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Urteil vom 19.04.2023 · IWW-Abrufnummer 235970

Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 12 Sa 621/22

Sind die tatsächlichen Tätigkeitsvoraussetzungen gemäß § 20a Abs. 1 IfSG objektiv nicht gegeben und keine Abwägungsgesichtspunkte ersichtlich, die im Rahmen der Ermessensausübung gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG ausgehend vom Zweck dieser Bestimmung zu Gunsten der Arbeitnehmerin streiten, ist der Arbeitgeberin die tatsächliche Beschäftigung der Arbeitnehmerin - hier einer Alltaghelferin in einem Seniorenzentrum - aus den übergeordneten Gründen des Schutzes der vulnerablen Personen in der Einrichtung der Beklagten unzumutbar und der Vergütungsanspruch entfällt. Daran ändert der Umstand, dass das Gesundheitsamt gegenüber der Klägerin erst ab dem 01.09.2022 ein Tätigkeitsverbot aussprach, ebenso nichts wie der Aspekt, dass es sich um eine Bestandsarbeitnehmerin handelt.


Tenor:1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 08.09.2022 - 1 Ca 809/22 - wird zurückgewiesen.2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten anlässlich der einrichtungsbezogenen Impflicht aus § 20 a IfSG im Wesentlichen über Vergütungsansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs und das Bestehen von Urlaubsansprüchen.

Die am 10.03.1958 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.01.2009 gegen ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 1.200,00 Euro, das zum Monatsletzten zur Zahlung fällig war, in Teilzeit als Alltagsbegleiterin im F.-Seniorenzentrum in E. beschäftigt. Dort übernahm sie betreuerische Aufgaben, wie das Angebot gemeinsamer Spiele und gemeinsames Singen, sowie hauswirtschaftliche Tätigkeiten, z.B. die Bereitstellung von Mahlzeiten. Auf die Funktions- und Tätigkeitsbeschreibung des Arbeitsplatzes der Klägerin gemäß Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 22.08.2022 wird insoweit Bezug genommen. Ob die Klägerin auch die in dieser Beschreibung dargestellten pflegerischen Aufgaben ausübte, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin war nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV2 geimpft. Sie verfügte weder über einen Genesenennachweis, noch über eine ärztliche Bescheinigung, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV2 geimpft werden konnte. Dies meldete die Beklagte dem zuständigen Gesundheitsamt Duisburg nach Maßgabe von § 20 a Abs. 2 Satz 2 IfSG.

In der Zeit vom 16.03.2022 bis zum 29.03.2022 beschäftigte die Beklagte die Klägerin unverändert fort.

Die Einrichtungsleiterin der Beklagten teilte der Klägerin am 29.03.2022 fernmündlich mit, dass sie wegen ihres Impfstatus mit Wirkung ab dem 01.04.2022 unwiderruflich und ohne Zahlung der Vergütung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt werde. Die Klägerin war ab dem 30.03.2022 bis zum 06.04.2022 arbeitsunfähig erkrankt. Die diesbezügliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ging bei der Beklagten am 31.03.2022 ein. Mit Schreiben vom 31.03.2022, überschrieben mit den Worten "Keine Beschäftigung ohne gültigen Immunitätsnachweis", teilte die Beklagte der Klägerin durch ihren Geschäftsführer I. u.a. Folgendes mit:

"…wie Ihnen bereits mitgeteilt wurde, wird eine weitere Beschäftigung unsererseits ohne einen gültigen Immunitätsnachweis gemäß § 22a Infektionsschutzgesetz (IfSG) unmöglich. Eine andere Tätigkeit bzw. Tätigkeitsstätte abseits des § 20a Absatz 1 IfSG kann Ihnen alternativ im Unternehmen nicht zugewiesen werden. Wir teilen Ihnen nunmehr unsere Entscheidung mit, dass wir Sie aufgrund des fehlendenden gesetzlichen Erfordernisses, mit Ablauf der Meldefrist von beschäftigten Personen ohne gültigen Immunitätsnachweis, ab dem 01.04.2022 vorerst nicht mehr beschäftigen werden und Ihren Arbeitsvertrag daher unbezahlt ruhend stellen. Wir weisen ebenfalls darauf hin, dass Ihr Anspruch auf Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat während der unbezahlten Ruhendstellung um ein Zwölftel gekürzt wird. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu diesem Schritt aufgrund unserer Verpflichtungen nach § 20a Absatz 3 IfSG gezwungen sehen. Sollten Sie die erforderlichen Nachweise im Nachgang beibringen und erfüllen, werden wir Ihr Arbeitsverhältnis unbeschadet fortführen können und Sie auch weiter beschäftigen. Wir bitten Sie in Ihrem Sinne den geforderten Verpflichtungen nachzukommen. …"

Seit dem 01.04.2022 beschäftigte die Beklagte die Klägerin nicht und zahlte auch keine Vergütung. Zwischenzeitlich meldete die Beklagte die Klägerin von der Sozialversicherung ab. Die Klägerin war seitdem nicht mehr gesetzlich krankenversichert. Aufgrund der Selbständigkeit ihres Ehemanns bestand auch keine gesetzliche Familienkrankenversicherung für die Klägerin.

Mit Schreiben vom 21.04.2022 wandte sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin an die "B. T. GmbH, GF P." und teilte mit, dass ihre Mandantin mit einer unbezahlten Freistellung nicht einverstanden sei. Sie könne bis zu der Erteilung eines behördlichen Tätigkeits- oder Betretungsverbots weiter beschäftigt werden. Bis dahin sei die Beklagte verpflichtet, ihrer Mandantin die monatliche Vergütung von 1.200,00 Euro weiter zu zahlen. Auf dieses Schreiben, bei der B. T. GmbH eingegangen am 27.04.2022, nahm deren Geschäftsführer P., der zugleich Personalleiter der Beklagten war, mit E-Mail vom 29.04.2022 unter einer ...@t..de E-Mailadresse mit dem Betreff "R. ./. B." und auf unter Verwendung der Angabe B. T. GmbH in der Signatur der E-Mail u.a. wie folgt Stellung:

" … Unsere Entscheidung zu diesem Schritt hatten wir uns nicht leichtgemacht und diesen abgewogen. Wir haben grundsätzlich auch keinerlei Interesse an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wir schätzen Frau R. als gute und zuverlässige Mitarbeiterin. Es steht Frau R. frei, die erforderlichen Nachweise im Nachgang jederzeit immer noch beizubringen und zu erfüllen. Sollte dies erfolgen, wird das Arbeitsverhältnis selbstverständlich unbeschadet fortgeführt und Frau R. letztlich auch bezahlt weiterbeschäftigt werden. Wir sind jedoch arbeitgeberseitig darangehalten und interessiert, den Verpflichtungen nach § 20a Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) nachzukommen. Des Weiteren wollen wir unseren Schutzbefohlenen sowie der betroffenen Belegschaft in der Sache gerecht werden. … Leider liegt unbestreitbar nachweislich kein Impfnachwies im Sinne des § 22a Absatz 1 Nummer 3 IfSG, kein Genesenennachweis im Sinne des § 22a Absatz 2 Nummer 2 IfSG oder kein geeignetes ärztliches Zeugnis vor, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können. Es ist daher bereits für ein ungeschultes Auge erkennbar, dass Frau R. die Kriterien aufgrund des fehlenden gesetzlichen Erfordernisses nicht erfüllt und unweigerlich in der logischen Konsequenz auch behördlich ein Verbot ergehen wird. Der Gesetzestext lässt ferner keine Beschäftigungspflicht oder Entlohnung erkennen, bis etwa eine Behörde wie das Gesundheitsamt über ein mögliches Betretungs- oder Tätigkeitsverbot entschieden hätte. …"

Die Klägerin richtete ihre Klage vom 09.05.2022 (Vergütung von 1.200,00 Euro für April 2022, Beschäftigung als Alltagsbegleiterin und Feststellungsantrag betreffend Urlaub) zunächst gegen die B. T. GmbH, welche unter der gleichen Anschrift wie die Beklagte firmierte. Diese wurde bei dem Arbeitsgericht Mönchengladbach zum Az. 2 Ca 597/22 geführt. Im Gütetermin am 13.06.2022 zum Az. 2 Ca 597/22 erklärte die Klägerin in Anwesenheit von Herrn P., dass die Klage sich tatsächlich gegen die Beklagte richte. Sie nahm die Klage gegen die B. T. GmbH zurück und beantragte die Zustellung an die Beklagte dieses Verfahrens. Ein Zustellnachweis der Klage an die hiesige Beklagte ist der Akte dieses Verfahrens nicht zu entnehmen. Die Klageerweiterung vom 13.06.2022 betreffend die Vergütung für den Monat Mai 2022 richtete die Klägerin noch gegen die B. T. GmbH, welche dieser am 15.06.2022 zugestellt wurde. Die Klageerweiterung vom 04.07.2022 betreffend die Vergütung für den Monat Juni 2022 und die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses richtete die Klägerin gegen die Beklagte. Diese Klageerweiterung wurde der Beklagten am 06.07.2022 zugestellt. Die Klageerweiterung vom 08.08.2022 betreffend die Vergütung für den Monat Juli 2022 wurde der Beklagten am 10.08.2022 zugestellt. Die Klageerweiterung vom 30.08.2022 betreffend die Vergütung für den Monat August 2022 wurde der Beklagten am 31.08.2022 zugestellt.

