Beschluss vom 22.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234793
Landesarbeitsgericht Thüringen - Aktenzeichen 1 Sa 25/23
Liegen die formellen Voraussetzungen für eine Vergleichsfeststellung nach § 278 Abs. 6 ZPO nicht vor, ist der dennoch erfolgte Vergleichsbeschluss unrichtig, kommt nach § 278 Abs. 6 S. 3 ZPO i.V.m. § 164 Abs. 1 ZPO eine Berichtigung in Betracht.
Tenor:
In dem Rechtsstreit
wird der Beschluss vom 01.03.2023 gemäß § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO in Verbindung mit § 164 Abs. 1 ZPO dahingehend berichtigt, dass das Zustandekommen eines verfahrensbeendenden Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO nicht festgestellt werden konnte.
Gründe
I.
Mit Schriftsatz vom 22.02.2023 (Bl. 323 der Akte) bat die Beklagte das Gericht, den Parteien im schriftlichen Verfahren gemäß § 278 Abs. 6 Alt. 2 ZPO einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Der Vergleichsvorschlag mit 28 Ziffern war in dem Schriftsatz ausformuliert. Entsprechend dieser Bitte unterbreitete das Gericht den Parteien am 22.02.2023 (Bl. 331 der Akte) einen inhaltsgleichen Vergleichsvorschlag und wies darauf hin, dass dieser Vergleich wirksam werde, wenn er von den Parteien durch Schriftsatz an das Gericht bis zum 10.03.2023 angenommen wird. Mit Schriftsatz vom 28.02.2023 (Bl. 334 der Akte) teilte die Klägerin mit, dass sich die Parteien außergerichtlich geeinigt hätten. Unter Mitteilung der identischen 28 Vergleichsziffern bat sie um einen feststellenden Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO. Mit weiterem Schriftsatz vom 01.03.2023 (Bl. 342 der Akte) nahm die Klägerin den Vergleichsvorschlag des Gerichts vom 22.02.2023 an.
Mit Beschluss vom 01.03.2023 (Bl. 344 f. der Akte) stellte das Gericht das Zustandekommen des Vergleichs fest. Auf telefonische Nachfrage der Beklagtenseite wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 06.03.2023 (Bl. 346 der Akte) darauf hingewiesen, dass die gerichtliche Feststellung nach der 1. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO erfolgt sei.
Mit Antrag vom 09.03.2023 (Bl. 352 ff. der Akte) begehrt die Beklagte nunmehr Berichtigung des Beschlusses vom 01.03.2023. Fälschlicherweise sei das Zustandekommen eines Vergleichs festgestellt worden. Vorsorglich erklärt sie die Anfechtung des Vergleichs und beantragt hilfsweise die Aufhebung des Beschlusses vom 01.03.2023.
Zur Begründung verweist die Beklagte darauf, mit ihrem Schriftsatz vom 22.02.2023 habe sie ausdrücklich um ein Vorgehen des Gerichts nach der 2. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO gebeten. Ein Vorgehen nach der 1. Alternative sei ersichtlich nicht gewollt gewesen. Da die Beklagte den gerichtlichen Vergleichsvorschlag (bislang) nicht angenommen habe, könne auch nach der 2. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO ein Zustandekommen des Vergleichs nicht festgestellt werden.
Die Klägerseite hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schriftsatz vom 20.03.2023 beantragt sie die Zurückweisung des Berichtigungsantrags. Sie führt an, die Parteien hätten sich außergerichtlich geeinigt. In einem solchen Fall stelle das Gericht die erfolgte Einigung fest und mache diese durch Beschluss zu einem Prozessvergleich. Die Annahmeerklärung vom 01.03.2023 sei nur aus Gründen anwaltlicher Vorsicht erfolgt und ändere nichts daran, dass bereits zuvor durch Einreichung der wechselseitigen Schriftsätze alle notwendigen Erklärungen für einen Vergleichsschluss abgegeben worden seien.
II.
Auf Antrag der Beklagten war der Feststellungsbeschluss vom 01.03.2023 gemäß § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO in Verbindung mit § 164 Abs. 1 ZPO dahingehend zu berichtigen, dass ein verfahrensbeendender Vergleich zu diesem Zeitpunkt noch nicht zustande gekommen war.
