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Urteil vom 06.10.2022 · IWW-Abrufnummer 237046

Landesarbeitsgericht Köln - Aktenzeichen 6 Sa 281/22

Einzelfall zu einem umfangreichen Streit über Vergütungsansprüche und über die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts sowie zu den dann folgenden Abmahnungen, zu der dann folgenden Kündigung und schließlich zum Auflösungsantrag der Arbeitnehmerin in einem rentennahen Zeitpunkt.


Tenor: 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 18.03.2022 - 1 Ca 421/21- wird zurückgewiesen. 2. Auf die Berufung der Klägerin wird das besagte Urteil teilweise abgeändert und Nr. 8 des Urteilstenors wie folgt neu gefasst: Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird zum 31.03.2022 aufgelöst. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Abfindung iHv 94.770,00 EUR zu zahlen. 3. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. 4. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben zu 7/10 die Beklagte zu tragen und zu 3/10 die Klägerin. 5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin, um Zahlungsansprüche, dabei auch um einbehaltene Nettobeträge, um Ansprüche auf Leistung von variabler Vergütung aus dem Arbeitsverhältnis, um den Bestand des besagten Arbeitsverhältnisses, um die Berechtigung eines Auflösungsantrags der Klägerin, in diesem Zusammenhang um die Höhe der festzusetzenden Abfindung und im Wege einer Widerklage um Rückzahlungsforderungen der Arbeitgeberin wegen tatsächlich oder vermeintlich erfolgter Überzahlung.

Die Beklagte ist eine Inhouse-Gesellschaft des Bundes und beschäftigt ca. 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es ist ein Betriebsrat gewählt. Die Klägerin ist am 1957 geboren, also im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung 65 Jahre alt. Sie kann ab dem 01.09.2023 die Regelaltersrente in Anspruch nehmen. Sie war bei der Beklagten seit dem 01.04.2002 beschäftigt. Ausweislich des zuletzt gültigen Arbeitsvertrages vom 16.08.2010 (Anlage K1, Bl. 28 d.A.) bekleidete sie die Position der Bereichsleiterin Personal/Organisation/QM. Dort war sie unmittelbar dem Geschäftsführer Herrn F unterstellt. Das aufgrund dieses letzten Vertrages geschuldete Entgelt setzte sich zusammen aus einem Grundgehalt iHv 9.750,51 EUR, einer Funktionszulage iHv 300,00 EUR und einer Ausgleichszulage iHv 1.098,80 EUR. Aus den vorgenannten Positionen addiert sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 11.149,31 EUR. Seit einer Vertragsänderung vom 10.10.2006 (Bl. 36 d.A.) besteht zwischen den Parteien darüber hinaus Einigkeit, dass der Klägerin im Krankheitsfalle für drei Monate Entgeltfortzahlung zusteht in Höhe der "zuletzt vereinbarten Bezüge".

Ob der Anspruch auf die Ausgleichszulage bis zuletzt bestand und ob er auch bei der Bemessung von vertraglich verlängerter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle bei der Berechnung des fortzuzahlenden Entgelts Berücksichtigung finden muss, ist zwischen den Parteien streitig. Diese Frage spielt eine tragende Rolle bei den mit der Klage geltend gemachten Entgeltansprüchen. Die Entstehung und die betriebliche Geschichte der Ausgleichszulage und die in diesem Zusammenhang der Klägerin von der Beklagten vorgehaltenen Handlungen und Unterlassungen in ihrer Funktion als Bereichsleiterin Personal/Organisation/QM sind Hintergrund des Konflikts, der in Abmahnungen und Kündigungen seinen Ausdruck findet.

Zur Vereinbarung einer Ausgleichszulage kam es aufgrund der folgenden Tatsachen: Ursprünglich hatte die Klägerin seit dem 01.06.2004 einen Dienstwagen, der ihr auch zur privaten Nutzung zur Verfügung stand. Dies geschah auf der Grundlage einer vertraglichen Absprache vom 17.06.2002. Seit dem Jahre 2005 wurde bei der Beklagten die Handhabung der Dienstwagen neu geregelt. Ab diesem Jahr wurde ein Carsharing-System eingeführt mit einer gesonderten Abrechnung nach dem Kartenprinzip. Nach diesem Prinzip wurde den Beschäftigten zwar weiterhin ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt. In die Fahrzeuge war aber ein Carsharing-Bordcomputer eingebaut. Die Beschäftigten erhielten zwei Kundenkarten, mit denen sie das Fahrzeug öffnen und verschließen konnten. Die eine Karte war für "dienstliche Fahrten" gewidmet, die andere Karte für "private Fahrten". Je nachdem, ob das Fahrzeug mit der dienstlichen Karte oder der privaten Karte geöffnet wurde, wurde die anschließende Fahrt als Privat- oder Dienstfahrt verbucht. Privatfahrten wurden den Mitarbeitern durch die Beklagte in Rechnung gestellt. Die Mitarbeiter zahlten Tages- oder Minutenpauschalen zuzüglich einer Pauschale pro Kilometer. Einmal pro Monat wurden die Fahrten zu einer Rechnung zusammengefasst, die die Mitarbeiter per E-Mail erhielten. Der Rechnungsbetrag wurde von den privaten Konten der Mitarbeiter abgebucht. Zeiten, zu denen das Fahrzeug nicht genutzt wurde, wurden nicht in Rechnung gestellt. Diese Regelung trat am 01.07.2005 in Kraft und wurde in der Folgezeit von den vorher dienstwagenberechtigten Beschäftigten genutzt. Im Rahmen der Einführung des Car-Sharing-Systems wurde ein Führungskreis gebildet, dem die Klägerin angehörte. Die steuerrechtlichen Auswirkungen wurden durch Herrn Dr. K, dem damalige Bereichsleiter Rechnungswesen, der auch Steuerberater war, mit den Geschäftsführern der Beklagten geklärt. Dieser schaltete hierzu ergänzend die Steuerrechtskanzlei G und Kollegen ein. Vor der Umstellung wurde der Beklagten zu Händen von Herrn Dr. K während der Planungsphase ein Schreiben vom 28.10.2004 übersandt, welches die Stellungnahme der Steuerrechtskanzlei G und Kollegen bezüglich den Risiken der umsatz- und lohnsteuerrechtlichen Auswirkungen des geplanten Car-Sharing-Modells zum Inhalt hatte. Dem ehemaligen Geschäftsführer der Beklagten teilte die Klägerin ihre steuerrechtlichen Bedenken mit. Durch diesen wurde sie darauf hingewiesen, dass die steuerliche Abklärung durch Herrn Dr. K mit externen Anwälten erfolgen wird. Die Parteien schlossen daraufhin eine Sondervereinbarung (Bl. 37 d.A.), der zufolge die Klägerin ab dem 01.07.2005 kein Recht auf Privatnutzung eines PKW mehr hatte und dafür eine Ausgleichszahlung in Höhe von 1.098,80 EUR erhielt. In der gleichen Sondervereinbarung heißt es sodann unter Nr. 2: "Die Arbeitgeberin ist berechtigt, der Arbeitnehmerin wieder die private Nutzungsmöglichkeit eines Dienstwagens einzuräumen. Für den Zeitraum, in dem die Arbeitgeberin von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, wird die in Nr. 1 dieser Vereinbarung vereinbarte Ausgleichszahlung nicht geschuldet." In rechtlicher Hinsicht ist zwischen den Parteien streitig, ob diese Vereinbarung einer Klauselkontrolle standhalten kann. Das Carsharing-System hat sich dann als steuerrechtlich problematisch erwiesen. Später wurde der Klägerin vorgeworfen, in ihrer Funktion als Bereichsleiterin Personal diese Probleme nicht rechtzeitig abgeklärt zu haben.

Mit Schreiben vom 19.06.2019 forderte die Beklagte die Klägerin auf, die erhaltenen Ausgleichszahlungen zurück zu erstatten und teilte mit, diese Ausgleichszahlung in Zukunft nicht weiter leisten zu wollen.

Mit Blick auf den Antrag zu 1, mit dem die Klägerin Entgeltfortzahlung in einer bestimmten Höhe und Schadensersatz wegen des Nichtabschlusses einer Zielvereinbarung ebenfalls in einer bestimmten Höhe begehrt, ist zwischen den Parteien streitig, ob diese Ausgleichszahlung nach wie vor rechnerisch zu berücksichtigen ist.

