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Urteil vom 30.06.2023 · IWW-Abrufnummer 236414

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg - Aktenzeichen 5 Sa 1046/22

1. Anträge auf Auskunft und Erteilung einer Datenkopie können auch dann auf Artikel 15 DSGVO gestützt werden können, wenn sie nicht dem in Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DSGVO genannten Zweck dienen, sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, und denen daher - ausschließlich oder ganz überwiegend - andere als datenschutzrechtliche Belange zugrunde liegen. In solchen Fällen ist das Begehren nicht rechtsmissbräuchlich und offenkundig unbegründet oder exzessiv im Sinne von Artikel 12 Absatz 5 Satz 2 DSGVO .

2. Nach § 34 Absatz 1 in Verbindung mit § 29 Absatz 1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) besteht das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gemäß Artikel 15 DSGVO nicht, soweit durch die Auskunft Informationen offenbart würden, die nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Dies können auch Interessen sein, Informationen Beschäftigter gegenüber dem Arbeitgeber zum Zweck der Aufklärung innerbetrieblichen Fehlverhaltens geheim zu halten.

3. Zwischen den Interessen des Auskunftsberechtigten und berechtigten Geheimhaltungsinteressen ist eine Abwägung vorzunehmen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung im Einzelfall die Verweigerung der begehrten Auskunft über die Person des Hinweisgebers rechtfertigen sollen, trägt nach allgemeinen Grundsätzen der auf Auskunft in Anspruch genommene Verantwortliche, vorliegend der Arbeitgeber.

4. Der Arbeitgeber hat deshalb vorzutragen, welche konkreten personenbezogen Daten nicht herausgegeben werden können, ohne dass schützenswerte Interessen tangiert werden. Zu dieser Darlegung müssen nicht schon die personenbezogenen Daten als solche preisgegeben werden. Ausreichend, aber auch erforderlich ist es, darzulegen, auf welche genauen Informationen (Sachverhalt/Vorfall/Thema in zeitlicher und örtlicher Eingrenzung nebst handelnden Personen) sich das überwiegende berechtigte Interesse an einer Geheimhaltung beziehen soll.

5. Zu Ansprüchen auf Schmerzensgeld wegen behaupteten Mobbings (im vorliegenden Einzelfall verneint).


in Sachen
- Kläger und Berufungskläger -
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 5. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom ...
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden
sowie den ehrenamtlichen Richter ... und den ehrenamtlichen Richter ... für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 6. September 2022 - 3 Ca 358/22 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Kopien der ausgefüllten und ungeschwärzten Gesprächsprotokolle, die im Zusammenhang mit der Befragung von Mitarbeitern zum Führungsstil des Klägers erstellt wurden, zur Verfügung zu stellen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben der Kläger 86% und die Beklagte 14% zu tragen, von den Kosten des Rechtsstreits II. Instanz der Kläger 84% und die Beklagte 16%.

IV. Die Revision der Beklagten wird zugelassen, die Revision des Klägers wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Auskunftsanspruch nach Artikel 15 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sowie über Schadensersatz.

Der 63 Jahre alte Kläger ist seit dem 15. Oktober 1990 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger beschäftigt, seit dem 1. Januar 1993 als Verkaufsleiter im Außendienst mit einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 11.402,00 Euro. Hierin eingeschlossen sind Prämien, deren Höhe wesentlich von der Leistungseinschätzung des Vorjahres abhängt. Der Kläger hatte in den letzten Jahren in der Regel eine Bewertung für Leistungen, die die Erwartungen überfüllten oder Leistungen, die die Erwartungen erfüllten.

Die Beklagte gehört zu einem US-amerikanischen Lebensmittelkonzern, der in Deutschland mit rund 1.900 Beschäftigten an mehreren Standorten tätig ist. Der Kläger ist dem Betrieb in Bremen zugeordnet. Dort ist ein Betriebsrat vorhanden.

Der Kläger arbeitet hauptsächlich im Home-Office. Er war bis Anfang 2022 Leiter eines Außendienstteams mit circa 10 bis 14 Beschäftigten.

Im Juni 2021 wurde die Beklagte von der Betriebsratsvorsitzenden informiert, dass sich eine Mitarbeiterin aus dem Team des Klägers über Mobbing durch ihren Vorgesetzten, den Kläger, beschwert habe. Der Betriebsrat hatte zuvor vergeblich mit der BEM-Beauftragten einen Schlichtungsversuch unternommen. In der Folgezeit kam es zu erfolglosen Versuchen der Mediation unter Hinzuziehung eines außenstehenden Mediators und Konfliktlösers, zum Teil mit beiden Betroffenen, zum Teil im Einzelcoaching. Zu einem zunächst vorgeschlagenen Gruppencoaching kam es nicht. Im Juli 2021 erteilte der Kläger der Mitarbeiterin eine Leistungsbewertung, wonach sie die Leistungserwartung nur teilweise erfüllt habe.

Im Dezember 2021 forderte die Gewerkschaft der Mitarbeiterin die Beklagte zur Konfliktlösung auf mit dem Hinweis, es habe eine Vermischung von beruflichen und privaten Sphären stattgefunden. Der Beklagten wurde eine WhatsApp-Kommunikation einer privaten WhatsApp-Gruppe vorgelegt, die aus mehreren - dem Kläger unterstellten - Mitgliedern seines Teams und dem Kläger gebildet war, darunter die beschwerdeführende Mitarbeiterin. Dort war von dem Kläger im Oktober 2019 ein Urlaubsbild von einem Strand eingestellt worden, in dem der Kläger unbekleidet und seine Geschlechtsteile und ein Teil seines Unterleibs und ein Teil der Beine durch einen Felsvorsprung verdeckt waren (siehe die Kopie auf Blatt 42 der Akte).

Die Beklagte übersandte dem Kläger per Mail am 22. Dezember 2021 ein Angebot zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung (siehe die E-Mail vom 22. Dezember 2021, Blatt 22 der Akte). Dieses nahm der Kläger nicht an.