Besteht Streit über das Zustandekommen eines verfahrensbeendenden Vergleichs, können die Parteien die Unwirksamkeit des Vergleichs mittels eines Antrags auf Fortsetzung des Rechtsstreits geltend machen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 33. Auflage 2020, § 278 Rn. 35a). Geht es allerdings nicht um die materiell-rechtliche Wirksamkeit des Vergleichs oder um eine Anfechtung der zum Vergleich führenden Willenserklärungen, sondern wie hier - darum, ob die formellen Voraussetzungen für einen Feststellungsbeschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO im schriftlichen Verfahren vorlagen, kommt nach dem Gesetzeswortlaut auch eine Berichtigung in Anlehnung an die Protokollberichtigung gemäß § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO in Verbindung mit § 164 Abs. 1 ZPO in Betracht (Thomas/Putzo, ZPO, 40. Auflage 2019, § 278 Rn. 18; Abramenko NJW 2003, 1356, 1357). Denn der feststellende Beschluss des Gerichts nach § 278 Abs. 6 ZPO hat letztlich die gleiche Funktion wie das Verhandlungsprotokoll. Stellt der Beschluss in unrichtiger Weise etwas fest, was tatsächlich nicht der Rechtslage entspricht, kann der Beschluss nach § 164 Abs. 1 ZPO nach Anhörung der Beteiligten - berichtigt werden.
Mit der Beklagten ist das Gericht der Auffassung, dass ein Zustandekommen des gerichtlichen Vergleichs am 01.03.2023 nicht festzustellen war. Der Beschluss ist unrichtig und daher zu berichtigen.
Das Gesetz unterscheidet in § 278 Abs. 6 ZPO zwei Varianten für das Zustandekommen eines gerichtlichen Vergleichs im schriftlichen Verfahren. Nach der 1. Alternative können die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten. Nach der 2. Alternative ist ein Vergleichsschluss auch dadurch möglich, dass die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts diesem gegenüber durch Schriftsatz annehmen.
Zwar hat das Gericht in Anbetracht der gleichlautenden Vergleichstexte, welche die Parteien mit ihren Schriftsätzen vom 22.02. und 28.02.2023 zur Akte gereicht haben, ein Zustandekommen des Vergleichs nach der 1. Alternative angenommen. Denn wenn beide Seiten gleichlautende Vergleichstexte zur Akte reichen, kommt es ihnen in aller Regel nicht wesentlich darauf an, nach welcher Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO vorgegangen wird. Dass das Gericht auch ohne Abwarten der Annahmefrist das Zustandekommen des Vergleichs feststellte, erfolgte auch vor dem Hintergrund der Mitteilung der Klägerseite, dass der übereinstimmend mitgeteilte, 28 Ziffern umfassende Text der außergerichtlichen Einigung der Parteien entspräche.
Die Voraussetzungen für einen Vergleichsschluss nach der 1. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO lagen jedoch tatsächlich nicht vor, da es an einem eigenen Vergleichsvorschlag der Beklagten fehlte. Denn wie die Beklagtenseite nunmehr klargestellt hat, kam es der Beklagten sehr wohl auf ein Vorgehen nach der 2. Alternative an. Mit Schriftsatz vom 22.02.2023 hat die Beklagte ausdrücklich um die Unterbreitung eines gerichtlichen Vorschlags zur Einleitung eines Vorgehens nach der 2. Alternative gebeten. Nach dem objektiven Empfängerhorizont konnte diese Bitte um Unterbreitung eines gerichtlichen Vorschlags nicht ohne weiteres als eigener Vorschlag der Beklagten nach der 1. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO verstanden werden.
Ein Zustandekommen des Vergleichs nach der 2. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Ausschließlich die Klägerseite hat den gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 22.02.2023 angenommen. Eine Annahme auch der Beklagtenseite fehlt nach wie vor.
Entgegen der Auffassung der Klägerseite kommt es nicht darauf an, was die Parteien außergerichtlich miteinander vereinbart haben. Nicht die außergerichtliche Einigung der Parteien führt zu einem Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren, sondern nur entsprechende Erklärungen gegenüber dem Gericht unter Einhaltung der formellen Anforderungen in § 278 Abs. 6 ZPO. Diese lagen - wie ausgeführt - zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht vor.
III.
Antragsgemäß wurde zwischenzeitlich die Frist zur Annahme des gerichtlichen Vergleichsvorschlags für die Beklagtenseite verlängert. Angesichts der Vergleichsbereitschaft auf beiden Seiten wird derzeit von einer Terminierung des Rechtsstreits abgesehen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.