Urteil vom 03.01.2023 · IWW-Abrufnummer 235896
Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 3 Sa 468/22
1. Der hohe Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 08.09.2021 (5 AZR 149/21) nicht allein bereits dadurch erschüttert, dass teilweise zeitgleich mit der klagenden Arbeitnehmerin noch zwei weitere Beschäftigte "krankgeschrieben" werden und in einem Zeitraum von vier Monaten insgesamt fünf Beschäftigte - sich teilweise zeitlich überschneidende - krankheitsbedingte Ausfallzeiten aufweisen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass angesichts einer Gesamtbeschäftigtenzahl von nur neun Arbeitnehmern damit bis zu 1/3 der Belegschaft zeitgleich krankheitsbedingt ausfällt.
2. Eine Erschütterung des Beweiswertes einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt in Betracht, wenn hinreichende Indizien für ein kollusives Zusammenwirken mehrerer Arbeitnehmer zur zeitgleichen "Krankschreibung" mit dem Ziel der Schädigung des Arbeitgebers vorliegen. Das bloße zeitliche Zusammentreffen mehrerer Krankheitsausfälle als solches begründet jedoch kein solches Indiz, sondern ist für sich genommen neutral. Hinzutreten müssen weitere Umstände, wie beispielsweise bestimmte Äußerungen oder Verhaltensweisen der betreffenden Arbeitnehmer, die auf ein kollusives Zusammenwirken schließen lassen.
3. Wird eine Berufung nicht ausdrücklich auf einen bestimmten Streitteil beschränkt, zudem ein unbeschränkter Berufungsantrag angekündigt, die Berufung aber nur für einen Teil der Streitgegenstände des erstinstanzlichen Urteils begründet, ist im Zweifel von einer umfassenden Berufung auszugehen, die mangels umfassender Berufungsbegründung allerdings teilweise unzulässig ist.
4. § 516 Abs. 3 Satz 2 ZPO findet bei teilweiser Berufungsrücknahme keine Anwendung. Die Kostenfolge ist vielmehr im Urteil, mit dem der aufrechterhaltene Streitteil entschieden wird, als Teil der dortigen, das gesamte Berufungsverfahren umfassenden Kostenentscheidung auszusprechen.
Tenor:I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 22.06.2022 - Az.: 4 Ca 952/22 - wird zurückgewiesen.II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren zuletzt noch über den Entgeltanspruch der Klägerin für die Zeit vom 01.-04.04.2022 sowie über ihren Entgeltfortzahlungsanspruch für die Zeit vom 05.04.-16.05.2022 in einer Gesamthöhe von 4.548,32 € brutto nebst Zinsen.
Die Klägerin war bei der Beklagten, die eine Zahnarztpraxis betreibt, seit dem 01.06.2021 als Zahnarzthelferin gegen eine Bruttomonatsvergu¨tung in Höhe von 3.000,00 € beschäftigt.
Im April 2022 erbrachte die Klägerin ihre Arbeitsleistung bis einschließlich 04.04.2022. Danach erfolgte bis Ende Mai 2022 keine Arbeitsleistung der Klägerin mehr. Sie war vielmehr ab 05.04.2022 fortlaufend bis 31.05.2022 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Wegen des Inhalts der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 05. (Erstbescheinigung), 11., 29.04. sowie 16.05.2022 (Folgebescheinigungen) des Facharztes für Allgemeinmedizin F. I. aus O. wird auf Blatt 64 ff. der Akte Bezug genommen. Jedenfalls bis zum Ablauf des gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraums sind diese der Beklagten von der Klägerin auch jeweils übermittelt worden; ab dem 17.05.2022 erhielt die Klägerin Krankengeld.
Mit Schreiben vom 03.05.2022, der Klägerin zugegangen am 05.05.2022, ku¨ndigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 03.06.2022, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, und stellte die Klägerin zugleich von der Arbeit frei. Zwischenzeitlich ist rechtskräftig durch das Arbeitsgericht Mönchengladbach entschieden, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht zum 03., sondern zum 15.06.2022 beendet hat.
Zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte die Beklagte noch neun Arbeitnehmer, zuletzt im Juni 2022 dann nur noch zwei. Von den neun Beschäftigten waren außer der Klägerin noch folgende Personen im Frühjahr 2022 wie folgt arbeitsunfähig erkrankt: eine Person im gesamten Monat Februar 2022, eine weitere im gesamten Monat März 2022, eine weitere im gesamten Monat März und April 2022 und wiederum eine weitere im gesamten Monat April 2022.
