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Urteil vom 13.06.2023 · IWW-Abrufnummer 237050

Landesarbeitsgericht Köln - Aktenzeichen 4 Sa 17/23

Eine fristlose, betriebsbedingte Kündigung ist auch dann unverhältnismäßig, wenn der Arbeitgeber seine geschäftlichen Beziehungen ins Ausland (hier. Russland) aufgrund einer politischen Entscheidung aktuell nicht mehr aufrechterhalten darf.


Tenor: 1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.12.2022 - 14 Ca 2711/22 - wird zurückgewiesen. 2) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. 3) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, betriebsbedingten Kündigung.

Der am .1966 geborene Kläger ist verheiratet, Vater von 2 Kindern und seit dem 01.11.1994 bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter zu einem monatlichen Gehalt von zuletzt 5.540,00 Euro brutto beschäftigt.

Die Beklagte, die ausschließlich der Auszubildenden nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, betreibt ein Handelsunternehmen für die Möbelindustrie.

Der Geschäftsbetrieb der Beklagten ist allein auf den Vertrieb bzw. die Vermittlung von Dekorpapier für die Möbelindustrie in R ausgerichtet. Der Umsatz wurde allein in R generiert. Aufgrund unionsrechtlicher Sanktionsmaßnahmen als Reaktion auf R s Invasion in der U ist der Beklagten der Handel mit Dekorpapier für Möbel mit R ab April 2022 untersagt.

Mit Schreiben vom 05.05.2022, welches dem Kläger am 07.05.2022 zuging, erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2022.

Mit weiterem Schreiben vom 29.07.2022, welches dem Kläger zunächst per E-Mail am selben Tage und sodann nochmals postalisch nicht vor dem 01.08.2022 zuging, erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger die ordentliche Kündigung zum 28.02.2023.

Am 25.05.2022 ging die Klage beim Arbeitsgericht ein.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam sei und die Kündigungsfrist von 7 Monaten eingehalten werden müsse, da ein außerordentlicher Kündigungsgrund nicht vorliege.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 05.05.2022 nicht vor Ablauf des 31.12.2022 aufgelöst wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, dass die außerordentliche Kündigung wirksam sei. Aufgrund der unionsrechtlichen Sanktionen bestehe keine Möglichkeit mehr, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzuführen. Die außerordentliche Kündigung aller Mitarbeiter zum Ende Mai 2022 sei ihre einzige Option, sich zu retten und ggf. nach Ende der Sanktionen einen Geschäftsbetrieb wieder aufnehmen zu können. Sie könne auch keinen Lohn zahlen, da sie selber keinen Umsatz generieren dürfe. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.12.2022 sei sowohl ihr als auch dem Kläger, der seine wöchentlich verpflichtende Arbeitszeit ableisten müsse, ohne dabei mangels Umsatzes seiner Tätigkeit als Buchhalter nachkommen zu können, unzumutbar. Der Kläger sei im Gegensatz zu ihr, die schlicht kraft politischer Entscheidung um ihre Existenz gebracht und in ihrer Berufsausübung vernichtet werde, sozial abgesichert.

Mit Urteil vom 08.12.2022 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben, im Wesentlichen mit folgender Begründung:

Ein außerordentlicher Kündigungsgrund liege nicht vor. Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung komme in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen sei und dies dazu führe, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsse, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstehe. Dieser Fall liege hier nicht vor, da das Arbeitsverhältnis ordentlich kündbar sei. Eine Gefahr, den Kläger über Jahre hinweg vergüten zu müssen, bestehe daher nicht. Es habe sich lediglich ein unternehmerisches Risiko realisiert. Dies könne nicht auf den Kläger abgewälzt werden. Dass die Beklagte ggf. nicht in der Lage sei, Lohnzahlungen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erbringen, rechtfertige keine fristlose Kündigung. Ob das Festhalten am Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2022 für den Kläger unzumutbar sei - wofür nichts spreche - sei nicht relevant. Die nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umdeutbare Kündigung beende das Arbeitsverhältnis nach § 622 Absatz 2 Nr. 7 BGB zum 31.12.2022.

