Urteil vom 17.01.2023 · IWW-Abrufnummer 234698
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Aktenzeichen 5 Sa 82/22
Ist das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr die hauptsächliche Arbeitsaufgabe, kann die Entziehung der Fahrerlaubnis eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen, sofern eine Wiedererlangung der Fahrerlaubnis zeitlich nicht absehbar und eine anderweitige Beschäftigung auf Dauer nicht möglich ist.
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 05.04.2022 - 3 Ca 217/21 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen personenbedingten Kündigung eines Busfahrers wegen des Verlustes der Fahrerlaubnis.
Der im Jahr 1967 geborene Kläger nahm am 01.09.1984 bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Ausbildung zum Kfz-Elektromechaniker auf und arbeitete bei ihr im Anschluss daran einige Jahre in diesem Beruf. Mit dem zum 01.10.1991 geschlossenen Änderungsvertrag vom 04.10.1991 vereinbarten die Parteien sodann eine Tätigkeit als KOM [Kraftomnibus] - Fahrer, für die sich der Kläger umschulen ließ.
Die Beklagte betreibt in ihrem Zuständigkeitsgebiet den öffentlichen Personennahverkehr und beschäftigt rund 300 Mitarbeiter, von denen etwa 260 als Busfahrer/innen eingesetzt sind. Sie unterhält drei Werkstätten, die sich an verschiedenen Standorten befinden und in denen insgesamt 22 - 24 Beschäftigte tätig sind, davon drei Meister. In den Werkstätten führt die Beklagte sämtliche Wartungsarbeiten und Reparaturen mit Ausnahme größerer Unfallreparaturen durch.
Der Kläger ist seit längerem alkoholkrank. Im Jahr 2011 unterzog er sich einer mehrwöchigen qualifizierten Entgiftungsbehandlung in einer Klinik.
Von Ende Mai 2015 bis März 2017 war der Kläger durchgängig arbeitsunfähig. Während dieses Zeitraums unterzog sich der Kläger im Jahr 2016 nochmals einer qualifizierten Entgiftungsbehandlung in einer Klinik. Im Jahr 2016 wurde ihm überdies die Fahrerlaubnis entzogen. Mit Schreiben vom 27.09.2017 sprach die Beklagte aufgrund der erheblichen Fehlzeiten des Klägers eine Kündigung aus. Nachdem sie von seiner Alkoholerkrankung erfahren hatte, erklärte sie, aus dieser Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten.
Vom 11.01.2018 bis 22.03.2018 unterzog sich der Kläger im F-P-R in R einer Entwöhnungstherapie. Mit Bescheid vom 12.07.2018 wurde der Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung von 30 vorliegt, einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Im Kalenderjahr 2018 war der Kläger insgesamt 26 Wochen arbeitsunfähig.
In dem gerichtlichen Vergleich vom 23.07.2019 (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Aktenzeichen 2 Sa 9/19) vereinbarten die Parteien eine vorübergehende Beschäftigung des Klägers in der Werkstatt, bis alle Voraussetzungen für den Einsatz als KOM-Fahrer, insbesondere der "KOM-Schein", wieder vorliegen, längstens jedoch bis zum 31.10.2019. Im November 2019 erlangte der Kläger die Fahrerlaubnis zurück. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten im Kalenderjahr 2019 summierten sich auf insgesamt etwa 15 Wochen.
Vom 24.02.2020 bis 26.07.2020 war der Kläger arbeitsunfähig. Vom 27.07.2020 bis zum 02.08.2020 befand sich der Kläger im Urlaub. Am 03.08.2020 nahm der Kläger seinen Dienst wieder auf. Nach Antritt der Fahrt führte die Beklagte bei dem Kläger einen Atemalkoholtest durch, der einen Wert von 0,78 ‰ ergab. Die Beklagte zog daraufhin die Polizei hinzu. Im Anschluss daran war der Kläger aufgrund der Diagnose "rezidivierende depressive Störung" arbeitsunfähig. Die Beklagte erteilte dem Kläger mit Schreiben vom 19.08.2020 wegen des Fahrens unter Alkoholeinfluss eine Abmahnung. Die zuständige Behörde entzog ihm erneut die Fahrerlaubnis und machte die Neuerteilung der Fahrerlaubnis davon abhängig, dass der Kläger seine Eignung durch ein ärztliches bzw. medizinisch-psychologisches Gutachten nachweist (vgl. § 13 FeV). Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 21.09.2020 auf, sich beim Betriebsarzt zwecks einer Sonderuntersuchung (Abstinenztest) vorzustellen und bot zwei verschiedene Termine hierfür an. Der Kläger kam dem nicht nach.