Die Beklagte führte daraufhin im Zeitraum vom 11. bis 19. Januar 2022 mehrere Interviews mit den dem Kläger unterstellten Teammitgliedern. In den Interviews wurden den Teammitgliedern anhand eines Fragebogens überwiegend gleichlautende Fragen gestellt (siehe die von der Beklagten eingereichten - teilweise geschwärzten - Kopien von durch die Beklagte erstellten Gesprächsprotokollen Blatt 268 bis 307 der Akte). Die Fragen betrafen unter anderem den Führungsstil des Klägers, die Trennung zwischen Arbeit- und Privatleben, Fragen zu Urlaubsbildern, persönliche und physische Kontakte und die Beziehung des Klägers zu bestimmten Personen. Einen Fragebogen mit derartigen Fragen erhielt der Kläger, dem am 13. Januar 2022 eine Bewertung für nur als teilweise erfüllt angesehene Leistungen eröffnet worden und der ab dem 17. Januar 2022 fortdauernd arbeitsunfähig erkrankt war, von der Beklagten zugesandt, den er mit Schreiben vom 23.02.2022 beantwortete und zurücksandte. Auf den Fragebogen, BIatt 36, 37 der Akte, sowie die Antworten des Klägers, BIatt 41 bis 47 der Akte, wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 11. März 2022 (Blatt 48 f der Akte) forderte der Kläger die Beklagte auf, Auskunft nach Artikel 15 DSGVO zu erteilen und Kopien personenbezogener Daten zur Verfügung zu stellen.

Mit Schreiben vom 15. März 2022 übersandte die Beklagte dem Kläger eine Ermahnung wegen des Versendens des Urlaubsbildes, welches den Kläger unbekleidet zeigte (Blatt 189 f der Akte). Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben 23. März 2022 Widerspruch zur Personalakte.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 11. April 2022 mit, dass eine Auskunft nach Artikel 15 DSGVO bis zum 11. Mai 2022 erfolgen werde. Mit Schreiben vom 11. Mai 2022 (Blatt 334 bis 346 der Akte) erteilte die Beklagte dem Kläger sodann Auskünfte über verarbeitete personenbezogene Daten und überreichte in der Anlage Kopien derartiger Daten. Die Kopien beinhalten auch die geschwärzten Gesprächsprotokolle der von der Beklagten geführten Interviews.

Der ab dem 1. Juli 2022 wieder arbeitsfähige Kläger wurde von der Beklagten ab dem 27. Juli 2022 bis zum Jahresende und aufgrund einer Verlängerung dieser Maßnahme darüber hinaus bis zum 30. Juni 2023 auf die Position des Regional Field Project Manager versetzt, mit seinem Team arbeitet er nicht zusammen. Die Vorgesetzten des Klägers erklärten diesem gegenüber, dass eine sexuelle Belästigung "vom Tisch" sei. Am 20. März 2023 wurde ihm die Leistungsbewertung "Below Expectation" eröffnet (siehe dazu das von der Beklagten eigereichte Protokoll eines zuvor geführten persönlichen Gesprächs vom 18. Januar 2023, Anlage B 5).

Mit der am 11. April 2022 beim Arbeitsgericht eingegangen Klage hat der Kläger Auskunft über seine Daten, Kopien aller personenbezogenen Daten, einen Schadensersatz wegen Nichterteilung der Auskunft und einen Schadensersatz wegen Mobbing begehrt. Er hat vorgetragen, ihm stünden Kopien der Gesprächsprotokolle der Mitarbeiter-Interviews in ungeschwärzter Fassung zu, die er benötige, um Mobbinghandlungen der Beklagten zu beweisen. Eine Erfüllung des Anspruchs auf Auskunft und auf Herausgabe von Daten-Kopien sei aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 11. Mai 2022 nicht erfolgt. Mobbinghandlungen der Beklagten ihm gegenüber ergäben sich daraus, dass er bei seiner Bewertung am 13. Januar 2022 heruntergestuft worden sei, nachdem - was unstreitig blieb - noch am 16. November 2021 eine positive Beurteilung in Aussicht gestanden habe, ferner daraus, dass ihm am 22. Dezember 2021 die Beendigung des Arbeitsverhältnisses angeboten worden sei, dass die Beklagte Vorwürfe über sexuelle Belästigungen platziert und ihn wegen des Urlaubsfotos ermahnt habe und schließlich ihn ab Mitte 2022 nicht mehr in seinem Team eingesetzt und in der Leistungsbewertung Anfang 2023 weiter heruntergestuft habe, was - insoweit ebenfalls unstreitig - zu Minderung seiner Vergütung führe. Dies habe ihn derart belastet, dass er vom 17. Januar 2022 bis Ende Juni 2022 aufgrund einer psychosomatischen Belastungssituation arbeitsunfähig erkrankt sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen über die Zwecke der Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers; die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden; die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten des Klägers offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, die geplante Dauer, für die personenbezogenen Daten gespeichert werden oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer, das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der den Kläger betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchrechts gegen diese Verarbeitung; das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde; wenn die personenbezogenen Daten nicht bei dem Kläger erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten einschließlich Profiling und aussagekräftige Informationen über die die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für den Kläger,

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Kopien aller personenbezogenen, schriftlich oder elektronisch gespeicherten Daten in den Akten oder dem IT-System der Beklagten zur Verfügung zu stellen, die Gegenstand der Verarbeitung sind; insbesondere sämtlichen Schrift- und E-Mailverkehr, auch der Geschäftsleitung, der Bezug auf die Anschuldigungen der Frau Melanie Mühlen gegenüber dem Kläger nimmt sowie die ausgefüllten Fragebögen, die an Mitarbeiter im Zusammenhang mit Fragen zum Führungsstil des Klägers versendet wurden, zu übersenden,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. März 2022 zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Schadenersatz in Höhe von mindestens 20.000,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe den Antrag des Klägers auf Auskunft erfüllt und alle vorhandenen Daten in Kopie herausgegeben. Der Antrag zu 2. sei nicht hinreichend bestimmt. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die ungeschwärzten Unterlagen der Interviews vom Januar 2022. Mit den Äußerungen der Beschäftigten, könne er ein Mobbing durch die Beklagte nicht nachweisen. Darüber hinaus sei den Beschäftigten Vertraulichkeit bei der Befragung im Januar 2022 zugesichert worden. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verstoßes gegen die DSGVO bestehe nicht. Auch Mobbinghandlungen gegenüber dem Kläger lägen nicht vor. Die Unterbreitung eines Aufhebungsangebots sei kein Mobbing, da andernfalls der Arbeitgeber grundsätzlich nie ein solches Angebot machen könne. Auch die ausgesprochene Ermahnung stelle kein Mobbing dar. Die Beklagte habe dem Kläger zu keinem Zeitpunkt etwas unterstellt, sondern betriebsinterne Ermittlungen durchgeführt, wozu sie auch verpflichtet gewesen sei. Ferner stehe es der Beklagten frei, die Jahresendbewertung auf ihre bis dahin gestützten Erkenntnisse zum Führungsstil des Klägers zu stützen. Das Ergebnis solcher Jahresendbewertungen werde auch nicht an Dritte kommuniziert.

