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Urteil vom 29.09.2022 · IWW-Abrufnummer 237047

Landesarbeitsgericht Köln - Aktenzeichen 6 Sa 251/22

Unter Berücksichtigung der Grundsätze aus § 11 Abs. 1 BUrlG und aus § 3 EFZG ist für die Berechnung der Vergütung von Betriebsratsarbeit eine Durchschnittsstundenprovision für jede Stunde an Betriebsratstätigkeit zu berücksichtigen. Eine Zeitspanne von 12 Monaten als Grundlage für die Berechnung des Provisionsdurchschnitts ist geeignet, das Regelungsziel des § 37 Abs. 2 BetrVG zu verwirklichen. Dass im Zeitpunkt der Betriebsratsarbeit wegen einer Pandemie, wegen einer vereinbarten Kurzarbeit und wegen eines angeordneten Lockdowns die Provisionsansprüche vergleichbarer Beschäftigter deutlich geringer ausfallen, ist nicht schädlich, weil diese Effekte bei der Berechnung fiktiver Provisionen in der darauf folgenden Zeit entsprechende Wirkung entfalten.


Tenor: 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.02.2022 - 3 Ca 854/21 - wird zurückgewiesen. 2. Die Anschlussberufung des Klägers gegen das besagte Urteil wird ebenfalls zurückgewiesen. 3. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat zu 4/5 der Kläger zu tragen und zu 1/5 die Beklagte 4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten - soweit in der Berufungsinstanz noch relevant - um Vergütung für Betriebsratstätigkeit im Zeitraum von Juni 2021 bis Oktober 2021 und dabei insbesondere um die Zahlung der Provisionen, die der Kläger nach seiner Auffassung erwirtschaftet hätte, wenn im besagten Zeitraum vertraglich geschuldete Arbeit und nicht Betriebsratstätigkeit geleistet worden wäre. Darüber hinaus streiten die Parteien um die Wirksamkeit einer Arbeitgeberweisung.

Die Beklagte betreibt ein Großhandelsunternehmen im Bereich Gastronomie- und Hotelbedarf. Sie unterhält unter anderem ein Vertriebsbüro in B mit derzeit 10 Mitarbeitern, davon vier geringfügig beschäftigt. Der Kläger ist seit 1988 bei der Beklagten als Vertriebsmitarbeiter im Außendienst tätig. Er ist Betriebsobmann und Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats.

Die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung des Klägers setzt sich aus einem fixen Bestandteil und Provisionen aus Außendiensttätigkeiten zusammen. In der Vergangenheit hat die Beklagte den Verdienstausfall durch Betriebsratstätigkeit anhand des Durchschnitts der letzten 12 Monate berechnet. Seit September 2020 erfolgt dieser Ausgleich nicht mehr.

Der Kläger meldete sich mit Email vom 10.12.2020: "ich habe ... erfahren, dass Sie die o.g. Auszahlung für meine Betriebsratstätigkeit noch prüfen. Wie ist der aktuelle Stand? Bitte um kurze Info". Hierauf antwortete der Geschäftsführer der Beklagten vier Wochen später mit Email vom 01.04.2021: "... bitte führen Sie ab der kommenden Woche (KW 14) angehängtes KD Kontaktformular...".

Mit der seit dem 29.04.2021 beim Arbeitsgericht Bonn anhängigen Klage, hat der Kläger bezogen auf den besagten Zeitraum die Auszahlung der Differenz zwischen dem tatsächlich erhaltenen Entgelt und dem Entgelt gefordert, das er erhalten hätten, wenn die variable Vergütung so wie bisher anhand des Durchschnitts der vergangenen 12 Monate errechnet worden wäre.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe in der Zeit von September 2020 bis Oktober 2021 wie folgt Betriebsratsarbeit geleistet (Minuten dezimal):

September 2020 22,00 Stunden Oktober 42,50 Stunden November 14,00 Stunden Dezember - Januar 2021 11,00 Stunden Februar 5,50 Stunden März 11,75 Stunden April 6,50 Stunden Mai 6,50 Stunden Juni 2,00 Stunden Juli 3,00 Stunden August 3,50 Stunden September 7,00 Stunden Oktober 8,50 Stunden

