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Beschluss vom 13.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234788

Landesarbeitsgericht Hamm - Aktenzeichen 14 Ta 35/23

Zwar ist nach der auf den ursprünglich gestellten Antrag hin erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Falle des nachfolgenden Abschlusses eines Mehrvergleichs ein neuer Antrag erforderlich. Dieser kann aber von der Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, auch konkludent gestellt werden. Ein solcher konkludenter Antrag kann regelmäßig den Erklärungen der Partei im Rahmen des Vergleichsschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO im Wege der Auslegung entnommen werden.

Ein konkludenter Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf einen Mehrvergleich liegt noch nicht vor, wenn die Partei vor der Bewilligungsentscheidung mitteilt, dass ein Vergleich beabsichtigt ist, ohne auf einen Mehrvergleich hinzuweisen.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 12. Dezember 2022 (9 Ca 929/22) abgeändert.

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich vom 7. Juni 2022 unter Beiordnung von Rechtsanwältin Kaya aus Dortmund mit der Maßgabe bewilligt, dass der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.



Gründe



I. Der Kläger erhob unter dem 21. März 2022 eine Kündigungsschutzklage gegen eine ordentliche Kündigung vom 28. Februar 2022 verbunden mit einem Antrag auf Weiterbeschäftigung und Verurteilung zur Entfernung einer Abmahnung. Unter dem 27. April 2022 erweiterte er die Klage um Anträge auf Zahlung von Lohn auf den Monat März 2022 und Abrechnung für diesen Monat.



Bereits mit der Klageschrift hatte der Kläger unter Beifügung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Mit Schriftsatz vom 27. April 2022 bat er um deren Gewährung auch für die Klageerweiterung. Unter dem 5. Mai 2022 bat er um kurzfristige Entscheidung über diesen Antrag (vgl. Schriftsatz vom selben Tage, Bl. 29 PKH-Beiheft). Es sei sehr wahrscheinlich, dass die Parteien im Kürze einen Vergleich schließen, so dass der für den 23. Mai 2022 anberaumte Gütetermin nicht stattfinden werde. Seine Prozessbevollmächtigte hatte telefonisch bereits am Vortag um Bewilligung wegen vielversprechender Vergleichsgespräche gebeten (vgl. Vermerk vom 4. Mai 2022, Bl. 30 PKH-Beiheft).



Durch Beschluss vom 17. Mai 2022 bewilligte das Arbeitsgericht "dem Kläger mit Wirkung vom 14.04.2022 für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe" und ordnete "zur Wahrnehmung der Rechte in dieser Instanz ausschließlich der Zwangsvollstreckung" seine Prozessbevollmächtigte bei.



Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2022 (vgl. Bl. 48 ff. d. A.) teilte der Kläger mit, dass die Parteien sich außergerichtlich verständigt hätten, und bat darum, den nachfolgenden Vergleichstext als gerichtlichen Vorschlag zu unterbreiten und gemäß § 278 Abs. 6 ZPO zu verfahren. In dem Vergleich war neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2022, der Zahlung einer Abfindung sowie der ordnungsgemäßen Abrechnung der Monate März und April 2022 noch die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit der Note "Gut" vereinbart, verbunden mit einem Vorschlagsrecht des Klägers und einem auf wichtige Gründe beschränkten Recht der Beklagten zu einer Abweichung von dem Vorschlag. Auf den entsprechenden Vergleichsvorschlag des Gerichts teilte die Beklagte mit, dass dem Vorschlag nur zugestimmt werden könne, wenn dieser um Regelungen zur Urlaubsgewährung und zu einer Ausgleichsklausel ergänzt werde. Nachdem der Kläger hiermit sein Einverständnis unter dem 3. Juni 2022 erklärt hatte, stellte das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 7. Juni 2022 (vgl. Bl. 60 f. d. A.) den vorgenannten Vergleich fest.