Mit Urteil vom 6. September 2022 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. unzulässig, diese Anträge seien nicht hinreichend bestimmt. Nach Erhalt der Auskunft und der übersandten Kopien habe der Kläger die Anträge nicht konkretisiert. Sollten diese Anträge dahingehend auszulegen sein, dass lediglich noch die ungeschwärzten Kopien der Mitarbeitergespräche vom Januar 2022 betroffen seien, seien sie unbegründet. Denn das Recht auf Erhalt der Kopien sei aufgrund des Interesses der Beklagten und der befragten Beschäftigten am Vertraulichkeitsschutz beschränkt. Ein überwiegendes Interesse des Klägers daran, die Antworten der befragten Beschäftigten zu erfahren, bestehe nicht, Mobbinghandlungen der Beklagten könne er damit nicht begründen. Ein Schadensersatzanspruch nach Artikel 82 Absatz 1 DSGVO scheide aus, weil die Beklagte die Auskunft nicht verspätet erteilt habe und ein Schaden des Klägers nicht dargelegt worden sei. Auch sei kein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Verletzung der Gesundheit oder des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch der Beklagten zuzurechnender Mobbinghandlungen von Vorgesetzten des Klägers gegeben. Eine Schikane sei weder in der Ermahnung vom 15. März 2022 noch in der auf Führungsverhalten gestützten Herabstufung bei der Leistungsbewertung zu sehen. Dass die Beklagte nach Vorwürfen gegen den Kläger interne Ermittlungen durch die Befragungen aufgenommen habe, habe ihrer Pflicht entsprochen. Auch das Angebot der Auflösung des Arbeitsvertrages sei ein üblicher Vorgang bei Ermittlungen vergleichbarer Art. Das Gesamtverhalten der Beklagten und der mit den Vorfällen befassten Beschäftigten stelle kein gezieltes und über einen längeren Zeitraum gehendes Mobbing dar.

Gegen dieses dem Kläger am 29. September 2022 zugestellte Urteil richtet sich seine am 5. Oktober 2022 eingegangene und am 17. November 2022 begründete Berufung, soweit die Anträge zu 2. bis 4. betroffen sind. Der Kläger trägt vor, das Arbeitsgericht habe den zu 2. zu Unrecht als nicht ausreichend bestimmt angesehen, weil dort auf konkrete Unterlagen Bezug genommen worden sei. Auch die vom Arbeitsgericht hinsichtlich der Herausgabe ungeschwärzter Gesprächsprotokolle vorgenommene Güterabwägung sei fehlerhaft erfolgt. Die Verweigerung der Herausgabe diene einzig dazu, systematisches Mobbing der Beklagten gegenüber dem Kläger zu verdecken. Die protokollierten Antworten der befragten Beschäftigten hätten weder die von der Mitarbeiterin erhobenen Vorwürfe, noch einen mangelhaften Führungsstil des Klägers bestätigt. Der Kläger benötige die Gesprächsprotokolle, zur Beweisführung eines ihm gegenüber realisierten Mobbings der Beklagten, die ihn trotz der ihn entlastenden Erkenntnisse nicht rehabilitiert, sondern weiter schikanös behandelt habe. Dazu gehörten das Angebot auf Vertragsauflösung, die Herabstufung bei der Leistungsbewertung Anfang 2022, die zu Unrecht auf rein private Vorgänge gestützte Ermahnung vom 15. März 2022, die befristete Versetzung auf einen Arbeitsplatz außerhalb seines Teams nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und die weitere Herabstufung bei der Leistungsbewertung Anfang 2023. Hieraus resultiere entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch.

Der Kläger beantragt nach Rücknahme der Berufung hinsichtlich des Klageantrages zu 3. (ursprünglicher Berufungsantrag zu 2.),

1. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) vom 9. September 2022 zum Aktenzeichen 3 Ca 358/22 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Kopien aller personenbezogenen, schriftlich oder elektronisch gespeicherten Daten in den Akten oder dem IT-System der Beklagten zur Verfügung zu stellen, die Gegenstand der Verarbeitung sind; insbesondere sämtlichen Schrift- und E-Mailverkehr, auch der Geschäftsleitung, der Bezug auf die Anschuldigungen der Frau Melanie Mühlen gegenüber dem Kläger nimmt sowie die ausgefüllten und ungeschwärzten Gesprächsprotokolle, die im Zusammenhang mit der Befragung von Mitarbeitern zum Führungsstil des Klägers erstellt wurden;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Schadenersatz in Höhe von mindestens 20.000,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den Berufungsantrag zu 1. für nicht hinreichend bestimmt. Dem Begehren auf Herausgabe ungeschwärzter Gesprächsprotokolle stünden im Übrigen überwiegende Interessen Dritter entgegen. Die Gespräche seien vertraulich erfolgt, da nicht abzusehen gewesen sei, welchen Ausgang die internen Untersuchungen haben würden und weil die Beklagte nicht darauf habe vertrauen können, wahrheitsgemäße Auskünfte zu erhalten, wenn die Beschäftigten hätten fürchten müssen, der Kläger als ihr Vorgesetzter werde vom Inhalt der Gespräche erfahren. Zudem bestehe kein Informationsgefälle, weil der Kläger die Antworten der Betroffenen offensichtlich bereits kenne. Die Behauptung eines Mobbings erfolge weiterhin ins Blaue hinein. Die erneute Herabstufung bei der Leistungsbewertung Anfang 2023 sei erfolgt, weil der Kläger die nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit übertragenen Aufgaben nicht ohne Beanstandungen erfüllt habe.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze und Anlagen des Klägers vom 16. November 2022 (Blatt 267 bis 275 der Akte), vom 16. März 2023 (Blatt 307 der Akte) und vom 23. März 2023 (Blatt 310 bis 312 der Akte), der Beklagten vom 23. Januar 2023 (Blatt 300 bis 304 der Akte) und vom 29. März 2023 (Blatt 314 bis 319 der Akte) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2023 (Blatt 321 bis 322 der Akte) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist gemäß §§ 8 Absatz 2, 64 Absatz 2 Buchstabe b) und Absatz 6, 66 Absatz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), 519 Zivilprozessordnung (ZPO) statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie wurde hinsichtlich der Berufungsanträge zu 1. und 3. gemäß §§ 64 Absatz 6 ArbGG, 520 Absatz 3 ZPO auch ausreichend begründet.