Werde für jede Stunde die Durchschnittsprovision (pro Stunde) der vorangegangenen 12 Monate zugrunde gelegt, so ergebe sich der Klagebetrag. Er habe eine Vereinbarung mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten gehabt, dass so wie bisher zu verfahren sei. Nach seiner Auffassung könne die Beklagte nicht einseitig von diesem Zustand abrücken. Mit seiner Email vom 10.12.2020 habe er seine Forderung auch rechtzeitig geltend gemacht. Die Anordnung, Kontaktformulare zu führen, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, denn er sei der einzige, demgegenüber diese Weisung ergangen sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.138,52 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 911,12 EUR seit dem 01.10.2020 aus 985,76 EUR seit dem 01.11.2020 aus 577,77 EUR seit dem 01.12.2020 aus 453,14 EUR seit dem 01.02.2021 aus 217,02 EUR seit dem 01.03.2021 aus 433,27 EUR seit dem 01.04.2021 aus 259,50 EUR seit dem 01.05.2021 aus 217,75 EUR seit dem 01.06.2021 aus 64,07 EUR seit dem 01.07.2021 und aus 99,12 EUR seit dem 01.08.2021; 2. festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, aufgrund der Anweisung der Beklagten vom 01.04.2021 wöchentliche Kontakt-/Besuchsberichte gemäß dem von der Beklagten vorgelegten "KD-Kontaktformular" zu fertigen; 3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 665,29 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 105,12 EUR seit dem 01.09.20221 aus 248,99 EUR seit dem 01.10.2021 aus 311,18 EUR seit dem 01.11.2021.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie bestreite die vom Kläger behaupteten Betriebsrats-Stunden. Das gelte exemplarisch und vor allem für die behaupteten 42,5 Stunden im Oktober 2020. Der Provisionsdurchschnitt der letzten 12 Monate sei nicht geeignet, eine seriöse Berechnung der ausgefallenen Provision zu ermöglichen. Durch die Pandemie seien die Provisionen insgesamt um 25 % gesunken; im September 2020 sei zu 50 % Kurzarbeit geleistet worden; die behördlich angeordneten Lockdowns hätten ihr übriges getan. Sie sehe sich daher nicht an Vereinbarungen in der Vergangenheit gebunden, wenn es solche Vereinbarungen überhaupt gegeben haben solle. Außerdem habe der Kläger die tarifliche Verfallfrist nicht beachtet.

Die Anordnung zum Führen von Kontaktformularen sei nicht gleichheitswidrig erfolgt, sondern vielmehr auch gegenüber den beiden anderen Außendienstlern.

Das Arbeitsgericht Bonn hat mit Urteil vom 10.02.2022 die Klage teilweise aber überwiegend abgewiesen. Nur die Vergütungsansprüche aus den Monaten Juni 2021 bis Oktober 2021 seien teilweise begründet. Für diese Monate ergebe sich der Anspruch aus § 611 a Abs. 2 BGB i.V.m. § 37 Abs. 2 BetrVG. Es gelte das Lohnausfallprinzip; dabei sei eine hypothetische Betrachtung anzustellen im Rahmen derer eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO vorgenommen werden könne. Deshalb seien 1.920 Stunden pro Jahr ins Verhältnis zu setzen zu den vom Kläger dargelegten Stunden an Betriebsrats-Tätigkeit und diese mit dem Durchschnitt der Provision pro Stunde des Vorjahres zu multiplizieren. Der Rest der geltend gemachten Ansprüche sei aber verfallen und die Klage mithin im Übrigen abzuweisen, denn die Email vom 10.12.2021 stelle keine Geltendmachung dar, sondern erst die Klageschrift. Auch der Feststellungsantrag hinsichtlich der Kontaktformulare sei unbegründet. Die Anweisung sei vom Direktionsrecht der Beklagten umfasst. Eine Maßregelung oder ein Verstoß gegen billiges Ermessen sei nicht ersichtlich.

Gegen dieses ihr am 10.03.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 11.04.2022 Berufung eingelegt und hat diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 09.06.2022 begründet. Der Kläger hat sich im Rahmen seiner Berufungsbeantwortungsfrist mit einer Anschlussberufung gegen den klageabweisenden Teil der Entscheidung des Arbeitsgerichts gewandt, soweit mit ihm der Feststellungsantrag abgewiesen worden war.