Mit Schreiben vom 9. Juni 2022 teilte das Arbeitsgericht außerdem der Klägervertreterin mit, dass es als Streitwert für das Verfahren im Allgemeinen 12.598,20 Euro und für den Vergleich 15.002,20 Euro für angemessen erachte, Letzteren unter Berücksichtigung einer weiteren Monatsvergütung für die Erteilung eines inhaltlich geregelten qualifizierten Endzeugnisses (vgl. Bl. 63 f. d. A.). Auf der Grundlage dieser mitgeteilten Werte beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung von Gebühren und Auslagen. Nachdem es zu einem Schriftwechsel über die Kostenberechnung gekommen war, teilte das Arbeitsgericht mit Schreiben vom 30. November 2022 (vgl. Bl. 41 f. PKH-Beiheft) mit, dass "nach Vorlage durch die Rechtspflegerin der PKH-Streitwert erneut überprüft" worden sei. Da sich der Bewilligungsbeschluss vom 17. Mai 2022 nicht auf einen Vergleich erstrecke und Vergleichsabsichten erst ab dem 18. Mai 2022 nach Bewilligung gerichtsbekannt geworden seien, könne der PKH-Streitwert nur der des Verfahrens sein; er werde entsprechend korrigiert. Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2022 (vgl. Bl. 46 f. PKH-Beiheft) bat der Kläger um Erstreckung des Prozesskostenhilfebeschlusses auch auf den abgeschlossenen Vergleich. Durch den hier angefochtenen Beschluss wies das Arbeitsgericht diesen Antrag zurück. Der gegen diesen Beschluss gerichteten sofortigen Beschwerde vom 19. Januar 2022 (vgl. Bl. 82 ff. PKH-Beiheft), welche am selben Tag über das beA der Klägervertreterin an das Arbeitsgericht übermittelt wurde (vgl. Prüfvermerk, Bl. 81 PKH-Beiheft), half das Arbeitsgericht nicht ab.



II. Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ZPO, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 12. Dezember 2022 ist auch begründet. Dem Kläger war für den Mehrvergleich vom 7. Juni 2022 ebenfalls Prozesskostenhilfe zu bewilligen.



Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat der Kläger vor der Feststellung des Vergleichs durch den Beschluss vom 7. Juni 2022 und damit vor Beendigung des Rechtsstreits die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich beantragt. Zwar ist nach der auf den ursprünglich gestellten Antrag hin erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Falle des nachfolgenden Abschlusses eines Mehrvergleichs ein neuer Antrag erforderlich. Dieser kann aber von der Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, auch konkludent gestellt werden. Ein solcher Antrag kann regelmäßig den Erklärungen der Partei im Rahmen des Vergleichsschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO im Wege der Auslegung entnommen werden. (vgl. LAG Hamm 20. Dezember 2022 - 14 Ta 194/22 - juris, Rn. 8 ff.).



Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.



1. Hat das Arbeitsgericht über einen zuvor gestellten Antrag entschieden und wurde durch eine Klageerweiterung, Widerklage oder einen Mehrvergleich ein werterhöhender Streitgegenstand in den Prozess neu eingeführt wird, bedarf es eines erneuten Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bezogen auf diesen Streitgegenstand. Einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung für eine bestimmte Instanz bezieht sich regelmäßig nur auf die bereits rechtshängigen Streitgegenstände oder die Streitgegenstände, die gleichzeitig mit der Antragstellung anhängig gemacht werden. Dies gilt für die Rechtsverfolgung durch die klagende wie für die Rechtsverteidigung der beklagten Partei. Nur für die bereits anhängigen Ansprüche kann das Gericht typischerweise die Erfolgsaussichten von Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung prüfen. Trifft das Gericht in einem solchen Fall eine Entscheidung über die Prozesskostenhilfe, beschränkt sich die Bewilligung auf diese Streitgegenstände, soweit es nicht ausdrücklich etwas anderes ausspricht (vgl. BAG 30. April 2014 - 10 AZB 13/14 - juris, Rn. 15) Insoweit folgt die Beschwerdekammer der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. LAG Hamm 20. Dezember 2022 - 14 Ta 194/22 - juris, Rn. 9; noch offen gelassen in LAG Hamm 10. Februar 2014 - 14 Ta 310/13 - juris, Rn. 14).