Da die Beklagte für April und Mai 2022 keinerlei Entgelt- bzw. Entgeltfortzahlung leistete, hat die Klägerin unter anderem - soweit für die Berufung von Interesse - diese Zahlungsansprüche in Höhe von 3.000,- € brutto für April mit Klageschrift vom 04.05.2022, der Beklagten zugestellt am 13.05.2022, und in Höhe von 1.548,32 € brutto anteilig bis 16.05. für Mai 2022 mit Klageerweiterung vom 03.06.2022, zugestellt am gleichen Tage, vor dem Arbeitsgericht Mönchengladbach eingeklagt.
Sie hat behauptet, im Streitzeitraum arbeitsunfähig erkrankt gewesen zu sein, sich hierzu auf die ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen berufen und die Ansicht vertreten, dass deren Beweiswert nicht erschüttert sei. Für die Zeit bis 04.04.2022 stehe ihr aufgrund unstreitig erbrachter Arbeitsleistung Entgelt zu und für die Zeit ab 05.04.2022 bis zum Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums am 16.05.2022 die - der Höhe nach unstreitige - Entgeltfortzahlung.
Aufgrund Säumnis der Beklagten erging am 25.05.2022 ein unter anderem der Zahlungsklage für April 2022 in Höhe von 3.000,- € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2022 stattgebendes Versäumnisurteil. Dieses ist der Beklagten am 01.06.2022 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 01.06.2022 hat sie Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt.
Die Klägerin hat dann erstinstanzlich beantragt,
1.das Versäumnisurteil vom 25.05.2022 aufrechtzuerhalten;2.klageerweiternd die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.548,32 € brutto zuzu¨glich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten u¨ber dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2022 zu zahlen;3.die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.500,- € brutto zuzu¨glich Verzugszinsen seit dem 01.07.2022 zu zahlen.Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 25.05.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.Sie hat bestritten, dass die Klägerin im Zeitraum 05.04.2022 bis 31.05.2022 tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und die Ansicht vertreten, es ergäben sich ernstliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin, da die Beklagte mit gleich vier weiteren Arbeitnehmern vor dem Arbeitsgericht Mönchengladbach u¨ber Lohnfortzahlung im Krankheitsfall streite. Aufgrund der Ausfallzeiten der vier anderen Arbeitnehmer und der Klägerin dränge sich der Verdacht auf, dass die Beklagte durch die Mitarbeiter systematisch durch geplante Krankmeldungen geschädigt werden solle.
Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat mit Urteil vom 22.06.2022 das Versäumnisurteil vom 25.05.2022 und mithin die dort erfolgte Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 3.000,- € brutto nebst Zinsen für April 2022 sowie die Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst zum 15.06.2022 aufrechterhalten und darüber hinaus den Klageerweiterungsanträgen stattgegeben. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - soweit für die Berufung von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe für die Zeit vom 01.-04.04.2022 aufgrund unstreitig geleisteter Arbeit Entgeltzahlung aus §§ 611, 611a BGB und ab 05.04.2022 bis einschließlich 16.05.2022 wegen ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung aus § 3 Abs. 1 EFZG in beantragter Höhe zu. Der Nachweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sei durch die Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erbracht worden. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei das gesetzlich ausdru¨cklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel fu¨r das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Diese gesetzgeberische Wertentscheidung strahle auch auf die beweisrechtliche Wu¨rdigung aus. Der ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung komme daher aufgrund der normativen Vorgaben im Entgeltfortzahlungsgesetz ein hoher Beweiswert zu. Der Tatrichter könne normalerweise den Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als erbracht ansehen, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlege. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Allgemeinmediziners F. I. lägen hier fu¨r den Streitzeitraum vor und ihr Beweiswert sei nicht erschu¨ttert. Die Klägerin habe nicht selbst geku¨ndigt. Der Krankheitszeitraum sei nicht identisch mit der Ku¨ndigungsfrist, auch sei die Klägerin nicht genau fu¨r den Lohnfortzahlungszeitraum von sechs Wochen erkrankt. Die einzigen Indizien, die die Beklagte vorweisen könne, seien die Krankmeldungen anderer Arbeitnehmer. Aus dem Umstand, dass sich auch andere Arbeitnehmer krankgemeldet hätten, lasse sich jedoch nicht darauf schließen, dass ausgerechnet die Klägerin tatsächlich nicht erkrankt gewesen sei und eine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht habe. Dass sich von den neun Arbeitnehmern der Beklagten in einem Zeitraum von vier Monaten fünf zeitweise krankmeldeten, sei nicht so ungewöhnlich, dass allein aus diesem Umstand auf eine Absprache der Arbeitnehmer geschlossen werden könne, sich krankschreiben zu lassen ohne tatsächlich krank zu sein, um die Beklagte zu schädigen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den fraglichen Monaten um Winter- und Fru¨hjahrsmonate handele, die zudem während einer weltweiten Pandemie lagen, was die Wahrscheinlichkeit von Erkrankungen erhöhe. Es gebe keine Hinweise auf eine etwaige Absprache der Arbeitnehmer. Die Erkrankungszeiträume seien bei allen unterschiedlich gelegen und unterschiedlich lang. Eine exakte zeitliche Kongruenz zwischen der Erkrankung der Klägerin und der eines weiteren Mitarbeiters sei nicht vorhanden. Ferner habe die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenkasse nach ihrer Einlassung in keinem Fall eingeschaltet. Dieser hätte jedoch das tatsächliche Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit u¨berpru¨fen und eine Krankschreibung ggfs. beenden können. Dass die Personalstärke bei der Beklagten innerhalb ku¨rzester Zeit von noch neun im Mai 2022 auf nur noch zwei Beschäftigte im Juni 2022 abgenommen habe, mithin auf eine Zahl, die die ordnungsgemäße Fu¨hrung einer Zahnarztpraxis schwer bis unmöglich erscheinen lasse, lasse schließlich auf ein schlechtes Arbeitsklima schließen, das Erkrankungen fördern könne oder dazu fu¨hre, dass vorhandene Erkrankungen, die bislang nicht zum Anlass fu¨r eine Krankmeldung genommen worden seien, nunmehr doch zu einer Krankmeldung fu¨hrten. In diesem Sinne habe auch die Klägerin sich im Kammertermin auf Nachfrage eingelassen. Sie habe erläutert, dass ihre Erkrankung bereits vorher vorhanden gewesen sei und sie der Geschäftsfu¨hrerin bereits im Januar 2022 angeku¨ndigt habe, dass eine Operation nötig werden wu¨rde und ihre Ärzte mit einem Ausfall von rund acht Wochen rechneten. Die Geschäftsfu¨hrerin habe jedoch erklärt, dass sie höchstens fu¨r eine Woche ausfallen könne und der Zeitpunkt ungu¨nstig sei. Sie habe dann weiter gearbeitet, bis die Beschwerden akut geworden seien.
Das Urteil des Arbeitsgerichts ist der Beklagten über ihre Prozessbevollmächtigten am 30.06.2022 zugestellt worden. Sie hat mit am 15.07.2022 bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangenem Anwaltsschriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt, die sie - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.09.2022 - mit am 13.09.2022 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz begründet hat.
Die Beklagte kündigte dabei zunächst mit der Berufungsbegründung den Antrag an, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Antragstellung unterlag keiner Beschränkung, begründet wurde die Berufung allerdings allein zu den Entgeltfortzahlungsansprüchen der Klägerin. Nach Hinweis der Berufungskammer mit Beschluss vom 25.09.2022 auf die teilweise Unzulässigkeit der Berufung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 20.10.2022 "klarstellend" erklärt, lediglich eine teilweise Aufhebung und Klageabweisung hinsichtlich der Entgelt-/Entgeltfortzahlungsanträge für April und Mai 2022 zu beantragen. Sie ist der Ansicht, es sei ausweislich der Berufungsbegründung von vornherein von einer beschränkten Berufungseinlegung auszugehen. Vorsorglich erklärt sie nunmehr aber auch, die Berufung gegen den Feststellungsantrag sowie den Vergütungsanspruch für Juni 2022 nicht weiterzuverfolgen.