Mit Schreiben vom 24.11.2020 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte ordentliche personenbedingte Kündigung des Klägers innerhalb der tarifvertraglichen Frist zum 30.06.2021. Die Beklagte teilte dem Betriebsrat die Beschäftigungszeit des Klägers mit, die Arbeitsaufgabe, das Geburtsdatum, den Familienstand und die Schwerbehinderung nebst Gleichstellung. Zur Begründung der Kündigung verwies sie auf den Vorfall am 03.08.2020 (0,78 ‰ während des Dienstes), auf den Verdacht einer Fortdauer der Alkoholkrankheit und den vom Kläger nicht vorgelegten Abstinenztest. Die Negativprognose leitete die Beklagte aus dem Rückfall des Klägers her.
Unter demselben Datum wandte sich die Beklagte an das zuständige Integrationsamt und beantragte die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers. Mit Bescheid vom 18.03.2021 versagte das Integrationsamt die Zustimmung. Hiergegen legte die Beklagte Widerspruch ein.
Vom 30.03.2021 bis zum 22.06.2021 befand sich der Kläger erneut im F-P-R zur Entwöhnungstherapie. Die Behandler schätzten die Therapie als erfolgreich ein. Eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit sahen sie für den Kläger als geeignet an. Sie empfahlen dem Kläger jedoch, bei der Tätigkeit nichts Schweres zu heben und zu tragen. Im Anschluss an die Entwöhnungstherapie war der Kläger weiterhin arbeitsunfähig.
Im Widerspruchsverfahren erteilte das Integrationsamt im Anschluss an die Verhandlung vom 03.09.2021, an der auch der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung teilnahmen, mit Bescheid vom 03.11.2021 die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung, der Beklagten zugestellt am 08.11.2021. Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Klage beim Verwaltungsgericht.
Mit Schreiben vom 11.11.2021 übersandte die Beklagte dem Betriebsrat den Widerspruchsbescheid des Integrationsamtes und korrigierte das beabsichtigte Kündigungsdatum auf den 30.06.2022. Die Beklagte bezog sich auf die Beteiligung des Betriebsrats in dem Verfahren vor dem Integrationsamt und gab ihm erneut Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 24.11.2021, da er nicht alle Möglichkeiten zur Unterstützung des Klägers, unter anderem durch ein betriebliches Eingliederungsmanagement, als ausgeschöpft ansah. Mit Schreiben vom 11.11.2021, das inhaltlich den beiden Schreiben an den Betriebsrat entspricht, unterrichtete die Beklagte auch die Schwerbehindertenvertretung über die beabsichtigte personenbedingte Kündigung des Klägers. Die Schwerbehindertenvertretung äußerte sich nicht.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 01.12.2021, dem Kläger zugegangen am 03.12.2021, ordentlich zum 30.06.2022. Der Kläger bezog zuletzt eine Bruttovergütung von € 3.300,- monatlich. Er ist geschieden und hat zwei erwachsene Söhne.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, da es keine personenbedingten Gründe gebe. Es fehle schon an einem betrieblichen Eingliederungsmanagement. Die zweite Entwöhnungstherapie in dem F-P-R sei erfolgreich gewesen, was sich aus dem Entlassungsbericht ergebe. Zudem könne der Kläger als Mechatroniker, Hausmeister oder Werkstattmitarbeiter eingesetzt werden. Aus der annähernd 40-jährigen Beschäftigungszeit des Klägers folge jedenfalls eine besondere Fürsorgepflicht der Beklagten. Darüber hinaus habe die Beklagte weder den Betriebsrat noch die Schwerbehindertenvertretung zu der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt. Dem Betriebsrat habe der Entlassungsbericht des F-P-R vom 01.07.2021 nicht vorgelegen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 01.12.2021, zugegangen am 03.12.2021, nicht aufgelöst wurde.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei wirksam. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, seine vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung als Busfahrer zu erbringen. Der Rückfall in die Alkoholabhängigkeit begründe die negative Gesundheitsprognose. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers scheide aus, da die Beklagte nicht sicher sein könne, dass der Kläger seine Arbeit in nüchternem Zustand verrichte. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements sei keine formale Voraussetzung für den Ausspruch einer Kündigung. Die Kündigung hätte dadurch nicht vermieden werden können, da der Kläger nur dann weiterbeschäftigt werden könne, wenn er einen Abstinenznachweis erbringe und daraufhin die Fahrerlaubnis zurückerhalten habe. Der Kläger habe hierzu keinerlei Angaben gemacht, insbesondere nicht zu evtl. Bemühungen, den Abstinenznachweis zu erbringen bzw. sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen. Im Übrigen habe der Kläger seine Mitwirkungspflichten aus der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft) nicht erfüllt. Eine anderweitige Einsatzmöglichkeit bestehe nicht. Die Beklagte könne den Kläger nicht als Monteur in der Werkstatt beschäftigen, da es hierfür notwendig sei, Probefahrten mit Bussen durchzuführen, diese im öffentlichen Straßenverkehr zu bergen oder zu einem anderen Betriebshof bzw. zu einer Fachwerkstatt (z. B. Lackiererei) zu überführen. Hierfür sei zumindest ein Lkw-Führerschein erforderlich. Sämtliche Werkstattmitarbeiter seien abgesehen von einer Ausnahme zumindest im Besitz eines Lkw-Führerscheins. Zudem seien Bereitschaftsdienste zu leisten. Abgesehen davon müsse die Beklagte bei Personalengpässen immer wieder Werkstattmitarbeiter als Busfahrer einsetzen. Selbst ein Mitarbeiter im Haltestellenservice müsse über eine Fahrerlaubnis verfügen, da er mit einem Kleintransporter unterwegs sei. Das Integrationsamt habe ebenfalls anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten geprüft, solche jedoch nicht feststellen können.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die wegen langanhaltender Erkrankung ausgesprochene Kündigung des Klägers sozial ungerechtfertigt sei. Angesichts der Entwöhnungstherapie im F-P-R sei schon zweifelhaft, ob eine negative Zukunftsprognose vorliege. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte habe nicht belegt, dass sie den Kläger nicht anderweitig einsetzen könne, obwohl er seinerzeit vor der Wiedererlangung der Fahrerlaubnis vorübergehend in der Werkstatt gearbeitet habe. Angesichts der Schwerbehinderung des Klägers müsse die Beklagte für einen leidensgerechten Arbeitsplatz sorgen. Der Beklagten sei es zumutbar, den Kläger für eine Tätigkeit in der Werkstatt fortzubilden bzw. umzuschulen. Für Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen gebe es öffentliche Hilfen und Mittel. Des Weiteren habe die Beklagte nicht dargelegt, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement von vornherein aussichtslos gewesen wäre.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Kündigung als unwirksam angesehen. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement diene der Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden könne. Da sich der Kläger aber weigere, einen Abstinenznachweis vorzulegen bzw. die eingeleiteten Maßnahmen mitzuteilen, hätte ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht zu einem anderen Ergebnis führen können. Solange der Kläger seine Fahrerlaubnis nicht wiedererlange bzw. eine zeitliche Perspektive hierfür aufzeige, sei er bei der Beklagten nicht einsetzbar. Die Beklagte gehe davon aus, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung keinen KOM-Schein mehr erhalten werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 05.04.2022 zum Aktenzeichen 1 Ca 217/21 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Nach wie vor habe die Beklagte nicht belegt, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement entbehrlich gewesen sei. Dieses hätte beispielsweise unter Berücksichtigung von zumutbaren Umorganisationsmaßnahmen zu einer Weiterbeschäftigung des Klägers in der Werkstatt führen können. Eine Fahrerlaubnis sei hierfür nicht zwingend notwendig. Zudem habe die Beklagte den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung nicht ausreichend informiert. Die Beteiligung der Gremien in dem Verfahren vor dem Integrationsamt ersetze nicht eine ordnungsgemäße Anhörung.
Die mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2021 erteilte Zustimmung des Integrationsamts hat zwischenzeitlich Bestandskraft erlangt. Das Verwaltungsgericht Greifswald hat dem Antrag des Klägers mit dem - mittlerweile rechtskräftigen - Urteil vom 24.02.2022 nicht entsprochen.
