Urteil vom 23.08.2021 · IWW-Abrufnummer 234232
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Aktenzeichen 9 Sa 15/21
Aus § 6 Nr. 1.7. Mantelrahmentarifvertrag vom 23. August 2018 für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland (MRTV) ergibt sich, dass die regelmäßige monatliche Arbeitszeit des Klägers als Werksfeuerwehrmann, der in 24-Stundenschichten eingesetzt ist, 288 Stunden beträgt. Dabei handelt es sich um die Regelarbeitszeit im Sinne des § 6 Nr. 1.1. MRTV. Mehrarbeitszuschläge sind erst ab der 289. Stunde zu zahlen.
In der Rechtssache
- Kläger/Berufungskläger -
Proz.-Bev.:
gegen
- Beklagte/Berufungsbeklagte -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 9. Kammer -
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Tillmanns, den ehrenamtlichen Richter Happle und den ehrenamtlichen Richter Siebler auf die mündliche Verhandlung vom 12.07.2021
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen vom 26.01.2021, Az. 2 Ca 236/20 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 114,66 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz aus je € 57,33 seit 16.3.2020 und seit 16.4.2020 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreits.
II. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über tarifliche Mehrarbeitszuschläge des Klägers für die Monate Dezember 2019 bis April 2020.
Der Kläger war in diesen Monaten bei der Beklagten als Werksfeuerwehrmann in dem Testzentrum eines Automobilunternehmens beschäftigt. Er hat monatlich mindestens 13 Schichten zu jeweils 24 Stunden geleistet.
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Arbeitsvertrag (Anl. K1) vom 11./13. November 2019; dort heißt es unter anderem:
Der Kläger ist Mitglied der IG-Metall (nicht von ver.di), die Beklagte ist Mitglied im Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (früher Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen).
Ver.di schloss mit dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e. V. in Baden-Württemberg am 9. Februar 2006 einen Mantelergänzungstarifvertrag (im Folgenden METV), der in § 2 regelt:
Dieser Tarifvertrag ist allgemeinverbindlich (Bekanntmachung vom 13.08.2020, BAnz AT 08.09.2020 B9, Abl. 45).
§ 6 des Mantelrahmentarifvertrags vom 23. August 2018 für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden MRTV), geschlossen vom Bundesverband der Sicherheitswirtschaft und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen lautet:
Der Kläger leistete im Dezember 2019 insgesamt 250 Arbeitsstunden, im Januar 2020 insgesamt 340 Arbeitsstunden, wobei die Beklagte Mehrarbeitszuschläge für 28 Stunden bezahlte, im Februar 2020 insgesamt 342 Stunden, wobei Mehrarbeitszuschläge für 30 Stunden bezahlt wurden. Im März 2020 leistete der Kläger insgesamt 365 Stunden bei Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen für 53 Stunden und im April 2020 leistete der Kläger insgesamt 288 Stunden. Die Beklagte zahlte Mehrarbeitszuschläge erst ab der 313. Stunde.
Die Forderungen nach Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen hat der Kläger mit Schreiben vom 27. Mai 2020 gegenüber der Beklagten geltend gemacht; das Schreiben ging der Beklagten am 5. Juni 2020 zu.
Die Vergütung ist nach der Regelung in Nr. 3.6. des Arbeitsvertrages am 15. des Folgemonats fällig.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen für die ab der 209. Stunde je Monat geleisteten Arbeitsstunde in der Zeit von Dezember 2019 bis einschließlich April 2020 abzüglich tatsächlich bezahlter Mehrarbeitszuschläge. Er trägt zur Begründung vor, seine "monatliche Regelarbeitszeit" betrage nach § 6 Ziff. 1.1 Satz 1 MRTV lediglich 208 Stunden. Alle darüberhinausgehenden Stunden seien mit Mehrarbeitszuschlägen nach § 2 Ziff. 1 METV zu vergüten.