Hinsichtlich der Zahlungsansprüche für April und Mai 2022 verfolgt die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens den Antrag auf Klageabweisung weiter. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Klägerin nicht als erschüttert angesehen. Das Arbeitsgericht habe insoweit zu hohe Voraussetzungen aufgestellt. Erforderlich sei lediglich, dass der Arbeitgeber ernstliche Zweifel im Hinblick auf die behauptete Arbeitsunfähigkeit begründe. Dies habe sie getan und das ihr Mögliche vorgetragen. Dieser Vortrag hätte nicht dahingehend gewürdigt werden dürfen, ob die Ausführungen der Beklagten auch tatsächlich zutreffen, sondern nur dahingehend, ob sie ernstliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründeten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 22.06.2022 - Az.: 4 Ca 952/22 - teilweise abzuändern und1.unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils vom 25.05.2022 den Klageantrag zu Ziffer 1 abzuweisen;2.die Klage darüber hinaus abzuweisen, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 1.548,32 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2022 zu zahlen.Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.Sie verteidigt das Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und ist der Ansicht, die Beklagte habe bereits ernstliche Zweifel an der Erkrankung der Klägerin zur Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht schlüssig vorgetragen. Allein der Umstand, dass auch andere Beschäftigte teilweise zeitgleich oder überschneidend erkrankt seien, könne den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht erschüttern. Der Verdacht der Beklagten, sie solle von den Beschäftigten systematisch geschädigt werden, werde ins Blaue hinein geäußert. Der Fall der Klägerin sei auch nicht mit dem 2021 durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall zu vergleichen, denn hier liege keine Eigenkündigung der Klägerin vor, sondern ihr sei vielmehr durch die Beklagte - noch dazu mit einer Freistellungserklärung verbunden - gekündigt worden und die Arbeitsunfähigkeit habe noch über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinaus fortbestanden und zum Krankengeldbezug geführt.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen in erster und zweiter Instanz sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist angesichts des über den Wert von 600,- € hinausgehenden Streits der Parteien über Zahlungsverpflichtungen der Beklagten statthaft gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG. Ferner ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Vielmehr ist dem Arbeitsgericht im Ergebnis sowie in Teilen der Begründung darin zu folgen, dass die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 3.000,- € brutto nebst Zinsen für April 2022 und von 1.548,32 € brutto nebst Zinsen für die Zeit vom 01.-16.05.2022 hat. Die lediglich eine fehlerhafte Würdigung ihres erstinstanzlichen Vortrags rügende Berufung vermag das Ergebnis des Arbeitsgerichts nicht erfolgreich in Frage zu stellen.
Im Einzelnen:
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zunächst einen Entgeltanspruch wegen geleisteter Arbeit für die Zeit vom 01.-04.04.2022 aus § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag. Die ordnungsgemäße Arbeitsleistung in diesem Zeitraum ist unstreitig. Einwände gegen den Anspruch werden von der Beklagten nicht erhoben.
2. Darüber hinaus steht der Klägerin für die Zeit vom 05.04.2022 bis einschließlich 16.05.2022 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 EFZG zu, denn sie war in dem entsprechenden Sechs-Wochen-Zeitraum - und auch darüber hinaus bis Ende Mai - ohne Verschulden arbeitsunfähig erkrankt.
Das hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden.
a. Zutreffend verweist das Arbeitsgericht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit in der Regel durch die Vorlage ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG geführt wird und dass die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ist (BAG vom 08.09.2021 - 5 AZR 149/21, juris, Rz. 12). Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG reicht die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG aus, um dem Arbeitgeber das Recht zur Leistungsverweigerung zu entziehen. Diese gesetzgeberische Wertentscheidung strahlt auch auf die beweisrechtliche Würdigung aus. Der ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt daher aufgrund der normativen Vorgaben im Entgeltfortzahlungsgesetz ein hoher Beweiswert zu. Der Tatrichter kann normalerweise den Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als erbracht ansehen, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt (BAG vom 08.09.2021 - 5 AZR 149/21, juris, Rz. 12; BAG vom 20.10.2016 - 5 AZR 167/16, juris, Rz. 17, jeweils m.w.N.).
Der Arbeitgeber muss hiergegen dann nicht den Beweis des Gegenteils führen, da die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine gesetzliche Vermutung einer Arbeitsunfähigkeit begründet. Bloßes Bestreiten der Arbeitsunfähigkeit reicht allerdings auch - selbst soweit mit Nichtwissen erklärt - nicht aus, um den hohen Beweiswert vorgelegter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu entkräften (BAG vom 08.09.2021 - 5 AZR 149/21, juris, Rz. 13). Vielmehr kann der Arbeitgeber den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt und im Bestreitensfall beweist, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben mit der Folge, dass der ärztlichen Bescheinigung kein Beweiswert mehr zukommt (BAG vom 08.09.2021 - 5 AZR 149/21, juris, Rz. 13). Da der Arbeitgeber in aller Regel keine Kenntnis von den Krankheitsursachen hat und nur in eingeschränktem Maß in der Lage ist, Indiztatsachen zur Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzutragen, dürfen keine überhöhten Anforderungen an seinen Vortrag gestellt werden. Der Arbeitgeber muss insbesondere nicht Tatsachen darlegen, die dem Beweis des Gegenteils zugänglich sind (BAG vom 08.09.2021 - 5 AZR 149/21, juris, Rz. 14).
b. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Beklagten eine Erschütterung des Beweiswertes der von der Klägerin vorgelegten, formal einwandfrei erstellten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum 05.04.2022 bis einschließlich 16.05.2022 nicht gelungen. Entgegen ihrer Ansicht wird ihr letztlich schon vom Arbeitsgericht nicht abverlangt und erst recht nicht von der Berufungskammer, dass sie den Beweis des Gegenteils führen müsste. Es bedarf allerdings wenigstens eines Vortrags, der Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin aufkommen lässt, und ein solcher liegt hier eben nicht vor.
aa. Dabei ist der Beklagten entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts allerdings nicht entgegenzuhalten, dass sie den Medizinischen Dienst der Krankenkasse nicht zwecks Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin eingeschaltet hat. Denn § 275 Abs. 1a Satz 3 SGB V begründet ein zusätzliches Recht des Arbeitgebers, welches er in Anspruch nehmen kann. Alternativ kann er aber auch wie hier geschehen direkt die Entgeltfortzahlung einstellen und dann die - wie vorstehend beschrieben - gegebenen zivilprozessualen Mittel nutzen (HWK/Vogelsang, 10. Auflage, § 5 EFZG RN. 41). Reichen die von ihm vorgebrachten Indizien zur Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht aus, droht ihm die Verurteilung zur Entgeltfortzahlung. Dies aber nicht, weil er nicht zusätzlich den Medizinischen Dienst eingeschaltet hätte, sondern weil er keinen erheblichen Vortrag im Prozess leisten kann. Die Einschaltung des Medizinischen Dienstes hätte ihm ggfs. Indizien zur Erschütterung des Beweiswertes liefern können, dies zu nutzen oder es sein zu lassen, bleibt aber die freie Entscheidung des Arbeitgebers.
bb. Die Beklagte ist zudem nicht auf die in § 275 Abs. 1a SGB V genannten Regelbeispiele mit ihrem Vorbringen zur Erschütterung des Beweiswertes von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beschränkt (BAG vom 08.09.2021 - 5 AZR 149/21, juris, Rz. 13). Könnte sie ein Regelbeispiel im Falle der Klägerin benennen, würde dies zwar eine Erschütterung des Beweiswertes bewirken (HWK/Vogelsang, 10. Auflage, § 5 EFZG RN. 40). Dass sie hier kein Regelbeispiel benennt, hindert sie jedoch nicht am Vortrag anderer Erschütterungstatsachen.
cc. Auch den Ausführungen des Arbeitsgerichts zur deutlichen Personalreduzierung in kurzer Zeit bei der Beklagten, die auf ein schlechtes Arbeitsklima schließen lasse, das Erkrankungen fördern könne oder jedenfalls dazu führen könne, dass vorhandene Erkrankungen, die bislang nicht zum Anlass für eine Krankmeldung genommen worden seien, nunmehr zu einer solchen führten, tritt die Berufungskammer nicht bei. Diese Ausführungen des Arbeitsgerichts sind rein spekulativ und selbst die Klägerin hat sich nicht darauf berufen, wegen eines schlechten Betriebsklimas eine bislang zurückgestellte Krankmeldung im April 2022 vorgenommen zu haben. Sie hat vielmehr in der mündlichen Verhandlung vom 22.06.2022 zu Protokoll erklärt, ihre Erkrankung sei im April 2022 akut geworden und sie habe von ihrem Arzt sogar eine Einweisung ins Krankenhaus bekommen.
dd. Diese Einlassung der Klägerin wiederum ist allerdings von der Beklagten weder nach Aktenlage, insbesondere ausweislich des Protokolls des Arbeitsgerichts, noch mit der Berufungsbegründung konkret angegriffen und bestritten worden. Legt man sie dementsprechend nach § 138 Abs. 2, 3 ZPO der Entscheidung zugrunde, folgt schon daraus, dass das von der Beklagten behauptete kollusive Zusammenwirken von Beschäftigten zu ihrem Nachteil dahingehend, sich zeitgleich und zeitlich überlappend krankschreiben zu lassen, jedenfalls den Fall der Klägerin schon unstreitig nicht betrifft. Denn bei der Klägerin war dann schon im Januar 2022 klar, dass sie für rund acht Wochen krankheitsbedingt ausfallen würde, was dann nachfolgend im April 2022 akut wurde und zu ihrer Arbeitsunfähigkeit mit einhergehender Krankenhauseinweisung führte.
ee. Völlig unabhängig hiervon und die Entscheidung selbständig tragend ist allerdings mit den zutreffenden übrigen Erwägungen des Arbeitsgerichts auch zur Überzeugung der Berufungskammer festzustellen, dass die Klägerin im Streitzeitraum arbeitsunfähig erkrankt war, die Arbeitsunfähigkeit durch ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen formell einwandfrei und lückenlos belegt ist und keine hinreichenden Indizien vorgetragen sind, den hohen Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu erschüttern.