Die Beklagte trägt nunmehr vor, die Entscheidung des Arbeitsgerichts berücksichtige nach ihrer Auffassung nicht den besonderen Charakter der Tätigkeit des Klägers. Manchmal generiere er über mehrere Tage hinweg keinen einzigen Auftrag, dann aber einen Großauftrag. Ihm sei ein festes Postleitzahlengebiet zugeordnet. Im Bereich Gemeinschaftsverpflegung würden ihm alle Abschlüsse zugeordnet. Ihm entgehe hier kein einziges Geschäft. Ab Beginn der Pandemie habe sich die Tätigkeit des Klägers geändert. Sie habe sich auf nur wenige Kunden konzentriert. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts führe damit zu einer verbotenen Besserstellung des Klägers aufgrund seines Betriebsratsmandats. Ein Lohnausfall aufgrund der Betriebsratsarbeit, der nach dem Lohnausfallprinzip auszugleichen sei, könne beim Kläger jedenfalls nicht festgestellt werden.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.02.2022- 3 Ca 854/21 - teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen. 2. Die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. 2. das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.02.2022- 3 Ca 854/21 - teilweise abzuändern und festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, aufgrund der Anweisung der Beklagten vom 01.04.2021 wöchentlich Kontakt-/Besuchsberichte gemäß dem von der Beklagten vorgelegten "KD-Kontaktformular" zu fertigen.

Der Kläger trägt vor, nach dem Wechsel der Gesellschafter und der Geschäftsführung habe die Beklagte abrupt ihre bis dahin geübte Vergütung der Betriebsrats-Arbeit abgebrochen. Selbst wenn der Vortrag der Beklagten Berücksichtigung finden müsse, dass ihm alle Geschäfte des ihm zugewiesenen Gebiets zugewiesen würden - unabhängig von der Leistung von Betriebsratsarbeit - so könne er jedenfalls während der Betriebsrats-Arbeit keine Kundenpflege und keine Akquise betreiben.

Vor dem Gesellschafterwechsel habe er keine Berichte fertigen müssen und daran müsse sich die Beklagte nunmehr halten. Den diesbezüglichen Feststellungsantrag habe das Arbeitsgericht mithin zu Unrecht abgewiesen. Dies sei Gegenstand seiner Anschlussberufung. Er gehe davon aus, dass die Anordnung Kontaktformulare auszufüllen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist richtig. Sowohl die Berufung als auch die Anschlussberufung sind zwar zulässig aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung (nur) in Höhe in Höhe von 829,57 EUR stattgegeben und den Feststellungsantrag, der sich auf die Anordnung zum Führen von Kontakt-/Besuchsberichten bezog, abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils kann daher Bezug genommen werden. Die folgenden Anmerkungen geschehen nur zur Vertiefung und soweit sie durch den Inhalt der Berufungsbegründungen veranlasst sind.

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Zu Unrecht wendet sich die Beklagte gegen die aus dem Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils folgende Verpflichtung, nämlich die Verpflichtung an den Kläger für die in den Monaten Juni bis Oktober des Jahres 2021 geleistete Betriebsratsarbeit anteilige variable Vergütung zu zahlen, die sich in ihrer Höhe nach dem Durchschnitt der vorangegangenen 12 Monate berechnet.

Der Anspruch ergibt sich aus § 611 a Abs. 2 BGB i.V.m. § 37 Abs. 2 BetrVG. Gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Die für den in der Berufungsinstanz noch streitigen Zeitraum von Juni bis Oktober 2021 vom Kläger geltend gemachten insgesamt 24 Stunden gelten in diesem Sinne als erforderliche Betriebsarbeit und sie waren mit dem Durchschnitt der variablen Vergütung zu berücksichtigen, um einer drohenden Minderung des Arbeitsentgelts zu begegnen.