In den Jahren 2016, 2017 und 2018 hatte die Klägerin zuvor jeweils eine variable Vergütung auf der Grundlage eines Zielerreichungsgrades von 100 % erhalten. Im Jahre 2019 wurde keine Zielvereinbarung abgeschlossen. Mit E-Mail vom 28.02.2019 hatte der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin aufgefordert, ihm einen Entwurf ihrer Zielvereinbarung für das Kalenderjahr 2019 zu übermitteln. Die Klägerin antwortete darauf, dass sich ihre Ziele im Sinne der "Kaskadierung" aus den Zielen für den Bereich kaufmännisches Personal ableiten würden. Sie fragte, ob der Geschäftsführer schon Ziele bekommen habe, und wenn ja, welche davon den Bereich betreffen würden. Dann könne sie, die Klägerin, daraus Ziele ableiten. Im Weiteren antwortete Geschäftsführer auf die E-Mail der Klägerin, dass er noch keine Ziele erhalten habe und man die Zielvereinbarung dann nach dem Urlaub der Klägerin unternehme. Die Klägerin teilte sodann per E-Mail mit, dass sie damit einverstanden sei: "Ja, das machen wir so.". Ob die Klägerin im Rahmen dieser Gespräche noch vor ihrem Urlaub die Ziele der besagten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgedruckt und dem Geschäftsführer zur Verfügung gestellt hat (so der Vortrag der Klägerin), ist zwischen den Parteien genauso streitig, wie die Frage, ob die Klägerin nach dem Urlaub noch einmal auf den Geschäftsführer zugegangen ist und ihm noch einmal die besagten Informationen zur Verfügung gestellt hat. Jedenfalls kam es in der Folgezeit nicht zu weiteren Verhandlungen. In einer betriebsinternen Präsentation (Anlage K30, Bl. 166 d.A.), die über das Intranet den Beschäftigten zugänglich ist, heißt es zu Situationen wie der vorliegenden wörtlich: "Wenn ein Mitarbeiter keine Ziele seitens des Arbeitgebers angetragen bekommt, ist er nicht zur Verantwortung zu ziehen und erhält 100 % Zielerreichungsprämie für die Zeit, in der keine ZV abgeschlossen ist!"

Mit Schreiben vom 12.08.2019 (Bl. 114) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich mit der Begründung, die Klägerin habe die steuerrechtliche Problematik des Carsharing-Modells im Rahmen ihrer Tätigkeit als Bereichsleiterin Personal nicht angemessen bearbeitet und im Rahmen der weiteren Ermittlungen gelogen. Dass diese Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, steht nach Durchführung eines Kündigungsschutzverfahrens - 5 Ca 1322/19 - rechtskräftig fest. Das gleiche gilt hinsichtlich einer weiteren Kündigung vom 04.06.2019, mit der die Beklagte versucht hatte, das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2019 zu beenden. Auch diese Kündigung ist im Rahmen des besagten Kündigungsschutzverfahrens rechtskräftig als unwirksam erkannt worden. Im gleichen Verfahren ist die Beklagte - ebenfalls rechtskräftig - verurteilt worden, an die Klägerin Entgelt für die Monate Juli 2019 bis Dezember 2019 zu zahlen. Dabei wurde von einem regelmäßigen Bruttomonatsentgelt in Höhe von 11.149,31 EUR ausgegangen, also einem Bruttomonatsentgelt, das die Ausgleichszahlung einschließt.

Nachdem nun aufgrund des durchgeführten Kündigungsschutzverfahrens feststand, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbestand, wurde die Klägerin nicht in ihrer ursprünglichen Funktion als Bereichsleiterin Personal/Organisation/QM beschäftigt. Sie erhielt vielmehr für die Zeit ab dem 20.01.2020 die Anweisung bzw. den "Sonderauftrag", ihre "Grundsatzentscheidungen im Personalbereich aufzuarbeiten." Dafür wurde ihr ein besonderes Büro in einem gesonderten Gebäude zugewiesen. Ob diese und weitere Tatsachen ausreichen, dem später gestellten Antrag der Klägerin auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung dem Grunde nach stattzugeben, war jedenfalls vor dem Arbeitsgericht zwischen den Parteien streitig. In jedem Falle bis zuletzt streitig ist die Höhe der festzusetzenden Abfindung.

Mit Schreiben vom 21.01.2020 (Anlage K40, Bl. 297 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, für das Steuerjahr 2019 sei hinsichtlich des geldwerten Vorteils des Carsharing-Modells eine Nachversteuerung vorzunehmen. Die dadurch entstehende Steuerlast sei von der Klägerin zu tragen und betrage 583,45 EUR pro Monat. Ab dem Monat Dezember 2019 behielt die Beklagte monatlich diesen Betrag ein. Über die Annahme eines geldwerten Vorteils und über die Steuerpflichtigkeit desselben sind sich die Parteien nicht einig. Für die Steuerjahre 2017, 2018 und 2019 hat die Klägerin durch ihren Steuerberater gegen die Lohnsteueranmeldung der Beklagten bezüglich der Nachversteuerung der Dienstwagennutzung am 09.06.2021 Einspruch eingelegt, der bis zuletzt nicht rechtskräftig beschieden worden ist.

Mit Email der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 30.01.2020 wurde die Beklagte zum wiederholten Mal aufgefordert, die Klägerin vertragsgemäß weiter zu beschäftigen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten antwortete darauf mit dem Hinweis, dass nach seiner Auffassung der "Sonderauftrag" den Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin erfülle und dass seine Mandantin, also die Beklagte, "lediglich zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung ... die ausgeurteilte Vergütung unter Vorbehalt" zahlen werde (Anlage K19, Bl. 128).

Die Klägerin war in der Zeit vom 22.01.2020 bis zum 21.04.2020, also für einen Zeitraum von drei Monaten, arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem Monat Februar 2020 zahlte die Beklagte der Klägerin die Ausgleichszulage (1.098,80 EUR) nicht mehr. Mit Schreiben vom 17.03.2020 erhielt die Klägerin eine Abmahnung mit dem Vorwurf, sie habe eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu spät (erst am Sonntag, dem 08.03. und nicht am Donnerstag, dem 05.03.2020) an die Beklagte versandt. Am darauf folgenden Montag habe daher keine Information über ihr Verbleiben vorgelegen. Nach ihrem Urlaub, den sie in der Zeit vom 04.05.2020 bis zum 13.05.2020 genommen hatte, war die Klägerin mehr als sechs Monate arbeitsunfähig. Der arbeitsvertraglich vereinbarte Entgeltfortzahlungszeitraum von drei Monaten endete am 14.08.2020. Am 17.07.2020 erteilte die Beklagte der Klägerin eine weitere Abmahnung, dieses Mal mit dem Vorwurf, sie habe der (neuen) Geschäftsleitung ihre Beteiligung an der seinerzeitigen Projektgruppe "Carsharing" verschwiegen. Diese Abmahnung ist nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Die Klägerin war sodann an drei Tagen, nämlich vom 30.11.2020 bis zum 02.12.2020 am Arbeitsplatz ihres "Sonderprojekts". In der Zeit vom 03.12.2020 bis 06.01.2021 nahm sie Urlaub. Während eines Zeitraums von knapp drei Monaten, nämlich vom 07.01.2021 bis zum 31.03.2021 war die Klägerin erneut arbeitsunfähig. Im Anschluss nahm sie knapp zwei Wochen Urlaub vom 01.04.2021 bis zum 09.04.2021. Nach Urlaubsende erkrankte sie erneut und war aufgrund dieser Krankheit vom 12.04.2021 bis 30.06.2021 arbeitsunfähig.

Nach der Ankündigung, sie werde wegen der Nachbesteuerung des Carsharing eine Verrechnung vornehmen, zahlte die Beklagte mit der Entgeltabrechnung für den Monat Mai 2021 einen Betrag in Höhe von 2.923,40 EUR weniger und mit der Entgeltabrechnung für den Monat Juni 2021 einen Betrag in Höhe von 2.339,94 EUR weniger. Auf die Aufforderung der Klägerin die Ausgleichszulage weiter zu zahlen und die einbehaltenen Beträge nachzuentrichten, reagierte die Beklagte nicht.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.06.2021 (Anlage K52, Bl. 329 d.A.) machte die Klägerin die folgenden Ansprüche geltend: Die Zahlung von 7.116,04 EUR an nicht gezahlter Ausgleichszulage für die Monate Februar bis Juli 2020 sowie für den Teil des Monats August 2020, während dem noch ein vertraglicher Entgeltfortzahlungsanspruch bestanden habe; die Zahlung von 7.743,92 EUR an Ausgleichszulage für die Monate Dezember 2020 bis Juni 2021; die Zahlung von 23.167,42 EUR an Schadensersatz für die nicht erfolgte Zielvereinbarung zur Bemessung einer nicht vereinbarten und nicht gezahlten variablen Vergütung für das Jahr 2019; sowie schließlich die Zahlung von 5.263,34 EUR an Nettolohn-Einbehalt in den Monaten Mai und Juni 2021. Es ging hier also um einen Betrag in Höhe von insgesamt gut 43.000,00 EUR (grob addiert und nicht differenziert nach brutto und netto).