(1) Völlig zu Recht hat das Arbeitsgericht zunächst bereits festgestellt, dass die zeitliche Lage der Arbeitsunfähigkeitszeiten bezogen auf die übrigen Vorkommnisse im Arbeitsverhältnis der Klägerin keinerlei Anlass zu Zweifeln aufkommen lässt. Im Unterschied zu dem von dem Bundesarbeitsgericht 2021 entschiedenen Fall (BAG vom 08.09.2021 - 5 AZR 149/21, juris, Rz. 20), in dem eine Arbeitnehmerin ihr Arbeitsverhältnis selbst mit zweiwöchiger Kündigungsfrist vom 08.02. zum 22.02.2019 gekündigt hatte und dann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung "passgenau" für eben diesen Zeitraum der Kündigungsfrist vorlegte, so dass in der Tat ernsthafte Zweifel an der Erkrankung allein schon aus der Koinzidenz der Umstände abzuleiten waren, erkrankte die Klägerin völlig unabhängig von einer Kündigungserklärung ab 05.04.2022. Ferner hatte sie auf eine solche Kündigung schon deshalb keinen Einfluss, da nicht sie, sondern die Beklagte diese aussprach und auch dies erst Anfang Mai 2022, als die Klägerin schon einen Monat krankgeschrieben war. Die attestierte Arbeitsunfähigkeit dauerte dann bei der Klägerin noch über den Sechs-Wochen-Zeitraum hinaus bis 31.05.2022 fort. Sie dauerte damit allerdings nicht bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Keine der Tatsachen, die die Koinzidenz im Fall des Bundesarbeitsgerichts begründeten, liegt in einer auch nur vergleichbaren Art und Weise im vorliegenden Fall vor.
(2) Die Koinzidenz des Zusammentreffens mehrerer krankheitsbedingter Fehlzeiten verschiedener Arbeitnehmer im Zeitraum Februar bis Mai 2022 vermag hier gleichfalls keine Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Klägerin zu bewirken.
Richtig ist allerdings, dass eine abgesprochene, mithin kollusive, gemeinsame Krankschreibung mehrerer Arbeitnehmer Zweifel an deren tatsächlicher Arbeitsunfähigkeit begründet und geeignet ist, den Beweiswert vorgelegter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu erschüttern (vgl. LAG Nürnberg vom 27.07.2021 - 7 Sa 359/20, juris, Rz. 104; HWK/Vogelsang, 10. Auflage, § 5 EFZG RN. 40; Küfner-Schmitt, Anm. zu BAG v. 08.09.2021 - 5 AZR 149/21, AP Nr. 11 zu § 5 EFZG).
Das bloße zeitliche Zusammentreffen krankheitsbedingten Ausfalls mehrerer Arbeitnehmer als solches hingegen ist ohne hinzutretende, weitere Indizien nicht geeignet, Zweifel an der attestierten Arbeitsunfähigkeit zu begründen. Woran wollte man das auch objektiv festmachen? Im vorliegenden Fall waren drei Mitarbeiter teilweise zeitgleich im April arbeitsunfähig krankgeschrieben und im Zeitraum Februar bis Mai 2022 waren insgesamt (einschließlich der Klägerin) fünf Beschäftigte zu unterschiedlichen Zeiten und teilweise zeitlich überschneidend arbeitsunfähig krankgeschrieben. Wie das Arbeitsgericht bereits zu Recht ausgeführt hat, lässt sich aus diesem zeitlichen Zusammentreffen und einer teilweisen zeitlichen Überschneidung von Ausfallzeiten für sich genommen kein Indiz zur Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Klägerin herleiten. Die Ausfallzeiten können unterschiedlichste Gründe haben, die allesamt allein krankheitsbedingt sind. Insoweit verweist das Arbeitsgericht zu Recht auf die Jahreszeit der vorgetragenen Krankheitszeiten und die auch 2022 noch fortdauernde Pandemielage. Hierzu muss man nur beispielsweise auf die im Internet frei zugängliche Veröffentlichung des Informationsdienstes des Instituts der deutschen Wirtschaft zum Krankenstand im Jahresverlauf 2022 zurückgreifen (abgerufen unter https://www.iwd.de/artikel/krankenstand-in-deutschland-498654/). Dort ist ersichtlich, dass im Jahr 2022 eine Erkältungswelle seit dem Frühjahr durch das Land rollte, die u.a. mit dem Wegfall von Kontaktbeschränkungen, der Wiederaufnahme des öffentlichen Lebens und den Lockerungen bei der Maskenpflicht in Zusammenhang gebracht wurde. Da keine Erkenntnisse zu den Krankheitsursachen der fünf hier betroffenen Mitarbeiter vorliegen, kann dahingestellt bleiben, ob auch sie von dieser Erkältungswelle betroffen waren. Das Zitat mag lediglich als eine beispielhaft mögliche Erklärung der Häufung von Krankheitsvorfällen im Betrieb der Beklagten dienen. Deutlich wird damit allerdings, dass das bloße zeitliche Zusammentreffen mehrerer Ausfälle mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für sich genommen nichts darüber aussagt, dass und inwiefern diese entgegen ärztlicher Bescheinigung nicht krankheitsbedingt begründet waren.