Mit Wirkung zum 01.09.2022 sprach das Gesundheitsamt der Stadt Duisburg mittels Ordnungsverfügung gegenüber der Klägerin ein bis zum 31.12.2022 befristetes Tätigkeitsverbot aus und unterrichtete die Beklagte hierüber. In der Zeit vom 01.04.2022 bis zum 31.12.2022 erhielt die Klägerin keine Leistungen der Sozialversicherung.

Ab dem 01.01.2023 - mit erstem Einsatz am 05.01.2023 - arbeitete die Klägerin bei der Beklagten wieder als Alltagshelferin. Dies war auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 19.04.2023 der Fall. Voraussichtlich im Monat März 2024 wird die Klägerin aufgrund des Bezugs von Altersrente aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden.

Die Klägerin hat behauptet, von ihrer Beschäftigung gehe wegen des nachlassenden Impfschutzes gegenüber der Beschäftigung jener Mitarbeiter, die vor mehr als eineinhalb Jahren zwei Impfungen erhalten hätten, kein erhöhtes Ansteckungsrisiko aus. Die Klägerin hat mit Nichtwissen bestritten, dass die übrigen Mitarbeiter sämtlich über einen aktuellen Impfstatus verfügten, noch, dass die Beklagte diesen erfragt oder aktualisiert hätte. Die Beklagte habe nicht von allen ihren Mitarbeitern den Nachweis einer Auffrischungsimpfung verlangt.

Die Klägerin ist der Ansicht, § 20a Abs. 3 S. 4 IfSG regele ein unmittelbares Beschäftigungsverbot nur für ab dem 16.03.2022 neu eingestellte Beschäftigte, nicht aber für jene, die - wie sie - zu diesem Zeitpunkt bereits beschäftigt gewesen seien. Es obliege der Beklagten, ihr bis zur etwaigen Erteilung eines Tätigkeitsverbots durch das Gesundheitsamt Anweisungen zu erteilen, um die Heimbewohner vor einer Ansteckung zu schützen. Dies könne z.B. durch das Tragen von FFP2-Masken oder ein regelmäßiges Testen auf eine Ansteckung mit dem SARS-CoV2-Virus erfolgen. Die Beklagte berufe sich zu Unrecht darauf, ihr sei ihre Beschäftigung unzumutbar, nachdem sie sie in der Zeit vom 16.03.2022 bis zum 29.03.2022 unverändert weiterbeschäftigt habe. Allenfalls sei die Beklagte dazu berechtigt, sie bezahlt von der Verpflichtung zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung freizustellen.

Da die Beklagte sie eindeutig und unmissverständlich freigestellt habe, sei sie nicht verpflichtet gewesen, jeden Tag persönlich ihre Arbeitsleistung anzubieten. Ohnehin hätte sie bei einem tatsächlichen Arbeitsangebot arbeitsrechtliche Maßnahmen zu befürchten gehabt, weil von ihr nach Ansicht der Beklagten eine Gefahr für die Bewohner ausgegangen sei. Und auch in der E-Mail vom 29.04.2022 habe der Personalleiter der Beklagten erklärt, dass ihr Einsatz so lange nicht in Betracht kommt, wie sie nicht einen Impfnachweis oder einen Genesenennachweis erbringe.

Da das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbestehe, sei die Beklagte nicht dazu berechtigt gewesen, sie von der Sozialversicherung abzumelden. Aus diesem Grund sei der Feststellungsantrag zu 6) geboten.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie brutto 1.200,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2022 zu bezahlen;2. die Beklagte zu verurteilen, sie zu den arbeitsvertraglichen Bedingungen als Alltagsbegleiterin auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 26.11.2009 weiter zu beschäftigen;3. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, ihren Urlaubsanspruch während der Dauer der unbezahlten Freistellung je Monat der Freistellung um ein Zwölftel zu kürzen;4. die Beklagte zu verurteilen, an sie brutto 1.200,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2022 zu bezahlen;5. die Beklagte zu verurteilen, an sie brutto 1.200,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2022 zu bezahlen;6. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.03.2022 hinaus fortbesteht;7. die Beklagte zu verurteilen, an sie brutto 1.200,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2022 zu bezahlen;8. die Beklagte zu verurteilen, an sie brutto 1.200,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2022 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Klägerin habe regelmäßig auch pflegerische Hilfstätigkeiten entsprechend der Funktionsbeschreibung wahrgenommen.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, dem Antrag zu 6) fehle das erforderliche Feststellungsinteresse, weil der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien nicht im Streit stehe.

Einen Anspruch auf Beschäftigung habe die Klägerin nicht. Vielmehr sei es ihr unzumutbar, die ungeimpfte Klägerin zu beschäftigen, weil ihr gegenläufiges Interesse am Schutz der Gesundheit der besonders vulnerablen Heimbewohner sowie ihrer Beschäftigen Vorrang habe. Die Tatsache, dass die Stadt Duisburg aufgrund einer offenbar bestehenden Überlastung durch Anfragen in ihrem Gesundheitsamt bis August 2022 keine Entscheidung über ein Beschäftigungsverbot der Klägerin habe treffen können, begründe für sie keine Beschäftigungspflicht.

Einem Anspruch auf Annahmeverzugslohn stehe entgegen, dass die Klägerin nicht leistungsfähig sei. Aufgrund der besonders hohen Gesundheitsgefahr, die von der ungeimpften Klägerin für die Heimbewohner sowie ihre Kollegen ausgehe, sei die Klägerin nicht in der Lage, ihre vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen.

Jedenfalls habe die Klägerin ihre Arbeitsleistung im Anschluss an die angezeigte Arbeitsunfähigkeit im April 2022 nicht ordnungsgemäß angeboten. Sie habe nach ihrer Genesung ihre Arbeitskraft zumindest wörtlich anbieten müssen.

Das Arbeitsgericht Duisburg hat die Klage mit Urteil vom 08.09.2022 abgewiesen. Dieses Urteil ist der Klägerin am 15.09.2022 zugestellt worden. Die Klägerin hat am 05.10.2022 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.12.2022 - am 15.12.2022 begründet.

Die Klägerin wendet sich gegen das Urteil des Arbeitsgerichts. Dieses nehme fehlerhaft eine allgemeine Impfpflicht für Beschäftigte in der Pflege an. Dann könne eine fehlende Impfung kein böswilliges Unterlassen von Zwischenverdienst sein, weil sie als Ungeimpfte gar nicht habe neu eingestellt werden dürfen.

Die Beklagte habe die Annahme ihrer Arbeitsleistung im Zeitraum vom 01.04.2022 bis zum 31.08.2022 rechtsgrundlos verweigert. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und ausweislich der offiziellen Angaben der Zulassungsbehörde EMA schütze die Covid-19-Impfung nicht vor Infektion und nicht vor der Weitergabe des Virus. Der Fremdschutz stehe nicht im Vordergrund, noch lägen wissenschaftliche Erkenntnisse dazu vor, inwieweit die Impfung Dritte vor Übertragung schützt. Auch das Paul-Ehrlich-Institut habe seine offizielle Angabe zur Schutzwirkung der Impfung geändert. Der Wirkstoff der Impfung sei nicht zum Fremdschutz zugelassen. Und das RKI habe nach seinen Angaben vom 07.02.2022 keine Erkenntnisse darüber, in welchem Maße die Impfung die Übertragung des Virus reduziere. Es könne danach trotz einer Impfung zu einer Covid-Erkrankung kommen, weil die Impfung keinen 100-prozentigen Schutz biete. Die Impfung verhindere vor allem schwere Erkrankungen und Todesfälle. Und am 13.10.2022 habe das RKI zur Omikron-Variante ausgeführt, dass es zur Übertragbarkeit des Virus keine ausreichenden Daten gebe. Dies belege, dass ihre Beschäftigung für die Beklagte zumutbar gewesen sei. Mit dem Aufkommen der Omikron-Variante sei der Fremdschutz der Impfung mittlerweile zu vernachlässigen. Dies alles habe das Bundesverfassungsgericht so im Mai 2022 nicht berücksichtigen können.

Die Zumutbarkeit ihrer Beschäftigung zeige sich auch daran, dass sie zunächst vom 16.03.2022 bis zum 29.03.2022 unstreitig weiter beschäftigt wurde und jetzt ab dem 01.01.2023 unstreitig wieder beschäftigt wird. Wäre es wirklich um die Sorge der Heimbewohner gegangen, hätte die Beklagte für deren Impfung gesorgt. Die angeblich von ihr ausgehende Gefährdung hätte sich im Übrigen zwischen dem 01.04.2022 und dem 01.09.2022 nicht verstärkt, sondern reduziert. Die bislang ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts habe das Pandemiegeschehen nicht ausreichend berücksichtigt. Bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitsgerichts sei bekannt gewesen, dass die Omikronvariante für die Gesundheitsinteressen der Heimbewohner weniger einschneidend sei. Das Arbeitsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass es mehr als wahrscheinlich war, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht über den 31.12.2022 hinaus nicht verlängert werden würde. Wenn es die vom Arbeitsgericht angenommene Gefährdung gegeben hätte, hätten landesweit deutlich mehr Gesundheitsämter Tätigkeits- oder Betretungsverbote angeordnet. Jedenfalls habe die Beklagte vor dem 01.09.2022 das Tätigkeitsverbot nicht eigenmächtig verhängen dürfen. Tue sie dies trotzdem, liege das Lohnausfallrisiko bei der Beklagten. Der Gesetzgeber habe bewusst zwischen neu eingestellten und sog. Bestandsmitarbeitern unterschieden. Es sei den Gesundheitsämtern gerade ein Ermessensspielraum eingeräumt worden.

