die Umsetzung derselben aber obliegt allen nachgeordneten Diensten bis hin zu den Beschäftigten ohne jede Berufsausbildung. Da die Beklagte somit auf den Vortrag des Klägers nicht erheblich erwidert hat, war gemäß § 138 Abs. 3 ZPO der Vortrag des Klägers als wahr zu unterstellen: Im betrieblichen Alltag in der Psychiatrie der Beklagten werden mit Blick auf die übertragenen Tätigkeiten wie auch mit Blick auf den Dienstplan keine Unterschiede gemacht zwischen den Beschäftigten ohne Fachweiterbildung und den Beschäftigten mit Fachweiterbildung. Nach dem oben dargestellten Maßstab der Rechtsprechung des 6. Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 29.06.2017 - 6 AZR 785/15) war der Kläger schon deshalb nach der Fallgruppe 4 a in die Entgeltgruppe 8a Einzugruppieren.

2. Auch wenn zu Gunsten der Beklagten als richtig unterstellt wird, dass die Beklagte in der Zuweisung von Aufgaben und zu erledigenden Arbeitsleistungen zwischen den Pflegekräften mit und ohne Fachweiterbildung unterschieden hat, so ist jedenfalls festzustellen, dass die dem Kläger zugewiesene Tätigkeit die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 8 a erfüllt, denn (a.) es ist von einem einzigen Arbeitsvorgang auszugehen; (b.) dieser Arbeitsvorgang fällt - weil er der einzige ist - "zeitlich mindestens zur Hälfte" an; (c.) der Arbeitsvorgang wird hinreichend deutlich durch Tätigkeiten geprägt, "für die eine Fachweiterbildung vorgesehen ist".

(a.) Der Kläger erfüllt die ihm von der Beklagten gestellten Aufgaben im Rahmen nur eines einzigen Arbeitsvorganges. Der Arbeitsvorgang ist ein feststehender, abstrakter und, wie sich aus der Protokollnotiz ergibt, ein von den Tarifvertragsparteien vorgegebener Rechtsbegriff (hierzu und im Folgenden: BeckOK TV-L/Steuernagel, 56. Ed. 1.3.2022, TV-L § 12 Rn. 51-53), der im Laufe der Jahre durch die Rechtsprechung ausgefüllt wurde, da dessen Anwendung durch die Arbeitsgerichte in vollem Umfang überprüft werden kann. Das Bundesarbeitsgericht versteht nach seiner ständigen Rechtsprechung unter einem Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit, der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führt. Das entspricht der Protokollnotiz zu § 10 Absatz 2 BAT-KF. Es kommt daher bei der Prüfung, welche Arbeitsvorgänge in einer Tätigkeit anfallen, entscheidend auf das jeweilige Arbeitsergebnis an. Bei natürlicher Betrachtung wird ein Arbeitsergebnis nicht durch die Erledigung einer Einzelaufgabe, sondern durch die Bearbeitung eines Aufgabengebiets erzielt (BAG 9.9.2020 - 4 AZR 195/20 -). "Arbeitsvorgang" ist somit nicht der jeweils kleinstmögliche tatsächlich abgrenzbare Teil der Tätigkeit. Umgekehrt kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit, wie dies der Kläger zuletzt geltend gemacht hat, auch nur einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen (BAG v. 13.11. 2013 - 4 AZR 53/12 -). Die korrekte Bildung von Arbeitsvorgängen ist für eine tarifgerechte Eingruppierung als erster Schritt also richtungsweisend und folglich von besonderer Bedeutung. Die Bestimmung der Arbeitsvorgänge ist eine Rechtsfrage und damit Aufgabe des Gerichts (BAG v. 13.5.2020 - 4 AZR 173/19 -). Erforderlich sind aber neben der Darstellung der Arbeitsinhalte Angaben der Parteien insbesondere zu den Arbeitsergebnissen, zu den Zusammenhangstätigkeiten und zu der Abgrenzbarkeit der verschiedenen Einzelaufgaben, die dem Gericht die Bestimmung von Arbeitsvorgängen ermöglichen müssen (BAG v. 16.12.2020 - 4 AZR 97/20 -). Die Annahme eines einzigen Arbeitsvorganges führt eher zu einer Höhergruppierung als die Aufteilung der Tätigkeiten in mehrere Vorgänge. Je umfangreicher ein Arbeitsvorgang geschnitten ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Tätigkeit eine Heraushebung aufweist. Zum Erfüllen der tariflichen Anforderungen ist es nämlich ausreichend, wenn ein Merkmal innerhalb des Arbeitsvorgangs in einem rechtlich erheblichen Ausmaß vorliegt. Nicht erforderlich ist es, dass das Merkmal selbst innerhalb eines Arbeitsvorganges im gleichen Maß (hier: "zeitlich mindestens zur Hälfte") erfüllt wird. Mit Urteil vom 18.05.1994 (- 4 AZR 461/93 -) gab das BAG seine bisherige Rechtsprechung auf, nach dem innerhalb jedes Arbeitsvorganges das Qualifizierungsmerkmal den tariflich geforderten Anteil an der Gesamtarbeitszeit umfassen musste. Seitdem liegen tarifliche Qualifizierungsmerkmale wie z.B. das Erfordernis besonderer Leistungen bereits dann vor, wenn Arbeitsvorgänge, die den im jeweiligen Tätigkeitsmerkmal geforderten Anteil an der Gesamtarbeitszeit ausmachen, überhaupt in rechtserheblichem Ausmaß die Anforderungen dieser Qualifizierungsmerkmale erfüllen (aktueller Leitsatz: "Vielmehr genügt es, dass die Anforderungen in rechtlich nicht ganz unerheblichem Ausmaß anfallen und ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt würde" - BAG v. 13. Mai 2020 - 4 AZR 173/19 -).