Gegen das der Beklagten am 16.12.2022 zugestellte Urteil richtet sich deren am 13.01.2023 eingegangene Berufung, die sie am 14.02.2023 unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts habe erkennbar nicht die speziellen und gerade nicht üblichen Umstände dieses Einzelfalles berücksichtigt. Auch die Bewertung und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile sei nicht bzw. unzureichend erfolgt. Die Zumutbarkeit für den Kündigenden sei entgegen der gesetzlichen Vorgabe nicht geprüft worden. Ein staatlich angeordnetes Berufsverbot sei an sich geeignet, ein wichtiger Kündigungsgrund zu sein. Mittlerweile bestimme § 626 BGB ganz genau, dass nur ein solcher Grund wichtig sei, wenn Tatsachen vorlägen, aufgrund derer dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne, während der Gesetzeswortlaut vor der Gesetzesänderung im Jahr 1969 jegliche rechtliche Bestimmung, wann ein wichtiger Grund vorliege, habe vermissen lassen. Das Fehlen der Gefahr, den Kläger über Jahre hinweg vergüten zu müssen, bedeute nicht automatisch, dass eine außerordentliche Kündigung unzulässig sei. Entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts setze der Gesetzeswortlaut nämlich nicht voraus, dass eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen sei. Zentral fehlerhaft sei die Behauptung des Arbeitsgerichts, die aufgetretenen Umstände seien dem unternehmerischen Risiko zuzuordnen. Wenn ein Unternehmen seine Unternehmung binnen kürzester Zeit nicht mehr unternehmen dürfe, bestehe kein unternehmerisches Risiko. Das Geschäftsfeld sei auch nicht weggebrochen. Es existiere weiterhin und wäre auch heute noch profitabel. Es liege allein an der Politik, dass die Tätigkeit nicht ausgeübt werden könne. Eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung und Lohnfortzahlung stelle nichts anderes dar als eine faktische Bestrafung ohne jegliches Verschulden, zumal die Beklagte dem Kläger auch keine Arbeit anbieten könne. Es müsse auch bewertet werden, dass die Beklagte dem Kläger dennoch eine Auslauffrist gewährt habe. Der Kläger sei auch - anders als die Beklagte - sozial abgesichert.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 08.12.2022, 14 Ca 2711/22, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, wiederholt und vertieft seine erstinstanzlichen Ausführungen und führt ergänzend aus:

Das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass die streitgegenständliche Kündigung das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 31.12.2022 beendet habe. Hierbei habe sich das Gericht im Einzelnen mit den Voraussetzungen des § 626 Absatz 1 BGB auseinandergesetzt. Sämtliche Umstände des Einzelfalles seien berücksichtigt und eine Interessenabwägung vorgenommen worden. Das wirtschaftliche Risiko, die Kündigungsfrist einhalten zu müssen, unterliege dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers. Richtigerweise habe das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Behauptung der Beklagten, sie sei gegebenenfalls nicht in der Lage, bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Lohnzahlungen zu erbringen, eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen könne. Im Falle einer Insolvenz hätte der Kläger allerwenigstens Anspruch auf Insolvenzgeld gehabt. Zudem sei zutreffend darauf hingewiesen worden, dass durch die außerordentliche Kündigung das Risiko einer Sperrzeitverhängung durch die Bundesagentur für Arbeit bestanden habe. Die Beklagte sei Handelsunternehmer und hätte sich anderweitige Handelspartner suchen können. Sie habe auch Umsätze mit deutschen Geschäftspartnern generiert. Nach Kenntnisstand des Klägers werde der weitere Mitarbeiter der Beklagten - der Sohn des Geschäftsführers - weiterhin beschäftigt. Er beziehe Kurzarbeitergeld.

Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die ausweislich der Sitzungsprotokolle abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I) Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft (§ 64 Absatz 1, Absatz 2 lit. c) ArbGG) und nach den §§ 64 Absatz 6, 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 519 ZPO am 13.01.2023 gegen das am 16.12.2022 zugestellte Urteil form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß begründet worden. Sie ist damit insgesamt zulässig.

II) Die Berufung ist unbegründet. Richtigerweise hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Die zulässige Klage ist begründet.

1) Die Klage ist zulässig. Insbesondere ergab sich das notwendige Feststellungsinteresse aus §§ 4,7,13 KSchG.

2) Die Klage ist auch begründet. Die Kündigung vom 05.05.2022 beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien erst mit Ablauf des 31.12.2022.

a) Die Kündigung der Beklagten galt nicht gemäß §§ 4 Satz 1, 7,13 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Denn die klagende Partei griff die Kündigung innerhalb von 3 Wochen nach ihrem Zugang durch Erhebung der Kündigungsschutzklage gerichtlich an.

b) Die Kündigung hat das Arbeitsverhältnis nicht gemäß § 626 Abs. 1 BGB zum 31.05.2022 beenden können.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Diese Prüfung erfolgt regelmäßig in zwei Schritten:

Im Rahmen eines ersten Schrittes ist zu überprüfen, ob der Sachverhalt an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Im Falle der Bejahung erfolgt auf zweiter Prüfungsebene eine Interessenabwägung im Einzelfall (BAG vom 23.10.2014, 2 AZR 865/13).

Die streitgegenständliche Kündigung scheiterte aus folgenden Gründen bereits auf erster Prüfungsstufe:

Betriebseinstellung und -einschränkung sind unabhängig davon, ob sie auf einer unternehmerischen Entscheidung beruhen oder zwangsläufig eintreten, regelmäßig kein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung (BAG vom 23.01.2014, 2 AZR 372/13; vgl. zu außerordentlichen Kündigung des Geschäftsführers: BGH vom 28.10.2002, II ZR 353/00). Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung in Form einer werthaltigen Gegenleistung gegenüberstünde. Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall in besonderem Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzuführen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn sämtliche denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG vom 18.06.2015, 2 AZR 480/14; BAG vom 20.06.2013, 2 AZR 379/12). Den hohen materiell-rechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers. Dieser hat von sich aus darzutun, dass bei der genannten Konstellation keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen, betriebsbedingten Kündigung zum "wichtigen Grund" (BAG vom 18.06.2015, 2 AZR 480/14). Es handelt sich hierbei um eine Tatbestandsvoraussetzung.

Vorliegend fehlt es bereits an der Tatbestandsvoraussetzung, dass der Kläger ordentlich unkündbar sein müsste, so dass es nicht darauf ankommt, ob Beschäftigungsmöglichkeiten noch vorhanden sind. Das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis ist ordentlich kündbar. Zwar ist der Beklagten in diesem Zusammenhang insoweit recht zu geben, dass sich dieses Erfordernis nicht aus dem Gesetzeswortlaut ergibt. Dies ist zum einen bei einer Generalklausel - wie der des § 626 Absatz 1 BGB - durchaus naheliegend. Zum anderen berücksichtigt die höchstrichterliche Rechtsprechung, dass die außerordentliche Kündigung stets ultima ratio sein muss, es vorliegend also keine andere, dem Arbeitgeber zumutbare Möglichkeit mehr gibt. Zumutbar ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, von der es abzuweichen keinen Grund gibt, im Regelfall aber die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist, weil in diesem Falle nicht droht, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über Jahre hinweg aufrechtzuerhalten. Anders formuliert: Im Regelfall ist es dem Arbeitgeber zuzumuten, bei Wegfall des Arbeitsplatzes - aus welchen Gründen auch immer - das (sinnentleerte) Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte übersieht, dass mit dieser Annahme die Folgefrage der Vergütung noch nicht beantwortet worden ist. Möglicherweise ist die Frage des Annahmeverzuges im Falle des Ausspruchs eines Berufsverbotes aufgrund politischer Erwägungen anders zu beantworten, weil sich in diesem Falle eben nicht das Betriebsrisiko realisiert hat (vgl. zum staatlich verfügten allgemeinen Lockdown: BAG vom 13.10.2021, 5 AZR 211/21). Diese Frage ist vorliegend jedoch nicht streitgegenständlich.