Unter Hinweis auf diese offenen Ansprüche gegen die Beklagte berief sich die Klägerin in der Folgezeit auf ein Zurückbehaltungsrecht. Nach einer die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ankündigenden Email der Klägerin vom 16.07.2021 zahlte die Beklagte an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 17.699,96 EUR. Vorausgegangen war eine Mail der Beklagten vom 16.07.2021 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Anlage K 53, NBl. 330 d.A.), in der sie die Zahlung der variablen Vergütung iHv 23.167,42 EUR sowie die Zahlung von Ausgleichszulage iHv 8.614,94 EUR ankündigte. In dieser Mail heißt es wörtlich "... ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ..." und "... erfolgt ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung gem. Ausgang des rechtshängigen Verfahrens ...". Eine Abrechnung hierzu erhielt die Klägerin zunächst nicht, sondern erst mit Schriftsatz der Beklagten vom 27.01.2022 (Bl. 448 d.A.), also ein halbes Jahr später. Es folgte sodann eine Abmahnung durch die Beklagte vom 29.07.2021 wegen Arbeitsverweigerung sowie eine weitere Abmahnung vom 11.08.2021 aus dem - fortdauernden - gleichen Grund. Mit Email vom 16.08.2021 (Anlage K 57, Bl. 342 d.A.) teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass nach seiner Berechnung immer noch ein Anspruch der Klägerin in Höhe von 11.508,36 EUR unerfüllt geblieben sei und die Klägerin daher weiterhin ihr Zurückbehaltungsrecht ausübe.

Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 19.08.2021 zu einer beabsichtigten Kündigung an. Der Betriebsrat hat hierzu keine Stellungnahme abgegeben.

Mit Schreiben vom 31.08.2021 kündigte die Beklagte sodann das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos und hilfsweise ordentlich zum 31.03.2022.

Mit der bereits seit dem 15.09.2020 beim Arbeitsgericht Siegburg anhängigen Klage, deren Gegenstand zunächst nur Entgeltansprüche und die Berechtigung von Abmahnungen war, die dann aber mit Schriftsatz vom 07.09.2021 (Bl. 357 d.A.) um entsprechende Kündigungsschutzanträge erweitert worden ist, hat sich die Klägerin gegen diese ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung gewandt.

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, nach ihrer Auffassung sei die Kündigung unwirksam. Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sei nicht ersichtlich, insbesondere sei ihr nicht unentschuldigtes Fehlen vorwerfbar. Sie habe zurecht ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt. Deshalb komme auch eine ordentliche Kündigung nicht in Betracht, denn einer solchen ordentlichen Kündigung fehle es an einer sozialen Rechtfertigung.

Für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag stelle sie den Antrag, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Die weitere Beschäftigung bei der Beklagten sei ihr nach dem Lauf der Dinge nicht zumutbar: Vorliegend handele es sich schon um das zweite Kündigungsschutzverfahren; sie werde weiterhin als Sündenbock für das gescheiterte Carsharing- Modell angesehen und dargestellt; der Geschäftsführer der Beklagten habe ihr im Oktober 2020 vorgeworfen, SAP-Lizenzen für die Beklagte gekauft zu haben, die ungenutzt geblieben seien, es sei jedoch der Geschäftsführer selbst gewesen, der im ITBoard des Führungskreises für das Projekt verantwortlich gewesen sei, die damalige Entscheidung sei nicht von ihr, sondern von der IT-Abteilung getroffen worden; es seien so hohe Entgeltansprüche offengeblieben, dass ihr ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden habe; nachdem sie im Vorverfahren obsiegt habe, habe die Beklagte sie in einer Weise und unter solchen Umständen weiterbeschäftigt, die nur als Zurücksetzung und Erniedrigung erkannt werden könne: Sie sei in einen anderen Bürokomplex versetzt worden, der ca. 500 m weit weg vom Hauptkomplex der Beklagten in T liege, dort sitze sie alleine, ihr sei kein eigener Laptop, kein RSA-Token und auch kein Firmenhandy zur Verfügung gestellt worden, sie habe nur einen Tür-Token gehabt, mit dem sie den Zugang zum Hauptgebäude habe erlangen können. Ihr eigener Bereich, der Bereich Personal/Organisation/QM, sei für sie nicht erreichbar; die Beklagte habe sie nicht weiter im Organigramm geführt; die Beklagte habe gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Kontaktverbot ausgesprochen, damit sei sie von der Belegschaft weitgehend isoliert worden; ihr seien Sonderaufgaben zugewiesen worden, die offenkundig nicht geeignet gewesen seien, den titulierten Weiterbeschäftigungsanspruch zu erfüllen: die Aufgabenstellung bezüglich des Sonderauftrages vom 20.01.2020 sei darauf ausgerichtet gewesen, eigene Unzulänglichkeiten zu identifizieren, der Geschäftsführer der Beklagten, Herr F, habe diesen Auftrag gegenüber ihr mit den Worten beschrieben, dass sie eine Liste über die in den letzten Jahren im Personalbereich entstandenen "Bömbchen" erstellen solle; der Geschäftsführer habe vor den Mitgliedern des Führungskreises und gegenüber dem Betriebsrat behauptet, dass sämtliche von ihr erledigten Arbeiten unzureichend gewesen seien und dass insbesondere durch das Carsharing-Modell Schäden für das Unternehmen entstanden sein; der Geschäftsführer habe mit Blick auf den anhängigen Rechtsstreit vor einigen Mitarbeitern geäußert, dass die Klägerin keinen Cent mehr bekommen werde. Sie berechne gemäß §§ 9, 10 KSchG bei einem 20 Jahre bestehenden Arbeitsverhältnis und einem Lebensalter von mehr als 55 Jahren eine maximale Abfindung iHv. 200.687,58 Euro, die sie vorliegend allerdings auch für angemessen erachte.

Ihr stehe ein Anspruch auf Schadensersatz zu, weil es die Beklagte pflichtwidrig unterlassen habe, mit ihr eine Zielvereinbarung abzuschließen. Sie selbst habe im Februar 2019 den Geschäftsführer, Herrn F, wegen der noch ausstehenden Zielvereinbarung angesprochen und ihm mündlich mehrere Ziele genannt. Es sei damit an der Beklagten gewesen, den Abschluss einer Zielvereinbarung weiter voranzutreiben.

Mit dem Klageantrag zu 1 fordere Sie die Zahlung der Ausgleichszulage für die Monate Februar 2020 bis Juli 2020 und Dezember 2020 bis Juli 2021 iHv jeweils 1.098,80 EUR als Teil ihrer Vergütung für geleistete Arbeit, für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle und als Urlaubsentgelt; wegen der Überschreitung der vertraglich vereinbarten Entgeltfortzahlungsfrist fordere sie diese Ausgleichszulage für die Monate August 2020 iHv 532,24 EUR und November 2020 iHv 52,32 EUR jeweils nur anteilig. Gegenstand des Antrages zu 1 sei darüber hinaus ihre Forderung auf Schadensersatz wegen des Unterlassens einer Zielvereinbarung in Höhe von 23.167,42 EUR. Dieser Betrag sei derjenige Betrag, der nach den arbeitsvertraglichen Grundlagen im Falle einer 100%igen Zielerreichung zu zahlen sei. Mit den Anträgen zu 2, 3, 5 und 6 wende sie sich gegen die nach ihrer Auffassung unberechtigten Abmahnungen, die die Beklagte ihr erteilt habe. Gegenstand des Antrages zu 4 seien die beiden Nettoeinbehalte, die die Beklagte in den Monaten Mai und Juni 2021 vorgenommen habe und die sie als ungerechtfertigt erachte. Mit den Anträgen zu 7, 8 und 9 wende sie sich gegen die ihr gegenüber ausgesprochene fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung in Verbindung mit dem Auflösungsantrag - letzterer für den Fall des Obsiegens mit den Kündigungsschutzanträgen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 39.135,18 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.098,80 Euro seit dem 02.03:2020, aus weiteren 1.098,80 Euro seit dem 02.04.2020, aus weiteren 1.098,80 Euro seit dem 02.05.2020, aus weiteren 23.167,42 Euro seit dem 02.05.2020, aus weiteren 1.098,80 Euro seit dem 02.06.2020, aus weiteren 1.098,80 Euro seit dem 02.07.2020, aus weiteren 1.098,80 Euro seit dem 02.08.2020, aus weiteren 532,24 Euro seit dem 02.09.2020, aus weiteren 52,32 Euro seit dem 02.12.2020, aus weiteren 1.098,80 Euro seit dem 02.01.2021, aus weiteren 1.098,80 Euro seit dem 02.02.2021, aus weiteren 1.098,80 Euro seit dem 02.03.2021, aus weiteren 1.098,80 Euro seit dem 02.04.2021, aus weiteren 1.098,80 Euro seit dem 02.05.2021, aus weiteren 1.098,80 Euro seit dem 02.06.2012, aus weiteren 1.098,80 Euro seit dem 02.07.2021 sowie aus weiteren 1.098,80 Euro seit dem 02.08.2021 zu zahlen; 2. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 17.03.2020 aus der Personalakte der Klägerin zu entferne; 3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 17.07.2020 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen; 4. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe 5.263,34 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.923,40 Euro seit dem 02.06.2021 und aus 2.339,94 Euro seit dem 02.07.2021 zu zahlen; 5. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 29.07.2021 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen; 6. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 11.08.2021 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen; 7. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.08.2021 beendet worden ist; 8. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vom 31.08.2021 zum 31.03.2022 enden wird; 9. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Kündigungsschutzanträgen zu Ziff. 7 und 8: das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.03.2022 aufzulösen und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine angemessene Abfindung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 200.687,58 Euro brutto betragen sollte; 10. die Widerklage der Beklagten abzuweisen.