Das vom Kläger arbeitsvertraglich geforderte und von ihm geschuldete einheitliche Arbeitsergebnis nach den hier dargestellten Grundsätzen ist die Pflege von psychisch kranken Menschen.

Das hat der Kläger nachvollziehbar vorgetragen. In der von ihm dargestellten Auflistung von Tätigkeiten finden sich genauso schlicht pflegende Tätigkeiten wie auch fachqualifizierte Tätigkeiten. Als Beispiel für letztere können hier genannt werden: Essbegleitung; Versorgung und Begleitung von Patienten in Krisen; Sicherstellung der Teilnahme aller Patienten an den Therapien; Intervention bei Konflikten der Patienten untereinander; die Pflege fixierter Patienten. Es handelt sich hier um Aufgaben, die von der pflegenden Tätigkeit organisatorisch nicht getrennt werden können und umgekehrt. Jedenfalls ergibt sich eine solche Trennung nicht aus dem Vortrag der Beklagten. Die Beklagte hat daraufhin behauptet, es gebe zwei Arbeitsvorgänge mit der Begründung, sie unterscheide normale Pflege von Psychiatriepflege. Es sind aber wie gezeigt keine Tatsachen ersichtlich und von der Beklagten auch nicht vorgetragen, die die Annahme rechtfertigen, die "normale" Pflege von psychisch Kranken sei nach dem betrieblichen Konzept der Beklagten als ein gesondertes Arbeitsergebnis von der Psychiatriepflege als weiteres Arbeitsergebnis abgrenzbar. Vielmehr sind beide Bereiche in vielen Übergangszonen miteinander verwoben. Wird die Rechtsprechung des 4. Senats angewandt, nach der bei natürlicher Betrachtung ein Arbeitsergebnis nicht durch die Erledigung einer Einzelaufgabe definiert wird, sondern durch die Bearbeitung eines Aufgabengebiets (BAG 9.9.2020 - 4 AZR 195/20 -). So kann aus dem Aufgabengebiet des Klägers ein Arbeitsergebnis "Fachpsychiatriepflege" nicht herausgelöst werden, ohne die Tätigkeit des Klägers unzulässig zu atomisieren.

(b.) Dieser so erkannte einzige Arbeitsvorgang fällt - weil er der einzige ist - "zeitlich mindestens zur Hälfte" an.

(c.) Der einheitliche Arbeitsvorgang - Pflege von psychisch kranken Menschen - wird hinreichend deutlich durch Tätigkeiten geprägt, "für die eine Fachweiterbildung vorgesehen ist", die also eine Eingruppierung in die Fallgruppe 4 a erlauben. Da sich die Tätigkeit des Klägers als ein einziger Arbeitsvorgang darstellt, kommt es nicht mehr auf die "überwiegende Tätigkeit" an, oder auf eine Tätigkeit "zeitlich mindestens zur Hälfte", denn beides betrifft nach der Tarifsystematik die Betrachtung der Arbeitsvorgänge und nicht die Tätigkeiten innerhalb derselben. Es reicht das "Gepräge". Es "genügt, dass die Anforderungen in rechtlich nicht ganz unerheblichem Ausmaß anfallen und ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt würde" (BAG v. 13. Mai 2020 - 4 AZR 173/19 -). Ohne die genannten qualifizierten Tätigkeiten (Essbegleitung; Versorgung und Begleitung von Patienten in Krisen; Sicherstellung der Teilnahme aller Patienten an den Therapien; Intervention bei Konflikten der Patienten untereinander; die Pflege fixierter Patienten), von denen mangels anderer Angaben, insbesondere mangels anderer Angaben der Beklagten, davon auszugehen ist, dass sie in einem nicht ganz unerheblichem Ausmaß anfielen, wäre das Arbeitsergebnis "gepflegter psychisch kranker Mensch" nicht erzielbar.

Nach alldem war der Kläger in die Entgeltgruppe 8 a einzugruppieren und auf die Berufung des Klägers die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts abzuändern und der Klage stattzugeben.

III. Als unterliegende Partei hat die Beklagte gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.

Vorschriften§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, § 611 a Abs. 2 BGB, §§ 286, 288 BGB, § 138 Abs. 3 ZPO, § 138 Abs. 2 ZPO, § 138 Abs. 1 ZPO, § 91 ZPO