Es komme entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht darauf an, ob sie engen körperlichen Kontakt mit den Heimbewohnern hatte. Aus Fürsorgegesichtspunkten hätte die Beklagte einen anderweitigen Einsatz prüfen müssen. So sei das Tragen einer FFP2-Maske jedenfalls unter Berücksichtigung der fortschreitenden wissenschaftlichen Entwicklungen zur Omikron-Variante ein milderes Mittel gewesen. Sie sei auch zum Tragen einer FFP2-Maske und alternativ zur täglichen Testung bereit gewesen.

Das Arbeitsgericht habe die wirtschaftlichen Auswirkungen für sie in Folge der fehlenden Krankenversicherung und des Fehlens von Sozialleistungen aufgrund der Nichtbeschäftigung nicht ausreichend gewürdigt. Im Übrigen stelle sich die Frage, warum das Gesundheitsamt nicht bereits vor dem 01.09.2022 das Tätigkeitsverbot aussprach, wenn ihre Beschäftigung so gefährlich gewesen wäre. Die vorläufige Beschäftigung der langjährig Beschäftigten sei gesetzgeberischer Wille.

Im Übrigen seien nach sechs Monaten aufgrund des nachlassenden Impfschutzes die Geimpften den Ungeimpften gleichzusetzen. Es fehle jeder Vortrag der Beklagten, welche ihrer Beschäftigten im April 2022 mehr als zwei Impfungen erhalten haben. Und ab dem 01.10.2022 hätte die Beklagte die Auffrischungsimpfungen der bei ihre Beschäftigten überprüfen müssen. Dass dies erfolgt ist, werde mit Nichtwissen bestritten. Unterlasse die Beklagte dies, hätte sie diese Beschäftigten ab dem 01.10.2022 aus Gründen der Gleichbehandlung ebenfalls freistellen müssen.

Bei Würdigung all dieser Umstände habe sie auch nicht böswillig einen Zwischenverdienst unterlassen.

Sie habe ihre Arbeitskraft auch dadurch angeboten, dass sie nach Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit im April 2022 eine Beschäftigungsklage erhob. Es müsse außerdem berücksichtigt werden, dass die Beklagte ihr als Ungeimpfte die Tätigkeit sogar schriftlich ausdrücklich verboten hatte.

In der Zeit vom 01.04.2022 bis zum 31.08.2022 sei ihre Klage auf Beschäftigung begründet gewesen. Den Ausspruch zur Reduzierung des Urlaubs habe das Arbeitsgericht nicht treffen dürfen. Der Bestand ihres Arbeitsverhältnisses sei auch dann gefährdet, wenn sie von der Sozialversicherung abgemeldet werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 08.09.2022 - 1 Ca 809/22 - abzuändern und den Anträgen erster Instanz zu entsprechen, wobei sie klarstellt, dass der Antrag betreffend den Urlaub den Freistellungszeitraum vom 01.04.2022 bis 31.08.2022 meint.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie rügt, dass ein Beschäftigungsantrag mit der Berufung schon nicht in der erforderlichen Weise geltend gemacht sei. Im Übrigen sei dieser aufgrund der tatsächlichen Beschäftigung der Klägerin nicht mehr streitig.

Sollte das Berufungsgericht von einem Antrag auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses ausgehen, wäre dieser unzulässig. Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses sei nicht streitig.

Anspruch auf Annahmeverzugslohn stehe der Klägerin nicht zu. Dieser scheitere bereits daran, dass diese die Arbeitsleistung ihr gegenüber weder tatsächlich noch wörtlich angeboten habe. Angebote gegenüber der B. T. GmbH seien unerheblich. Mangels Kündigung könne nicht auf die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zurückgegriffen werden. Letztlich komme es darauf nicht an. Sie berufe sich auf die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen. Ihr sei es unzumutbar gewesen, die Klägerin als Ungeimpfte in ihrem Seniorenwohnheim u.a. mit pflegerischen Tätigkeiten zu beschäftigen.

Auf die Ausführungen zu einer fehlenden allgemeinen Impfpflicht komme es nicht an, weil es hier um die einrichtungsbezogene Impfpflicht gehe. Auch wenn Hoffnungen auf ein Kippen der einrichtungsbezogenen Impflicht geschürt worden seien, habe die Klägerin sich bewusst entschieden sich nicht impfen zu lassen und sei das persönliche Risiko eingegangen, nicht mehr in der Pflege beschäftigt werden zu können. Der Klägerin sei es zumutbar gewesen, sich branchenfremd zu orientieren. Eine Hilfstätigkeit, welche sie bei ihr durchführte, hätte sie branchenfremd ebenfalls durchführen können. Dies sei ihr zumutbar gewesen.

Maßgeblich sei, dass die Klägerin die tätigkeitsbezogenen Anforderungen des § 20a Abs. 1 IfSG nicht erfüllte. Die Meldefrist an das Gesundheitsamt habe sich bis zum 31.03.2022 verschoben, weshalb sie auch erst ab diesem Zeitpunkt tätig geworden sei. Der Umstand, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht ab dem 31.12.2022 ende, führe nicht zur Zumutbarkeit der Beschäftigung der Klägerin. Sie halte sich an die gesetzlichen Vorgaben. Auch der Umstand, dass das Gesundheitsamt erst ab dem 01.09.2022 ein Beschäftigungsverbot aussprach, ändere nichts. Der Sachverhalt sei zuvor kein anderer gewesen. Es sei für ein ungeschultes Auge erkennbar gewesen, dass die Klägerin die Tätigkeitsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt und deshalb das Tätigkeitsverbot ergehen werde.

Die Omikron-Variante ändere an dem Ergebnis nichts. Schließlich habe diese das Gesundheitsamt als zuständige Fachbehörde weder davon abgehalten, das Tätigkeitsverbot für die Klägerin auszusprechen noch dazu geführt, dass es später aufgehoben wurde. Dies habe das Arbeitsgericht zutreffend berücksichtigt. Die FFP2-Maske filtere lediglich 94% der Aerosole und sei vom Gesetzgeber auch nicht als Alternative zugelassen worden.

Die Verzögerung des Ausspruchs des Tätigkeitsverbots gegenüber der Klägerin sowie das Unterlassen in einer Vielzahl von anderen Fällen, sei auf die Überlastung der Gesundheitsämter zurückzuführen.

Sie habe im Übrigen geprüft, ob sie die Klägerin heimbewohnerfremd habe einsetzen können, was nicht der Fall gewesen sei. Da die Klägerin das Risiko ihrer Nichtbeschäftigung durch die fehlende Impfung bewusst eingegangen sei, seien ihrer privaten Verhältnisse ebenso wie die Wahl der Krankenkasse durch ihren Ehemann irrelevant.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe für alle anderen Beschäftigten die erforderlichen Impfnachweise bzw. die erforderlichen ärztlichen Zeugnisse angefordert. Sie habe dies entsprechend der niedergelegten gültigen Impfschutzfristen getan. Dazu habe sie entsprechende Impflisten geführt. Im April 2022 seien von den ca. 600 Beschäftigten im Übrigen nur drei Beschäftigte nicht geimpft gewesen. Es habe im Übrigen alleine im Jahr 2022 zwölf durch Corona bedingte Todesfälle unter ihren Heimbewohnern gegeben. Sie habe deshalb zeitnah nach In-Kraft-Treten des § 20a Abs. 1 IfSG handeln müssen und nicht eine - vorgezeichnete - Entscheidung des Gesundheitsamtes abwarten müssen. Betreffend den Umfang der erforderlichen Impfungen habe sich ohnehin der Sachstand zum 01.10.2022 geändert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in beiden Instanzen sowie auf die Sitzungsprotokolle und die Hinweise aus dem Beschluss vom 16.12.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist mit dem Beschäftigungsantrag, dem Antrag zu 2) und dem Antrag auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses der Parteien über den 31.03.2022 hinaus, dem Antrag zu 6), unzulässig. Im Übrigen ist die zulässige Berufung der Klägerin unbegründet. Ihr stehen die von ihr geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht zu. Der zulässige Feststellungsantrag betreffend den Urlaub ist unbegründet.

I. Die Berufung ist mit dem Beschäftigungsantrag, dem Antrag zu 2) und dem Antrag auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses der Parteien über den 31.03.2022 hinaus, dem Antrag zu 6), unzulässig.

