Beschluss vom 06.03.2023 · IWW-Abrufnummer 236105
Hessisches Landesarbeitsgericht - Aktenzeichen 16 TaBV 85/22
1. Die Beteuerung des Arbeitgebers, dass er die Betriebsvereinbarung "anerkenne und einhalte" lässt das Rechtsschutzinteresse des Betriebsrats für einen Antrag nach § 23 Absatz 3 BetrVG nicht entfallen, § 256 Absatz 1 ZPO .
2. Der Unterlassungsanspruch nach § 23 Absatz 3 BetrVG setzt einen groben Verstoß gegen die Verpflichtungen des Arbeitgebers aus diesem Gesetz voraus. Hierunter fallen auch grobe Verletzungen von Pflichten, die sich aus einer Betriebsvereinbarung ergeben.
3. Auf eine Duldung von Überstunden seitens des Arbeitgebers kann nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände geschlossen werden. Einzelne oder besonderen einmaligen Umständen geschuldete Überschreitungen der betriebsüblichen Arbeitszeit sprechen für sich gesehen nicht dafür, dass der Arbeitgeber diese hinnimmt. Die positive Kenntnis des Arbeitgebers von Überstundenleistungen durch Arbeitnehmer ohne Ergreifen von Gegenmaßnahmen deutet regelmäßig auf deren Duldung hin.
4. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt: Mehrere (5) Arbeitnehmer wiesen über einen Zeitraum von sechs Monaten ein das in der Betriebsvereinbarung vorgesehene (Höchst-) Maß von 40 Überstunden deutlich übersteigendes Maß an Mehrarbeit auf. Diese Situation verschlimmerte sich während des Laufs des vorliegenden Beschlussverfahrens noch. Dass ihm der Stand der Gleitzeitkonten bekannt war, bestreitet der Arbeitgeber nicht. Die vom Arbeitgeber ergriffenen Maßnahmen (Schulungen der Mitarbeiter über die Inhalte der Betriebsvereinbarung) hatten nicht den gewünschten Erfolg.
Tenor:
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 16. Mai 2022 - 9 BV 6/27 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über einen Antrag des Betriebsrats nach § 23 Abs. 3 BetrVG wegen wiederholter Verstöße des Arbeitgebers gegen die Betriebsvereinbarung „Flexibilisierung Arbeitszeit“ vom 29. September/1. Oktober 2020.
Antragsteller ist der im Betrieb des Arbeitgebers (Beteiligte zu 2) gebildete Betriebsrat. Die Betriebspartner vereinbarten am 29. September/1. Oktober 2020 die Betriebsvereinbarung „Flexibilisierung Arbeitszeit“; insoweit wird auf Bl. 8-11 der Akte Bezug genommen.
Mit seinem am 16. Juli 2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz hat der Betriebsrat die Unterlassung von Verstößen gegen diese Betriebsvereinbarung seitens des Arbeitgebers geltend gemacht.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 240-246 der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Betriebsrats stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 246-248 der Akte) verwiesen.
Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers am 13. Juni 2022 zugestellt, der dagegen am 28. Juni 2022 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 15. September 2022 am 15. September 2022 begründet hat.
Der Arbeitgeber rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass kein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrats zur Beauftragung eines Rechtsanwalts vorliege. Die Beschlussfassung in der Betriebsratssitzung vom 2. Februar 2022 sei bereits deshalb unwirksam, weil die Geschäftsordnung des Betriebsrats nicht den Anforderungen der Durchführung einer Betriebsratssitzung als Video-/Telefonkonferenz entspreche. Der Betriebsratsbeschluss vom 21. Juni 2021 sei unwirksam, weil in der Ladung der betreffende Tagesordnungspunkt nicht ordnungsgemäß angegeben sei. Auch in der Betriebsratssitzung vom 16. Mai 2022 sei kein wirksamer Beschluss zur Einleitung bzw. Genehmigung des vorliegenden Verfahrens gefasst worden; insoweit werde die Rechtzeitigkeit der Ladung mit Nichtwissen bestritten und gerügt, dass ein Verhinderungsfall bezüglich eines Betriebsratsmitglieds vorgelegen habe. Ferner bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis für die Anträge des Betriebsrats, weil der Arbeitgeber die Regelungen der Betriebsvereinbarung anerkenne und einhalte, zwischen den Betriebspartnern Einvernehmen bestehe, dass die Regelungen der Betriebsvereinbarung nicht praktikabel seien und bereits konkrete Gespräche über eine Anpassung der Betriebsvereinbarung geführt würden. Schließlich sei der Antrag zu 1 unbestimmt und der Antrag zu 2 nicht vollstreckbar. Jedenfalls seien die Anträge unbegründet, weil kein grober Verstoß vorliege. Auffälligkeiten im Hinblick auf Pluskontostände von Mitarbeitern habe es nur in einem einzigen Bereich, der Abteilung Traktor Sales und Marketing, gegeben. Hierbei handele es sich um nicht einmal 2 % der Belegschaft des Betriebs. Die Mitarbeiter dieses Bereichs seien in regelmäßigen Abständen im Rahmen von Messen und Roadshows außerhalb der Betriebsstätte tätig. Auch dies habe das Arbeitsgericht nicht hinreichend gewürdigt, sondern fehlerhaft darauf abgestellt, dass sich die Verstöße über einen langen Zeitraum realisiert hätten. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die globalen Lieferketten im hier maßgeblichen Jahr letztlich coronabedingt nicht wie zuvor funktioniert hätten, was zu Mehraufwand seitens der Mitarbeiter geführt habe, der nicht durch Neueinstellungen hätte ausgeglichen werden können.