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt:
Die Beklagte hat beantragt,
Sie ist der Auffassung, dass Mehrarbeitszuschläge erst ab der 313. Arbeitsstunde zu zahlen seien. In jeder 24-Stunden-Schicht seien acht Stunden (Bereitschafts-) Ruhezeit enthalten. Diese Ruhezeiten seien aber nicht mit Mehrarbeitszuschlägen zu vergüten, da es sich insoweit um keine Arbeitszeit im Sinne der tariflichen Regelung des § 2 Ziff. 1 METV handele. Folglich seien bei 13 Schichten à 24 Stunden (= 312 Stunden) insgesamt 13 x 8 Stunden Bereitschaftsruhezeit und damit insgesamt 104 Stunden herauszurechnen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch das angegriffene Urteil abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers betrage 288 Stunden pro Monat. Zwar bestimme § 6 Z. 1.1 S. 1 MRTV grundsätzlich eine regelmäßige tägliche Arbeitszeit von 208 Stunden. Jedoch könne die Regelarbeitszeit auch mehr als 208 Stunden betragen, wie sich insbesondere aus § 6 Ziff. 1.1 S. 3 MRTV ergebe. Danach könne die Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über 16 Stunden täglich verlängert werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft falle. Eine monatliche Regelarbeitszeit von max. 208 Stunden sehe der MRTV gerade nicht vor, vielmehr müsse die Regelarbeitszeit jeweils für die konkret betroffene Arbeitnehmergruppe nach den Regelungen des § 6 Nr. 1.5 bis 1.8 MRTV ermittelt werden. So könne auch die regelmäßige monatliche Arbeitszeit im Werksfeuerwehrdienst nach § 6 Ziff. 1.7 MRTV auf 12 Schichten zu je 24 Stunden ausgedehnt werden. Hiervon hätten die Parteien Gebrauch gemacht, indem der Kläger sogar zu 13 Schichten zu je 24 Stunden eingeteilt wurde. Das gelte auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in § 2 Ziff. 1 METV zur Legaldefinition der Regelarbeitszeit nicht auf den gesamten § 6 MRTV, sondern lediglich auf § 6 Ziff. 1.1 MRTV verwiesen werde. § 2 Ziff. 1 METV verweise nicht lediglich auf Satz 1 des § 6 Ziff. 1.1 des MRTV, sondern auf Ziff. 1.1 insgesamt, sodass die Regelarbeitszeit des Klägers nach der Arbeitnehmergruppe "Mitarbeiter im Werkfeuerwehrdienst" zu bestimmen sei, da insoweit Ziff. 1.7 auch ohne ausdrückliche Bezugnahme bereits über S. 3 des § 6 Ziff. 1.1 MRTV gelte. § 2 Ziff. 1 METV enthalte auch keine länderspezifisch abweichenden Regelarbeitszeiten bezogen auf die Mehrarbeitszuschläge i.S.d. § 6 Ziff. 2 letzter Satz MRTV.
Die Regelarbeitszeit des Klägers betrage jedenfalls 12 Schichten x 24 Stunden, also 288 Stunden, sodass der Kläger nur eine Mehrarbeitsvergütung ab der 289. Stunde verlangen könne.
Ein solcher Anspruch stehe ihm jedoch auch nicht zu, da Mehrarbeit nach dem Wortlaut des § 2 Ziff. 1 METV lediglich für "geleistete Arbeit" geschuldet werde. Da in die Arbeitszeit des Klägers in erheblichem Umfang Ruhezeiten im Sinne von Bereitschaftsdienst fielen, handelt es sich dabei nicht um "geleistete Arbeit". Für Zeiten des Bereitschaftsdienstes würden daher keine Mehrarbeitszuschläge geschuldet. Zu einem aktiven Einsatz seiner Arbeitskraft über die 288. Stunde hinaus habe der Kläger jedoch nichts konkret vorgetragen.