1. Die Berufung ist mit dem Beschäftigungsantrag, dem Antrag zu 2), unzulässig. Es fehlt diesbezüglich bereits an einem hinreichend bestimmten Berufungsantrag.

a) Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung beinhalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge). Der Zweck des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO gebietet nicht zwingend einen förmlichen Sachantrag. Durch die Vorschrift soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild setzen. Daher reicht es aus, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll (BGH 01.04.2015 - XII ZB 503/14, juris Rn. 11; BGH 20.08.2019 - VIII ZB 29/19, juris Rn. 14; BeckOKZPO/Wulf, 48. Edition Stand 01.03.2023, § 520 Rn. 15).

b) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung für den Beschäftigungsantrag nicht. Diese enthält, ebenso wie die Berufungsschrift selbst, keinen ausdrücklichen Berufungsantrag. Die Berufungsbegründung lässt für diesen Klageantrag zu 2) nicht den Schluss zu, dass das erstinstanzliche Begehren weiterverfolgt werden soll (vgl. dazu BGH 20.08.2019 - VIII ZB 29/19, juris Rn. 14). Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Beschäftigung als Alltagsbegleiterin zukunftsbezogen verstanden und diesen am 08.09.2022 abgewiesen, weil es der Beklagten nach dem behördlichen Tätigkeitsverbot vom 01.09.2022 gegenwärtig untersagt sei, die Klägerin zu beschäftigen. Daran ändere mangels aufschiebender Wirkung auch ein Rechtsbehelf der Klägerin nichts. Richtig ist zwar, dass die Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung dazu Ausführungen macht, dass und warum sie ohne das Tätigkeitsverbot des Gesundheitsamtes als Ungeimpfte keinem Tätigkeitsverbot unterliege und zudem die Beklagte, aber auch das Gesundheitsamt, die Omikron-Variante habe berücksichtigen müssen. Sie führt auf Seite 12 der Berufungsbegründung zu dem Klagebegehren aus dem Antrag zu 2) ohne Einschränkung aus, dass das Arbeitsgericht den Antrag auf Beschäftigung als Alltagbegleiterin zu Unrecht abgewiesen habe, um dann damit zu schließen, dass ihr Antrag im Zeitraum vom 01.04.2022 bis zum 31.08.2022 begründet gewesen wäre. Es wird damit innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht klar, in welchem Umfang, d.h. für welche Zeit, der Beschäftigungsantrag jetzt weiterverfolgt werden soll. Soll dies insgesamt, d.h. zeitlich weiterhin unbegrenzt in die Zukunft oder nur für die Zeit bis 31.08.2022 gelten. Ggfs. käme im Hinblick auf die vergangenheitsbezogenen Ausführungen auch ein Verständnis als Erledigungserklärung in Betracht. Dagegen wiederum sprechen die Ausführungen in der Berufungsbegründung, dass das Arbeitsgericht den Berufungsantrag zu Unrecht abgewiesen habe, denn dieses hat den Antrag ja alleine zukunftsbezogen verstanden. Insgesamt bleibt der Umfang des Berufungsantrags betreffend die Beschäftigung unklar. Darauf hat das Gericht mit Beschluss vom 16.12.2022 und nochmals im Termin am 19.04.2023 hingewiesen. Weiterer Sachvortrag ist nicht mehr erfolgt. Die Klägerin hat vielmehr im Termin am 19.04.2023 an dem erstinstanzlichen Antrag festgehalten.

2. Die Berufung ist mit dem Antrag auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses der Parteien über den 31.03.2022 hinaus, dem Antrag zu 6), unzulässig.

a) Insoweit ist auch ohne ausdrücklichen Berufungsantrag hinreichend klar, dass die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Dies ergibt sich aus dem letzten Absatz der Berufungsbegründung auf deren Seite 12. Dass das Berufungsbegehren betreffend den Beschäftigungsantrag unbestimmt ist, ist insoweit unerheblich. Der Bestimmtheit des Berufungsbegehrens steht es nicht entgegen, wenn sich trotz fehlender ausdrücklicher angekündigte Anträge aus der Berufungsbegründung ergibt, dass das Begehren mit dem Rechtsmittel teilweise weiterverfolgt wird, wenn dieser Teil hinreichend bestimmt deutlich wird (BGH 01.04.2015 - XII ZB 503/14, juris Rn. 18). Dies ist hier betreffend den Antrag zu 6) der Fall. Es mangelt indes an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung.

b) Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG 15.12.2022 - 2 AZR 117/22, juris 5). Werden mehrere selbständige prozessuale Ansprüche zu- oder aberkannt, so muss das Rechtsmittel grundsätzlich hinsichtlich jedes Anspruchs, über den zu Lasten des Rechtsmittelführers entschieden worden ist, begründet werden. Eine eigenständige Begründung der Berufung ist jedoch entbehrlich, wenn mit der Begründung der Berufung über den einen Streitgegenstand zugleich dargelegt ist, dass die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 24.10.2019 - 8 AZR 528/18, juris Rn. 18).

c) Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung betreffend den Antrag zu 6), mit welchem die Klägerin den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31.03.2022 hinaus festgestellt wissen will, nicht gerecht. Das Arbeitsgericht hat diesen Feststellungsantrag mit einer eigenständigen und nicht von den übrigen Streitgegenständen abhängigen Begründung abgewiesen. Es fehle an dem erforderlichen Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin habe kein rechtliches Interesse an der Feststellung, weil der Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht gefährdet sei. Die Beklagte bestreite das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis nicht und habe hierauf sogar schriftsätzlich ausdrücklich hingewiesen. Die Abmeldung von der Sozialversicherung beruhe allein auf der unbezahlten Freistellung und der Monatsregel in § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV. Mit dieser Begründung des Arbeitsgerichts setzt sich die Berufungsbegründung im letzten Absatz auf deren Seite 12 nicht ausreichend auseinander. Sie wiederholt letztlich nur ihre Einschätzung, dass auch dann das Feststellungsinteresse bestehe, wenn eine Arbeitnehmerin nicht mehr krankenversichert ist bzw. in allen Sozialversicherungszweigen abgemeldet ist. Eine genügende Auseinandersetzung mit der Begründung des Arbeitsverhältnisses, nämlich dazu, dass die Beklagte den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht bestreitet und die Abmeldung von der Sozialversicherung auf § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB V beruht, ist dies nicht. Hierauf hat das Gericht mit Beschluss vom 16.12.2022 und nochmals in der mündlichen Verhandlung am 19.04.2023 hingewiesen. Weiterer Sachvortrag ist seitens der Klägerin nicht erfolgt.

II. Die im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Der Klägerin stehen die von ihr geltend gemachten Zahlungsansprüche für den Zeitraum vom 01.04.2022 bis zum 31.08.2022 nicht zu. Der zulässige Feststellungsantrag betreffend den Urlaub ist unbegründet.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist diesbezüglich zulässig. Aus der Berufungsbegründung wird auch ohne ausdrücklich angekündigte Berufungsanträge klar, dass die Klägerin die Zahlungsanträge sowie den Feststellungsantrag betreffend den Urlaub jeweils in vollem Umfang weiterverfolgt. Die Berufungsbegründung genügt insoweit den gesetzlichen Anforderungen. Die Klägerin legt im Einzelnen dar, warum sie aus ihrer Sicht auch als Ungeimpfte jedenfalls bis zum Tätigkeitsverbot durch das Gesundheitsamt am 01.09.2022 hätte vergütet werden müssen. Mit dieser Begründung bringt sie auch diejenige des Arbeitsgerichts betreffend die Abweisung des Feststellungantrags zum Urlaub zu Fall, weil diese letztlich davon abhängt, ob die Beklagte berechtigt war, die Klägerin im hier streitigen Zeitraum vom 01.04.2022 bis zum 31.08.2022 freizustellen.

2. Die zulässigen Zahlungsanträge zu 1), 4), 5), 7) und 8) für die Monate April 2022 bis August 2022 sind unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten für diese Monate keine Zahlung von jeweils 1.200,00 Euro brutto, d.h. von insgesamt 6.000,00 Euro brutto nebst Zinsen verlangen. Ein solcher Anspruch folgt für die Zeit vom 01.04.2022 bis zum 06.04.2022 nicht aus § 3 Abs. 1 EFZG und für die Zeit vom 07.04.2022 bis zum 31.08.2022 nicht aus § 615 Satz 1 BGB i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB. Dem steht für den gesamten Zeitraum entgegen, dass der Beklagten die Annahme der Arbeitsleistung der Klägerin unzumutbar war und sie die Klägerin zu Recht freigestellt hat.

a) Für die Zeit vom 07.04.2022 bis zum 31.08.2022 steht der Klägerin kein Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs gemäß § 615 Satz 1 BGB i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB zu.

aa) Dem steht allerdings nicht entgegen, dass die Klägerin - jedenfalls zunächst - der Beklagten selbst ihre Arbeitsleistung - sei es tatsächlich oder wörtlich - nicht angeboten hat. Eines solchen Angebots bedurfte es nicht.

(1) In einer einseitigen Freistellungserklärung ist regelmäßig die Erklärung zu sehen, die Annahme der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung werde abgelehnt. Durch diese Erklärung gerät der Arbeitgeber gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug, denn die einseitige Freistellung von der Arbeit ist, soweit keine besonderen Umstände vorliegen, grundsätzlich nicht anders zu beurteilen, als wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeit nach Hause schickt, weil er ihn nicht mehr beschäftigen kann. Dann bedarf es regelmäßig keines Arbeitsangebots des Arbeitnehmers, weil der Arbeitgeber mit der Freistellung erkennen lässt, unter keinen Umständen zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bereit zu sein. Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers wird in einem solchen Fall durch § 615 Satz 1 BGB mit der Möglichkeit der Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB aufrechterhalten (BAG 23.02.2021 - 5 AZR 314/20, Rn. 12). Die Beklagte - und nicht die B. T. GmbH - hat die Klägerin hier bereits am 29.03.2022 wegen des fehlenden Impfstatus unwiderruflich und ohne Vergütung mündlich freigestellt. Bereits dies begründete den Annahmeverzug. Dies hat die Beklagte - erneut nicht die B. T. GmbH - am 31.03.2022 gegenüber der Klägerin noch einmal schriftlich und unmissverständlich wiederholt.