Der Arbeitgeber beantragt,
Der Betriebsrat beantragt,
Der Betriebsrat ist der Auffassung, es liege eine wirksame Beschlussfassung zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens vor. Dies ergebe sich jedenfalls daraus, dass der Betriebsrat in seiner Sitzung vom 16. Mai 2022, zu der am 13. Mai 2022 um 15:07 Uhr eingeladen wurde, im Rahmen einer Präsenzsitzung, an der für den aus 9 Mitgliedern bestehenden Betriebsrat 8 Mitglieder sowie für das Betriebsratsmitglied A das Ersatzmitglied B teilgenommen haben, den Beschluss fasste, die Einleitung und Durchführung des Beschlussverfahrens „Durchführung der Betriebsvereinbarung Flexibilisierung Arbeitszeit“ (Arbeitsgericht Offenbach 9 BV 6/21) durch die Anwaltskanzlei C in D zu genehmigen. Wegen der Ladung zu dieser Sitzung, dem Protokoll und der Anwesenheitsliste wird auf Bl. 319-322 der Akte Bezug genommen.
In der Sache selbst habe das Arbeitsgericht beanstandungsfrei und durch den Arbeitgeber auch unbestritten festgestellt, dass im Zeitraum November 2020 bis Juni 2021 die Mitarbeiter E (113 Stunden und 47 Minuten), F (188 Stunden und 10 Minuten), G (137 Stunden und 3 Minuten), H (312 Stunden und 48 Minuten) und I (129 Stunden und 24 Minuten) erhebliche Überstundenguthaben auf dem Gleitzeitkonto aufwiesen. Die Betriebsvereinbarung regele ausdrücklich, dass bei einer Überschreitung von max. 40 Stunden des Gleitzeitkontos der jeweilige Vorgesetzte und der betroffene Mitarbeiter einen Plan zur Rückführung der Mehrarbeit auf 40 Stunden zu vereinbaren haben, dies dem Betriebsrat unaufgefordert mitzuteilen ist, bei einer Überschreitung der maximalen Stunden dem Betriebsrat ebenfalls hierüber Mitteilung zu machen ist und das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei einer bewussten Überschreitung des Volumens von 40 Stunden zu berücksichtigen ist. Gegen sämtliche dieser Verpflichtungen habe der Arbeitgeber in grober Weise verstoßen. Auch das weitere Verhalten des Arbeitgebers während des Beschlussverfahrens zeige, dass bei diesem entgegen anderslautender Beteuerungen keinerlei Bereitschaft bestehe, die Regelungen aus der Betriebsvereinbarung einzuhalten. So hätten zum Stichtag 30. April 2022 -und damit lange nach Einleitung des Beschlussverfahrens- insgesamt 21 Mitarbeiter ein Stundenvolumen oberhalb von 40 Überstunden erreicht; insoweit wird auf die Aufstellung Bl. 312 der Akte Bezug genommen. Bei den Mitarbeitern J und K hätten die Überstunden mit 164,28 und 180,92 weit oberhalb der in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Grenze gelegen. Auch verhalte es sich nicht derart, dass der Arbeitgeber unaufgefordert und regelmäßig den Betriebsrat über feststellbare Überschreitungen der maximalen 40 Stunden auf dem Gleitzeitkonto unterrichte. Zuletzt sei dem Betriebsrat die entsprechende Übersicht für den Monat August 2022 erst auf mehrmalige Nachfrage Mitte des Monats September zur Verfügung gestellt worden. Auch für diesen Monat seien wiederum erhebliche Überschreitungen des zulässigen Stundenvolumens von 40 Stunden festzustellen. Vor diesem Hintergrund mute die Äußerung des Arbeitgebers, sie habe die Vorgaben der Betriebsvereinbarung „stets anerkannt“ und man sei „jederzeit gewillt die vereinbarten Regelungen einzuhalten und würde dies auch tun“ befremdlich an.