Das arbeitsgerichtliche Urteil vom 26.01.2021 wurde dem Klägervertreter am 22.02.2021 zugestellt. Die Berufung hiergegen ging fristgerecht am 16.03.2021 beim Landesarbeitsgericht ein und wurde innerhalb der aufgrund fristgerechten Verlängerungsantrags vom 13.04.2021 bis zum 21.05.2021 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 21.05.2021 begründet.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger die erstinstanzlichen Klageanträge weiter. Zur Begründung führt er aus, der MRTV finde, anders als vom Arbeitsgericht angenommen, jedenfalls nicht durch beiderseitige Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Da die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des METV dahin eingeschränkt sei, dass sie Bestimmungen anderer Tarifverträge, auf die verwiesen werde nur erfasst, wenn und soweit die in Bezug genommenen tariflichen Regelungen ihrerseits für allgemeinverbindlich erklärt worden sind, sei die Begründung des Arbeitsgerichtes, dass sich § 2.1 METV auf § 6.1 MRTV beziehe und somit die Definition der Mehrarbeit als "geleistete Arbeit" über die regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinaus ansehe, nicht tragfähig.
Die Regelungen des Arbeitsvertrages sehen in Ziff. 4.2 lediglich vor, dass sich Beginn, Ende, Länge und Lage der Arbeitszeit nach den jeweiligen gültigen tariflichen Bestimmungen richte. Eine Differenzierung zwischen Arten der Arbeitszeit sei in dieser Bezugnahmeklausel gerade nicht enthalten. Zudem sei die Bezugnahmeklausel intransparent. Es existierten auch keine arbeitsvertragliche Einbeziehung der Vorschriften der §§ 6.1.5 bis § 6.1.8 MRTV mit ihren besonderen Beschäftigungsgruppen mittels der Bezugnahme in § 2.1 des allgemeinverbindlichen METV. Daher schulde die Beklagte dem Kläger ab der 209. Arbeitsstunde Mehrarbeitszuschläge.
Zudem sei die Auffassung des Arbeitsgerichtes, Mehrarbeitszuschläge gebe es nur für "geleistete Arbeit" falsch. Ein sachlicher Grund für die hier vorgenommene Differenzierung sei nicht erkennbar. Zudem sei der Kläger auch während seiner Ruhezeiten nicht in den Genuss einer ununterbrochenen Ruhezeit gekommen, sondern mehrfach zur Arbeitsleistung herangezogen worden sei. Auf den Schriftsatz vom 12.1.2021 werde Bezug genommen. Zudem hätte auch die Anordnung der Bereitschaftsdienste den Kläger durch die damit verbundene räumliche Aufenthaltsbeschränkung im individuellen Freizeitbereich beschränkt, so dass auch aus diesem Grunde ein Anlass zur Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen bestehe. Auf das Vorliegen einer "aktiven Arbeitsleistung" komme es daher nicht an. Hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass sich der Kläger während der so genannten Ruhezeiten nicht habe erholen können, da keine Vertretung für die Zeiträume der 8-stündigen Bereitschaft bestanden hätte.
Der Kläger beantragt daher:
Die Beklagte beantragt,
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie weist darauf hin, dass der METV zu einem Zeitpunkt in Kraft getreten ist, zu dem das Landesfeuerwehrgesetz Baden-Württemberg noch keine Werksfeuerwehr vorgesehen habe. Daher fehlten in § 2 METV besondere Bestimmungen zur Werksfeuerwehr, die jedoch der MRTV enthalte.
Die Beklagte habe die Mehrarbeitszuschläge in dem vom Kläger geltend gemachten Zeitraum ordnungsgemäß abgerechnet. Soweit der Kläger 13 mal 24-Stundenschichten geleistet hätte, habe er 13 mal 24 Stunden mit seinem entsprechenden tariflichen Stundenlohn vergütet erhalten. Jeweils 8 Stunden pro 24 Stundenschicht seien dabei Ruhezeit, in denen der Kläger regelmäßig nicht gearbeitet habe, sondern sich tatsächlich in einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Ruheraum ausruhen konnte. Wenn der Kläger nunmehr diese 13 mal 8 Stunden Ruhezeit mit Mehrarbeitszuschlägen vergütet haben möchte, müsse er darlegen und beweisen, dass er während dieser Zeit, die eigentlich Ruhezeit sein sollte, tatsächlich tätig gewesen sei. Dazu trage er aber nichts substantiiert vor. Zutreffend sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass Mehrarbeitszuschläge nur für "geleistete" Arbeit zu gewähren sei.