(2) Umstand, dass die Klägerin in der Zeit vom 30.03.2022 bis zum 06.04.2022 arbeitsunfähig erkrankt war, ändert daran für die Zeit ab dem 07.04.2023 nichts. Die Klägerin musste in diesem konkreten Fall gegenüber der Beklagten weder ihre wiedergewonnene Arbeitsfähigkeit anzeigen (vgl. dazu BAG 24.11.1994 - 2 AZR 179/94, juris) noch bedurfte es eines "Bereitschaftssignals" gegenüber der Beklagten. Denn selbst wenn man dies verlangen wollte, wäre es hier eine reine Förmelei. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eindeutig erklärt, dass er ihn auch nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht weiterbeschäftigen werde, er vielmehr auf seine Dienste verzichte, hat er damit zugleich zu erkennen gegeben, dass ihn die Mitteilung des Beginns der Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers und damit auch der des Beginns des Annahmeverzugs nicht interessieren. In einem solchen Fall eine nochmalige Aufforderung zu verlangen, einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zuzuweisen, wäre durch den Gesetzeszweck nicht mehr gedeckt, sondern nur noch Förmelei (BAG 09.08.1984 - 2 AZR 374/83, juris Rn. 42). Genauso liegt es hier. Die Freistellung seitens der Beklagten knüpfte sowohl am 29.03.2022 als auch am 31.03.2022 an den fehlenden Impfstatus der Klägerin an und sollte solange fortgelten, bis die Klägerin ihren aus Sicht der Beklagten erforderlichen gesetzlichen Verpflichtungen nach § 20a IfSG (in der hier maßgeblichen Fassung vom 19.03.2022 bis zum 16.09.2022, die im Folgenden jeweils ohne weitere Angabe als § 20a IfSG benannt wird) nachgekommen war. Eine zwischenzeitliche Arbeitsunfähigkeit der Klägerin änderte daran für die Beklagte ersichtlich nichts.

bb) Der Beklagten war die Annahme der Arbeitsleistung der Klägerin ab dem 01.04.2022 bis zum 31.08.2022 und damit auch ab dem 07.04.2022 gemäß § 242 BGB i.V.m. § 20a Abs. 1 IfSG unzumutbar. Daran ändert der Umstand, dass das Gesundheitsamt gegenüber der Klägerin erst ab dem 01.09.2022 ein Tätigkeitsverbot aussprach, nichts. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die tatsächlichen Tätigkeitsvoraussetzungen gemäß § 20a Abs. 1 IfSG objektiv nicht vorliegen und keine Abwägungsgesichtspunkte ersichtlich sind, die im Rahmen der Ermessensausübung gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG ausgehend vom Zeck dieser Bestimmung zu Gunsten der Klägerin streiten, ist der Beklagten die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin aus den übergeordneten Gründen des Schutzes der vulnerablen Personen in der Einrichtung der Beklagten unzumutbar. Folgerichtig entfällt ein etwaiger Vergütungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs ab dem 07.04.2022.

(1) Richtig ist, dass es umstritten ist, ob sich aus § 20a Abs. 1 IfSG für den dort genannten Personenkreis ein gesetzliches Tätigkeitsverbot oder eine gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung ergibt. Dies wird mit der Folge der berechtigten Freistellung ohne Vergütung teils bejaht und teils verneint (vgl. die Nachweise aus Literatur und Rspr. bei ArbG Stuttgart 12.10.2022 - 15 Ca 2557/22, juris Rn. 63 und zuletzt verneinend LAG Hamm 12.01.2023 - 18 Sa 886/22, juris Rn. 37 ff.; LAG Baden-Württemberg 03.02.2022 - 7 Sa 67/22, juris).

(2) Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist zunächst davon auszugehen, dass eine Rechtsnorm, die das rechtliche Unvermögen zur Berufstätigkeit begründet, diese Rechtsfolge klar und deutlich zum Ausdruck bringen muss. Die Voraussetzung für die Berufsausübung muss aus rechtsstaatlichen Gründen eindeutig geregelt sein. Unabhängig davon, ob ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl oder der Berufsausübung vorliegt, bedarf es einer vorhersehbaren und berechenbaren Grundlage hinsichtlich Voraussetzungen und Folgen. Nach dem Gebot der Rechtssicherheit ist im Zweifel kein die Berufstätigkeit als solche untersagendes Beschäftigungsverbot anzunehmen. Vielmehr muss der Betroffene eine derart einschneidend wirkende Rechtslage erkennen und sein Verhalten danach einrichten können (BAG 18.03.2009 - 5 AZR 192/08, juris Rn. 15; BAG 01.06.2022 - 5 AZR 407/21, juris Rn. 25). Aufbauend auf dieser Rechtsprechung wird in Auslegung von Sinn und Zweck und der Gesetzessystematik von § 20a IfSG angenommen, dass diese Vorschrift ausweislich § 20a Abs. 3 Satz 4 IfSG lediglich für ab dem 16.03.2022 neu eingestellte Beschäftigte in Einrichtungen gemäß § 20a Abs. 1 IfSG ein Beschäftigungsverbot besteht. Für sog. Bestandsmitarbeiter, die bereits vor dem 16.03.2022 in den benannten Einrichtungen beschäftigt waren, bleibe es dem Gesundheitsamt gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG vorbehalten, ein Betretungs- oder Beschäftigungsverbot zu verhängen. Der einzelne Arbeitgeber sei hierzu nicht befugt (z.B. LAG Hamm 12.01.2023 - 18 Sa 886/22, juris Rn. 37 ff; LAG Baden-Württemberg 03.02.2022 - 7 Sa 67/22, juris).

(3) Damit ist indes noch nicht die Frage beantwortet, ob es dem einzelnen Arbeitgeber ggfs. unzumutbar ist, eine Person zu beschäftigen, welche die Voraussetzungen des § 20a Abs. 1 IfSG nicht erfüllt. Dies ist hier im konkreten Fall zu bejahen.

(3.1.) Der Annahmeverzug des Arbeitgebers setzt voraus, dass er die Annahme der Dienste des Arbeitnehmers ohne einen vom Recht anerkannten Grund verweigert hat. Er ist berechtigt, die Arbeitsleistung abzulehnen, wenn ihm die Weiterbeschäftigung unter Berücksichtigung der dem Arbeitnehmer zuzurechnenden Umstände nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn bei Annahme der Leistung Rechtsgüter des Arbeitgebers, seiner Familienangehörigen oder anderer Arbeitnehmer gefährdet werden, deren Schutz Vorrang vor den Interessen des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Verdienstes hat (BAG 29.10.1987 - 2 AZR 144/87, juris Rn. 17; s.a. BAG 16.04.2014 - 5 AZR 739/11, juris Rn. 17).

(3.2.) Dies ist hier der Fall. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts Stuttgart (Urteil vom 12.10.2022 - 15 Ca 2557/22, juris Rn. 94) werden damit nicht über den "Notanker" des § 242 BGB pandemiebedingt einschlägige gesetzliche Regelungen "über Bord geworfen". Die Zumutbarkeit der Annahme der Arbeitsleistung ist wie ausgeführt eine dem Annahmeverzug immanente Tatbestandsvoraussetzung. Diese ist hier bei Abwägung aller Umstände nicht erfüllt.

(3.3.) Zunächst hängt die Frage der Unzumutbarkeit nicht in der Luft, sondern hat selbst eine eindeutige gesetzliche Grundlage. § 20a Abs. 1 IfSG normiert zur Überzeugung der Kammer eindeutig und klar eine Tätigkeitsvoraussetzung für den dort genannten Personenkreis. Die dort genannten Personen "müssen" ab dem 15.03.2022 über einen entsprechenden Impf- oder Genesenennachweis verfügen. Diese Tätigkeitsvoraussetzung lässt sich nur mit dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift erklären. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass das Risiko einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus, das von Geimpften oder Genesenen ausgeht, deutlich geringer ist als bei Personen, die über keine Immunisierung aufgrund eines vollständigen Impfschutzes oder einer durchgemachten Infektion verfügen. Zugleich halte sich in bestimmten Settings, z. B. in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen, eine Vielzahl von besonders vulnerablen Personen auf. Diese seien regelmäßig aufgrund ihrer gesundheitlichen Verfassung im Hinblick auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besonders gefährdet und trügen unter Umständen ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe. Daher werde - so der Gesetzgeber - für solche Einrichtungen und Unternehmen, in denen sich typischerweise eine Vielzahl von besonders vulnerablen Personen aufhalten oder die von diesen Einrichtungen und Unternehmen versorgt werden, vorgeschrieben, dass dort tätige Personen geimpft oder genesen sein müssen oder ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer Kontraindikation gegen eine Impfung gegen COVID-19 besitzen (BT-Drs. 20/188 S. 37; s. dazu als Teilzweck des Gesetzes ebenso LAG Hamm 12.01.2023 - 18 Sa 886/22, juris Rn. 51; ArbG Stuttgart 12.10.2022 - 15 Ca 2557/22, juris Rn. 65). Dies ist der grundlegende Zweck der gesetzlich angeordneten Tätigkeitsvoraussetzung. Diese Voraussetzung ist nicht auf neu eingestellte Beschäftigte beschränkt. Sie gilt aus § 20a Abs. 1 IfSG für sämtliche Beschäftigte in den dort genannten Einrichtungen, d.h. für die sog. Bestandsmitarbeiter als auch für ab dem 16.03.2022 neu eingestellte Beschäftigte. Sie ist ebenso Grundlage für das kraft Gesetz unmittelbar eintretende Beschäftigungsverbot für neu eingestellte Beschäftigte ab dem 16.03.2022 aus § 20a Abs. 3 Satz 4 IfSG wie für die Ermessensentscheidung des Gesundheitsamtes für ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG. Unterschiede ergeben sich mithin nicht bei der Tätigkeitsvoraussetzung an sich, sondern allenfalls auf der Rechtsfolgenseite.