II. Die Berufung ist hinsichtlich des Berufungsantrages zu 1. teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.

1. Der vom Berufungsantrag zu 1. umfasste Klageantrag ist nur teilweise zulässig und, soweit er zulässig ist, auch begründet. Insoweit ist das angefochtene Urteil abzuändern. Im Übrigen ist dieser Antrag unzulässig.

a) Der vom Berufungsantrag zu 1. umfasste Klageantrag ist teilbar und im Hinblick auf § 253 Absatz 2 Nummer 2 ZPO nur betreffend die dort genannten Gesprächsprotokolle hinreichend bestimmt und zulässig.

aa) Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder gegenständliche Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennbar sind, das Risiko des eventuell teilweisen Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird. Die fehlende Konkretisierung herausverlangter Kopien personenbezogener Daten führt hiernach jedenfalls dann zur Unbestimmtheit des Klageantrages, wenn die Beklagte dem Kläger bereits eine Kopie der ihres Erachtens von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten erteilt hat (BAG, Urteil vom 27. April 2021 - 2 AZR 342/20 -, BAGE 174, 351-357, Randnummer 21).

bb) Der Berufungsantrag zu 1. ist teilbar. Er umfasst im ersten Halbsatz einen gegenständlich nicht näher konkretisierten Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien aller in den Akten oder dem IT-System der Beklagten schriftlich oder elektronisch gespeicherten personenbezogenen Daten des Klägers, die Gegenstand der Verarbeitung sind. Aufgrund des Wortes "insbesondere" umfasst er als "Minus" sodann im 2. Halbsatz gegenständlich abgrenzbare Dokumente, nämlich einerseits Schrift- und E-Mail-Verkehr beliebiger Personen mit einem Bezug zu den von einer Mitarbeiterin gegen den Kläger erhobenen Anschuldigungen, andererseits die ausgefüllten und ungeschwärzten Protokolle der Gespräche der Beklagten mit den zum Führungsstil des Klägers befragten Beschäftigten. Über die im zweiten Halbsatz genannten Ansprüche kann ohne Verstoß gegen § 308 ZPO jeweils unabhängig von dem im ersten Halbsatz genannten Anspruch oder dem jeweils anderen im zweiten Halbsatz genannten Anspruch entschieden werden. Denn weil die im zweiten Halbsatz genannten Dokumente jeweils für sich abgrenzbare Unterfälle der vom ersten Halbsatz erfassten, in den Akten oder dem IT-System der Beklagten schriftlich oder elektronisch gespeicherten personenbezogenen Daten des Klägers sind, kann über jeden der Ansprüche unabhängig von den anderen entschieden werden.

cc) Dem vom Berufungsantrag zu 1. umfassten Klageantrag fehlt hinsichtlich seines 1. Halbsatzes die hinreichende Bestimmtheit im Sinne von § 253 Absatz 2 Nummer 2 ZPO. Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 11. Mai 2022 unstreitig über 200 Seiten von Kopien verarbeiteter personenbezogener Daten zur Verfügung gestellt. Im ersten Halbsatz des vom Berufungsantrag zu 1. umfassten Klageantrages wird nicht konkretisiert, welche Kopien sonstiger personenbezogener Daten nun darüber hinaus noch zur Verfügung gestellt werden sollen. Damit ist dieser Teil des Antrages aus den eingangs genannten Grundsätzen unzulässig.

dd) Der erste Teil des zweiten Halbsatzes dieses Antrages, der sich auf "sämtlichen Schrift- und E-Mailverkehr, auch der Geschäftsleitung" bezieht, "der Bezug auf die Anschuldigungen der Frau Melanie Mühlen gegenüber der Kläger nimmt", enthält zwar eine Abgrenzung gegenüber den bereits zur Verfügung gestellten Kopien, ist aber ebenfalls nicht hinreichend bestimmt, als er auf einen "Bezug" zu den Anschuldigungen abstellt und damit einen Wertungsspielraum offenlässt, der eine etwaige Zwangsvollstreckung mit der Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belasten würde. Damit ist auch dieser Teil des Antrages aus den eingangs genannten Grundsätzen unzulässig.

ee) Hingegen ist der zweite Teil des zweiten Halbsatzes als "Minus" zu dem mit dem unbestimmten ersten Halbsatz geltend gemachten Anspruch hinreichend bestimmt. Die Beklagte hat dem Kläger unstreitig bereits die hier streitbefangenen Gesprächsprotokolle zur Verfügung gestellt, jedoch in teilweise geschwärztem Zustand. Zwischen den Parteien ist auch unstreitig, welche Gespräche von den Protokollen betroffen sind, nämlich die von der Beklagten mit Beschäftigten des Teams des Klägers im Zeitraum vom 11. bis 19. Januar 2022 aus Anlass der gegen den Kläger erhobene Vorwürfe geführten Gespräche. Damit ist dieser Teil des Berufungsantrages zu 1. gegenständlich so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennbar sind, das Risiko des eventuell teilweisen Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird.

b) Soweit der vom Berufungsantrag zu 1. umfasste Klageantrag zulässig ist, ist er auch begründet. Die Beklagte ist gemäß Artikel 15 Absatz 3 Satz 1 DSGVO verpflichtet, dem Kläger Kopien der von der Beklagten ausgefüllten und ungeschwärzten Protokolle der mit Beschäftigten seines Teams im Zeitraum vom 11. bis 19. Januar 2022 geführten Gespräche zur Verfügung zu stellen.

aa) Artikel 15 DSGVO ist vorliegend anwendbar.

(1) Neben dem zeitlichen und räumlichen ist auch der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet. Gemäß Artikel 2 Absatz 1 DSGVO gilt diese Verordnung für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Nach Artikel 4 Nummer 6 DSGVO bezeichnet "Dateisystem" jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird.

(a) Die Beklagte verfügt unstreitig über die von ihr erstellten, streitbefangenen Gesprächsprotokolle, in denen mündliche Äußerungen von Beschäftigten über Verhaltensweisen des Klägers als Führungskraft und gegenüber bestimmten Beschäftigten von Vertretern der Beklagten schriftlich niedergelegt worden sind. Hierbei handelt es sich um personenbezogene Daten des Klägers. Personenbezogene Daten sind gemäß Artikel 4 Nummer 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Nach dieser Definition und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (BGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - VI ZR 14/21 -, Randnummer 11). Die in den Protokollen niedergelegten Informationen der jeweiligen Beschäftigten über das Verhalten des Klägers als Führungskraft oder gegenüber anderen Personen in bestimmten Situationen sind hiernach personenbezogene Daten.

(b) Die Protokolle stellen als mediale Aufzeichnung der Informationen eine strukturierte, nach Uhrzeit und Teilnehmern der geführten Gespräche geordnete Sammlung personenbezogener Daten dar. Wie sie von der Beklagten aufbewahrt und ob sie nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt werden, ist nach Artikel 4 Nummer 6 DSGVO unerheblich.