Die Beklagte hat beantragt,

1. die Klage abzuweisen; 2. widerklagend die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 1.615,70 Euro netto nebst Zinsen Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.01.2022 zu zahlen.

Zur Verteidigung gegen die Klage hat die Beklagte vorgetragen, nach ihrer Auffassung sei die fristlose (hilfsweise ordentliche) Kündigung wirksam, da die Klägerin beharrliche Arbeitsverweigerung betrieben habe. Die Beharrlichkeit ergebe sich aus der weiteren Ausübung des nicht mehr existierenden Zurückbehaltungsrechts und den deshalb ausgesprochenen Abmahnungen, die nicht zu einer Verhaltensänderung geführt hätten. Das Zurückbehaltungsrecht bestehe nicht, weil der Klägerin kein hinreichend erheblicher Gegenanspruch zustehe. Noch im Juli 2021 sei ein großer Teil der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche durch Zahlung erfüllt worden. Der Erfüllungswirkung stehe die Formulierung "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" oder die Formulierung "unter Vorbehalt" nicht entgegen. Der von der Klägerin geltend gemachte Restbetrag sei Ende Juli 2021 geringer gewesen als ein Monatsbruttoentgelt.

Die Klägerin habe für den hier relevanten Zeitraum keinen Anspruch auf die Leistung der Ausgleichszahlung, denn die vertraglich auf drei Monate verlängerte Lohnfortzahlung betreffe nur die "zuletzt vereinbarte Vergütung" und damit eben nicht die Ausgleichszahlung. Einem Anspruch auf diese Ausgleichszahlung stehe auch entgegen, dass der Klägerin inzwischen wieder ein Dienst-Pkw mit Privatnutzung angeboten worden sei. In dem hier streitgegenständlichen Zeitraum (unter Abzug der Entgeltfortzahlungszeiträume aus dem oben genannten Grund) könne die Klägerin allenfalls 9.112,43 EUR an Ausgleichszahlung beanspruchen. Auf diese Forderung habe sie einen Betrag in Höhe von 8.614,94 EUR gezahlt. Der geringe Unterschied zwischen beiden Beträgen rechtfertige keine weitere Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts. Hinsichtlich des soeben genannten Differenzbetrages, 497,49 EUR als Teil des Klageanspruchs, erkläre sie ein Anerkenntnis. Die Behauptung der Klägerin, alle Führungskräfte hätten für das Jahr 2019 eine variable Vergütung auf der Grundlage einer 100 %igen Zielerreichung erhalten, sei falsch. Sie sei verpflichtet, den geldwerten Vorteil, den sie durch das Carsharing-Modell gezogen habe, nachzuversteuern, das ergebe sich aus dem Bericht zur Lohnsteuer-Außenprüfung vom 20.04.2020. Daher seien die Nettoeinbehalte gerechtfertigt.

Weil ein Zurückbehaltungsrecht nicht mehr bestanden habe und die Klägerin somit unentschuldigt von der Arbeit ferngeblieben sei, seien die Tage 27.07.2021 bis 31.07.2021 mit 1.615,70 EUR netto ohne Rechtsgrund vergütet worden. Dieser Betrag sei der Gegenstand der Wiederklage.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat mit Urteil vom 28.01.2022 - 1 Ca 421/21 - der Klage weitgehend stattgegeben und das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 83.619,82 EUR aufgelöst. Dem Klageantrag zu 1 betreffend die Ausgleichszahlung hat das Arbeitsgericht stattgegeben mit der Begründung, der Anspruch ergebe sich aus § 611 a Abs. 2 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag. Als Entgeltbestandteil sei die Ausgleichszahlung auch während des dreimonatigen Entgeltfortzahlungszeitraums zu zahlen. Es sei ein vertraglicher Anspruch. Der Arbeitsvertrag sei nicht geändert worden. Die steuerrechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Car-Sharing-Angebot stünden mit diesem vertraglichen Anspruch in keinem Zusammenhang. Eine Erfüllung des besagten Anspruchs sei nicht eingetreten, auch nicht durch die Zahlung im Monat Juli 2021 (17.699,96 EUR). Es fehle nämlich eine Tilgungsbestimmung. Im Übrigen finde § 366 Abs. 2 BGB keine Anwendung, da alle Zahlungen ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden seien. Auch mit Blick auf den zweiten Teil des mit dem Klageantrag zu 1 geforderten Betrages, der den geforderten Schadensersatz für den Nichtabschluss einer Zielvereinbarung betrifft, hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Die Beklagte sei vertraglich verpflichtet gewesen, eine Zielvereinbarung abzuschließen. Diese Pflicht habe sie verletzt. Da für die Klägerin in den Vorjahren regelmäßig eine Zielerreichung von 100 % angenommen worden sei, sei auch hier eine Zielerreichung von 100 % anzunehmen. Ein Mitverschulden der Klägerin scheide aus, das ergebe sich schon aus den Verlautbarungen in den FaQs, die im Intranet nachzulesen seien. Der Anspruch auf Zahlung des variablen Entgelts sei nicht erfüllt, insbesondere nicht durch die Zahlung der 23.167,42 EUR (zusammen mit der Ausgleichszulage in Höhe von 8.614,94 EUR) weil die Beklagte keine Abrechnung vorgelegt habe und damit keine Leistungsbestimmung vorgenommen worden sei. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit dem Klageantrag zu 2 betreffend die Abmahnung vom 17.03.2020 abgewiesen. Die Abmahnung sei gerechtfertigt, weil die Klägerin entgegen ihrer vertraglichen Pflichten die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht unverzüglich übersandt habe. Dem Klageantrag zu 3 betreffend die Abmahnung vom 17.07.2020 (nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens) hat das Arbeitsgericht stattgegeben. Die Klägerin habe nichts verschwiegen. Das Gegenteil sei der Fall. Sie habe seinerzeit auf die steuerrechtlichen Risiken des Car-Sharing-Projekts hingewiesen. Die Kenntnis der damaligen Geschäftsführung habe sich im Übrigen die heutige Geschäftsführung zurechnen zu lassen. Auch mit dem Klageantrag zu 4 betreffend die Rückzahlung der Nettoeinbehalte hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Die Nettoeinbehalte seien zu Unrecht erfolgt. Die Beklagte habe keine aufrechenbare Gegenansprüche. Es existiere im Übrigen nur ein Bericht über die Steuerprüfung, aber kein abschließender Bescheid. Auch mit Blick auf den Klageantrag zu 5 betreffend die Abmahnung wegen der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Die Abmahnung sei zu Unrecht erfolgt, da die Klägerin berechtigt gewesen sei, ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben. Gleiches gelte mit gleicher Begründung für den Klageantrag zu 6. Das Arbeitsgericht hat auch dem Klageantrag zu 7, der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Ein wichtiger Grund sei nicht ersichtlich. Auch sei die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht sozial gerechtfertigt. Das Nichterscheinen der Klägerin am Arbeitsplatz sei nicht vertragswidrig, denn die Klägerin habe zurecht ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt. Dem Klageantrag zu 8 folgend hat das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis durch Urteil aufgelöst. Der Klägerin sei die weitere Tätigkeit bei der Beklagten nicht zumutbar. Die hierzu von der Klägerin geäußerten Tatsachen seien mangels einer Stellungnahme der Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig geworden. Mit dem zur Bemessung der Höhe der Abfindung berücksichtigten Faktor 8,5 bewege sich die Abfindung knapp unterhalb der Hälfte des Maximalbetrages. Das sei angesichts der Rentennähe der Klägerin angemessen. Die Widerklage sei unbegründet. Weder sei die Berechnung nachvollziehbar, noch bestehe der Anspruch dem Grunde nach. Im Übrigen habe die Klägerin im Juli 2021 zu Recht von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht.