Das Arbeitsgericht sei auch zutreffend davon ausgegangen, dass nach Ziff. 4.2 des Arbeitsvertrages die Arbeitszeitregelungen des § 6 MRTV auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung finden und daher bereits denklogisch eine Mehrarbeitsvergütung erst ab der 289. Stunde überhaupt anfallen könne.
Zudem seien die Ansprüche des Klägers aus den Monaten Dezember 2019 und Januar 2020 aufgrund der vereinbarten Ausschlussfrist verfallen.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nur zu einem geringen Teil begründet.
I.
Die nach § 64 Abs. 2 und 3 ArbGG an sich statthafte Berufung ist innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG rechtzeitig eingelegt und begründet worden. Berufungsschrift und Berufungsbegründung genügen den formellen Anforderungen der §§ 519, 520 Abs. 1-3 ZPO. Die Berufung setzt sich hinreichend mit den erstinstanzlichen Urteilsgründen im Sinne von § 520 Abs. 3 ZPO auseinander. Die Berufung ist daher zulässig.
Einer Entscheidung über den Antrag der Beklagten, Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungserwiderungsfrist zu gewähren, bedarf es nicht. Dieser Antrag ist nicht statthaft, da Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO nur für die Versäumung der dort genannten Fristen gilt. Die Frist zur Erwiderung auf die Berufung ist jedoch keine der dort genannten Fristen, insbesondere auch keine Notfrist. Notfristen sind nur die vom Gesetz als solche bezeichneten Fristen (§ 224 Abs. 1 S. 2 ZPO).
II.
Die Berufung ist nur im Umfang von je 57,33 € brutto für die Monate Februar und März 2020 begründet, so dass in diesem Umfang das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern war. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden, dass die Klage unbegründet ist, so dass die Berufung zurückzuweisen ist.
1. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen ergibt sich aus § 2 Nr. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 1 METV. Danach ist für jede geleistete, zuschlagspflichtige Mehrarbeitsstunde ein Zuschlag von 25 % zum Stundenlohn zu gewähren.
Nach § 2 Nr. 1 Satz 1 METV ist Mehrarbeit jede über die regelmäßige tägliche Arbeitszeit (§ 6 Ziffer 1.1. MRTV) hinaus geleistete Arbeit. Die regelmäßige monatliche Arbeitszeit des Klägers beträgt im Werksfeuerwehrdienst 288 Stunden.
1.1. Auf das Arbeitsverhältnis findet der METV BW kraft Allgemeinverbindlichkeit und der MRTV durch arbeitsvertragliche Inbezugnahme in Nr. 2.1 bzw. 4.2 des Arbeitsvertrages Anwendung, jedenfalls soweit es um die Bestimmung der Arbeitszeit geht. Das regelt Nr. 4.2. Satz 2 AV ausdrücklich, in dem es heißt: "Die Höhe der Arbeitszeit richtet sich nach den jeweils gültigen tariflichen Bestimmungen".
Damit ist insbesondere § 6 MRTV vertraglich vereinbart. Der vom Kläger monierte Umstand, dass das Arbeitsgericht verkannt hat, dass der Kläger nicht tarifgebunden ist, ist ohne Bedeutung.
2. Aus § 6 Nr. 1.7. MRTV ergibt sich, dass die regelmäßige monatliche Arbeitszeit des Klägers als Werksfeuerwehrmann, der in 24 - Stundenschichten eingesetzt ist, 288 Stunden betragt.
Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Nach § 6 Nr. 1.7. Satz 7 MRTV kann im 24 - Stunden - Schichtdienst die regelmäßige monatliche Arbeitszeit auf bis zu 12 Schichten im Werksfeuerwehrdienst ausgedehnt werden, wenn die Voraussetzungen nach § 6 Nr. 1.7. Satz 2 bis 4 MRTV vorliegen. Das ist hier der Fall. Soweit der Kläger beanstandet, dass er gelegentlich während der Ruhezeit ausrücken musste, stellt das die Einhaltung der tariflichen Voraussetzungen nicht in Frage. Es ist gerade das Wesen einer solchen Ruhezeit, die der Sache nach Bereitschaftsdienst darstellt, dass der Arbeitnehmer im Ausnahmefall auch zu Einsätzen herangezogen werden kann. Andernfalls bräuchte er nicht auf der Feuerwache zu übernachten.