(3.4.) Wenn aber - wie vorliegend - für die Klägerin als Bestandsmitarbeiterin offenkundig die gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung des § 20a Abs. 1 IfSG fehlt und auch keine Aspekte ersichtlich sind, die im Rahmen einer Ermessensentscheidung des Gesundheitsamtes zu ihren Gunsten streiten, ist der Beklagten zur Überzeugung der erkennenden Kammer die Annahme der Arbeitsleistung durch die Klägerin bereits vor einer Entscheidung durch das Gesundheitsamt, hier ab dem 01.04.2022, unzumutbar.

(3.4.1.) Im Hinblick auf die differenziert geregelten gesetzlichen Rechtsfolgen ist zum einen zu beachten, dass diese auch aus Gründen gewählt wurden, welche mit der persönlichen Situation des betroffenen Beschäftigten nichts zu tun haben. Das Rechtsfolgensystem dient dem Zweck, die Funktionsfähigkeit der Betreuungseinrichtungen zu gewährleisten (BT-Drs. 20/188 S. 3, 4 f.; LAG Hamm 12.01.2023 - 18 Sa 886/22, juris Rn. 52). Die Ermessensentscheidung des Gesundheitsamtes für sog. Bestandsmitarbeiter darf auch an dem Zweck des öffentlichen Gesundheitsschutzes ausgerichtet werden. Das Gesundheitsamt kann bei der zu treffenden Entscheidung nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG in seine Ermessenserwägungen einstellen, dass die Funktionsfähigkeit der Einrichtung nicht durch den Ausspruch von Betretungs- oder Tätigkeitsverboten gegenüber ungeimpften Arbeitnehmern gefährdet werden soll, sofern nicht ausnahmsweise eine anderweitige Betreuung der untergebrachten Personen sichergestellt ist (LAG Hamm 12.01.2023 - 18 Sa 886/22, juris Rn. 52).

(3.4.2) Andererseits sind auch die Interessen der betroffenen Beschäftigten in die ermessensgeleitete Einzelfallentscheidung des Gesundheitsamtes (vgl. so BVerfG 27.04.2022 - 1 BvR 2649/21, juris Rn. 215) über ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot mit einzustellen. Zunächst ist vor einer Ermessensentscheidung im Einzelfall zu prüfen, ob ein persönlicher Ausnahmetatbestand gegeben ist, wie z.B. eine durch ärztliches Zeugnis belegte medizinische Kontraindikation zu einer Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (§ 20a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 IfSG). Ist dies nicht der Fall, ist eine Abwägung vorzunehmen und u.a. z.B. als milderes Mittel gegenüber dem Beschäftigten nur ein Betretungsverbot auszusprechen und kein Tätigkeitsverbot, wenn z.B. HomeOffice möglich ist (BVerfG 27.04.2022 - 1 BvR 2649/21, juris Rn. 215).

(3.4.3.) Legt man dies zu Grunde, dann stand bereits am 01.04.2022 fest, dass die Klägerin objektiv die Tätigkeitsvoraussetzungen des § 20a Abs. 1 IfSG nicht erfüllte. Sie ist als Alltagshelferin eine Mitarbeiterin in einem Seniorenzentrum, d.h. einer Einrichtung gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG. Sie verfügte weder über einen in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG vorausgesetzten Impf- oder Genesenennachweis noch war einer der Ausnahmetatbestände in § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG (z.B. ärztlicher Nachweis einer medizinischen Kontraindikation) gegeben. Ermessensgesichtspunkte, die ausgehend von dem obigen Zweck zu Gunsten der Klägerin streiten, sind nicht ersichtlich. Es bestanden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die tatsächliche Nichtbeschäftigung der Klägerin zu einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Einrichtung der Beklagten geführt hätte. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass überhaupt nur drei ihrer 600 Beschäftigten nicht geimpft gewesen wären. Es ist auch gerade die Beklagte als Arbeitgeberin, die am besten beurteilen kann, ob ein Beschäftigter für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit abkömmlich ist oder nicht (vgl. OVG Münster 23.12.2022 - 13 B 1256/22, juris Rn. 94). Es bestehen aber auch im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass durch die tatsächliche Nichtbeschäftigung der Klägerin ein Versorgungsengpass eingetreten ist (vgl. weiter OVG Münster 23.12.2022 - 13 B 1256/22, juris Rn. 128 zu diesem Aspekt). Auch sonstige Aspekte streiten ausgehend von dem Zweck der Tätigkeitsvoraussetzung und dem oben dargestellten Rechtsfolgensystem nicht für die Klägerin. Insbesondere kam keine Beschäftigung im HomeOffice in Betracht. Die Tätigkeit als Alltagsbegleiterin mit den jeweils unstreitig zu übernehmenden betreuerischen und haushaltswirtschaftlichen Aufgaben war auf den Kontakt mit den Bewohnern des Seniorenzentrums angelegt. Darauf, ob die Klägerin auch pflegerische Aufgaben wahrnahm, kam es - wie bereits vom Arbeitsgericht ausgeführt - nicht an. Die haushaltwirtschaftlichen und betreuerischen Tätigkeiten konnten nicht aus dem HomeOffice erledigt werden. Soweit die Klägerin im Berufungsrechtszug ausgeführt hat, dass die Beklagte keine anderweitige Tätigkeit geprüft habe, ändert dies nichts. Die Klägerin hat - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - schon nicht aufgezeigt, wie konkret sie sich denn eine solche Tätigkeit überhaupt vorstellte. Tägliche PCR-Tests oder das Tragen einer FFP2-Maske genügten insoweit entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, weil dies nach dem gesetzlichen Regelungskonzept der objektiven Tätigkeitsvoraussetzung in § 20a Abs. 1 IfSG nicht vorgesehen war. Und unabhängig davon wird all dies auch durch die spätere Entscheidung des Gesundheitsamtes bestätigt. Dieses hat gegenüber der Klägerin kein Betretungsverbot, sondern ein Tätigkeitsverbot erlassen. In einer solchen Situation wie dieser war es der Beklagten aufgrund der ohne weiteres zu antizipierenden und vorgezeichneten Entscheidung des Gesundheitsamtes bereits ab dem 01.04.2022 unzumutbar, die Arbeitsleistung der Klägerin anzunehmen. Es fehlten für die Prüfung der Zumutbarkeit der Annahme der Arbeitsleistung auch nicht etwa Ermessensleitlinien (so LAG Hamm 12.01.2023 - 18 Sa 886/22, juris Rn. 33). Die zu beachtenden Gesichtspunkte ergeben sich aus den oben dargestellten Gesetzeszwecken und sind auch für das Gesundheitsamt nicht anders vorgezeichnet.

(3.4.4.) Entgegen der Ansicht der Klägerin beruht die hier angenommene Unzumutbarkeit der Annahme der Arbeitsleistung durch die Beklagte auf einer verfassungsmäßigen Tätigkeitsvoraussetzung in § 20a Abs. 1 IfSG. Die erkennende Kammer hat dabei insbesondere auch die von der Klägerin aufgezeigten Aspekte in Bezug auf die Omikron-Variante berücksichtigt. Diese ändern an dem Ergebnis nichts. Die Kammer folgt dabei im Wesentlichen den Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen aus dem Beschluss vom 23.12.2022 (13 B 1256/22, juris). Im Einzelnen gilt insbesondere Folgendes:

(3.4.4.1.) "Das Bundesverfassungsgericht führt in seinem Beschluss vom 27.04.2022 - 1 BvR 2649/21 - bezogen auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung aus, die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose, die verfügbaren Impfstoffe würden auch gegenüber der Omikron-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2 eine noch relevante Schutzwirkung entfalten, sei durch die weitere Entwicklung des Pandemiegeschehens nach Verabschiedung des Gesetzes ausweislich der Stellungnahmen der im dortigen Verfahren als sachkundige Dritte angehörten Fachgesellschaften nicht durchgreifend erschüttert worden. Dies gelte insbesondere auch für die gesetzgeberische Prognose, die verfügbaren Impfstoffe könnten vor einer Infektion schützen und - sollten sich Betroffene gleichwohl infizieren - zu einer Reduzierung des Transmissionsrisikos beitragen. Die zugrundeliegenden Stellungnahmen der als sachkundige Dritte angehörten Fachgesellschaften bezifferten eine Impfstoffwirksamkeit gegenüber "der Omikron-Variante" des Coronavirus SARS-CoV-2 - vorbehaltlich wissenschaftlicher Bewertungsunsicherheiten - bei dreifach Geimpften auf 40 bzw. 50 bis 70 %; bei einer Grundimmunisierung sei die Schutzrate (teils mit 42,8 % beziffert) zwar reduziert, aber nicht bzw. erst nach Ablauf von 15 Wochen nach der Grundimmunisierung aufgehoben. Zudem bestehe eine im Allgemeinen niedrigere Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch eine geimpfte Person nach Infektion mit der Omikron-Variante. Vor diesem Hintergrund sei weiterhin davon auszugehen, dass eine Impfung jedenfalls einen relevanten - wenn auch mit der Zeit abnehmenden - Schutz vor einer Infektion auch mit der aktuell vorherrschenden Omikron-Variante des Coronavirus biete. Dabei sei auch nicht erkennbar, dass die Impfwirksamkeit so sehr reduziert wäre, dass die Verwirklichung des mit dem angegriffenen Gesetz verfolgten Zwecks des Schutzes vulnerabler Menschen nur noch in einem derart geringen Maße gefördert würde, dass im Rahmen der Abwägung den widerstreitenden Interessen der von der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht Betroffenen von Verfassungs wegen der Vorrang gebühren müsste." (so OVG Münster 16.09.2022 - 13 B 869/22, juris Rn. 8 ff.; OVG Münster 23.12.2022 - 13 B 1256/22, juris Rn. 9). Dem schließt sich die erkennende Kammer an.

(3.4.4.2.) Soweit die Klägerin einwendet, dass diese Annahmen aus April 2022 mit dem Vordringen der Omikron-Variante nicht mehr zutreffen, folgt die erkennende Kammer dem nicht. Hierzu stellt das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 23.12.2022 - 13 B 1256/22, juris Rn. 20) zunächst auf die Darstellung des nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 IfSG zur Beurteilung der epidemiologischen Lage berufenen Robert Koch-Instituts zur Wirksamkeit der COVID-19-Impfstoffe ab. Nach dessen Erkenntnissen bieten die Covid-19-mRNA-Impfstoffe Comirnaty (BioNTech/Pfizer) und Spikevax (Moderna) sowie der Vektor-Impfstoff JCOVDEN (Johnson & Johnson) vor der Omikron-Variante weniger Schutz als vor der sog. Delta-Variante, die das Infektionsgeschehen in Deutschland zuvor dominiert hatte. Die Studienergebnisse zeigten, dass die Wirksamkeit nach zwei Impfstoffdosen (Grundimmunisierung) gegenüber jeglicher oder symptomatischer Erkrankung durch die Omikron-Variante insgesamt gering sei und zudem mit der Zeit deutlich nachlasse. Durch eine Auffrischimpfung könne die Schutzwirkung verbessert werden. Gegen schwere Erkrankungen biete die Impfung weiterhin einen guten Schutz. Die Datenlage deute darauf hin, dass auch hier die Schutzwirkung nach der Grundimmunisierung abfalle, jedoch weniger stark als im Vergleich zu jeglichen bzw. symptomatischen Erkrankungen. Nach einer Auffrischimpfung sei die Wirksamkeit gegenüber schweren Erkrankungen erneut hoch. Daten wiesen auch nach Auffrischimpfung auf einen nachlassenden Schutz vor (symptomatischer) Infektion über die Zeit hin. Die hohe Schutzwirkung gegenüber schweren Infektionen bleibe aber mindestens über sechs bis neun Monate nach der Auffrischimpfung bestehen. Über die Transmission, das heißt die Virusübertragung, unter Omikron gebe es - worauf auch die Klägerin abstellt - bisher keine ausreichenden Daten; sie scheine bei Geimpften weiterhin reduziert zu sein, wobei das Ausmaß der Reduktion nicht vollständig geklärt sei. Haushaltsstudien aus Norwegen und Dänemark zeigten indes, dass eine Impfung auch unter vorherrschender Zirkulation der Omikron-Variante die Übertragbarkeit um ca. 6 bis 21 % nach Grundimmunisierung und nach Auffrischimpfung um weitere 5 bis 20 % reduziere.

Bestehen danach weiterhin Anhaltspunkte für eine nicht nur unwesentliche Reduzierung des Transmissionsrisikos, werden die bisherigen Annahmen des Gesetzgebers zu einer relevanten Schutzwirkung der Impfung gegenüber vulnerablen Personen nicht durchgreifend erschüttert. Soweit die Klägerin beanstandet, dass bei zweifach Geimpften, deren Impfung mehrere Monate zurückliegt, kein relevanter Impfschutz mehr besteht, übersieht sie, dass ab dem 01.10.2022 für einen vollständigen Impfschutz grundsätzlich drei Einzelimpfungen erfolgt sein müssen (vgl. OVG Münster 23.12.2022 - 13 B 1256/22, juris Rn. 20). Im Ergebnis nichts Anderes folgt aus einer etwaigen Immunflucht bei den Omikron-Varianten BA.4 und BA.5. So geht etwa die Ständige Impfkommission in der 21. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung vom 18.08.2022 davon aus, dass die COVID-19-Impfung nach wie vor dem Ziel dient, insbesondere in Umgebungen mit einem hohen Anteil vulnerabler Personen und/oder einem hohen Ausbruchspotenzial die Virustransmission zu vermindern, um so einen zusätzlichen Schutz zu bewirken (OVG Münster 23.12.2022 - 13 B 1256/22, juris Rn. 28 ff.). Ohnehin geht es hier - was die streitigen Vergütungsansprüche betrifft - um einen Zeitraum bis zum 31.08.2022. Es genügt, wenn der Gesetzgeber auf etwaige Entwicklungen des Infektionsgeschehens reagiert und die gesetzlichen Regelungen anpasst. Dies ist erfolgt.

(3.4.4.3.) Soweit die Klägerin wesentlich geltend macht, dass die Schutzimpfung gegen das Coronavirus keinen Drittschutz vermittle, folgt dem die erkennende Kammer ebenso wie das Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen nicht. Es haben sich durch den Einsatz der Impfung Anhaltspunkte für eine nicht nur unwesentliche Reduzierung des Transmissionsrisikos gezeigt, die die Annahme des Gesetzgebers, dass die sog. einrichtungsbezogene Impfpflicht in relevantem Maße vulnerable Personen vor einer Ansteckung schützen könne, ausreichend tragen. Dies ist weiterhin so. So verweist das Robert Koch-Institut auf Monitoring des COVID-Impfgeschehens in Deutschland - Monatsbericht des RKI vom 07.07.2022, in dem es ausgeführt hatte, die Impfeffektivität der 1. Auffrischungsimpfung im Sinne eines Schutzes vor einer Infektion (asymptomatisch oder symptomatisch) liege bei 34%-66% (mRNA-basierter Impfstoff) bzw. 38%-76% (jeglicher Impfstoff, nicht spezifiziert). Auch im Hinblick auf den zunehmenden Anteil der Untervariante BQ1.1. der BA5-Sublinie ist keine abweichende Beurteilung geboten. Zwar deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass diese Untervariante der Immunantwort von geimpften Personen oder solchen, die eine Infektion durchgemacht haben, besser entgehen kann als frühere Varianten. Dies führt jedoch nicht dazu, dass § 20a IfSG bereits im hier maßgeblichen Zeitraum nicht mehr verhältnismäßig gewesen wäre, weil eine Anordnung von Tätigkeits- und Betretungsverboten nicht mehr geeignet wäre, den hiermit verfolgten Zweck, vulnerable Menschen in besonderem Maße vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen, zu erreichen. Noch am 22.12.2022 liege - so das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf den wöchentlichen Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand 22.12.2022, S. 26 - der Anteil dieser Variante bei über 21 %. Damit war selbst im Dezember 2022 das Infektionsgeschehen noch zum überwiegenden Teil von den anderen (Unter-)Varianten geprägt, die eine weniger starke Immunflucht aufweisen. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die auf das Jahresende befristete einrichtungsbezogene Impfnachweispflicht nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums - offenbar auch mit Blick auf die Verbreitung der BQ1.1. Variante - nicht verlängert wurde. Hieraus folgt nicht, dass davon ausgegangen werden muss, diese bis zum 31.12.2022 nicht mehr rechtmäßig war. Vielmehr belegt dies, dass der Gesetzgeber Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Regelung beobachtet und diese (erst) mit Blick auf die sich abzeichnende Entwicklung des Infektionsgeschehens erst für den Zeitraum ab dem 01.01.2023 nicht mehr als notwendig erachtet (zutreffend und überzeugend OVG Münster 23.12.2022 - 13 B 1256/22, juris Rn. 46 ff.).