Danach hat das Arbeitsgericht im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten des Klägers keine Prozesskostenhilfe für den späteren Mehrvergleich mit seinem Bewilligungsbeschluss vom 17. Mai 2022 gewährt. Zum einen fehlt es an der nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts notwendigen, sich direkt aus dem Tenor oder - soweit vorhanden - aus den Gründen des Beschlusses ergebenden Erstreckung auf einen Mehrvergleich (vgl. BAG 30. April 2014 - 10 AZB 13/14 - juris, Rn. 21). Darüber hinaus lag ein konkludenter Bewilligungsantrag zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vor. Sowohl telefonisch am 4. Mai 2022 als auch schriftsätzlich unter dem 5. Mai 2022 hatte die Bevollmächtigte des Klägers lediglich einen möglichen Vergleichsschluss erwähnt, nicht aber auf einen Mehrvergleich hingewiesen.



2. Die Erstreckung auf die zum einen mit Klageerhebung gestellten Anträge, zum anderen auf Klageerweiterungen und/oder Mehrvergleiche, die zum Zeitpunkt der erstmaligen Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag bereits vorliegen, gilt unabhängig davon, ob die Partei einen ausdrücklichen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Gegenstände des Rechtsstreits oder des Vergleichs gestellt hat, die erst nach dem erstmals gestellten Bewilligungsantrag in den Rechtsstreit eingeführt wurden. Der Wille der Partei, die nicht in der Lage ist, die Kosten des Verfahrens über die bereits anhängigen Streitgegenstände zu tragen, wird in einem solchen Fall regelmäßig darauf gerichtet sein, auch für solche Anträge und/oder für die weiteren durch den Vergleich miterledigten Streitpunkte Prozesskostenhilfe bewilligt zu bekommen, sodass eine entsprechende Auslegung ihres Antrags naheliegt. Für eine gegenteilige Annahme, sie wäre in der Lage, die Kosten für die werterhöhenden Anträge und/oder Vergleichsregelungen zu übernehmen, und wolle deshalb hierfür keine Prozesskostenhilfe beantragen, fehlt - von Ausnahmefällen abgesehen - jegliche Grundlage (vgl. BAG 30. April 2014 - 10 AZB 13/14 - juris, Rn. 16 f.; LAG Hamm 10. Februar 2014 - 14 Ta 310/13 - juris, Rn. 12 ff.).



3. Nach Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (16. September 2019 - 4 Ta 67/19 - juris, Rn. 14 ff.) ist eine konkludente Antragstellung in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem ein Vergleich außerhalb der mündlichen Verhandlung gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wird, nicht möglich. Dagegen spreche, dass das Bundesarbeitsgericht bislang nur einen konkludenten Antrag anerkannt habe, der einen bereits ausdrücklich gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe inhaltlich modifiziert. Wenn das Gericht über den Ausgangsantrag entschieden habe, könne dieser nicht mehr "erweiternd" ausgelegt werden; der Antrag sei dann "weg" bzw. "erledigt". Der Antragsteller wisse in einem solchen Fall, dass er (erneut) aktiv werden müsse, wenn er eine inhaltliche Erweiterung des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erreichen will (ebenso LAG Baden-Württemberg 1. Oktober 2010 - 18 Ta 3/10 - juris, Rn. 13 f.). Ferner sei zu beachten, dass das Prozesskostenhilfeverfahren formalisiert ausgestaltet sei; damit würde es sich nicht vertragen, wenn man quasi automatisch einen konkludenten Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Mehrwert annehmen wollte. Dieser Antrag könne auch zeitlich ohne Einschränkung - § 321 ZPO entsprechend gelte hier nicht - gestellt werden. Werde z.B. am Anfang des Prozesses Prozesskostenhilfe beantragt und erst ein Jahr später der Vergleich geschlossen, lasse sich auch nicht ohne weiteres annehmen, dass sich an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nichts geändert habe. Eine Prüfung derselben erfordere einen hinreichend deutlichen Antrag.