Das Arbeitsgericht Stralsund hat mit Urteil vom 22.06.2022 (Aktenzeichen 4 Ca 74/22) die Klage auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für den in der Kündigungsfrist liegenden Zeitraum 21.01.2022 bis 31.03.2022 abgewiesen. Begründet hat das Arbeitsgericht die Entscheidung mit dem fehlenden Leistungsvermögen des Klägers bezogen auf die arbeitsvertragliche Tätigkeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.12.2021 ist wirksam. Sie verstößt weder gegen § 1 KSchG, § 168 SGB IX, § 102 BetrVG noch gegen § 178 SGB IX.
1.
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).
Als Gründe in der Person, die eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial rechtfertigen können, kommen Umstände in Betracht, die auf den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers beruhen. Eine auf sie gestützte Kündigung kann sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen in seiner Person - die nicht von ihm verschuldet sein müssen - zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung ganz oder teilweise nicht mehr in der Lage ist. In diesen Fällen liegt in der Regel eine erhebliche und dauerhafte Störung des vertraglichen Austauschverhältnisses vor, der der Arbeitgeber, wenn keine andere Beschäftigung mehr möglich ist, mit einer Kündigung begegnen kann (BAG, Urteil vom 10. April 2014 - 2 AZR 812/12 - Rn. 26, juris = NZA 2014, 653; BAG, Urteil vom 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27, juris = EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 22; BAG, Urteil vom 24. Februar 2005 - 2 AZR 211/04 - Rn. 19, juris = NZA 2005, 759).
Der Verlust einer Fahrerlaubnis bei einem Kraftfahrer kann einen personenbedingten Grund zur Kündigung - und sogar einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung - darstellen. Der Verlust des Führerscheins führt zu einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot. Ohne den Führerschein darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Straßenverkehr nicht weiter einsetzen. Der Arbeitnehmer kann seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung als Kraftfahrer (bzw. KOM-Fahrer) nicht mehr erbringen. Sie ist ihm aufgrund des Verlustes der Fahrerlaubnis rechtlich unmöglich geworden (BAG, Urteil vom 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 28, juris = EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 22; LAG Hessen, Urteil vom 1. Juli 2011 - 10 Sa 245/11 - Rn. 27, juris = BB 2011, 2676; LAG Niedersachsen, Urteil vom 9. September 2003 - 13 Sa 699/03 - Rn. 25, juris = LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 19).
Weshalb dem Arbeitnehmer die Fahrerlaubnis entzogen wurde, ist regelmäßig nicht ausschlaggebend. Grund hierfür kann beispielsweise eine Krankheit, aber auch ein Fehlverhalten im Straßenverkehr sein. Zwar können Krankheiten ebenfalls zu einer Störung im Arbeitsverhältnis führen. Bei einem als Kraftfahrer beschäftigten Arbeitnehmer steht jedoch die Fahrerlaubnis im Vordergrund, deren Entzug die weitere Ausübung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit unmöglich macht. Allein die Entziehung der Fahrerlaubnis schließt eine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen aus. Die Ursache des Fahrerlaubnisentzugs kann jedoch für die zu erwartende zeitliche Dauer der Störung im Arbeitsverhältnis von Bedeutung sein.
Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist, sie also durch mildere Mittel abgewendet werden kann. Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz sein. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, ob bei Fehlen einer Erlaubnis eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist (BAG, Urteil vom 18. November 2021 - 2 AZR 138/21 - Rn. 12, juris = NZA 2022, 253; BAG, Urteil vom 21. November 2018 - 7 AZR 394/17 - Rn. 36, juris = NZA 2019, 309).
Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich zwar im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich zunächst auf die Behauptung beschränken, für den Arbeitnehmer bestehe keine andere - seinem Gesundheitszustand entsprechende - Beschäftigungsmöglichkeit. War der Arbeitgeber jedoch gemäß § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements verpflichtet und ist er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, ist er darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass auch ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht dazu hätte beitragen können, neuerlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ist zwar nicht selbst ein milderes Mittel gegenüber der Kündigung. § 167 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe eines betrieblichen Eingliederungsmanagements können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkannt und entwickelt werden (BAG, Urteil vom 18. November 2021 - 2 AZR 138/21 - Rn. 13, juris = NZA 2022, 253).