Die Beklagte übersieht im Rahmen ihrer Argumentation auch folgendes:

Bei der vorliegenden Konstellation - einem staatlich angeordneten Berufsverbot - sind auch die Interessen des Klägers zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt es - wie das Arbeitsgericht richtigerweise erkannt hat - durchaus und selbstverständlich im Interesse des Klägers, das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist aufrechtzuhalten. Es ist nicht erkennbar, weshalb ein staatlich angeordnetes Berufsverbot allein der Kläger tragen muss.

Abschließend ist zu berücksichtigen, dass - wenn man ausnahmsweise einen wichtigen Grund dennoch annehmen möchte - dieser Grund regelmäßig keine fristlose Kündigung rechtfertigt, sondern grundsätzlich eine Auslauffrist unter Beachtung der ordentlichen Kündigungsfrist einzuhalten ist (vgl. hierzu BAG vom 23.01.2014, 2 AZR 372/13; ErfK/Niemann BGB § 626 Rn. 89). Die Beklagte gewährte vorliegend zwar eine Auslauffrist, jedoch nicht unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist. Auch aus diesem Grunde war die außerordentliche Kündigung unwirksam.

c) Die unwirksame außerordentliche Kündigung konnte jedoch in eine - wirksame - ordentliche Kündigung umgewandelt werden.

Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde, § 140 BGB.

Die Vorschrift dient der Verwirklichung privatautonomer Selbstgestaltung. Der Zweck der Bestimmung besteht darin, den von den Parteien erstrebten wirtschaftlichen Erfolg auch dann zu verwirklichen, wenn das von ihnen dafür gewählte rechtliche Mittel unzulässig ist, aber ein anderer, rechtlich gangbarer Weg zur Verfügung steht, der zu einem wirtschaftlich annähernd gleichen Ergebnis führt (BeckOK BGB/Wendtland BGB § 140 Rn. 1).

So verhielt es sich hier:

Die Beklagte wollte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter allen Umständen beenden. Da die außerordentliche Kündigung vom 05.05.2022 mit sozialer Auslauffrist zum 31.05.2022 - wie dargelegt - unwirksam war, hatte eine Umdeutung dieser einseitigen, empfangsbedürftigen Willenserklärung in eine ordentliche Kündigung, für die es mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auch keiner sozialen Rechtfertigung bedurfte, zu erfolgen. Unter Beachtung der ordentlichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB fand das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis mithin zum 31.12.2022 sein Ende.

III) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Absatz 6 ArbGG, 97 Absatz 1 ZPO.

IV) Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Absatz 2 ArbGG sind nicht gegeben. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen hat grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfragen berühren auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Ferner lagen keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72 Absatz 2 Nr. 2 ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würde.

Allgemeine Bedeutung hat bei der vorliegenden Konstellation möglicherweise die Frage der Vergütung nach § 615 BGB. Diese Frage war jedoch nicht streitgegenständlich.

Vorschriften§ 140 BGB, § 622 Absatz 2 Nr. 7 BGB, § 626 BGB, § 626 Absatz 1 BGB, § 64 Absatz 1, Absatz 2 lit. c) ArbGG, §§ 64 Absatz 6, 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG, § 519 ZPO, §§ 4, 7, 13 KSchG, §§ 4 Satz 1, § 626 Abs. 1 BGB, § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB, §§ 64 Absatz 6 ArbGG, 97 Absatz 1 ZPO, § 72 Absatz 2 ArbGG, § 72 Absatz 2 Nr. 2 ArbGG, § 615 BGB