Gegen dieses ihr am 04.04.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.04.2022 Berufung eingelegt und sie hat diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 04.07.2022 begründet. Die Klägerin ihrerseits hat gegen das ihr am 07.04.2022 zugestellte Urteil am 29.04.2022 Berufung eingelegt und sie hat diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 07.07.2022 begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung hat die Beklagte vorgetragen, nach ihrer Auffassung ende der aus der Abänderungsvereinbarung folgende monatliche Zahlungsanspruch in Höhe von 1.098,80 EUR im Krankheitsfalle mit Ablauf des gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraums von 6 Wochen. Es gebe keine Vereinbarung, aus der hervorgehe, dass die Ausgleichszahlung zum Entgelt im Sinne der vertraglichen Vereinbarung über die Entgeltfortzahlung gehöre. Die Ausgleichszahlung sei kein Bestandteil der monatlichen Vergütung im Sinne des § 4 des Arbeitsvertrages. Das Arbeitsgericht habe damit dem Klageantrag zu 1 zu Unrecht stattgegeben. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen der fehlenden Zielvereinbarung sei wegen Mitverschuldens jedenfalls um 50 % zu kürzen. Das ergebe sich aus dem erstinstanzlich erfolgten Vortrag zur Kommunikation zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer. Die Klägerin habe nicht dargelegt, wie sie auf die 100%ige Zielerreichung komme. Fehlerhaft habe das Arbeitsgericht - dessen Auffassung als richtig unterstellt, es bestehe eine Zahlungspflicht aus der Abänderungsvereinbarung bis zum Ablauf des 3. Monats der Entgeltfortzahlung - für die Monate April 2020 (Ablauf der 3 Monate am 21.04.2020), November 2020 (Ablauf am 28.11.2020) und Dezember 2020 (Beginn der Arbeitsunfähigkeit erst am 03.12.2020) den jeweils vollen Betrag als Entgeltfortzahlung ausgeurteilt. Vielmehr seien die sieben Tage im April und die zwei Tage im November sowie die zwei Tage im Dezember tatsächlich als Entgelt zu zahlen. Diese drei Beträge entsprächen in der Summe dem anerkannten Anspruch in Höhe von 497,49 EUR. Fehlerhaft habe das Arbeitsgericht zu der unstreitig erfolgten Nettozahlung eine Zahlungsbestimmung vermisst. Die Klägerin habe nämlich zu dieser Zahlung eine Abrechnung erhalten. Der Einwand der Klägerin, die Zahlung sei nur unter Vorbehalt erfolgt, sei ebenfalls nicht berechtigt. Die Klägerin habe das Geld angenommen. Spätestens damit sei Erfüllung eingetreten. Jedenfalls Zinsen stünden der Klägerin nicht zu - unabhängig von der Frage, ob die Überweisung an die Klägerin unter Vorbehalt erfolgt sei oder vorbehaltslos.

Sie habe durch die Nettoeinbehalte in den Monaten Mai und Juni 2021 (Klageantrag zu 4) den Entgeltanspruch der Klägerin im Wege der Aufrechnung erfüllen dürfen, da sie einen entsprechenden - konnexen - Gegenanspruch gehabt habe. Dieser Gegenanspruch ergebe sich aus der von ihr vorgenommenen Nachversteuerung des Carsharing-Angebots. Ein Dokument hierzu liege vor, nämlich das Schreiben des Finanzamtes Siegburg zur Lohnsteueraußenprüfung vom 20.04.2020 (Bl. 449 d.A.), aus dem sich auch die konkreten Beträge ergäben. Aus dem Haftungsbescheid des Finanzamts Siegburg vom 04.05.2020 (Anlage B 12, Bl. 621 d.A.) ergebe sich sodann ihre Verpflichtung an das Finanzamt für ihre Beschäftigten, die am Carsharing-Modell beteiligt gewesen seien, insgesamt 21.892,28 EUR nachzuentrichten.

Die Abmahnungen vom 29.07.2021 und 11.08.2021, die wegen der unberechtigten Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts ausgesprochen worden seien (Klageanträge zu 5 und 6), seien zu Recht erfolgt, weil die Klägerin wie gezeigt kein Zurückbehaltungsrecht gehabt habe. Durch die Nettozahlung vom 22.07.2020 sei von den ausstehenden Vergütungsbestandteilen selbst nach Auffassung der Klägerin nur noch 10.000,00 EUR übriggeblieben. Da aber auch der Nettoeinbehalt iHv 5.263,24 EUR (Klageantrag zu 4) in Ordnung gewesen sei, blieben nach der eigenen Auffassung der Klägerin nur noch gut 4.700,00 EUR an offenen Zahlungsansprüchen übrig. Tatsächlich sei aber nur von einem Restbetrag in Höhe von 497,49 EUR auszugehen. Dies sei der Betrag gewesen, den sie anerkannt habe. Mit der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts habe die Klägerin im Übrigen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, weil bei ihr, einer Inhouse-Gesellschaft des Bundes, nicht von einem Ausfallrisiko ausgegangen werden könne.

Aus dem Vorgesagten ergebe sich auch, dass die Kündigungsschutzklage der Klägerin (Klageantrag zu 7) unbegründet sei. Da die Klägerin nicht berechtigt gewesen sei, ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben, habe sie ohne Rechtfertigung ihre Arbeit verweigert. Selbst wenn aber zu dem Ergebnis gelangt werden müsse, dass das Arbeitsverhältnis auch durch diese weitere Kündigung nicht beendet worden sei, so sei jedenfalls der vom Arbeitsgericht festgesetzte Abfindungsbetrag zu hoch. Ihr sei kein Auflösungsverschulden vorzuwerfen, weil sie sich vertragsgemäß verhalten habe und weil sie erst später dem Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils entsprechend Zahlungen geleistet habe. Soweit sie die Klägerin beschäftigt habe, sei dies vertragsgemäß erfolgt, denn der Vertrag sehe eine Versetzungsklausel vor. Nach alledem sei ein Abfindungsbetrag in Höhe von ca. 3.000,00 EUR völlig ausreichend. Im Übrigen sei auch der Vortrag der Klägerin zum Auflösungsverschulden nicht zutreffend: Das ehemalige Einzelzimmer sei im Zeitpunkt der Rückkehr der Klägerin längst in ein Doppelzimmer umfunktioniert worden und ein "Kontaktverbot" sei gegenüber den Mitarbeitenden nicht ausgesprochen worden. Die Klägerin sei in keiner Weise benachteiligt, erniedrigt oder gar gemobbt worden.

Da die Klägerin sich nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht habe berufen dürfen, sei sie mit dem Betrag überzahlt worden, der mit der Widerklage geltend gemacht worden sei, und sie sei daher verpflichtet, diesen Betrag zurück zu zahlen.

Die im Kammertermin vor der Berufungskammer thematisierten Zahlungen, die ausweislich zweier Emails der Beklagten vom 13.05.2022 und 08.06.2022 (Bl. 755 ff d.A.) an die Klägerin geflossen seien, seien zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung erfolgt.

Die Beklagte beantragt [die fettgedruckten Nummern sind Korrekturen von offensichtlich fehlerhaften Nummerierungen im Antrag der Beklagten, die Fehlerhaftigkeit ergibt sich aus dem Vergleich mit der Nummerierung der Klageanträge erster Instanz - s.o.],

I. das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 04.04.2022- 1 Ca 421/21 - wie folgt teilweise abzuändern: 1. Soweit das Arbeitsgericht auf den Klageantrag zu 1) die Beklagte zur Zahlung von mehr als EUR 497,49 brutto einschließlich der ausgeurteilten Zinsen verurteilt hat, die Klage abzuweisen. 2. Soweit das Arbeitsgericht auf den Klageantrag zu 4) die Beklagte zur Zahlung von EUR 5.263,34 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils EUR 2.923,40 netto seit dem 02.06.2021 und aus EUR 2.339,94 netto seit dem 02.07.2021 verurteilt hat, die Klage abzuweisen. 3. Soweit das Arbeitsgericht auf den Klageantrag zu 5) die Beklagte zur Entfernung der Abmahnung vom 29.07.2021 aus der Personalakte der Klägerin verurteilt hat, die Klage abzuweisen. 4. Soweit das Arbeitsgericht auf den Klageantrag zu 6) die Beklagte zur Entfernung der Abmahnung vom 11.08.2021 aus der Personalakte der Klägerin verurteilt hat, die Klage abzuweisen. 5. Soweit das Arbeitsgericht auf den Klageantrag zu 7) festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 31.08.2021 beendet wurde, die Klage abzuweisen. 6. Soweit das Arbeitsgericht auf den Klageantrag zu 8) festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 31.08.2021 zum 31.03.2022 beendet wurde, die Klage abzuweisen. 7. Hilfsweise soweit das Arbeitsverhältnis der Parteien auf den Auflösungsantrag der Klägerin zum 31.03.2022 aufgelöst wird und die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von mehr als EUR 2.787,33 verurteilt wurde. 8. Auf die Widerklage hin die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von EUR 1.615,70 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. II. Die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

I. das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 04.04.2022 - 1 Ca 421/21 - teilweise abzuändern und gemäß den erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen. II. Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, die Klage sei mit dem Antrag zu 2 zu Unrecht abgewiesen worden, denn die Abmahnung sei nicht gerechtfertigt gewesen. Sie habe die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch am 05.03.2020 in den Briefkasten geworfen. Das sei nach ihrer Auffassung rechtzeitig genug. Warum der Briefumschlag das Datum des 08.03.2020 getragen habe, könne sie sich nicht erklären.