(3.4.4.4.) Ferner war der Gesetzgeber entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gehalten, den Beschäftigten in den in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Einrichtungen statt der Pflicht zur Vorlage eines Immunitätsnachweises eine Pflicht, sich vor Betreten einer Einrichtung oder eines Unternehmens - und damit vor einem möglichen Kontakt mit einer vulnerablen Person - mit einem Schnelltest auf eine SARS-CoV-2-Infektion zu testen, aufzuerlegen. Die Einschätzung des Gesetzgebers, hierbei handele es sich schon um kein gleich geeignetes Mittel, weil diese Tests fehleranfällig seien, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt nach wie vor. Auch sonstige Verhaltensregeln, wie etwa das Abstandhalten, das Tragen einer (medizinischen) Schutzmaske, die Einhaltung von Hygieneregeln, regelmäßiges Lüften oder das Einsetzen eines Luftfilters, sind nicht gleich wirksam. Es besteht schon das Risiko einer bewusst oder unbewusst fehlerhaften Anwendung, weshalb der Gesetzgeber auf hinreichend tragfähiger Grundlage nicht auf den Schutz verzichten musste, den eine COVID-19-Impfung oder Genesung jedenfalls grundsätzlich verspricht und von dem vulnerable Personen profitieren (OVG Münster 23.12.2022 - 13 B 1256/22, juris Rn. 88 f.).

(3.4.5.) Die von der erkennenden Kammer angenommene Unzumutbarkeit der Annahme der Arbeitsleistung der Klägerin ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Das von der Kammer in diesem konkreten Fall gefundene Ergebnis greift - dies trifft zu - erheblich in die verfassungsmäßig geschützten Rechte der Klägerin auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und Ausübung des Berufs (Art. 12 Abs. 1 GG) ein. Bei einer Abwägung widerstreitenden Interessen überwiegen hier aber die durch die in § 20a Abs. 1 IfSG aufgestellten Tätigkeitsvoraussetzungen geschützten Rechtsgüter des Schutzes der vulnerablen Personen. Die erkennende Kammer nimmt dazu zunächst auf ihre obigen Ausführungen zu der von der Arbeitgeberin letztlich antizipierten ermessengeleiteten Einzelfallenscheidung Bezug. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin selbst sich auf den Aspekt der Versorgungssicherheit zu Gunsten der Bewohner des Seniorenzentraum berufen kann. Selbst wenn dem so ist, bestehen - wie ausgeführt - keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese durch die Freistellung der Klägerin gefährdet werden. Es sind auch keine sonstigen überwiegenden Interessen der Klägerin tangiert, die in der Ermessenausübung zu berücksichtigen sind. Weder liegen in ihrer Person zunächst vorrangig zu berücksichtigende Ausnahmetatbestände von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht vor, noch kam - wie ausgeführt - lediglich ein Betretungsverbot in Betracht. Die Klägerin hatte seit dem In-Kraft-Treten des § 20a IfSG in der ab dem 12.12.2021 geltenden Fassung eine ausreichende Vorlaufzeit, sich auf die Situation ab dem 15.03.2022 einzustellen (vgl. zu diesem Aspekt auch BVerfG 27.04.2022 - 1 BvR 2649/21, juris Rn. 216). Sie musste letztlich aufgrund der auch für sie ohne weiteres erkennbaren Nichterfüllung der objektiven Tätigkeitsvoraussetzungen des § 20a Abs. 1 IfSG davon ausgehen, dass ihre Tätigkeit bei der Beklagten ab dem 15.03.2022 nicht mehr möglich war. Selbst mit einer früheren Entscheidung des Gesundheitsamts konnte und musste die Klägerin rechnen. Die Kammer hat auch den Verlust des Vergütungsanspruchs sowie die für die Klägerin eingetretenen sozialversicherungsrechtlichen Folgen in den Blick genommen. Diese sind letztlich aber nur Folge des objektiv normierten Tätigkeitsverbots. Und auch der Gesetzgeber hat selbst für die Entscheidung durch das Gesundheitsamt keine zeitliche Mindestvorlaufzeit bestimmt. Es kam deshalb auch nicht darauf an, ob die Versagung der Gewährung von Arbeitslosengeld an die Klägerin in diesem Fall rechtlich zutreffend war. Der Umstand, dass die Beklagte die Klägerin zunächst für zwei Wochen beschäftigte, ändert an dem Ergebnis nichts. Dies führt nicht zu einem Überwiegen der Interessen der Klägerin ab dem 01.04.2022. Es ist außerdem nicht widersprüchlich, wenn die Beklagte die Klägerin ab dem 01.01.2023 wieder einsetzt. Sie hält sich damit lediglich an die zeitliche Geltungsdauer des gesetzlich normierten Tätigkeitsverbots. Soweit die Klägerin einwendet, dass die Beklagte ab dem 01.10.2022 die Auffrischungsimpfungen nicht überprüft habe, ist dies unerheblich, weil es den hier streitigen Zeitraum nicht betrifft. Soweit die Klägerin die von der Beklagten behauptete Überprüfung des Impfstaus der anderen Mitarbeiter mit Nichtwissen bestritten hat, ist dies unerheblich. Die Klägerin verfügt objektiv nicht über die gesetzlich erforderlichen Tätigkeitsvoraussetzungen. Darauf darf die Beklagte reagieren. Und unabhängig davon, ist dies letztlich der von der Klägerin erhobene Einwand des Rechtsmissbrauchs, nämlich der willkürlichen Ausnutzung des Fehlens der gesetzlichen Tätigkeitsvoraussetzung aus § 20a Abs. 1 IfSG, durch die Beklagte alleine ihr gegenüber. Dafür fehlen jegliche Anhaltspunkte. Und außerdem wäre für diesen Rechtsmissbrauchseinwand die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet (vgl. dazu im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung zuletzt BAG 28.02.2023 - 2 AZR 227/22, juris Rn. 15), so dass ein Bestreiten mit Nichtwissen ohnehin nicht ausreichen würde.

cc) Da die Klägerin in der Zeit vom 07.04.2022 bis zum 31.08.2022 keinen Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung hat, kam es nicht darauf an, ob sie eine etwaige arbeitsvertragliche Ausschlussfrist gegenüber der Beklagten gewahrt hatte. Allerdings enthält die Anlage K1 zur Klageschrift das Schreiben der Beklagten vom 31.03.2022 und nicht den Arbeitsvertrag der Parteien. Da der Klägerin kein Vergütungsanspruch zusteht, bedurfte es nicht der Aufklärung, ob und wenn ja, mit welchem Inhalt im Arbeitsvertrag eine Ausschlussfrist vereinbart war, und ob diese wirksam war. Es bedurfte ebenfalls keiner Entscheidung und ggfs. Aufklärung, ob die Klägerin eine etwaige Ausschlussfrist gegenüber der Beklagten für den gesamten hier streitigen Zeitraum gewahrt hat und wie sich u.a. eine etwaige frühere Geltendmachung mit Schreiben vom 21.04.2022 gegenüber der B. T. GmbH auswirkt, welche Herr P. ggfs. - wofür dessen Antwort vom 29.04.2022 sprechen könnte - auf das zutreffende Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bezogen haben könnte.

d) Für die Zeit vom 01.04.2022 bis zum 06.04.2022 steht der Klägerin kein Zahlungsanspruch aus § 3 Abs. 1 EFZG zu. Dem steht das Erfordernis der Monokausalität der Arbeitsunfähigkeit entgegen. Danach besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung grundsätzlich nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist, der erkrankte Arbeitnehmer also ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte (BAG 19.05.2021 - 5 AZR 420/20, juris Rn. 26). Daran fehlt es, weil die Beklagte die Klägerin ab dem 01.04.2022 zu Recht aufgrund der oben dargestellten Unzumutbarkeit der Annahme der Arbeitsleistung freigestellt hatte.

3. Der zulässige Feststellungsantrag betreffend den Urlaub ist unbegründet.

a) Ein Feststellungsantrag kann als sog. Elementenfeststellungsklage auch darauf gerichtet werden, dass dem Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum noch eine bestimmte Anzahl von Arbeitstagen Urlaub zusteht (BAG 21.05.2019 - 9 AZR 260/18, juris Rn. 17). Ein Feststellungsinteresse ist dafür nur gegeben, wenn der Streit durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Geht es um eine vergangenheitsbezogene Feststellung, müssen sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben (BAG 03.12.2019 - 9 AZR 54/19, juris Rn. 12 f.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Es wird geklärt, ob die Beklagte im Zeitraum vom 01.04.2022 bis zum 31.08.2022 den Urlaubsanspruch, über dessen Höhe zwischen den Parteien kein Streit besteht, um jeweils 1/12 kürzen durfte. Damit wird auch abschließend geklärt, ob der entsprechende Urlaub der Klägerin für diesen Zeitraum noch zustand. Die Beklagte berühmt sich auch der entsprechenden Kürzungsbefugnis, was das rechtliche Interesse an der Feststellung begründet. Die Feststellung hat aufgrund des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses noch Auswirkungen für die Zukunft, weil der Klägerin diese Urlaubstage noch zur Inanspruchnahme und nicht zur Abgeltung (vgl. insoweit das Feststellungsinteresse verneinend BAG 21.05.2019 - 9 AZR 260/18, juris Rn. 18) zustehen könnten.

b) Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Kürzung des Urlaubs der Klägerin um 1/12 je Monat in der Zeit vom 01.04.2022 bis zum 31.08.2022 zutreffend damit begründet, dass der Zeitraum der hier berechtigten Freistellung bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs der Klägerin mit "null" Tagen in Ansatz gebracht wird. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu III. der Entscheidungsgründe wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

C. Die Kammer hat die Revision gemäß 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Dr. Gotthardt KleemeyerGiese

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