(2) Der Auskunftsanspruch nach Artikel 15 DSGVO besteht auch in einem Arbeitsrechtsverhältnis. Die allgemeinen Bestimmungen der DSGVO enthalten eine Vollregelung, auch zum Beschäftigtendatenschutz (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 17 Sa 11/18 -, Randnummer 198).

bb) Die Voraussetzungen des Artikel 15 Absatz 3 Satz 1 DSGVO sind erfüllt. Die Beklagte, welche die mündlich gegebenen Informationen Dritter in Protokollen schriftlich niedergelegt hat und aufbewahrt, entscheidet allein über die Verwendung dieser Protokolle und somit über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung der betroffenen personenbezogenen Daten des Klägers. Sie ist somit "Verantwortlicher" im Sinne von Artikel 4 Nummer 7 Halbsatz 1 DSGVO und damit gemäß Artikel 15 Absatz 3 Satz 1 DSGVO grundsätzlich verpflichtet, im Falle der Geltendmachung der Auskunft nach Artikel 15 GSGVO eine Kopie verarbeiteter personenbezogener Daten zur Verfügung zu stellen. Die Zurverfügungstellung teilweise geschwärzter Kopien erfüllt diesen Anspruch nicht, weil damit ein bestimmter Teil personenbezogener Daten nicht in Kopie zur Verfügung steht. Die Beklagte behauptet nicht, Teile der Protokolle geschwärzt zu haben, die keinerlei Informationen über den Kläger enthalten. Vielmehr hat sie aufgrund einer Vertraulichkeitszusage alle Antworten der befragten Beschäftigten und zudem im Einzelfall auch bestimmte Fragen geschwärzt, die Informationen über Verhaltensweisen des Klägers enthalten.

cc) Der Anspruch auf Zurverfügungstellung ungeschwärzter Kopien der Gesprächsprotokolle ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger sie erklärtermaßen benötigt, um Mobbing der Beklagten beweisen zu können und darin ein rechtsmissbräuchliches Begehren zu sehen wäre.

(1) Es wird vertreten, dass Anträge auf Auskunft und Erteilung einer Datenkopie nicht auf Artikel 15 DSGVO gestützt werden können, wenn sie nicht dem in Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DSGVO genannten Zweck dienen, sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, und denen daher - ausschließlich oder ganz überwiegend - andere als datenschutzrechtliche Belange zugrunde liegen. In solchen Fällen sei das Begehren rechtsmissbräuchlich und könne als offenkundig unbegründet oder exzessiv im Sinne von Artikel 12 Absatz 5 Satz 2 DS-GVO zurückgewiesen werden (vergleiche die in BGH, EuGH-Vorlage vom 29. März 2022 - VI ZR 1352/20 -, Randnummer 15, angeführten Zitate). Dem ist nicht zu folgen. Artikel 15 DSGVO macht seinem Wortlaut nach das Bestehen der dort geregelten Rechte und Pflichten nicht von einer dem oben genannten Schutzzweck entsprechenden Motivation des Betroffenen abhängig und verlangt von dem Betroffenen nicht, sein Begehren auf Erteilung von Auskunft und Kopie zu begründen. Dies deutet darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber es grundsätzlich dem freien Willen des Betroffenen überlassen wollte, ob und aus welchen Gründen er seine Rechte aus Artikel 15 DSGVO einfordert. Dafür spricht auch, dass die betroffene Person sich durch die Erteilung von Auskunft und Kopie auf der Grundlage von Artikel 15 DSGVO der Datenverarbeitung auch dann bewusst werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann, wenn sie diese aus anderen Gründen verlangt hat, der Zweck der Vorschrift also letztlich unabhängig von der Motivation des Betroffenen erreicht werden kann (BGH am angegebenen Ort, Randnummer 18).

(2) Weil das Motiv dafür, die Ansprüche nach Artikel 15 DSGVO zu erheben, unerheblich ist, kann auch dahinstehen, ob die vom Kläger angegebene Motivation, Beweismittel für Mobbing der Beklagten zu erhalten, glaubhaft erscheinen kann, wenn der Kläger gleichzeitig Ansprüche wegen behaupteten Mobbings geltend macht, ohne die Zurverfügungstellung der ungeschwärzten Kopien der Gesprächsprotokolle abzuwarten.

dd) Der Anspruch auf Zurverfügungstellung ungeschwärzter Kopien der Gesprächsprotokolle ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie Informationen enthalten, die ihrem Wesen nach oder aufgrund berechtigter Interessen Dritter geheim gehalten werden müssen.

(1) Nach § 34 Absatz 1 in Verbindung mit § 29 Absatz 1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) besteht das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gemäß Artikel 15 DSGVO nicht, soweit durch die Auskunft Informationen offenbart würden, die nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. "Dritter" kann gemäß Artikel 4 Nummer 10 DSGVO, deren Begriffsbestimmungen auch für das BDSG gelten, nicht die betroffene Person oder der Verantwortliche sein. Regelungen in § 34 Absatz 1 in Verbindung mit § 29 Absatz 1 und Absatz 2 BDSG beruhen auf der Öffnungsklausel des Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe i DSGVO, wonach Informations- und Benachrichtigungspflichten des Verantwortlichen beziehungsweise das Auskunftsrecht betroffener Personen beschränkt werden können zum Schutz der betroffenen Person oder der Rechte und Freiheiten anderer Personen (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 17 Sa 11/18 -, Randnummer 205). Zudem wird das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Artikel 15 Absatz 4 DSGVO durch Rechte und Freiheiten anderer Personen beschränkt.

(2) Zwischen den Interessen des Auskunftsberechtigten und berechtigten Geheimhaltungsinteressen ist eine Abwägung vorzunehmen. Dabei sind zugunsten des Auskunftsberechtigten Bedeutung, Gewicht und Zweck des Auskunftsrechts über die Herkunft der Daten gemäß Artikel 15 Absatz 1 Halbsatz 2 Buchstabe g DSGVO einzubeziehen. Das Recht jeder Person, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken, ist in Artikel 8 Absatz 2 Satz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Rahmen des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten verbürgt. Zugunsten des Dritten ist demgegenüber zu berücksichtigen, dass auch dessen Rechte durch Artikel 7 Absatz 1 (Achtung des Privatlebens) und Artikel 8 (Recht auf Schutz personenbezogener Daten) der Charta verbürgt sind (BGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - VI ZR 14/21 -, Randnummer 24).