Hinsichtlich der Beschlussfassung des Betriebsrats vom 16. Mai 2022 hat das Landesarbeitsgericht Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen K. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Anhörung vom 6. März 2023, wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, § 594 ZPO.
2. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Anträgen zu Recht stattgegeben.
Die Anträge sind zulässig.
Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Anträge bestehen nicht deshalb, weil eine Beschlussfassung des Betriebsrats zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens unterblieben wäre (vergleiche hierzu: Bundesarbeitsgericht 6. November 2013 -7 ABR 84/11- Rn. 50).
Es kann dahinstehen, ob die vom Betriebsrat zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens gefassten Beschlüsse vom 21. Juni 2021 und 2. Februar 2022 wirksam gefasst wurden.
Jedenfalls hat der Betriebsrat in seiner Sitzung vom 16. Mai 2022 wirksam die Einleitung und Durchführung des vorliegenden Verfahrens genehmigt. Hierbei kann dahinstehen, ob die am 13. Mai 2022 um 15:07 Uhr erfolgte Einladung rechtzeitig war, da der aus 9 Mitgliedern bestehende Betriebsrat mit 8 ordentlichen Mitgliedern und einem Ersatzmitglied einstimmig den entsprechenden Beschluss gefasst hat (siehe Protokoll der Betriebsratssitzung vom 16. Mai 2022, Bl. 320, 321 der Akte; vergleiche: Bundesarbeitsgericht 22. November 2017 -7 ABR 46/16-Rn. 14). Das geladene Ersatzmitglied B war der erste Nachrücker für das verhinderte Betriebsratsmitglied A. Dies steht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme fest. Der als Zeuge vernommene Betriebsratsvorsitzende L, gegen dessen Glaubwürdigkeit keine Bedenken bestehen, hat dies detailreich und in sich widerspruchsfrei -und damit glaubhaft- ausgesagt. Die Betriebsratssitzung fand ausweislich des Protokolls in der Zeit von 8:30 Uhr bis 8:42 Uhr und damit vor Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung am selben Tag nach 13:00 Uhr statt.
Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers fehlt es den Anträgen nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, § 256 Abs. 1 ZPO. Dieses entfällt nicht bereits deshalb, weil der Arbeitgeber die Regelungen der Betriebsvereinbarung „anerkenne und einhalte“, was -wie das vorliegende Verfahren zeigt- im Übrigen auch nicht zutrifft. Selbst wenn zwischen den Betriebspartnern Einvernehmen bestünde, dass die Regelungen der Betriebsvereinbarung nicht praktikabel sind, sind diese gleichwohl zu beachten. Dies gilt auch wenn bereits Gespräche über eine Anpassung der Betriebsvereinbarung geführt werden. Solange keine neue Regelung zustande gekommen ist, hat der Arbeitgeber die bislang geltende Betriebsvereinbarung „Flexibilisierung Arbeitszeit“ zwingend und ausnahmslos in jedem einzelnen Fall und für jeden einzelnen Mitarbeiter aufs genaueste zu einzuhalten.
Der Antrag zu 1 ist nicht unbestimmt. Soweit dort kein Stichtag (letzter Tag des Monats) genannt wird, ergibt sich dieser im Wege der Auslegung der Betriebsvereinbarung aus dem systematischen Zusammenhang der Regelungen in 1. (1) zu (2) Unterabs. 3 der Betriebsvereinbarung (Bl. 9 der Akte).
Der Antrag zu 2 ist nicht deshalb unzulässig, weil hierdurch nicht der Arbeitgeber, sondern der jeweilige Vorgesetzte und der Mitarbeiter verpflichtet werden, umgehend einen Plan zur Rückführung (der über 40 Stunden hinausgehenden Mehrarbeit) „zu vereinbaren“. Kann der Arbeitgeber die betreffende Handlung nur vornehmen, wenn andere Personen mitwirken (hier der betreffende Mitarbeiter, indem er die Rückführungsvereinbarung mit dem Arbeitgeber schließt), muss der Arbeitgeber solche Personen zur Mitwirkung veranlassen bzw. dies zumindest versuchen (Thomas/Putzo-Seiler, ZPO, 40. Auflage, § 888 Rn. 3).