Dass es sich bei der so möglichen verlängerten Arbeitszeit um die Regelarbeitszeit im Sinne des § 6 Nr. 1.1. MRTV handelt, ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Nr. 1.7. MRTV. In Satz 1 spricht er von einer Abweichung von den Nummern 1.1. und 1.4., die die tägliche bzw. monatliche Arbeitszeit zum Gegenstand haben.
Nr. 1.7. Satz 7 spricht zudem ausdrücklich von einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit von 12 Schichten zu je 24 Std. im Werksfeuerwehrdienst.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I.1.b) und c) des Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat insbesondere zurecht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 26. April 2017 - 10 AZR 856/15 -, Rn. 1) abgestellt, wonach der aufgezeigte Regelungszusammenhang in § 6 MRTV deutlich macht, dass in § 6 Ziff. 1.1. bis 1.4. MRTV die monatliche Regelarbeitszeit für alle Arbeitnehmer normiert ist, für die weder die besonderen Bestimmungen des § 6 Ziff. 1.5. bis 1.8. MRTV gelten noch länderspezifisch abweichende Vereinbarungen der Regelarbeitszeit getroffen wurden (§ 6 Ziff. 2. MRTV). Für den Kläger ist aber gerade in § 6 Nr. 1.7 MRTV eine abweichende Regelung getroffen.
3. Ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag besteht (erst) ab der 289. Stunde, wie auch das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat.
Das ergibt die Auslegung von § 2 Nr. 1 METV BW. Der stellt zwar in § 2 Nr. 1 Satz 1 METV BW auf die Regelarbeitszeit nach § 6.1.1. MRTV ab. Die ist aber - wie oben dargelegt - für den Kläger nicht einschlägig. § 2 Nr. 1 METV BW verwendet auch den Begriff der "regelmäßigen täglichen Arbeitszeit", um zu bestimmen, ab wann zuschlagpflichtige Mehrarbeit im tariflichen Sinne vorliegt. Bereits das spricht dafür, dass es auf die für den jeweiligen Arbeitnehmer maßgebliche tarifvertragliche Arbeitszeit ankommt. Hier weist das Arbeitsgericht auch zutreffend darauf hin, dass bereits § 6 Nr. 1.1. MRTV keine starre Zeitgrenze enthält, sondern bereits nach dieser Norm mehrere "tägliche Arbeitszeiten" maßgeblich sein können.
Zwar nimmt § 2 Nr. 1 METV BW auf die "tägliche" Arbeitszeit Bezug, während § 6 Nr. 1.7. MRTV von einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit des Klägers spricht. Eine tägliche Arbeitszeit des Klägers ist jedoch auch hier normiert. Sie beträgt 24 Stunden, wie sich aus der Art der Arbeitszeitregelung, nämlich 12 Schichten zu je 24 Stunden, ergibt.
Vor allem aber zeigt § 2 Nr. 4 - 6 METV BW, dass die Tarifvertragsparteien sehr wohl Mehrarbeitszuschläge nicht ohne Rücksicht auf die jeweiligen arbeitszeitrechtlichen Besonderheiten des jeweiligen Arbeitsverhältnisses anordnen. So haben sie für Mitarbeiter im Separatwachdienst die Zuschlagspflicht von Mehrarbeit erst ab der 233. Stunde festgelegt. Diese Arbeitsverhältnisse haben mit dem des Klägers gemein, dass auch hier in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft anfällt, was die Tarifvertragsparteien zu einer Verlängerung der Regelarbeitszeit und einer entsprechenden Heraufsetzung der Grenze für zuschlagspflichtige Mehrarbeit veranlasst haben dürfte.
Dazu würde es bereits im Widerspruch stehen, wenn Mitarbeiter von Werkfeuerwehren, deren Arbeitszeit nach § 6 Nr. 1.7. MRTV ebenfalls durch umfangreiche Zeiten der Arbeitsbereitschaft und durch Bereitschaftsdienst gekennzeichnet ist, zu einem früheren Zeitpunkt bereits Mehrarbeitszuschläge erhalten sollten.