(3) Es kann ein legitimes Interesse Dritter an der Geheimhaltung einer Informationsquelle darstellen, wenn der Arbeitgeber ihnen zum Zwecke der Aufklärung innerbetrieblichen Fehlverhaltens Hinweisgebern Anonymität zusichert. Bestimmte Arten von Regelverstößen innerhalb einer hierarchischen Struktur können effektiver durch anonyme Meldeverfahren aufgedeckt werden. Allerdings sind auch bei einem im Grundsatz - aus Gründen des Informantenschutzes - anerkennenswerten Geheimhaltungsinteresse Konstellationen denkbar, in denen das Geheimhaltungsinteresse hinter dem Auskunftsinteresse des Arbeitnehmers zurückzutreten hat. Dies kann Fälle betreffen, in welchen etwa ein Informant wider besseres Wissen oder leichtfertig dem Arbeitgeber unrichtige Informationen gegeben hat. In einem solchen Fall dürfte das Auskunftsinteresse des Betroffenen wegen eines dann erhöhten Schutzbedürfnisses ein überwiegendes Gewicht haben (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 17 Sa 11/18 -, Randnummer 207). Ob es abgesehen von diesen Fällen auf die objektive Richtigkeit oder Unrichtigkeit der vom Hinweisgeber mitgeteilten Daten ankommt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - VI ZR 14/21 -, Randnummer 26). Ob dabei ferner auch auf ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers abgestellt werden kann, weil er als Verantwortlicher zwar nicht "Dritter" im Sinne des § 29 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 BDSG ist, jedoch vom ersten Halbsatz dieser Vorschrift erfasst wird, der auch für "andere Personen" im Sinne der Ermächtigungsnorm des Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe i DSGVO gelten könnte, zu denen auch der Verantwortliche gehören soll (so Kühling/Buchner/Bäcker, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 23 Randnummer 32), kann hier dahinstehen, weil die Beklagte auch bei diesem Verständnis des § 29 Absatz 1 Satz 2 BDSG eigene berechtigte Geheimhaltungsinteressen sowie solche der betroffenen Beschäftigten nicht dargelegt hat.

(a) Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung im Einzelfall die Verweigerung der begehrten Auskunft über die Person des Hinweisgebers rechtfertigen sollen, trägt nach allgemeinen Grundsätzen der auf Auskunft in Anspruch genommene Verantwortliche. Dieser darf sich dabei nicht auf bloße Vermutungen stützten, sondern hat die konkreten Tatsachen zu benennen, die das überwiegende Interesse des Hinweisgebers an seiner Geheimhaltung begründen sollen (BGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - VI ZR 14/21 -, Randnummer 28). Es bedarf der Nennung eines konkreten Sachverhaltes, anhand dessen geprüft werden kann, ob durch die Auskunftserteilung tatsächlich die Rechte und Freiheiten anderer Personen beschränkt werden würde. Der Verantwortliche hat vorzutragen, welche konkreten personenbezogen Daten nicht herausgegeben werden können, ohne dass schützenswerte Interessen Dritter tangiert werden. Zu dieser Darlegung müssen nicht schon die personenbezogenen Daten als solche preisgegeben werden. Ausreichend, aber auch erforderlich ist es, darzulegen, auf welche genauen Informationen (Sachverhalt/Vorfall/Thema in zeitlicher und örtlicher Eingrenzung nebst handelnden Personen) sich das überwiegende berechtigte Interesse an einer Geheimhaltung beziehen soll. Nur dann ist die notwendige Einzelfallabwägung möglich (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 17 Sa 11/18 -, Randnummer 209). Insbesondere muss der Sachvortrag die Prüfung ermöglichen, ob wider besseren Wissens oder leichtfertig unwahre Informationen gegeben wurden. In Fällen der vorliegenden Art müsste das Auskunftsinteresse der betroffenen Person jedenfalls dann Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse der hinweisgebenden Personen erhalten, wenn es dem Verantwortlichen bekannt oder erkennbar war, dass ihm gegebene Informationen unwahr sind.

(b) Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag der Beklagten nicht. Sie trägt nichts zu Sachverhalten oder Vorfällen in zeitlicher und örtlicher Eingrenzung vor, auf welche sich die von ihr geschwärzten Passagen der Gesprächsprotokolle beziehen. Sie macht lediglich allgemein geltend, es habe ein mangelhaftes Führungsverhalten des Klägers gegeben, die Geheimhaltung habe sie den Beschäftigten des Teams des Klägers versprechen müssen, um eine effektive Sachverhaltsaufklärung betreiben zu können. Schon den Vorwurf mangelhaften Führungsverhaltens macht die Beklagte aber nicht an näher beschriebenen Sachverhalten fest. Dass zudem auch Vorwürfe der sexuellen Belästigung im Raum standen, folgt daraus, dass Vorgesetzte des Klägers diesem gegenüber später erklärten, derartige Vorwürfe seien "vom Tisch". Die Fragen, die dem Kläger in dem ihm zugegangenen Fragebogen gestellt wurden, sprechen ebenfalls dafür, dass derartige Vorwürfe erhoben wurden. Dass später gesagt wurde, derartige Vorwürfe seien "vom Tisch", lässt die Möglichkeit offen, dass sie sich als wissentlich oder leichtfertig unwahr aufgestellt erwiesen haben. Der Sachvortrag der Beklagten schließt dies nicht aus. In einem solchen Falle müsste die Beklagte entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts jedoch Kopien der hierauf bezogenen Fragen und Antworten aus den Gesprächsprotokollen in lesbarer Fassung zur Verfügung stellen. Ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse der Beklagten oder Dritter stünde dem nicht entgegen.

(4) Die Kammer hat davon abgesehen, der Beklagten unter Hinweis auf die vorgenannten rechtlichen Gesichtspunkte Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Diese Gesichtspunkte sind von der Beklagten nicht erkennbar übersehen worden. Die Beklagte selbst hat auf die vorgehend zitierte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg Bezug genommen, aus der sich die auch hier zugrunde gelegten Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast im Falle des Informantenschutzes ergeben.

2. Den vom Berufungsantrag zu 3. umfassten Klageantrag hat das Arbeitsgericht zu Recht für unbegründet gehalten. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld wegen "Mobbings" in Höhe von mindesten 20.000,00 Euro zu.

a) Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen "Mobbings" kann als vertraglicher Anspruch aus § 280 Absatz 1 Satz 1 BGB in Betracht kommen. Nach dieser Bestimmung kann der Gläubiger in dem Fall, dass der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Nach § 241 Absatz 2 BGB erwachsen jeder Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf das Wohl und die berechtigten Interessen der Arbeitnehmerin Rücksicht zu nehmen, sie vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, zu schützen und sie keinem Verhalten auszusetzen, das bezweckt oder bewirkt, dass ihre Würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. In diesem Zusammenhang ist der Arbeitgeber insbesondere zum Schutz der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmerin verpflichtet. Der Arbeitgeber haftet der geschädigten Arbeitnehmerin gegenüber gemäß § 278 Satz 1 BGB auch für schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die für ihn als Erfüllungsgehilfen eingesetzte Mitarbeiter oder Vorgesetzte begehen. Dabei ist es jedoch erforderlich, dass die schuldhafte Handlung des als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers handelnden Mitarbeiters in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Arbeitgeber ihm als Erfüllungsgehilfen zugewiesen hat. Ein solcher Zusammenhang ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Erfüllungsgehilfe gegenüber der betroffenen Arbeitnehmerin die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisiert oder wenn er ihr gegenüber Weisungsbefugnis besitzt.