Mehr als das bloße zeitliche Zusammentreffen von Krankheitszeiten trägt die Beklagte jedoch nicht vor. Das ist unzureichend zur Erschütterung der Beweiswirkung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, denn sonst käme diesen kein hoher Beweiswert mehr zu, sondern allenfalls der einer bloßen Indiztatsache für das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit.
Für ein kollusives Zusammenwirken der fünf Beschäftigten oder auch nur der drei, die im April überlappend krankgeschrieben waren, ist nichts ersichtlich oder vorgetragen. Insbesondere fehlen jegliche Indizien für die Annahme kollusiven Zusammenwirkens, wie sie beispielsweise im Fall des LAG Nürnberg gegeben waren (LAG Nürnberg vom 27.07.2021 - 7 Sa 359/20, juris, Rz. 104: Absprache zur gemeinsamen Krankschreibung nach Widerruf eines erteilten Betriebsurlaubs für den Zeitraum des widerrufenen Betriebsurlaubs und belegt durch entsprechenden Chatverlauf). Im vorliegenden Fall trägt die Beklagte keinerlei Äußerungen vor, die gefallen wären und auf ein Zusammenwirken schließen lassen könnten. Sie macht sich nicht einmal das ihr vom Arbeitsgericht - wie zuvor unter II.2.b.cc ausgeführt, spekulativ - unterstellte schlechte Arbeitsklima argumentativ zu eigen. Sie trägt auch nicht z.B. vor, dass alle oder wenigstens einige der Arbeitnehmer sich vom selben Arzt im überschneidenden Zeitraum hätten krankschreiben lassen. Es gibt vielmehr nichts im Vortrag der Beklagten als die bloße Tatsache einer teilweise zeitgleichen, jedenfalls mit geringem zeitlichem Abstand erfolgenden Krankschreibung mehrerer Arbeitnehmer. Diese Tatsache ist für sich genommen neutral. Ein kollusives Zusammenwirken oder wenigstens der Verdacht eines solchen wird daraus erst in Verbindung mit weiteren Indizien, die untermauern, was die Beklagte lediglich ins Blaue hinein vermutet, nämlich, dass man sich zusammengetan habe, um ihr zu schaden. Wie die Beklagte zu dieser Schlussfolgerung gelangt, bleibt ihr im vorliegenden Rechtsstreit über beide Instanzen hinweg nie näher erläutertes und damit gelüftetes Geheimnis. Damit lässt sich kein Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin begründen, die zudem nicht etwa exakt zeitgleich mit drei anderen Beschäftigten krankgeschrieben wurde, sondern lediglich teilweise überlappend, denn während zu den anderen Mitarbeitern eine Arbeitsunfähigkeit nur für April oder März und April vorgetragen ist, war die Klägerin noch den gesamten Mai 2022 weiter arbeitsunfähig krankgeschrieben.
Dass schließlich bei nur neun im Frühjahr 2022 beschäftigten Arbeitnehmern natürlich eine Krankheitsquote von 1/3 im April und immerhin noch von 22,2% im März hoch ausfällt und den Betriebsablauf erheblich beeinträchtigen dürfte, wird zweifellos richtig sein. Die Betriebsablaufstörungen als solche begründen aber kein Indiz für ein kollusives Zusammenwirken der betroffenen Arbeitnehmer und für Zweifel an der Berechtigung ihrer Krankschreibung. Die Häufung von Ausfallzeiten als solche und ihre betrieblichen Auswirkungen sagen nichts darüber aus, ob der Ausfall krankheitsbedingt begründet ist oder der Schädigung des Arbeitgebers dienen soll. Hinzu kommen müssen Indiztatsachen, die eben die von der Beklagten hier allein spekulativ in den Raum gestellte Schädigungsabsicht objektiv zumindest nachvollziehbar erscheinen lassen. Dann wären Zweifel an der attestierten Arbeitsunfähigkeit begründbar. Ohne jedes das bloße zeitliche Zusammentreffen von Krankheitszeiten mit einer gemeinsamen Absprache oder intendierten Schädigung der Beklagten verknüpfende Indiz kann der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht erschüttert werden.