Allerdings fehlt im METV eine Sonderregelung für die Mitarbeiter von Werksfeuerwehren, die angesichts der Regelungssystematik angezeigt wäre. Dieser Umstand ist aber nicht maßgeblich, denn er beruht darauf, dass Werksfeuerwehren, die nicht aus Betriebsangehörigen bestehen, in Baden-Württemberg erst durch das Gesetz zur Änderung des Feuerwehrgesetzes vom 10. November 2009 (GBl BW 2009, S 633f) in § 19 Abs. 2 Satz 3 FeuerwG möglich sind. Es bestand also zur Zeit der Vereinbarung des METV BW im Jahr 2006 kein Anlass, Regelungen für Mitarbeiter von (externen) Werksfeuerwehren zu treffen, weil es diese zu diesem Zeitpunkt nicht gab.
§ 2.1. METV BW ist daher dahingehend auszulegen, dass der Kläger bei Überschreiten seiner durch § 6 Nr. 1.7. MRTV geregelten Arbeitszeit von 12 Schichten zu je 24 Stunden einen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung hat.
4. Anders als vom Arbeitsgericht angenommen ist dafür nicht Voraussetzung, dass der Kläger "Arbeit" im engeren arbeitszeitrechtlichen Sinne geleistet hat, sondern es genügt, dass die Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 6 Nr. 1.7. MRTV durch eine der möglichen Formen von Arbeit im Sinne von § 3 ArbZG, also Arbeit, Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst erfolgt ist. Die Auffassung, bei Ableisten einer weiteren 24-Stundenschicht nach § 6 Nr. 1.7. MRTV würde die darin enthaltene Zeit von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst (Ruhezeit im Sinne des Sprachgebrauchs des Tarifvertrages) keine zuschlagspflichtige Mehrarbeit darstellen, teilt das Gericht nicht.
a) Zunächst findet sich in § 2 METV BW kein Anhaltspunkt dafür, dass nur Arbeit im engeren Sinne ohne Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst Mehrarbeitszuschläge auslösen kann. Im Gegenteil zeigt § 2 Nr. 4 METV BW für den Separatwachdienst, dass gerade auch Arbeitsbereitschaft - ohne die die derartig verlängerten Arbeitszeiten gar nicht zulässig wären - zu Mehrarbeitszuschlägen führen kann.
b) Der Begriff der geleisteten "Arbeit" in § 2 Nr. 1 METV BW ist als Arbeit im Sinne des ArbZG zu verstehen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG zählt zur "Arbeitszeit" auch Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst und nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit; sie umfasst daher auch Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Aus § 2 METV BW ergibt sich nicht, dass die Tarifvertragsparteien ein anderes Verständnis von "Arbeit" haben. Zwar spricht § 2 Nr. 1 METV BW von "geleisteter" Arbeit. Dem kommt aber keine abweichende Bedeutung zu. Der Arbeitnehmer, der sich im Zustand der Arbeitsbereitschaft befindet wie auch der Arbeitnehmer im Bereitschaftsdienst "leisten" diese Formen der Arbeit, in dem sie sich fremdnützig im Interesse des Arbeitgebers und dessen Anweisung auf diese Weise für Einsätze bereithalten.
c) Auch der Umstand, dass bei der Zahlung der Grundvergütung nicht nach der Arbeitsleistung unterschieden wird, spricht dafür, diese auch bei der Frage der Mehrarbeitsvergütung gleich zu behandeln.
d) Es wäre auch widersinnig, hier eine Differenzierung vorzunehmen. Das würde dazu führen, dass gerade die Arbeitnehmer, die durch die besonders umfangreiche Ausdehnung der Pflicht, sich dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen, nur eingeschränkt für die Überschreitungen ihrer Regelarbeitszeit zusätzliche Vergütung erhalten. Gleichgültig, ob der Zweck der Mehrarbeitszuschläge die Vermeidung von Mehrarbeit aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Ausgleich der eingeschränkten Disposition über die Freizeit ist, besteht gerade ein Anlass, Arbeitnehmern in (ausgedehnten) Arbeitszeitformen nach § 6 Nr. 1.7. MRTV bei Überschreiten der Grenze von 288 Stunden Mehrarbeitszuschläge zu zahlen.