Ein Schadensersatzanspruch wegen "Mobbings" kann aber auch als deliktischer Anspruch insbesondere aus § 823 Absatz 1 BGB - beziehungsweise § 831 BGB - folgen. Dabei verbietet § 823 Absatz 1 BGB nicht nur eine widerrechtliche Verletzung der in dieser Bestimmung ausdrücklich aufgeführten, besonders geschützten Rechtsgüter, unter anderem der Gesundheit. Auch das durch Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als "sonstiges Recht" im Sinne von § 823 Absatz 1 BGB anerkannt. Auch seine widerrechtliche Verletzung kann demnach Schadensersatzansprüche auslösen. Allerdings ist zu beachten, dass die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wegen seiner Eigenart als Rahmenrecht nicht absolut festliegt, sondern grundsätzlich erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden muss. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist deshalb nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt.

Stützt der Arbeitnehmer - wie hier - seinen Schadensersatzanspruch darauf, der Arbeitgeber habe ihn durch "Mobbing" an seiner Gesundheit beschädigt, so kann er nach § 253 Absatz 2 BGB auch eine billige Entschädigung in Geld fordern. Stützt der Arbeitnehmer hingegen seinen Schadensersatzanspruch darauf, der Arbeitgeber habe ihn widerrechtlich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, so kann er zwar ebenfalls eine billige Entschädigung in Geld fordern. Dieser Anspruch folgt aber nicht aus § 253 Absatz 2 BGB, weil das allgemeine Persönlichkeitsrecht in dieser Bestimmung nicht aufgeführt ist, sondern unmittelbar aus § 823 Absatz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 1 und Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz. Da bei auf "Mobbing" gestützten Entschädigungsklagen nicht der vermögenswerte, sondern der ideelle Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, setzt der Anspruch allerdings voraus, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt und dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen.

Nicht jede Auseinandersetzung, Meinungsverschiedenheit oder nicht gerechtfertigte Maßnahme des Arbeitgebers (zum Beispiel Abmahnung, Versetzung, Kündigung) stellt eine rechtswidrige und vorwerfbare Verletzung der Rechtsgüter der Arbeitnehmerin und damit eine unerlaubte Handlung oder einen Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Absatz 2 BGB dar. Im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, auch wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, sind nicht geeignet sind, derartige Tatbestände zu erfüllen, weshalb es gilt, folgenloses beziehungsweise sozial- und rechtsadäquates Verhalten aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise, das heißt ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers, von der rechtlichen Bewertung auszunehmen. Bei der Zusammenarbeit im Rahmen von Arbeitsverhältnissen kommt es typischerweise zu Konflikten und Meinungsverschiedenheiten, ohne dass die dabei zutage tretenden Verhaltensweisen des Arbeitgebers oder der Vorgesetzten beziehungsweise Kollegen der Arbeitnehmerin zwangsläufig zu einer widerrechtlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter der Arbeitnehmerin führen oder einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht bedeuten. Die Grenze zum nicht rechts- beziehungsweise sozialadäquaten Verhalten ist allerdings dann überschritten, wenn Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde der Arbeitnehmerin verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in welchen einzelne - von der Arbeitnehmerin darzulegende - Handlungen oder Verhaltensweisen von Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder des Arbeitgebers für sich allein betrachtet zwar noch keine Rechtsverletzungen darstellen, allerdings die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zur Annahme einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechts des Arbeitnehmers führt. Dann sind alle Handlungen beziehungsweise Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen, einzelne zurückliegende Handlungen oder Verhaltensweisen dürfen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden (BAG, Urteil vom 15. September 2016 - 8 AZR 351/15 -, juris, Randnummern 30 ff).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen steht dem Kläger selbst dann kein Anspruch auf Schmerzensgeld aus §§ 241 Absatz 2, 280 Absatz 1 Satz 1, 253 Absatz 2 BGB beziehungsweise aus §§ 823 Absatz 1, 253 Absatz 2 BGB wegen widerrechtlicher Verletzung seiner Gesundheit aufgrund von Handlungen der Beklagten beziehungsweise der Vorgesetzten des Klägers als ihre Erfüllungsgehilfen zu, wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, dass er ab dem 17. Januar 2022 wegen der ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe aufgrund einer psychosomatischen Belastungssituation erkrankte. Denn die Vorgesetzten des Klägers haben bis zum 17. Januar 2022 bereits nach dem Vortrag des Klägers die arbeitgeberseitige Rücksichtnahmepflicht nicht durch Handlungen verletzt, die mit der Zielrichtung vorgenommen wurden, die Würde des Klägers zu verletzen und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld zu schaffen.

aa) Dass sie dem Kläger am 22. Dezember 2021 ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages machten, erfolgte nach Bekanntwerden der Beschwerden einer Mitarbeiterin des Teams und Kenntniserlangung von dem Whatsapp-Chatverlauf, den der Kläger vorgelegt hat. Dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt wusste, dass die Beschwerden der Mitarbeiterin haltlos waren, hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Dass die Beklagte den Whatsapp-Chatverlauf und das dort eingestellte Urlaubsbild negativ bewertete und im Rahmen der ihr zustehenden Vertragsfreiheit ein Angebot zur Vertragsaufhebung machte, verstößt weder gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht, noch kann darin einschüchterndes Verhalten gesehen werden.

bb) Dass die Beklagte die Beschwerden gegen den Kläger und den Whatsapp-Chatverlauf sowie das dort eingestellte Urlaubsbild zum Anlass nahm, Mängel im Führungsverhalten des Klägers festzustellen und deshalb am 13. Januar 2022 eröffnete, die noch im November 2021 vorgesehene Leistungsbewertung herabzustufen, lag nicht offensichtlich außerhalb des der Beklagten zustehenden Bewertungsspielraums und stellt kein anlassloses oder schikanierendes Verhalten dar. Es ist jedenfalls nicht als unvertretbar oder gar völlig abwegig zu bezeichnen, dass es ein Arbeitgeber beanstandet, wenn ein Verkaufsleiter in privaten Whatsapp-Gruppen, die ausschließlich aus Teammitgliedern gebildet werden, von Dritten möglicherweise als anstößig empfundene Urlaubsbilder einstellt. Ob die Leistungsbewertung möglicherweise rechtlich angreifbar und gegenüber dem Kläger nicht verbindlich war, kann dahinstehen, weil nicht jede ungerechtfertigte Arbeitgebermaßnahme bereits "Mobbing" darstellt.