4. Der vorstehend genannten Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts wird nicht gefolgt.



a) Ist für die Klage Prozesskostenhilfe bewilligt worden und kommt es danach in der mündlichen Verhandlung zum Abschluss eines Mehrvergleichs, ist der ausdrückliche Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtzeitig vor Beendigung der Instanz gestellt, wenn er noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gestellt wird, denn erst mit Schluss der mündlichen Verhandlung ist das Verfahren im Hinblick auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beendet (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 3 AZB 34/11 - juris, Rn. 12). Abgeschlossen ist die Instanz hinsichtlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Vergleich erst dann, wenn die mündliche Verhandlung, in welcher der Vergleich protokolliert wird, geschlossen ist. Zwar endet die Rechtshängigkeit in der Hauptsache mit dem Abschluss des Vergleichs. Vor dem Vergleichsschluss steht jedoch nicht endgültig fest, ob ein Vergleichsmehrwert anfällt, so dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hierfür erst nach dem Vergleichsschluss erfolgen kann. Deshalb genügt es, auch den Antrag, Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert zu bewilligen, erst nach der Protokollierung des Vergleichs bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen (vgl. BAG aaO., Rn. 15).



b) Übertragen auf den Vergleichsschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO endet in einem solchen Fall die Möglichkeit einer Beantragung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich in dem Moment, in dem das Gericht das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs durch Beschluss feststellt. Durch diesen Beschluss endet im Unterschied zur mündlichen Verhandlung nicht nur die Rechtshängigkeit der Hauptsache, sondern auch das Verfahren, für das Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann. Allerdings hat die Partei bis dahin die Möglichkeit, mit der Unterbreitung des Vergleichsvorschlages oder der Zustimmung zu einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag zugleich die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich vor dem Beschluss und damit noch rechtzeitig vor Beendigung der Instanz zu beantragen (vgl. LAG Hamm 20. Dezember 2022 - 14 Ta 194/22 - juris, Rn. 11).



c) Dabei ist in der Regel im Wege der Auslegung der Unterbreitung eines Vergleichsvorschlages, der einen Mehrvergleich enthält, durch die Partei, der bereits Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, ihrer Zustimmung zu einem solchen Vorschlag der Gegenseite oder zu einem entsprechenden gerichtlichen Vergleichsvorschlag der konkludente Antrag zu entnehmen, auch hierfür Prozesskostenhilfe zu erhalten. Ihr Wille wird nach bereits erfolgter Bewilligung regelmäßig - weiter - darauf gerichtet sein, für die zusätzlich durch den Vergleich miterledigten Streitpunkte Prozesskostenhilfe bewilligt zu bekommen, so dass eine entsprechende Auslegung der Erklärungen im Zusammenhang mit einem Vergleichsschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO naheliegt. Für die gegenteilige Annahme, die Partei sei nunmehr in der Lage, die zusätzlich entstehenden Kosten ohne Prozesskostenhilfe zu tragen, fehlt - von Ausnahmefällen abgesehen - auch hier jegliche Grundlage (vgl. LAG Hamm 20. Dezember 2022 - 14 Ta 194/22 - juris, Rn. 12). Das gilt insbesondere dann, wenn wie vorliegend erst einen Tag vor Abgabe dieser Erklärungen eine Bewilligung wegen gerichtlich festgestellter Bedürftigkeit erfolgt ist.



d) Entgegen der Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichts ist eine konkludente Antragstellung nicht ausgeschlossen.