Im Rahmen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei die Abfindung vom Arbeitsgericht zu knapp bemessen worden. Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2022 verliere sie, berechnet für die Zeit bis zum Renteneintritt, einen Entgeltbetrag in Höhe von ca. 200.000,00 EUR. Angesichts der von ihr erlittenen Schikane sei der vom Arbeitsgericht festgesetzte Betrag in Höhe von 83.620,00 EUR zu gering. Jedenfalls entspreche dieser Betrag nicht der Berechnung des Arbeitsgerichts. Zu der dem Grunde nach bestehenden Berechtigung des Auflösungsantrags reiche sie als Anlagekonvolut BK2 (Bl. 735 ff d.A.) Fotos des ihr zugewiesenen Arbeitsbereichs zur Akte.

Zu den von der Beklagten geltend gemachten Zahlungen bleibe es dabei, dass es an einer Leistungsbestimmung gefehlt habe. Tatsächlich seien ihr 23.978,56 EUR überwiesen worden. Die Abrechnung hierzu habe ihr aber nicht - auch nicht zeitnah - vorgelegen, sondern erst ein halbes Jahr später. Alle Zahlungen, auch die inzwischen eingegangenen weiteren Zahlungen seien zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt, somit nur unter Vorbehalt und daher auf die Forderungen im Erkenntnisverfahren nicht anrechenbar.

Zur Verteidigung gegen die Berufung der Beklagten bezieht sich die Klägerin auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die ebenfalls zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache gleichfalls weitgehend ohne Erfolg. Nur mit Blick auf die Höhe der Abfindung war auf die Berufung der Klägerin ein Rechenfehler zu berichtigen. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils und die dort zitierte Rechtsprechung und Literatur wird Bezug genommen. Die nachfolgenden Ausführungen erfolgen nur zur Vertiefung und soweit sie durch die Vorträge der Parteien in der Berufungsinstanz veranlasst sind.

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel der Beklagten bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung weitgehend stattgegeben.

1. Soweit das Arbeitsgericht dem Klageantrag zu 1 stattgegeben hat, ist die hiergegen erhobene Berufung der Beklagten erfolglos. Der Klägerin steht sowohl die Ausgleichszulage als auch die variable Vergütung für das Jahr 2019 zu.

a. Mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin für die Monate Februar 2020 bis Juli 2020 und Dezember 2020 bis Juli 2021 die Ausgleichszulage iHv jeweils 1.098,80 EUR als Teil ihrer Vergütung für geleistete Arbeit, für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle und als Urlaubsentgelt zu zahlen und für die Monate August und November 2020 anteilig. Der Anspruch ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag vom 16.08.2010, dort insbesondere aus § 4 und § 12 der Abänderungsvereinbarung vom 26.05.2004 zur Überlassung eines Dienstwagens, der Abänderungsvereinbarung vom 26.04.2005 zur Ausgleichszulage, der Abänderungsvereinbarung vom 10.10.2006 zur vertraglichen Verlängerung des Entgeltfortzahlungsanspruchs im Krankheitsfalle in Verbindung mit § 611a Abs. 2 BGB für die Zeiten tatsächlich erbrachter Arbeit, in Verbindung mit § 3 EFZG für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sowie in Verbindung mit § 11 BUrlG für die Urlaubszeiten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten bestand der Anspruch auf Ausgleichszulage über den Zeitpunkt hinaus, an dem der Klägerin wieder ein Dienstauto zur privaten Nutzung angeboten worden ist und entgegen der Auffassung der Beklagten besteht der Anspruch auch in den Zeiträumen, in denen die Beklagte aufgrund der Abänderungsvereinbarung vom 10.10.2006 über den gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum von 6 Wochen hinaus bis zum Ablauf von drei Monaten zur Zahlung verpflichtet ist.

(1.) Der Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage bestand als Teil ihres gegen die Beklagte gerichteten Entgeltanspruchs bis zum Ende des hier relevanten Zeitraums. Der aktuelle Arbeitsvertrag nimmt in § 12 ausdrücklich Bezug auf die Abänderungsvereinbarung vom 26.04.2005, mit der die Parteien die Zahlung der Ausgleichszulage vereinbart hatten. Damit ist die Ausgleichszulage Teil des monatlich zu zahlenden Bruttoentgelts gemäß § 4 des Arbeitsvertrages.

Der Anspruch auf Zahlung der Ausgleichszulage ist nicht nach Nummer 2 der Abänderungsvereinbarung durch das Angebot der Beklagten vom 14.02.2020 untergegangen, nunmehr wieder einen Dienstwagen zur Verfügung zu stellen. Denn diese Nummer 2 ist vom Arbeitsgericht richtigerweise dergestalt ausgelegt worden, dass der Wegfall der Ausgleichszulage nur dann in Betracht kommt, wenn die Parteien - zweiseitig - die Überlassung eines Dienstwagens vereinbaren. Die bloß einseitige Erklärung mit gleicher Rechtsfolge käme einer unzulässigen Teilkündigung gleich. Durch die Abrede über eine gesonderte Kündbarkeit eines eigenständigen Entgeltbestandteils wird zwingender Kündigungsschutz umgangen und das Äquivalenzgefüge des Arbeitsverhältnisses gestört. Bei der Gewährung der privaten Nutzung eines Dienstwagens statt der Zahlung eines Ausgleichsanspruchs handelt es sich nicht nur um eine Änderung der Erfüllungsmodalität (vgl. dazu BAG v. 18.05.2017 - 2 AZR 721/16 -). Es geht hier vielmehr um einen unmittelbaren Eingriff in die monatlich zur Verfügung stehende Liquidität der Klägerin. Die Zahlung eines Betrages ist etwas grundsätzlich Anderes als die Einräumung eines Gebrauchsrechts, wenn auch beides aus steuerrechtlichen Gesichtspunkten den gleichen Wert hat.

(2.) Mit zutreffender Begründung ist das Arbeitsgericht auch zu der Erkenntnis gelangt, dass die Ausgleichszulage als Teil des Entgeltanspruchs auch während der vertraglich verlängerten Entgeltfortzahlung zu leisten ist. Der Vergütungsparagraf des alten Vertrages - § 3 - wurde mit der Vereinbarung vom 26.05.2004 (Bl. 38 d.A.) durch einen weiteren Absatz 4 - Dienstwagen - erweitert, also zum Anteil des monatlichen Entgelts gemacht. Auf diese Zusatzvereinbarung nimmt der neue Vertrag Bezug. Durch die neue Durchnummerierung der Paragrafen mag der neue Vertrag im Wortlaut ungenau sein, es ist aber nichts bekannt zu einer Vertragsverhandlung zwischen den Parteien, aus der sich ergäbe, dass die Parteien über die sehr spezielle Regelung Einigkeit erzielt hätten, dass nämlich entgegen der bisherigen Praxis zwar weiterhin Entgeltfortzahlung für drei Monate versprochen wird, aber in Zukunft die Ausgleichszahlung für die Zeit nach den ersten 6 Wochen herausgerechnet werden soll. Es spricht also nichts dafür, dass die Vereinbarung über die verlängerte Entgeltfortzahlung nach Ablauf der gesetzlichen 6 Wochen eine Zäsur im Wert von über 1.000,00 EUR zu erleiden hat. Im Übrigen wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts.