Ist der Arbeitnehmer schwerbehindert, so hat er gegenüber dem Arbeitgeber nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB IX Anspruch auf eine Beschäftigung, bei der er seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann. Ist der schwerbehinderte Arbeitnehmer aufgrund seiner Behinderung nicht mehr in der Lage, die bisher zugewiesenen Tätigkeiten wahrzunehmen, kann er ggf. eine anderweitige Beschäftigung und, soweit der bisherige Arbeitsvertrag diese Beschäftigungsmöglichkeit nicht erfasst, eine entsprechende Vertragsänderung verlangen und durchsetzen. Ebenso kann der Arbeitgeber aufgrund der Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) gehalten sein, Arbeitnehmern, die aus in ihrer Person liegenden Gründen nicht mehr imstande sind, die ihnen nach § 106 Satz 1 GewO zugewiesene Arbeitsleistung zu erbringen, innerhalb des arbeitsvertraglich vereinbarten Rahmens eine Tätigkeit zu übertragen, zu deren Erbringung sie noch in der Lage sind. Daher kann der Arbeitgeber auch insoweit verpflichtet sein, einen freien Arbeitsplatz mit einem bereits beschäftigten leistungsgeminderten Arbeitnehmer zu besetzen, wenn ihm die Neubestimmung der auszuübenden Tätigkeit rechtlich möglich und zumutbar ist (BAG, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24, juris = NZA 2014, 214; LAG Köln, Urteil vom 27. Oktober 2021 - 11 Sa 105/21 - Rn. 26, juris). Der Arbeitgeber ist allerdings nicht verpflichtet, für den schwerbehinderten Menschen einen zusätzlichen bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einzurichten (BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 25, juris = ZTR 2015, 533; BAG, Urteil vom 14. März 2006 - 9 AZR 411/05 - Rn. 19, juris = NZA 2006, 1214). Ebenso wenig muss der Arbeitgeber eine andere Stelle freikündigen, um den schwerbehinderten Arbeitnehmer zu beschäftigen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber allgemeinen Kündigungsschutz genießt (BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 35, juris = ZTR 2015, 533).
Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung (BAG, Urteil vom 5. Dezember 2019 - 2 AZR 223/19 - Rn. 39, juris = NZA 2020, 227; BAG, Urteil vom 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 26, juris = ZTR 2016, 418; BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21, juris = NJW 2015, 1403). Ausschlaggebend ist, wie sich die Situation in dem betroffenen Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt bei objektiver Betrachtung darstellt.
Bei Zugang der Kündigung vom 01.12.2021 war der Kläger bereits seit mehr als einem Jahr nicht mehr im Besitz einer Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge. Er ist nicht berechtigt, einen Pkw, Lkw oder Bus - mit oder ohne Fahrgäste - im Straßenverkehr zu führen. Aufgrund dessen kann er die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit als KOM-Fahrer/Busfahrer nicht erbringen. Das Führen eines Busses im Straßenverkehr ist die alleinige und hauptsächliche Arbeitsaufgabe des Klägers. Mangels Fahrerlaubnis kann er seiner Hauptleistungspflicht nicht mehr nachkommen.
Ob der Kläger in der Lage ist, in absehbarer Zeit die Fahrerlaubnis wiederzuerlangen, war bei Ausspruch der Kündigung völlig ungewiss. Die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis setzt im Falle einer Alkoholabhängigkeit voraus, dass die Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist (vgl. Ziffer 8.4 Anlage 4 FeV). Trotz Nachfrage der Beklagten hat sich der Kläger nicht dazu geäußert, ob er abstinent ist und welche Maßnahmen er unternommen hat, um die Abstinenz nachzuweisen.
Die Kündigung kann nicht durch ein milderes Mittel, das den Kläger weniger belastet, abgewandt werden. Eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen ist nicht möglich. Sämtliche anderweitigen Tätigkeiten, die eine Fahrerlaubnis voraussetzen, und sei es nur einen Pkw-Führerschein, scheiden von vornherein aus. Damit entfällt auch ein längerfristiger Einsatz als Facharbeiter in einer der Buswerkstätten. Um Fehler an den Fahrzeugen und deren Behebung zuverlässig feststellen zu können, ist grundsätzlich eine eigenhändige Probefahrt erforderlich. Abgesehen davon ist auch für die Arbeit an Bussen, die im öffentlichen Verkehrsraum bewegt werden, zwingend eine Abstinenz erforderlich. Selbst kleine Fehler oder Nachlässigkeiten können bei der Beförderung von Personen zu erheblichen Schäden führen.