Das Arbeitsgericht hat zutreffend und mit eingehender Begründung, der sich die Beschwerdekammer anschließt und auf die sie Bezug nimmt, erkannt, dass die Anträge des Betriebsrats begründet sind.
Der Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG setzt einen groben Verstoß gegen die Verpflichtungen des Arbeitgebers aus diesem Gesetz voraus. Hierunter fallen auch grobe Verletzungen von Pflichten, die sich aus einer Betriebsvereinbarung ergeben (Bundesarbeitsgericht 23. Juni 1992 -1 ABR 11/92). Die groben Pflichtverletzungen müssen objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein. Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es dabei nicht an. Der Annahme eines groben Verstoßes kann entgegenstehen, dass der Arbeitgeber seine Rechtsposition in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage verteidigt. Eine grobe Pflichtverletzung indiziert die Wiederholungsgefahr. Diese ist nur dann ausgeschlossen, wenn aus faktischen oder rechtlichen Gründen eine Wiederholung des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens ausscheidet. Die bloße Zusicherung, zukünftig betriebsvereinbarungswidriges Verhalten zu unterlassen, genügt hierfür hingegen nicht (Bundesarbeitsgericht 18. März 2014 -1 ABR 77/12- Rn. 15).
Auf eine Duldung von Überstunden seitens des Arbeitgebers kann nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände geschlossen werden. In aller Regel ist ihr ein zeitlicher Moment immanent. Einzelne oder besonderen einmaligen Umständen geschuldete Überschreitungen der betriebsüblichen Arbeitszeit sprechen für sich gesehen nicht dafür, dass der Arbeitgeber diese hinnimmt. Die positive Kenntnis des Arbeitgebers von Überstundenleistungen durch Arbeitnehmer ohne Ergreifen von Gegenmaßnahmen deutet regelmäßig auf deren Duldung hin (vergleiche für den Individualprozess der Vergütung von Überstunden Bundesarbeitsgericht 10. April 2013 -5 AZR 122/12- Rn. 21). Andererseits ist sie -ebenso wie die Vergütung der Überstunden- keine zwingende Voraussetzung für die Annahme einer Duldung von Überstunden im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn. Auch Überschreitungen der betriebsüblichen Arbeitszeit, die nicht vergütet werden oder die der Arbeitgeber nicht belegt oder ignoriert oder -trotz entsprechender Möglichkeit- nicht zur Kenntnis nimmt, unterfallen dem Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Insgesamt lässt sich auf eine Duldung von Überstunden nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls schließen. Es muss hinreichende Anhaltspunkte für das Fehlen gebotener Gegenmaßnahmen durch den Arbeitgeber geben, um dessen Untätigkeit als ein Hinnehmen werten zu können (Bundesarbeitsgericht 28. Juli 2020 -1 ABR 18/19- Rn. 19).
Der Unterlassungsantrag zu 1 begründet. Danach hat der Arbeitgeber es zu unterlassen, ohne Zustimmung des Betriebsrats bzw. Spruch der betrieblichen Einigungsstelle Überstunden anzuordnen, zu dulden oder entgegenzunehmen, soweit hierdurch ein Volumen im Umfang von 40 Stunden auf dem Gleitzeitkonto (bezogen auf den letzten Tag eines Monats) überschritten wird. Dies ergibt sich aus der Betriebsvereinbarung „Flexibilisierung Arbeitszeit“ vom 29. September 2020/1. Oktober 2020 unter 1. (1) Unterabsatz 1 i.V.m. (2) Unterabsatz 3 (Stichtagsregelung). Gegen diese Verpflichtung hat der Arbeitgeber in einer Vielzahl von Fällen über einen längeren Zeitraum und auch noch während der Durchführung des vorliegenden Erkenntnisverfahrens verstoßen. Im Zeitraum November 2020 bis Juni 2021 wiesen die Mitarbeiter E (113 Stunden und 47 Minuten), F (188 Stunden und 10 Minuten), G (137 Stunden und 3 Minuten), H (312 Stunden und 48 Minuten) und I (129 Stunden und 24 Minuten) erhebliche Überstundenguthaben auf dem Gleitzeitkonto auf. Dies hat das Arbeitsgericht unter I. der Gründe festgestellt. Gegen die Richtigkeit dieser Feststellungen erhebt der Arbeitgeber keine Einwendungen. Ferner hat der Betriebsrat im Beschwerdeverfahren unwidersprochen vorgetragen, dass zum Stichtag 30. April 2022 -und damit lange nach Einleitung des Beschlussverfahrens am 16. Juli 2021- insgesamt 