1. Die Erforderlichkeit der Betriebsratsarbeit in den Monaten Juni bis Oktober des Jahres 2021, nämlich die Erforderlichkeit von zwei Stunden im Juni, drei Stunden im Juli, dreieinhalb Stunden im August, sieben Stunden im September und 8,5 Stunden im Oktober gilt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zwischen den Parteien als unstreitig. Die Betriebsratstätigkeit des einzigen Betriebsobmanns im Umfang von maximal 8,5 Stunden pro Monat - also im Umfang von gut 5 % der Monatsarbeitszeit - ist weder ungewöhnlich noch erscheinen diese Stunden mit Blick auf die Pandemie oder auf Zeiten der Kurzarbeit als überzogen. Es wäre nun an der Beklagten gewesen ihrer prozessualen Obliegenheit aus § 138 Abs. 2 und Abs. 1 ZPO nachzukommen und (vollständig und wahrheitsgemäß) zumindest Indizien vorzutragen, die gegen die vom Kläger genannten Arbeitszeiten sprechen könnten. Da sie dieser Obliegenheit nicht nachgekommen ist, gilt der Vortrag des Klägers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig.

2. Die somit für die Ausübung des Betriebsratsamtes erforderlichen 24 Stunden waren nicht nur mit dem fixen Grundentgelt zu vergüten, sondern mit einem weiteren Anteil an variabler Vergütung, der sich aus dem Durchschnitt der letzten 12 Monate ergibt. Die von der Beklagten bereits vor dem Arbeitsgericht vorgetragenen und von diesem mit zutreffender Begründung verworfenen Einwände zu Grund und Höhe des Anspruchs haben auch die Berufungskammer nicht überzeugen können - auch nicht in ihrer vertieften und ergänzten Form.

a. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger erhalte in jedem Falle die immer gleiche variable Vergütung, weil jedes Geschäft in seinem Bezirk unabhängig von der Entfaltung seiner Arbeit ihm zugerechnet werde, verstößt schon gegen Denkgesetze. Nach dem Vortrag der Beklagten soll es nämlich so sein, dass der Kläger zunächst sein Grundgehalt erhält; dazu erhält er eine variable Vergütung für die in seinem Gebiet tatsächlich abgeschlossenen Geschäfte; der Kläger bekäme - so die Beklagte - die variable Vergütung für diese Geschäfte auch (und keinen Cent mehr und keinen Cent weniger), wenn er Dauerkrank wäre, wenn er im Urlaub wäre, wenn er nur noch Betriebsratsarbeit leistete - eigentlich ist es nach dem Vortrag der Beklagten gleichgültig, ob der Kläger arbeitet oder nicht; nach ihrer Vorstellung bekäme er so oder so die gleiche Provision, auch auf lange Sicht. Diese Betrachtungsweise ist nicht zu vereinbaren mit den weiteren Einwänden der Beklagten, die sich auf die Höhe der variablen Vergütung beziehen, auf die Einschränkungen durch Pandemie und Kurzarbeit und auf Änderungen der Kundenstruktur. Mit diesen Einwänden bringt sie selbst zum Ausdruck, dass die variable Vergütung durchaus von der Tätigkeit des Klägers abhängt und nicht einfach weiterfließt, ob der Kläger nun arbeitet oder nicht. Wenn nun aber die Akquisetätigkeit des Klägers Einfluss auf die Höhe seiner variablen Vergütung hat, dann sind Zeiten der Betriebsratstätigkeit, während derer er keine Akquise betreiben kann, so zu behandeln als betriebe er sie. Wenn in diesem Bemühen für jede Stunde an Betriebsratsarbeit eine variable Vergütung hinzugerechnet wird, kommt es aus diesem Grunde gerade nicht zu der von der Beklagten befürchteten Doppelbezahlung oder gar zu einer verbotenen Besserstellung des Klägers. Vielmehr ist eine solche Ausgleichszahlung notwendig, um eine nach § 37 Abs. 2 BetrVG verbotene Minderung des Arbeitsentgelts zu vermeiden.

b. Auch die Einwände der Beklagten zur Höhe des variablen Anteils der Vergütung sind unbegründet. Im Rahmen des § 37 Abs. 2 BetrVG gilt das Lohnausfallprinzip genauso wie bei der Berechnung des Urlaubsentgelts oder der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Tatsachen, die eine hiervon abweichende Betrachtung ermöglichen könnten, sind nicht ersichtlich.