aa) Die Tatsache, dass das Bundesarbeitsgericht einen konkludenten Bewilligungsantrag bislang nur für den Fall anerkannt hat, der einen bereits ausdrücklich gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe inhaltlich modifiziert, bevor über diesen entschieden wurde, ist dem Umstand geschuldet, dass es über die vorliegende Fallkonstellation einer konkludenten Antragstellung nach bereits erfolgter Prozesskostenhilfebewilligung noch nicht entscheiden musste. Dies spricht nicht gegen die allgemein im Zivilprozessrecht übliche Vorgehensweise, Prozesshandlungen der Parteien auszulegen und festzustellen, ob diesen bestimmte prozessrelevante Erklärungen konkludent zu entnehmen sind.



bb) Des Weiteren geht es nicht um die Auslegung des ursprünglich gestellten und bereits vom Gericht beschiedenen Prozesskostenhilfeantrags. Dieser ist durch die Bewilligungsentscheidung erledigt. Gegenstand der Auslegung sind die Erklärungen der bedürftigen Partei im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO, der einen Mehrwert enthält.



cc) Es ist zutreffend, dass die Partei und - zumindest - ihr beigeordnete Prozessbevollmächtigte nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wissen, dass sie aktiv werden müssen, wenn sie eine inhaltliche Erweiterung des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erreichen wollen. Das entbindet das Gericht jedoch nicht davon, bei einer fehlenden ausdrücklichen Antragstellung zu prüfen, ob den Erklärungen der Partei im Zusammenhang mit dem Vergleichsschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO eine solche Antragstellung konkludent zu entnehmen ist. Dies ist aber regelmäßig der Fall.



(1) Für den Fall, dass eine Bewilligung noch nicht erfolgt ist, bevor der Vergleich festgestellt wird, ist mangels besonderer Anhaltspunkte in der Regel davon auszugehen, dass eine Partei, die einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat, diesen auch auf dem Mehrwert eines im weiteren Verlauf des Prozesses geschlossenen Vergleichs erstreckt wissen will, von dem weitere Gegenstände erfasst werden, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Streitgegenstand stehen (vgl. LAG Hamm 10. Februar 2014 - 14 Ta 310/13 - juris, Rn. 15).



(2) Ebenso kann ein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts konkludent nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt werden (vgl. dazu LAG Hamm 15. Dezember 2014 - 14 Ta 510/14 - juris, Rn. 7 ff.). Bereits der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, den eine bedürftige Partei durch einen Prozessbevollmächtigten stellt, ist regelmäßig so zu verstehen, dass der Prozessbevollmächtigte im Rahmen der zu bewilligenden Prozesskostenhilfe beigeordnet werden will. Eine solche stillschweigende Beantragung der Beiordnung liegt selbst dann vor, wenn kein Anwaltszwang besteht (vgl. LAG Schleswig-Holstein 24. Januar 2011 - 4 Ta 2/11 - juris, Rn. 8; LAG Niedersachsen 24. September 1998 - 2 Ta 314/98 - juris, Rn. 15; OVG Berlin-Brandenburg 30. März 2010 - OVG 11 M 16.10 - juris, Rn. 2). Das gilt auch im umgekehrten Fall, dass die bereits anwaltlich vertretene Partei im Verfahren selbst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt; dieser Bewilligungsantrag enthält einen konkludenten Beiordnungsantrag (vgl. LAG Hamburg 27. Dezember 2018 - 5 Ta 15/18 - juris, Rn. 19). Nach einer vorherigen Beiordnung im Hauptverfahren ist bei einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung anzunehmen, dass damit zugleich die Beiordnung des Anwalts beantragt wird (vgl. OLG Bamberg 25. Juni 1986 - 2 WF 174/86 - JurBüro 1987, 139). Ein stillschweigender Beiordnungsantrag liegt weiter vor, wenn ein Anwalt für eine bedürftige Partei tätig wird, indem er unter Bezugnahme auf die bereits erfolgte Prozesskostenhilfebewilligung, welche die Partei ohne anwaltliche Vertretung beantragt und erhalten hat, Klage erhebt. Damit wird zugleich stillschweigend namens der Partei um die Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe nachgesucht (vgl. OVG Saarland 9. September 2011 - 2 D 384/11 - juris, Rn. 12). Wenn eine Partei selbst Prozesskostenhilfe beantragt und bewilligt erhalten hat und ihr Prozessbevollmächtigter später ihre Vertretung anzeigt, liegt mit der Vertretungsanzeige ein stillschweigender Beiordnungsantrag vor (vgl. LAG Hamm, aaO., Rn. 9).