Dass die Beklagte den Kläger in der Vergangenheit für einige Monate vorübergehend in der Werkstatt eingesetzt hat, steht dem nicht entgegen. Der Einsatz war von vornherein befristet und diente lediglich der Überbrückung, um den Kläger nach der in Bälde zu erwartenden Beibringung des "KOM-Scheins" wieder als Busfahrer zu beschäftigen. Aus dem vorübergehenden Einsatz kann nicht auf eine dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeit im Werkstatt- oder werkstattnahen Bereich geschlossen werden. Der Beklagten ist es zwar zumutbar, in der Werkstatt zeitweise Mitarbeiter ohne Fahrerlaubnis für Lkw oder Bus, beispielsweise Auszubildende, zu beschäftigen. Ebenso sind ihr in gewissem Umfang Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zuzumuten. Ist jedoch die (Wieder-)Erlangung der Fahrerlaubnis völlig ungewiss, muss die Beklagte die damit verbundenen Einschränkungen bei der Aufgabenwahrnehmung nicht auf Dauer hinnehmen.
An dem Fehlen der Fahrerlaubnis hätte ein betriebliches Eingliederungsmanagement nichts zu ändern vermocht. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement dient der Klärung, wie eine Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (§ 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Der Kläger war zwar deutlich mehr als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig. Die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sind jedoch nicht ausschlaggebend für die Kündigung, sondern die Entziehung der Fahrerlaubnis, die es dem Kläger mit sofortiger Wirkung unmöglich gemacht hat, seiner arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit nachzukommen.
Der Beklagten ist eine Weiterbeschäftigung des Klägers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar. Das Interesse des Klägers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist geringer zu bewerten als das Interesse der Beklagten an einer fristgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger angesichts einer Beschäftigungszeit von 38 Jahren ein gewichtiges Interesse an dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses hat. Das Arbeitsverhältnis stellt die wesentliche Existenzgrundlage dar, auch wenn Unterhaltspflichten nicht mehr bestehen. Entstehen aufgrund einer langfristig fehlenden Leistungsfähigkeit allerdings keine Vergütungsansprüche mehr, vermag ein Arbeitsverhältnis das Ziel, den Lebensunterhalt zu sichern, nicht mehr erfüllen. Zugunsten des Klägers sind des Weiteren dessen Erkrankung und dessen Schwerbehinderung einzubeziehen. All diese Gesichtspunkte führen jedoch nicht dazu, dass ein nicht mehr sinnvoll durchführbares Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten ist. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist in den letzten fünf Jahren nicht mehr störungsfrei verlaufen. Bereits im Jahr 2016 wurde dem Kläger die Fahrerlaubnis entzogen. Schon kurz nachdem die Fahrerlaubnis wieder erteilt worden war, entzog sie die zuständige Behörde erneut. Eine zeitnahe Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ist nicht zu erwarten. Mangels einer zeitlich greifbaren Perspektive kann von der Beklagten nicht verlangt werden, nochmals abzuwarten, ob der Kläger den Busführerschein wiedererlangt. Überbrückungsmaßnahmen sind nur dann zumutbar, wenn der zu überbrückende Zeitraum eingegrenzt und überschaubar ist, also ein Ende absehbar ist.
2.
Die nach § 168 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes liegt vor. Der Widerspruchsbescheid vom 03.11.2021 ist bestandskräftig.
3.
Die Kündigung vom 01.12.2021 ist nicht wegen unterbliebener oder nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam.
Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.
Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG reicht nicht so weit wie seine Darlegungslast im Prozess. Der notwendige Inhalt der Unterrichtung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG richtet sich vielmehr nach Sinn und Zweck des Beteiligungsrechts. Dieser besteht darin, den Betriebsrat durch die Unterrichtung in die Lage zu versetzen, sachgerecht, d. h. ggf. zugunsten des Arbeitnehmers, auf den Arbeitgeber einwirken zu können. Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe beurteilen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können. Die Anhörung soll dem Betriebsrat nicht die selbständige - objektive - Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung ermöglichen (BAG, Urteil vom 7. Mai 2020 - 2 AZR 678/19 - Rn. 15, juris = ZTR 2020, 547).