21 Mitarbeiter ein Stundenvolumen oberhalb von 40 Überstunden erreicht haben; insoweit wird auf die Aufstellung Bl. 312 der Akte Bezug genommen. Bei den Mitarbeitern J und K lagen die Überstunden mit 164,28 und 180,92 weit oberhalb der in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Grenze. Der Arbeitgeber hat damit von einer Vielzahl von Mitarbeitern eine ganz erhebliche Überschreitung der in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Obergrenze von 40 Stunden auf dem Gleitzeitkonto hingenommen. Dass ihm der jeweilige Stand des Gleitzeitkontos zum Stichtag nicht bekannt war, behauptet er selbst nicht. Er kann hierauf durch die Mitarbeiter der Personalabteilung jederzeit zugreifen. Seine Einwendung, im Wesentlichen habe es sich bei den Mitarbeitern um solche der Abteilung Traktor Sales und Marketing, die teilweise an auswärtigen Veranstaltungen teilnehmen und hieraus Mehrarbeit resultiert, gehandelt, überzeugt nicht. Gerade insoweit erschließt sich nicht, weshalb der Arbeitgeber nicht darauf besteht, dass Mitarbeiter, die etwa samstags auf einer Messe Dienst geleistet haben, diese Stunden in der sich anschließenden Woche sogleich abfeiern. Der Einwand des Arbeitgebers, insgesamt hätten noch nicht einmal 2 % der Belegschaft gegen die Betriebsvereinbarung verstoßen, lässt sein Verhalten nicht in einem milderen Licht erscheinen. Gerade wenn die „Arbeitszeitüberschreiter“ zahlenmäßig wenige wären (was so, zumindest zuletzt, auch nicht zutrifft) und im Wesentlichen aus derselben Abteilung kämen, müsste es für den Arbeitgeber möglich sein, diese Personen anzusprechen, auf die Regelungen der Betriebsvereinbarung hinzuweisen und -gegebenenfalls unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen - auf deren Einhaltung zu bestehen. Positiv zu bewerten ist, dass der Arbeitgeber durchaus Schulungen in Bezug auf die Inhalte der Betriebsvereinbarungen im Betrieb durchgeführt hat, die jedoch bislang nicht den gewünschten Erfolg erreicht haben. Insoweit muss festgestellt werden, dass die vom Arbeitgeber ergriffenen Gegenmaßnahmen nicht ausreichend waren und sein Verhalten insgesamt daher nur als Hinnahme von unter Überschreitung der in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen 40 Stunden-Grenze und damit unzulässiger Mehrarbeit angesehen werden kann. Ganz gravierend zu bewerten ist die Vielzahl der von einzelnen Mitarbeitern unter Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung geleisteten Überstunden: E (113 Stunden und 47 Minuten), F (188 Stunden und 10 Minuten), G (137 Stunden und 3 Minuten), H (312 Stunden und 48 Minuten) und I (129 Stunden und 24 Minuten). Hier sind teilweise Überstunden von annähernd einer Arbeitszeit für 3 Wochen und in einem Einzelfall sogar deutlich mehr (H) aufgelaufen, was völlig inakzeptabel ist. Wenn der Arbeitgeber, der über seine EDV jederzeit Zugriff auf die Arbeitszeitkonten hat, hier nicht aktiv einschreitet, kann dies nur als Hinnahme der Verstöße gegen die Betriebsvereinbarung verstanden werden.
Der Antrag zu 2 ist begründet. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei Überschreitung eines Volumens von 40 Stunden auf dem Gleitzeitkonto mit dem betroffenen Mitarbeiter umgehend einen Plan zur Rückführung des Volumens des Gleitzeitkontos auf unter 40 Stunden zu vereinbaren und dem Betriebsrat dies mitzuteilen. Dies ist in 1. (2) Unterabsatz 3 der Betriebsvereinbarung „Flexibilisierung Arbeitszeit“ geregelt. Auch hiergegen hat der Arbeitgeber wiederholt in einer Vielzahl von Fällen verstoßen.
Der Antrag zu 3 ist begründet. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei Überschreitung eines Volumens von 40 Stunden auf dem Gleitzeitkonto einzelner Mitarbeiter, dies dem Betriebsrat zu melden. Dies ist in 1. (2) Unterabsatz 4 der Betriebsvereinbarung „Flexibilisierung Arbeitszeit“ geregelt. Auch hiergegen hat der Arbeitgeber wiederholt in einer Vielzahl von Fällen verstoßen.
Die Androhung des Ordnungsgeldes folgt aus § 23 Abs. 3 BetrVG, § 85 Abs. 1 S. 3 ArbGG, § 890 ZPO.
III.
Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor, §§ 92 Abs. 1, 72 ArbGG.