Tragender Gesichtspunkt in all diesen Fällen ist, dass für die Auslegung der vorgenannten Prozesshandlungen der Partei und/oder ihrer Bevollmächtigen dahingehend, Letzterer habe in Kenntnis der Bewilligung und der wirtschaftlichen Bedürftigkeit seiner Partei gleichwohl außerhalb einer Beiordnung tätig werden wollen, jeglicher Anhaltspunkt fehlt. Es kann nicht ernstlich angenommen werden, dass eine Partei den Willen hat, sich von den Gerichtskosten befreien zu lassen, jedoch bei ihr die Bereitschaft besteht und sie auch nur in der Lage ist, die deutlich höheren Anwaltskosten zu zahlen. Es ist daher fernliegend und lebensfremd anzunehmen, dass eine Partei, die selbst einen Prozesskostenhilfeantrag stellt, nicht zugleich (konkludent) eine Beiordnung beantragt, wenn ein Bevollmächtigter für sie nach Bewilligung tätig wird (vgl. LAG Hamm 15. Dezember 2014 - 14 Ta 510/14 - juris, Rn. 8).



(3) Für den Fall, dass über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch nicht entschieden wurde, ist aus diesem Grund ebenfalls nicht ersichtlich, warum eine Partei lediglich hinsichtlich eines Teils des Vergleichs die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehren sollte (vgl. LAG Hamm 10. Februar 2014 - 14 Ta 310/13 - juris, Rn. 15). Entsprechendes gilt, wenn wie im vorliegenden Fall eine Partei Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten erhalten hat und in der Folgezeit Prozesshandlungen vornimmt, die den Streitwert bzw. den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit erhöhen. Einer Partei, die Prozesskostenhilfe erhalten hat, zu unterstellen, sie wolle für die dadurch verursachten zusätzlichen Gerichts- und Anwaltskosten keine Prozesskostenhilfe haben, obwohl sie bedürftig ist, ist fernliegend (vgl. LAG Hamm 20. Dezember 2022 - 14 Ta 194/22 - juris, Rn. 20).



dd) Die als "formalisiert" bezeichnete Ausgestaltung des Prozesskostenhilfebewilligungsverfahrens steht der Möglichkeit einer konkludenten Antragstellung nicht entgegen. Formalisiert ist in § 117 ZPO lediglich die Verwendung des Vordrucks, nicht aber die Antragstellung. § 115 ZPO trifft inhaltliche Regelungen für die Ermittlung des einzusetzenden Einkommens und Vermögens sowie die Bemessung der Ratenhöhe; eine "starke" Formalisierung ist deswegen nicht erkennbar (vgl. LAG Hamm 10. Februar 2014 - 14 Ta 310/13 - juris, Rn. 8). Sie vermag zudem nichts darüber auszusagen, ob Erklärungen der Partei im Prozess im Wege der Auslegung eine konkludente Antragstellung zu entnehmen ist oder nicht. Dass dies in Fallkonstellationen wie der vorliegenden bei lebensnaher Betrachtung regelmäßig der Fall ist, weil es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass eine bedürftige Partei nunmehr bereit und vor allem in der Lage ist, die zusätzlichen Kosten aufgrund des Mehrvergleichs zu tragen, führt noch nicht zu einem Automatismus (vgl. LAG Hamm 20. Dezember 2022 - 14 Ta 194/22 - juris, Rn. 21).