Mit dem in § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bestimmten Bezugszeitraum von dreizehn Wochen hat der Gesetzgeber erkennbar unterstellt, dass diese Zeitspanne regelmäßig ausreicht, um einen urlaubsbedingten mutmaßlichen Verdienstausfall des Arbeitnehmers zuverlässig auch dann auszugleichen, wenn seine Vergütung aufgrund variabler Entgeltbestandteile in der Höhe schwankt. Dass während des Urlaubs weiterhin Provisionen fällig werden, führt nicht zu der von der Beklagten angenommenen Doppelzahlung. Diese dann fällig werdenden Provisionen beruhen auf anderen Geschäften. Das Urlaubsentgelt gleicht einen Rückgang des erfolgsbestimmten Provisionseinkommens für die Zeit aus, in der der Arbeitnehmer urlaubsbedingt keine Geschäfte vermitteln konnte (BAG v. 11.04. 2000 - 9 AZR 266/99 -). Notwendigerweise erfolgt dieser Ausgleich durch fiktive Provisionen, die kein reales Geschäft zur Grundlage haben (vgl. zu einer vergleichbaren Problematik im Zusammenhang mit Urlaubsentgelt: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 8. November 2018 - 6 Sa 256/18 -).

Im Recht der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gilt ähnliches. Nach § 3 EFZG haben die Beschäftigten, wenn sie durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert sind, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von bis zu sechs Wochen. Nach § 4 EFZG " ... ist dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgeblichen regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen". Zum Arbeitsentgelt gehören gemäß § 4 Abs. 1 a EFZG "nicht das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt und Leistungen für Aufwendungen des Arbeitnehmers, ... Erhält der Arbeitnehmer eine auf das Ergebnis der Arbeit abgestellte Vergütung, so ist der von dem Arbeitnehmer in der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit erzielbare Durchschnittsverdienst der Berechnung zugrunde zu legen".

Nach diesen Vorgaben ist für jede Stunde der Betriebsratsarbeit eine Durchschnitts-Stundenprovision aus einem Referenzzeitraum der vorangehenden 12 Monate zu ermitteln. Das Gesetz regelt außer den Worten "auf das Ergebnis der Arbeit abgestellte Vergütung" nicht näher, was zum Arbeitsentgelt im Sinne der genannten Vorschrift gehört. Doch ist in jedem Falle davon auszugehen, dass der Beschäftigte diejenige Vergütung erhalten soll, die er verdient hätte, wenn er nicht an der Leistung der Dienste verhindert gewesen wäre; er soll nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt werden, als wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte (st. Rspr. BAG v. 05.06.1985 - 5 AZR 459/83 -; BAG v. 12.10. 1956 - 1 AZR 464/54 -). Nach diesem Grundgedanken gehören alle fortlaufend gewährten Leistungen, die der Arbeitgeber als Vergütung für die zugesagten Dienste versprochen hat, zum fortzuzahlenden Gehalt und damit auch die hier streitigen Provisionen. Provisionen werden für die getätigten Abschlüsse gewährt und stellen in gleicher Weise Arbeitsentgelt für geleistete Dienste dar, wie das neben ihnen gezahlte Fixum. Entscheidend ist, dass ein gesunder und nicht von Betriebsratsarbeit abgelenkter Beschäftigter sie erarbeiten kann, der kranke Beschäftigte und der Beschäftigte, der sich mit Betriebsratsarbeit befasst dagegen nicht (BAG v. 05.06.1985 - 5 AZR 459/83 -). Bei der Prüfung, ob der Arbeitsausfall auch zu einem Verdienstausfall geführt hat, darf man nicht darauf abstellen, ob gerade an dem betreffenden Ausfalltag oder der betreffenden Ausfallstunde eine Provision verdient worden wäre. Der Beschäftigte muss - auf die Länge gesehen - für jeden Abschluss eine bestimmte Zeit aufwenden. Er muss viele Kunden aufsuchen, bei denen er keinen oder noch keinen Abschluss erreicht. Hinzu treten zeitaufwendige Vorarbeiten. Setzt ein Abschluss einen derartigen zeitlichen Aufwand voraus, muss der durch krankheitsbedingte oder betriebsratsbedingte Fehltage oder Fehlstunden verursachte Arbeitsausfall zu einer Kürzung der Provision führen. Auf die Länge der Abwesenheit kommt es damit grundsätzlich nicht an. Dem Lohnausfallprinzip wird vielmehr nur eine Betrachtung gerecht, die darauf abstellt, was die oder der Beschäftigte nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit an Abschlüssen erreicht hätte, wenn keine Ausfallstunden oder -tage eingetreten wären und sie oder er daher an diesen Tagen hätte arbeiten können. Entscheidend ist in derartigen Fällen dies: Schwankende Bezüge müssen, sofern die Schwankungen nicht mit täglicher und betragsmäßiger Regelmäßigkeit auftreten, durch Schätzung entsprechend § 287 Abs. 2 ZPO ermittelt werden, und zwar in der Weise, dass man von einem Durchschnittsverdienst eines bestimmten Bezugszeitraums ausgeht, der so zu wählen ist, dass ein sachgerechtes Ergebnis erzielt werden kann. Bei Abschlüssen, die in der Regel nur alle Wochen oder Monate zustande kommen, ist ein sachgerechtes Ergebnis allein bei Zugrundelegung eines längerfristigen Referenzzeitraums zu gewinnen (BAG v. 05.06.1985 - 5 AZR 459/83 -). Hierfür erscheint auch im Streitfall die Zeitspanne von 12 Monaten als geeignet. Denn normalerweise vermag der Zeitraum eines Jahres der besonderen Eigenart eines Arbeitsverhältnisses gerecht zu werden und unbillige Zufallsergebnisse auszuschließen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 05.06.1985 - 5 AZR 459/83 -; BAG v. 05.11. 1964 - 2 AZR 494/63 -; BAG v. 07.11.1984 - 5 AZR 378/82 -).

Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe im hier relevanten Zeitraum wegen Corona, Kurzarbeit und Lockdown weniger Provisionen erwirtschaften können als üblich, hilft nicht weiter. Insbesondere ist darin keine unerlaubte Bevorzugung zu erblicken, denn: die Umsatzeinbrüche durch die Pandemie, durch Kurzarbeitszeiträume und durch Lockdowns werden sich 12 Monate später bei entsprechenden Provisionsberechnung zu Lasten des Klägers auswirken.

II. Genauso wie die Berufung der Beklagten ist auch die Anschlussberufung des Klägers zwar zulässig, aber nicht begründet. Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, der Anweisung der Beklagten zu folgen, zukünftig Kontakt- und Besuchsberichte zu erstellen. Vielmehr ist die Beklagte aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 106 GewO gerade berechtigt, dies zu tun. Gemäß § 106 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Das Führen von Wochenberichten betrifft das Ordnungsverhalten der Beschäftigten. Entgegenstehende Vereinbarungen oder Normen sind nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger behauptet, er habe sich vor längerer Zeit mit der Beklagten geeinigt, nicht um Schreiben von Berichten verpflichtet zu sein, hat er damit zwar pauschal behauptet, die Parteien hätten eine konkrete Änderung des Arbeitsvertrages herbeigeführt, die Behauptung ist aber tatsächlich so pauschal, dass sie nicht einlassungsfähig ist. Es wäre auch eine sehr außergewöhnliche Vereinbarung. Umso mehr trifft den Kläger nach dem Bestreiten der Beklagten die prozessuale Obliegenheit, gemäß § 138 Abs. 1 ZPO vollständig vorzutragen, also die ganze Geschichte zu erzählen. Das hat er nicht getan. Er hat sich auf die pauschale Behauptung beschränkt und nicht dargelegt, wer wann mit wem gesprochen hat und was bei diesem Gespräch vereinbart worden sein soll. Erst nach einer solchen konkretisierten Darlegung wäre es an der Beklagte gewesen, zu erwidern.

Die hier streitige Maßnahme eröffnet kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, weil es sich nicht um einen kollektiven Tatbestand handelt. Der Kläger kann sich somit nicht auf die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung berufen, also auf die Unwirksamkeit der Maßnahme wegen Nichteinhaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten.

III. Nach allem bleibt es somit bei der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens ergibt sich aus § 92 ZPO. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.

Vorschriften§ 611 a Abs. 2 BGB, § 37 Abs. 2 BetrVG, § 287 Abs. 2 ZPO, § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, § 64 Abs. 1, 2 ArbGG, § 138 Abs. 3 ZPO, § 138 Abs. 2, Abs. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, § 3 EFZG, § 4 EFZG, § 4 Abs. 1 a EFZG, § 106 GewO, § 138 Abs. 1 ZPO, § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, § 92 ZPO