(3) Da weitere Erschütterungstatsachen nicht behauptet werden, verbleibt es beim Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Klägerin. Damit ist festzustellen, dass sie vom 05.04.2022 bis einschließlich 16.05.2022 (und darüber hinaus bis 31.05.2022) arbeitsunfähig erkrankt war. Dementsprechend steht ihr die erstinstanzlich zugesprochene Entgeltfortzahlung für den Streitzeitraum in voller Höhe zu.
3. Der Zinsanspruch folgt für beide Zeiträume (April und Mai 2022) jeweils aus §§ 286, 288 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs.1 ZPO. Danach hat die Beklagte, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Da die Beklagte ihr Rechtsmittel entgegen ihrer Ansicht zudem mit Berufungsschrift und -begründung auch nicht auf einen Streitteil beschränkt, sondern das erstinstanzliche Urteil zunächst ausweislich der Antragstellung vollumfänglich angegriffen und dessen Aufhebung beantragt hat, ist ihrer vorsorglichen Erklärung vom 20.10.2022 und der dann nachfolgenden Antragsbeschränkung im Wege der Auslegung eine teilweise Berufungsrücknahme zu entnehmen, die zur Kostentragung nach § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO für den sodann nicht mehr weiterverfolgten Streitteil führt. Entgegen ihrer Ansicht hat die Beklagte in Berufungsschrift und -begründung nirgendwo zum Ausdruck gebracht, dass die Berufung sich nur teilweise im Sinne einer beschränkten Anfechtung gegen das arbeitsgerichtliche Urteil wende. Allein der Umstand, dass erhebliche Streitteile des erstinstanzlichen Urteils in der Berufungsbegründung nicht inhaltlich angegriffen werden, führt zur teilweisen Unzulässigkeit des Rechtsmittels, aber nicht zur Annahme einer von vornherein beschränkt eingelegten Berufung. Insoweit gilt selbst bei unterbliebener Antragsformulierung der Grundsatz, dass eine Berufung im Zweifel unbeschränkt so umfassend eingelegt wird, wie die Berufungsklägerin durch die erstinstanzliche Entscheidung beschwert ist (BGH vom 12.08.2020 - VII ZB 5/20, juris, Rz. 17; BGH vom 26.06.2019 - VII ZB 61/18, juris, Rz. 9; Zöller/Heßler, ZPO, 34. Auflage, § 520 Rn. 30). Im vorliegenden Fall kommt wie ausgeführt sogar eine unzweideutig das Urteil des Arbeitsgerichts auch umfassend angreifende Antragstellung hinzu.
Indem die Beklagte ihre Antragstellung dann nach Hinweis auf die teilweise Unzulässigkeit des Rechtsmittels mangels hinreichender Begründung angepasst und auf den nunmehr in der Berufung noch zu entscheidenden Streitteil begrenzt hat, hat sie das ursprünglich umfassende Rechtsmittel teilweise zurückgenommen. Die Berufungsrücknahme muss nicht als solche formuliert werden, es reicht aus, wenn klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird, dass das Rechtsmittel - teilweise - nicht mehr weiterverfolgt und insoweit ohne Entscheidung des Rechtsmittelgerichts beendet werden soll (BGH vom 15.03.2006 - IV ZB 38/05, juris, Rz. 15; HK-ZPO/Wöstmann, 9. Auflage, § 516 Rn. 2). Das ist im Schriftsatz vom 20.10.2022 "vorsorglich", also für den eingetretenen Fall, dass das Berufungsgericht nicht schon von vornherein von einer nur beschränkt eingelegten Berufung ausgeht, zum Feststellungsantrag und zu dem Vergütungsanspruch für Juni 2022 durch die Prozessbevollmächtigten ausdrücklich erklärt worden. Darin liegt eine teilweise Berufungsrücknahme. Die Kostenfolge für diesen Streitteil folgt dann aus § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Bei der Teilrücknahme findet § 516 Abs. 3 Satz 2 ZPO keine Anwendung (HK-ZPO/Wöstmann, 9. Auflage, § 516 Rn. 15), so dass der Ausspruch der Kostenfolge Teil der Schlussentscheidung durch das Berufungsurteil wird.
IV.
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 1 ArbGG. Ein Zulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegt nicht vor, insbesondere betrifft die Entscheidung weder entscheidungsrelevante Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG noch liegt eine Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vor.
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