e) Dieser Auslegung steht auch nicht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.06.2008 (5 AZR 389/07) entgegen. Hier ging es um die Frage, ob auch Zeiten des Urlaubs "geleistete Arbeit" im Sinne der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen sind. Das hier geforderte "aktive Tun" (BAG 11.06.2008 - 5 AZR 389/07, Rn. 14) liegt im vorliegenden Fall darin, dass sich der Kläger in der Feuerwache aufhält und selbst dann, wenn er schläft, schnellstmöglich die Arbeit im Alarmfall aufnehmen muss. Bereitschaftsdienst ist mit Urlaub nicht zu vergleichen.
5. Daraus folgt, dass der Kläger Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für die Zeiten der Arbeitsleistung ab der 289. Stunde - und nicht wie von der Beklagten gezahlt - erst ab der 313. Stunde hat.
a) Im Dezember 2019 hat der Kläger "nur" 250 Arbeitsstunden geleistet, so dass kein Mehrarbeitszuschlag anfällt.
b) Im Januar 2020 hat der Kläger zwar 340 Stunden geleistet. Ein Anspruch auf Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen ist jedoch verfallen.
Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist findet jedenfalls die Ausschlussfrist des § 11 des allgemeinverbindlichen METV BW Anwendung, auf die die Beklagte entsprechend ihren Verpflichtungen nach dem NachwG in Nr. 23.1 des Arbeitsvertrages auch hingewiesen hat.
Danach hätte der Kläger die Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit bzw. einem Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Angabe der Gründe schriftlich geltend machen müssen und sodann bei Ablehnung innerhalb weiterer drei Monate gerichtlich geltend machen müssen.
Der Kläger hat die Ansprüche mit Schreiben vom 27.05.2020, der Beklagten zugegangen am 05.06.2020 geltend gemacht. Nach § 8.2. MRTV ist die Vergütung am 15. des Folgemonats fällig. Die Ansprüche auf Mehrarbeitszuschläge für den Januar 2020 waren daher am 15. Februar 2020 fällig und hätten bis zum 15. Mai 2020 geltend gemacht werden müssen. Das ist nicht geschehen, sondern die Geltendmachung erfolgte erst am 5. Juni 2020.
c) Im Februar 2020 hat der Kläger 342 Stunden geleistet. Ab der 313. Stunde hat die Beklagte ausweislich der Lohnabrechnung Mehrarbeitszuschläge gezahlt, so dass noch eine Differenz von 12 Stunden bleibt, die mit einem Mehrarbeitszuschlag von 25 % aus 19,81 € zu vergüten ist, somit 57,33 €.
d) Im März 2020 hat der Kläger 365 Stunden geleistet. Ab der 313. Stunde hat die Beklagte ausweislich der Lohnabrechnung Mehrarbeitszuschläge gezahlt, so dass auch hier noch eine Differenz von 12 Stunden bleibt, die mit einem Mehrarbeitszuschlag von 25 % aus 19,81 € zu vergüten ist, somit 57,33 €.
e) Im April 2020 hat der Kläger nur die Regelarbeitszeit von 288 Stunden geleistet, so dass Mehrarbeitszuschläge nicht geschuldet sind.
Daraus ergibt sich, dass der Kläger einen Anspruch auf die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen von insgesamt 114, 66 € brutto hat.
6. Die Forderungen sind nach § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB seit dem Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 8 MRTV mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen.
Das arbeitsgerichtliche Urteil war daher in diesem Umgang abzuändern, im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Danach hat der Kläger die Kosten des Rechtstreits zu tragen; die Zuvielforderung war geringfügig (ca. 6 % des gesamten Streitwertes).
Aufgrund der von den Parteien dargelegten grundsätzlichen Bedeutung war die Revision für beide Parteien zuzulassen.
Happle
Siebler
Verkündet am 23.08.2021