(3.) Mit den Formulierungen "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" und "unter Vorbehalt" hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass sie die im Juli 2021 erfolgten Zahlungen nicht als endgültig betrachten möchte. Deshalb konnte die Zahlung auch nicht die Rechtsfolge des § 362 BGB auslösen. Eine Leistung unter dem Vorbehalt der Rückforderung hat keine Erfüllungswirkung. Der Vorbehalt dient gerade dazu, diese Wirkung auszuschließen. Die Gläubigerin muss also damit rechnen, dass sie das Geleistete zurückgewähren muss; sie kann nicht nach ihrem Belieben mit dem Gegenstand der Leistung verfahren (BGH v. 15.03.2012 - IX ZR 34/11 -). Zur Widersprüchlichkeit und daher Unerheblichkeit des Anerkenntnisses wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen. Der Klägerin kann auch nicht vorgehalten werden, dass sie die Leistung angenommen habe. Die Klägerin hat in diesem Sinne nichts getan. Es war die Beklagte die den Betrag auf das Konto der Klägerin überwiesen hat.

(4.) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Der Verzug der Beklagten fand auch nicht durch ihre Zahlung ein Ende. Der Verzug der Schuldnerin endet, wenn eine seiner Voraussetzungen entfällt, insbesondere wenn die Schuldnerin die geschuldete Leistung erbringt (BGH v. 15.03.2012 - IX ZR 34/11 -). Dass die Beklagte durch ihre Zahlung unter Vorbehalt ihre Leistung in diesem Sinne gerade nicht erbracht hat wurde soeben dargestellt.

b. Zurecht hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung der variablen Vergütung verurteilt und zurecht ist es dabei von einer Zielerreichung in Höhe von 100 % ausgegangen (vgl. BAG v. 17.12.2020 - 8 AZR 149/20 -). Dem Grunde nach liegen die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB vor. Denn die Arbeitgeberin hat ihre Pflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt, eine Zielvereinbarung zu initiieren. Die Klägerin hat eine solche Initiative nicht etwa behindert, sie hat sich auch den Verhandlungen nicht entzogen. Dabei kann offenbleiben, wie aktiv die Klägerin nach ihrem Urlaub geworden ist und ob der Geschäftsführer tatsächlich die Informationen über die Ziele der Mitarbeiter der Klägerin vorliegen hatte. Jedenfalls ist die Klägerin selbst aktiv geworden, indem sie vorgeschlagen hatte, ihre Ziele im Sinne einer "Kaskadierung" aus den Zielen für den Bereich kaufmännisches Personal abzuleiten. Ein Mitverschulden der Klägerin kommt daher nicht in Betracht. Im Übrigen kann entgegen der Auffassung der Beklagten die Aussage aus dem internen Papier über die variable Vergütung zur Bemessung der Zielerreichung, jedenfalls aber zur Konkretisierung der diesbezüglichen Darlegungslast herangezogen werden. Denn die dort gegebenen Angaben eigenen sich als Verlautbarungen der Beklagten durch ihre Erfüllungsgehilfen wenigstens als Auslegungshilfe. Unerheblich ist dabei, dass diejenige Mitarbeiterin, die die Folien erstellt hat, nach den Angaben der Beklagten nicht zu solchen Erklärungen bevollmächtigt gewesen sein soll. Für den Erklärungswert kommt es nicht darauf an, wer eine solche Folie erstellt, sondern es kommt darauf an, wer den Inhalt der Verlautbarungen im Intranet verantwortet.

Genauso wie der Anspruch auf Ausgleichszulage ist auch der Anspruch auf variable Vergütung nicht durch Erfüllung untergegangen. Durch die Formulierung "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" in Kombination mit der Formulierung "unter Vorbehalt" konnte es nicht zur Erfüllungswirkung des § 362 BGB kommen, auch wenn der Beklagten zugestanden sein mag, dass sich die Formulierung "unter Vorbehalt" vordergründig nur auf die Ausgleichszulage bezog. In der Kombination beider Formulierungen im gleichen Schreiben wird nicht deutlich, ob die Beklagte die variable Vergütung tatsächlich vorbehaltlos zahlen wollte. Das wäre aber notwendig, um eine Erfüllung annehmen zu können.

[Soweit das Arbeitsgericht die Klage der Klägerin mit dem Klageantrag zu 2 betreffend die Abmahnung vom 17.03.2020 auf den Abweisungsantrag der Beklagten hin abgewiesen hat, ist das Urteil nicht Gegenstand der Berufung der Beklagten, sondern Gegenstand der Berufung der Klägerin. Die mit dem Klageantrag zu 3 angegriffene Abmahnung vom 17.07.2020 ist in keiner Weise Gegenstand des Berufungsverfahrens.]

2. Auch soweit das Arbeitsgericht dem Klageantrag zu 4 betreffend die Auszahlung der Nettoeinbehalte wegen der tatsächlichen oder vermeintlichen Steuernachberechnung stattgegeben hat, bleibt die Berufung der Beklagten ohne Erfolg. Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 611 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag. In Höhe des von der Beklagten als Nettoentgelt abgerechneten und sodann einbehaltenen Betrages ist der Entgeltanspruch nicht durch Aufrechnung gemäß § 389 BGB durch Erfüllung untergegangen, denn die Voraussetzungen einer Aufrechnung nach § 387 BGB sind nicht erfüllt. Es fehlt an einem aufrechenbaren Gegenanspruch der Beklagten. Als Anspruchsgrundlage eines solchen Gegenanspruchs kommt nur § 426 Abs. 2 BGB in Betracht. Voraussetzung ist eine Gesamtschuld, die durch einen Schuldner beglichen wurde. Die Forderung im Innenverhältnis der Schuldner kann grundsätzlich als Gegenanspruch tatsächlich aufgerechnet werden. Dabei hat der Zweitschuldner die Möglichkeit, das Fehlen einer Schuld einzuwenden. Es ist dann am Erstschuldner vorzutragen, dass die Schuld bestand. Hier ist der letzte Stand des vorgetragenen Sachverhalts, dass sich die Klägerin durch ihren Steuerberater gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes gewehrt hat. Deshalb hängt der Anspruch von der Bestandskraft/Rechtskraft des Haftungsbescheides ab. Eine eigene Prüfung durch die hier erkennende Kammer, ob die Steuerschuld besteht oder nicht, kommt nicht in Frage. Dafür fehlt ihr die Rechtsweg-Zuständigkeit. Jedenfalls fehlt es aber an Vortrag der Beklagten zu ihrer Behauptung, dass die Steuerschuld - entgegen der Einwendungen der Klägerin - tatsächlich bestand.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

3. Soweit das Arbeitsgericht dem Klageantrag zu 5 betreffend die Abmahnung vom 29.07.2021 stattgegeben hat, bleibt die Berufung der Beklagten ebenfalls ohne Erfolg. Tatsächlich hat die Klägerin einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB. Aus dieser Vorschrift ergibt sich ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung, wenn die Abmahnung inhaltlich unrichtig ist. Das ist hier der Fall.

Die Nichtleistung der Arbeit war durch das von der Klägerin ausgeübte Zurückbehaltungsrecht gerechtfertigt. Zu den abstrakten Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Zurückbehaltungsrechts aus § 273 Abs. 1 BGB und § 320 BGB wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen sowie auf die dort zitierte Rechtsprechung und Literatur.

Indem die Beklagte bis zuletzt die Entgeltansprüche der Klägerin nicht erfüllt hat, hat sie ihre Hauptpflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt. Die Klägerin durfte daher ihrerseits ihre Hauptleistungspflicht aus dem Vertrag verweigern. Sie hat vorher ordnungsgemäß die Zahlung angemahnt und die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts angekündigt. Die Arbeitsverweigerung war bis zuletzt nicht unverhältnismäßig.