cc) Dass die Beklagte im Betrieb Gerüchte über sexuelle Belästigung von Beschäftigten durch den Kläger "platzierte", hat der Kläger nicht schlüssig vorgetragen. Soweit er auf die im Zeitraum ab dem 11. Januar 2022 geführten "Interviews" mit Beschäftigten des Teams des Klägers abstellt, hat die Beklagte in diesem Zusammenhang unstreitig Geheimhaltung versprochen und verlangt, also gerade keine Gerüchte im Betrieb verbreitet. Dass die Beklagte die Interviews führte, entsprach ihrer Pflicht nach § 12 Absatz 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Hiernach trifft den Arbeitgeber bei Vorwürfen sexueller Belästigung eine Pflicht zur Aufklärung (ErfK/Schlachter, 23. Aufl. 2023, AGG § 12 Randnummer 3).

dd) Soweit der Kläger ferner auf die Ermahnung vom 15. März 2022, die befristeten Versetzungen ab dem 27. Juli 2022 und die Eröffnung einer erneuten Herabstufung in der Leistungsbewertung am 23. März 2023 abstellt, können diese Handlungen für die am 17. Januar 2022 eingetretene Erkrankung nicht ursächlich sein. Dass die während der Erkrankung zugegangene Ermahnung vom 15. März 2022 diese weiter verschlimmerte oder verlängerte, hat der Kläger nicht vorgetragen. Ein aus widerrechtlicher Verletzung der Gesundheit folgender Schmerzensgeldanspruch kann hieraus nicht abgeleitet werden.

c) Ein Anspruch auf billige Entschädigung in Geld wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts gemäß § 823 Absatz 1 BGB ist ebenfalls nicht gegeben. Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich nicht, dass die Beklagte beziehungsweise die Vorgesetzten des Klägers durch einzelne Handlungen oder ein auf mehreren Handlungen beruhendes Gesamtverhalten schwerwiegend in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen haben und dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann.

aa) Wie bereits ausgeführt kann es weder als unvertretbar oder gar abwegig und einschüchternd oder schikanierend bezeichnet werden, dass die Beklagte das in die private Whatsapp-Gruppe der Teammitglieder eingestellte Urlaubsbild des Klägers beanstandete. Es ist daher auch kein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers, wenn sie es zum Gegenstand der Ermahnung vom 15. März 2022 machte. Und auch nach Wegfall der Vorwürfe sexueller Belästigung erfolgte die befristete Versetzung ab dem 27. Juli 2022 wegen der fortbestehenden Vorbehalte der Beklagten gegen das Führungsverhalten des Klägers nicht anlasslos oder gar schikanös. Das Gleiche gilt für die erneute Herabstufung in der Leistungsbewertung, die dem Kläger am 23. März 2023 eröffnet wurde, die ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Protokolls eines Gesprächstermins vom 18. Januar 2023 auf konkreten Beanstandungen der Beklagten bezogen auf die ab Juli 2022 erbrachten Leistungen des Klägers beruhte.

bb) Auch in seiner Gesamtheit kann das Verhalten der Beklagten ab Dezember 2021 nicht als schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers angesehen werden, dem allein durch Zuerkennung eines Schmerzensgeldes abgeholfen werden kann. Die Beklagte hat in Reaktion auf gegen das Verhalten des Klägers als Verkaufsleiter erhobene Beschwerden Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhaltes ergriffen und dem Kläger im Rahmen der ihr zustehenden Vertragsfreiheit die Vertragsaufhebung angeboten. Sie hat die aus ihrer Sicht nicht ausgeräumten Bedenken gegen das Führungsverhalten des Klägers zum Anlass genommen, die beabsichtigte Leistungsbewertung herabzustufen, den Kläger zu ermahnen und ihn nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit befristet mit einer anderen Arbeitsaufgabe zu betrauen, deren Ausübung sie sodann zu einer erneuten Herabstufung veranlasste. Es mag sich im jeweiligen Einzelfalle auch um rechtlich unzulässige Maßnahmen handeln. In einem solchen Falle stand oder steht dem Kläger die Möglichkeit des Rechtsschutzes zur Verfügung. Eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung, die effektiv allein durch ein Schmerzensgeld ausgeräumt werden kann, ist nicht gegeben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Absatz 1, 516 Absatz 3 Satz 1 ZPO.

IV. Die Kammer hat die Berufung der Beklagten gemäß § 72 Absatz 2 Nummer 1 ArbGG zugelassen. Soweit sie die Berufung zurückgewiesen hat, sind hingegen keine Gründe im Sinne des § 72 Absatz 2 ArbGG ersichtlich.

Verkündet am 30. März 2023

VorschriftenArtikel 15 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), Artikel 15 DSGVO, Artikel 82 Absatz 1 DSGVO, §§ 8 Absatz 2, 64 Absatz 2 Buchstabe b), Absatz 6, 66 Absatz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), §§ 64 Absatz 6 ArbGG, 520 Absatz 3 ZPO, § 253 Absatz 2 Nummer 2 ZPO, § 308 ZPO, § 322 ZPO, Artikel 15 Absatz 3 Satz 1 DSGVO, Artikel 2 Absatz 1 DSGVO, Artikel 4 Nummer 6 DSGVO, Artikel 4 Nummer 1 DSGVO, Artikel 4 Nummer 7 Halbsatz 1 DSGVO, Artikel 12 Absatz 5 Satz 2 DS-GVO, § 29 Absatz 1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz, Artikel 4 Nummer 10 DSGVO, § 29 Absatz 1, Absatz 2 BDSG, Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe i DSGVO, Artikel 15 Absatz 4 DSGVO, Artikel 15 Absatz 1 Halbsatz 2 Buchstabe g DSGVO, § 29 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 BDSG, § 29 Absatz 1 Satz 2 BDSG, § 280 Absatz 1 Satz 1 BGB, § 241 Absatz 2 BGB, § 278 Satz 1 BGB, § 823 Absatz 1 BGB, § 831 BGB, Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz, § 253 Absatz 2 BGB, Artikel 1, Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz, §§ 241 Absatz 2, 280 Absatz 1 Satz 1, 253 Absatz 2 BGB, §§ 823 Absatz 1, § 12 Absatz 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, §§ 92 Absatz 1, 516 Absatz 3 Satz 1 ZPO, § 72 Absatz 2 Nummer 1 ArbGG, § 72 Absatz 2 ArbGG