Der Inhalt der Unterrichtung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich subjektiv determiniert. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen - und damit irreführenden - Kündigungssachverhalt schildert, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann (BAG, Urteil vom 5. Dezember 2019 - 2 AZR 240/19 - Rn. 43, juris = NZA 2020, 647; BAG, Urteil vom 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 15 = NZA 2016, 99).
Die Beklagte hat den Betriebsrat mit den Schreiben vom 24.11.2020 und 11.11.2021 ordnungsgemäß angehört. Sie hat dem Betriebsrat die Kündigungsfrist mitgeteilt sowie die Sozialdaten des Klägers (Geburtsdatum, Familienstand, Unterhaltspflichten [keine], Tätigkeit, Beschäftigungsdauer, Gleichstellung). Sie hat den Vorfall am 03.08.2020 einschließlich des festgestellten Promillewertes dargestellt und auf den nicht vorgelegten Abstinenztest hingewiesen. Der Betriebsrat wusste, dass der Kläger nicht mehr im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, um seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit nachgehen zu können. Der Betriebsrat war damit in der Lage, anhand der Ausführungen des Arbeitgebers die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich eine Meinung hierzu zu bilden. Zudem waren dem Betriebsrat sämtliche Umstände aus seiner Beteiligung beim Integrationsamt bekannt, nochmals zusammengefasst in dem übersandten Widerspruchsbescheid vom 03.11.2021. Dort sind auch die Stellungnahmen des Betriebsrats wiedergegeben. Eine konkrete anderweitige Einsatzmöglichkeit für den Kläger hat der Betriebsrat in seinem Widerspruchsschreiben nicht benannt.
4.
Die Beklagte hat die Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt.
Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam (§ 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX).
Der Arbeitgeber hört die Schwerbehindertenvertretung ordnungsgemäß an, wenn er sie ausreichend unterrichtet und ihr genügend Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Die Unterrichtung muss die Schwerbehindertenvertretung in die Lage versetzen, auf die Willensbildung des Arbeitgebers einzuwirken. Der Arbeitgeber hat der Schwerbehindertenvertretung "die Gründe für die Kündigung" im Sinne von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG mitzuteilen. Er muss den Sachverhalt, den er zum Anlass für die Kündigung nehmen will, so umfassend beschreiben, dass sich diese ohne zusätzliche eigene Nachforschungen ein Bild über die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe machen und beurteilen kann, ob es sinnvoll ist, Bedenken zu erheben. Der Arbeitgeber muss die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dabei darf er Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, der Schwerbehindertenvertretung nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren. Neben dem Kündigungssachverhalt sind der Grad der Behinderung des Arbeitnehmers und ggf. die Gleichstellung sowie grundsätzlich die weiteren Sozialdaten (Beschäftigungsdauer, Lebensalter, Unterhaltspflichten) mitzuteilen (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 378/18 - Rn. 20 f., juris = NZA 2019, 305; LAG Düsseldorf, Urteil vom 10. Dezember 2020 - 5 Sa 231/20 - Rn. 86, juris = LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 129).
Der Arbeitgeber muss die Schwerbehindertenvertretung nicht nur ausreichend unterrichten, sondern ihr auch genügend Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Hinsichtlich der Stellungnahmefristen enthält das Gesetz seit Einführung der Unwirksamkeitsfolge eine planwidrige Regelungslücke. Sie ist durch eine analoge Anwendung von § 102 Abs. 2 BetrVG zu schließen. Das hat zur Folge, dass die Schwerbehindertenvertretung etwaige Bedenken gegen eine beabsichtigte ordentliche Kündigung spätestens innerhalb einer Woche und solche gegen eine beabsichtigte außerordentliche Kündigung unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen mitzuteilen hat. Einer ausdrücklichen Fristsetzung durch den Arbeitgeber bedarf es nicht (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 378/18 - Rn. 22 f., juris = NZA 2019, 305; LAG Düsseldorf, Urteil vom 10. Dezember 2020 - 5 Sa 231/20 - Rn. 86, juris = LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 129).
Die Beklagte hat die Schwerbehindertenvertretung mit Schreiben vom 11.11.2021 ordnungsgemäß angehört. Die Schwerbehindertenvertretung hat dieselben Angaben wie der Betriebsrat erhalten und war in gleicher Weise an dem Verfahren vor dem Integrationsamt beteiligt. Die Beklagte hat der Schwerbehindertenvertretung ausreichend Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.