ee) In dem Fall, dass am Anfang des Prozesses Prozesskostenhilfe beantragt und erst ein Jahr später ein (Mehr)Vergleich geschlossen wird, ist es zutreffend, dass sich nicht ohne weiteres annehmen lässt, an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Partei habe sich nichts geändert habe. Ob dieser Umstand dann zu einer ausdrücklichen Antragstellung zwingt, wie das Hessische Landesarbeitsgericht meint, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Dieser Fall ist nicht vergleichbar mit dem vorliegenden, in dem ein Kündigungsschutzverfahren ohne gerichtliche Verhandlung binnen zweieinhalb Monaten ab Klageerhebung und drei Wochen ab Bewilligung durch einen außergerichtlich vereinbarten und sodann gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich beendet wird. Selbst wenn das Arbeitsgericht Zweifel an der weiterhin bestehenden Bedürftigkeit gehabt haben sollte, hätte es diese im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO (vgl. dazu allgemein LAG Hamm 17. Juni 2013 - 14 Ta 77/13 - juris; 5. September 2022 - 14 Ta 179/22 - juris) durch entsprechende Hinweise und Auflagen klären können und müssen. An dem Umstand, dass nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens die klagende Partei grundsätzlich auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe angewiesen war und deswegen zusätzlich durch den Vergleich entstehenden Kosten voraussichtlich nicht würde tragen können, ändert dies nichts (vgl. LAG Hamm 20. Dezember 2022 - 14 Ta 194/22 - juris, Rn. 22).



e) Der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 18. Mai 2022 einen Vergleichstext zur Übernahme für einen gerichtlichen Vorschlag formuliert, der einen Mehrvergleich beinhaltete, und mit Schriftsatz vom 3. Juni 2022 den diesen Mehrvergleich weiterhin beinhaltenden Vorschlag des Gerichts (und die von der Beklagten vorgeschlagenen Änderungen) vor Feststellung des Vergleichsschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO angenommen. Damit hat er zugleich konkludent die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. War danach bereits vor der Feststellung des Vergleichs durch Beschluss vom 7. Juni 2022 die Erstreckung der Prozesskostenhilfebewilligung auf den Mehrvergleich beantragt, war hierüber nach Abschluss des Rechtsstreits zugunsten des Klägers zu entscheiden. Der Abschluss des Vergleichs diente der Rechtsverfolgung.



f) Diese Rechtsverfolgung bot auch hinreichende Aussicht auf Erfolg und war nicht mutwillig. Wird Prozesskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs beantragt, kommt es für die erforderliche Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Abs. 1 ZPO nicht darauf an, ob der Prozesspartei, wäre über den zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstand ein Prozess geführt worden, Erfolgsaussichten zur Seite stünden oder nicht. Vielmehr besteht eine Erfolgsaussicht dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 3 AZB 34/11 - juris, Rn. 21).



Das ist hier der Fall. Die Einbeziehung der Zeugniserteilung unter gleichzeitiger inhaltlicher Regelung war auch nicht mutwillig. Eine nicht bedürftige Partei hätte zur abschließenden Regelung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Erteilung des Endzeugnisses, insbesondere mit für sie positiven inhaltlichen Vorgaben vereinbart.



g) Hinsichtlich der Bedürftigkeit verbleibt es mangels abweichender Anhaltspunkte bei den Feststellungen des Arbeitsgerichts auf der Grundlage der Erklärung des Klägers vom 10. März 2022.



4. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht. Der Kläger ist nicht beschwert, die Staatskasse hat im Hinblick auf die Bewilligung kein Beschwerderecht nach § 127 Abs. 3 ZPO.

Vorschriften§ 278 Abs. 6 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ZPO, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO, § 321 ZPO, § 117 ZPO, § 115 ZPO, § 139 ZPO, § 114 Abs. 1 ZPO, § 127 Abs. 3 ZPO