Wie sich aus dem nunmehr in der Berufungsinstanz bestätigten Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils ergibt, hatte die Klägerin im Juli 2021 gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 39.135,18 brutto und 5.263,34 EUR netto, in der Summe also einen Anspruch in Höhe von 44.398,52 EUR, abzüglich der Ausgleichszulage für den Monat Juli 2021 in Höhe von 1.098,80 EUR, die im Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts noch nicht fällig war, wenige Tage später aber wurde. Die von der Beklagten angekündigte Zahlung in Höhe von 31.782,36 EUR brutto, die aus der damaligen Sicht der Klägerin möglicherweise dem tatsächlich geflossenen Nettobetrag in Höhe von 17.699,96 EUR entsprach, war also immer noch um 12.616,16 EUR zu gering und erfolgte ausdrücklich unter Vorbehalt, letzteres zumindest teilweise, jedenfalls aber missverständlich. Wie gezeigt hatte die Zahlung keine Erfüllungswirkung. Nach diesem Verständnis war die Beklagte also durchgängig mit der Zahlung eines Betrages im Rückstand, der mehr als dem Dreifachen des vertraglich geschuldeten Bruttomonatsentgelts entspricht. Damit handelte es sich um einen Betrag, dessen Höhe beträchtlich und alles andere als "verhältnismäßig geringfügig" war. Aber selbst wenn die am Ende des Monats Juli 2021 durch die Beklagten angekündigten und angewiesenen Zahlungen berücksichtigt würden, bleibt eine Restschuld in Höhe von gut 10.000,00 EUR. Der Betrag dieser Restschuld mag die Höhe eines vertraglich geschuldeten Bruttomonatsverdienstes nicht erreichen, er ist dadurch aber nicht als "verhältnismäßig geringfügig" zu betrachten. Das gilt selbst für den zuletzt von der Beklagten als Restanspruch angenommenen Betrag in Höhe von gut 4.000,00 EUR. Maßstab für die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nicht die Größenordnung von 1,5 Bruttomonatsentgelten Entgeltrückstand, bei deren Erreichen der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts vor 40 Jahren (BAG v. 25.10.1984 - 2 AZR 417/83 -) die Verhältnismäßigkeit einer Leistungsverweigerung akzeptiert hatte, ohne sich festlegen zu müssen ob auch bei einem geringeren rückständigen Betrag eine Leistungsverweigerung noch verhältnismäßig sein könnte; der richtige Maßstab ist vielmehr § 614 BGB. Nach dieser Vorschrift kreditieren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung bis zum Ablauf der Lohnperiode. Darüber hinaus sind sie nicht zur Vorleistung verpflichtet (BAG v. 08.05.2014 - 6 AZR 246/12 - Rn 17; MüKoBGB/Spinner, 9. Aufl. 2023, BGB § 611a Rn. 4). Besondere, über den bloßen Vertragsvollzug hinausgehende Interessen der Beklagten an der Arbeitsleistung der Klägerin, die in die Verhältnismäßigkeitsprüfung eingehen könnten, hat die Beklagten nicht vorgetragen. Nach alldem bleibt es bei der Verhältnismäßigkeit der Leistungsverweigerung.

4. Was für die Abmahnung vom 29.07.2021 gilt, gilt auch für die inhaltlich gleich gelagerte Abmahnung vom 11.08.2021. Deshalb war die Berufung der Beklagten auch ohne Erfolg, soweit das Arbeitsgericht dem Antrag zu 6 stattgegeben hatte.

5. Auch mit Blick auf den Klageantrag zu 7 hat das Arbeitsgericht zurecht und mit zutreffender Begründung der Klage stattgegeben. Die fristlose Kündigung hat das Arbeitsverhältnis nicht beenden können, denn ihr fehlt ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Ein unentschuldigtes Fehlen oder die beharrliche Verweigerung der Arbeitsleistung kommt als Kündigungsgrund nicht in Betracht, da die Klägerin wie gezeigt berechtigt war, ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben.

6. Gleiches gilt für die Kündigungsschutzklage, mit der sich die Klägerin erfolgreich gegen die ordentliche Kündigung gewandt hatte. Die Nichterfüllung ihrer Hauptleistungspflicht ist hier ebenso wenig geeignet, eine ordentliche Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial zu rechtfertigen, wie sie nicht geeignet war, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Denn die Nichterfüllung war durch das ausgeübte Zurückbehaltungsrecht gerechtfertigt.

7. Die Berufung der Beklagten blieb gleichfalls ohne Erfolg, soweit sie sich gegen die durch das Arbeitsgericht erfolgte Auflösung des Arbeitsverhältnisses und gegen die Höhe der Abfindung richtet.

Zwar geht aus den Darlegungen der Beklagten nicht eindeutig hervor, ob sie sich mit ihrer Berufung nur gegen die Höhe der Abfindung wendet oder auch gegen die der Abfindung zugrundeliegende Entscheidung, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Letzteres kann aber zu ihren Gunsten unterstellt werden, denn das Arbeitsgericht hat zurecht entschieden, das Arbeitsverhältnis auf Antrag der Klägerin aufzulösen. Dabei mögen die einzelnen streitigen Punkte rund um die Auflösungsgründe dahinstehen. Allein die fotografisch dokumentierte Unterbringung der Klägerin in dem abgelegenen Gebäudeteil, das Türschild, der Arbeitsplatz, die Sonderaufgabe, die bis zuletzt als gerechtfertigt behaupteten Entgeltrückstände und das Verschwinden des Namens der Klägerin aus dem Organigramm der Firma rechtfertigen die Auflösung nach § 9 KSchG.

Das Arbeitsgericht hat seine Abwägungsentscheidung zur Bestimmung der Abfindungshöhe ausführlich begründet und dabei alle notwendigen Parameter berücksichtigt: Die erhebliche Betriebszugehörigkeit, das fortgeschrittene Lebensalter, die Rentennähe, die Höhe des regelmäßigen Bruttomonatsverdienstes, die Intensität der von der Beklagten zu verantwortenden Vertragsverstöße sowie die vom Gesetz vorgesehenen Maximalbeträge. Dass das Arbeitsgericht hier mit einem Faktor von 8,5 auf einen Betrag "knapp unterhalb der Hälfte des Maximalbetrages" kommt, ist nicht zu beanstanden.

8. Schließlich ist auch die Widerklage vom Arbeitsgericht zurecht abgewiesen worden, denn die Klägerin war berechtigt, ihr Zurückbehaltungsrecht auszuüben. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts führt gerade nicht zum Wegfall des Anspruchs auf die Gegenleistung gemäß § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB. Vielmehr gilt § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB: Da die Beklagte wegen ihrer Vertragspflichtverletzungen, die das Zurückbehaltungsrecht überhaupt erst begründen konnten, für die Nichtleistung der Arbeit "allein oder weit überwiegend verantwortlich" war, behält die Klägerin gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 den Anspruch auf die Gegenleistung.

Nach alldem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

III. Die Berufung der Klägerin ist ebenfalls zulässig, weil sie statthaft und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist.

IV. Auch das Rechtsmittel der Klägerin bleibt aber weitgehend ohne Erfolg, denn das Urteil des Arbeitsgerichts ist, abgesehen von einem Rechenfehler bei der Bemessung der Abfindung, richtig.

1. Das Arbeitsgericht hat den Klageantrag zu 2 betreffend die Abmahnung vom 17.03.2020 zurecht abgewiesen, denn die Abmahnung war gerechtfertigt und verhältnismäßig. Die Klägerin hat ihre Pflicht aus § 5 Abs. 1 EFZG verletzt, im Falle einer Fortsetzungserkrankung die Arbeitgeberin unverzüglich über den Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit zu unterrichten. Es geht hier um die Verletzung der Anzeigepflicht und nicht um die Verletzung der Nachweispflicht (vgl. 4. Absatz der Anlage K25, Bl. 156 d.A.). Deshalb ist es ohne Belang, wann die Klägerin den Umschlag mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in den Briefkasten geworfen hat. Jedenfalls war die Beklagte am darauffolgenden Montag nicht über die Tatsache unterrichtet, dass die Klägerin weiterhin nicht erscheinen werde. Die Information darüber, ob die Arbeitnehmerin am Arbeitsplatz erscheinen wird oder nicht gehört aber zu den Mindestanforderungen an das Verhalten der Beschäftigten aus dem Arbeitsverhältnis. Die wiederholte Nichtbeachtung der Pflicht kann eine Kündigung rechtfertigen, die einmalige Nichtbeachtung daher eine Abmahnung.

2. Geringfügig Erfolg hatte die Berufung der Klägerin, soweit sie sich gegen die Höhe der vom Arbeitsgericht festgelegten Abfindung wendet. Wie bereits oben zur Berufung der Beklagten dargestellt, war nach der vom Arbeitsgericht vorgenommenen Abwägung die Festlegung der Abfindungshöhe mit dem Faktor von "8,5" auf einen Betrag "knapp unterhalb der Hälfte des Maximalbetrages" nicht zu beanstanden. Der vom Arbeitsgericht tenorierte Betrag in Höhe von 83.619,82 EUR entspricht aber nicht dem Faktor 8,5 bei einem Monatsbruttoentgelt in Höhe von 11.149,31 EUR, sondern dem Faktor 7,5. Mit dem als angemessen erachteten Faktor 8,5 errechnet sich eine Abfindung in Höhe von 94.770,00 EUR. Dieser Betrag ist dann auch tatsächlich "knapp unterhalb der Hälfte des Maximalbetrages".

Nach alledem war das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Klägerin mit Blick auf die Höhe der Abfindung teilweise abzuändern. Im Übrigen war sie aber zurückzuweisen.

V. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß 92 ZPO unter den Parteien aufzuteilen. Dabei wurde mit Blick auf den Streit über die Höhe der nach § 42 GKG grundsätzlich nicht streitwerterhöhend wirkende Abfindung ein hypothetischer Streitwert zugrunde gelegt. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.

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