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Beschluss vom 04.09.2017 · IWW-Abrufnummer 196938

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Aktenzeichen 5 Ta 79/17

1. Für die Frage des Vorliegens eines "Streits" oder einer "Ungewissheit" im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB kommt es auf den Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses an (wie LAG Hamm 27. Juli 2007 - 6 Ta 357/07 - [...] Rn 36; entgegen LAG Rheinland-Pfalz 11. April 2011 - 1 Ta 21/11 - [...] Rn 11).

2. Eine vergleichsweise vereinbarte Freistellung begründet nur dann einen Mehrwert, wenn sich zuvor eine Partei eines Anspruchs auf oder eines Rechts zur Freistellung berühmt hat und die Gegenseite diesem Begehren entgegengetreten ist (wie I.22.1.4 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 05.04.2016 <NZA 2016, 926 ff.>; entgegen LAG Hamburg 14. September 2016 - 6 Ta 23/16 - [...] Rn 15).


Im Beschwerdeverfahren mit den Beteiligten
1.
- Klägerin/Beteiligte -
2.
- Beschwerdeführer -
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 5. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Augenschein ohne mündliche Verhandlung am 04.09.2017
beschlossen:

Tenor:
1. Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Mannheim vom 03.04.2017 - 3 Ca 350/16 - dahingehend abgeändert, dass neben dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert von 44.826,60 € ein Vergleichsmehrwert von 20.000,00 € festgesetzt wird.


2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.



Gründe



I.



Die Beschwerde betrifft die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.



Im Ausgangsverfahren wandte sich die gegen eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung in Höhe von 11.206,65 EUR bei der Beklagten beschäftigte Klägerin gegen die jeweils zum 31.01.2017 ausgesprochenen ordentlichen Arbeitgeberkündigungen vom 18.07.2016 (Antrag zu 1) und vom 21.07.2016 (Antrag zu 2), begehrte die allgemeine Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses (Antrag zu 3) sowie hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Bestandsschutzanträgen die vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bestandsschutzrechtstreits (Antrag zu 4).



Der Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 28.11.2016 (im Folgenden: "Vergleich" <Bl. 63 ff. der Akte>). Darin ist unter anderem geregelt:



Das Arbeitsgericht hat den Streitwert auf 44.826,60 EUR (= 3 durchschnittliche Bruttomonatsvergütungen der Klägerin für die Bestandsschutzanträge und 1 durchschnittliche Bruttomonatsvergütung für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag), aber keinen Vergleichsmehrwert festgesetzt.



Mit der Beschwerde begehren die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zuletzt noch die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts von 51.714,41 € (40.507,76 € für die Bonuszahlungen und 11.206,65 € für die Zeugnisregelung).



Das Arbeitsgericht hat der begehrten Anhebung nicht entsprochen und die Beschwerde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.



II.



Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist statthaft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) und auch im Übrigen zulässig, aber nur teilweise begründet. Das Arbeitsgericht hat den Streitwert zutreffend auf 44.826,60 € festgesetzt (1.), zu Unrecht jedoch jeglichen Vergleichsmehrwert abgelehnt. Dem Vergleich der Parteien vom 28.11.2016 (im Folgenden: "Vergleich" <Bl. 63-65 der Akte>) ist bezüglich der Bonuszahlung für das Geschäftsjahr 2016 (01.04.2015 bis 31.03.2016) gemäß Nr. 2 Unterabs. 6 des Vergleichs ein Mehrwert von 20.000,00 € beizumessen (2.). Im Übrigen ist den Ausführungen des Arbeitsgerichts im Wertfestsetzungsbeschluss vom 03.04.2017 (Bl. 104 der Akte) in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 12.06.2017 (Bl. 134 f. der Akte) beizutreten.



1. Der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert



a) Die punktuellen Bestandsschutzanträge (Anträge zu 1 und zu 2) sind gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG nur mit dem Quartalsverdienst der Klägerin von 33.619,95 € (11.206,65 € brutto pro Monat x 3 Monate) zu bemessen. Die Klägerin hat damit zwar jeweils den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Die offensichtlich nur wegen eines Schreibfehlers bei der Kündigungsfrist der ersten Kündigung vom 18.07.2016 (31.01.2016 statt 31.01.2017) ausgesprochene zweite Kündigung vom 21.07.2016 mit derselben Kündigungsfrist wirkt sich jedoch nicht streitwerterhöhend aus, weil sie gegenüber der ersten keine Bestandsverlängerung begründete (erkennende Kammer 27. November 2014 - 5 Ta 168/14 - [...] Rn 12 <in Übereinstimmung mit I.20.2 der Empfehlungen der Streitwertkommission im Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der überarbeiteten Fassung vom 05.04.2016 [im Folgenden: "Streitwertkatalog 2016"]>).



b) Dasselbe gilt für den allgemeinen Fortbestandsfeststellungsantrag (Antrag zu 3). Dieser wirkt sich wegen wirtschaftlicher Teilidentität im Verhältnis zum punktuellen Bestandsschutzantrag zu 1 nicht werterhöhend aus (erkennende Kammer 27. November 2014 - 5 Ta 168/14 - [...] Rn 12 und 15 <in Übereinstimmung mit I.17.2 des Streitwertkatalogs 2016>).



c) Der auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Bestandsschutzrechtsstreits gerichtete uneigentliche Hilfsantrag (Antrag zu 4) bewirkt eine Werterhöhung im Umfang einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung der Klägerin, weil die Parteien hierüber im Vergleich eine Regelung getroffen haben.



aa) Ist er, wie im Regelfall - und auch im vorliegenden Sachverhalt -, als uneigentlicher Hilfsantrag gestellt, erfolgt eine Zusammenrechnung nur, wenn über den Antrag eine Entscheidung ergeht (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG) oder ein entsprechender Vergleich geschlossen wird (§ 45 Abs. 4 GKG in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG; erkennende Kammer 27. April 2010 - 5 Ta 63/10 - [...] Rn 18 <in Übereinstimmung mit I.18 des Streitwertkatalogs 2016 sowie mit BAG 30. August 2011 - 2 AZR 668/10 [A] [...] Rn 4>).



(1) Eine sachliche Regelung zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag kommt nur in Betracht, wenn der Prozessvergleich Vereinbarungen über den Zeitraum ab dem ursprünglich gesetzten Beendigungszeitpunkt enthält und der vereinbarte spätere Beendigungszeitpunkt zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch nicht verstrichen ist (erkennende Kammer 30. Dezember 2015 - 5 Ta 71/15 - [...]).



(2) Dies war hier der Fall. Indem die Parteien gemäß Nr. 1 des Vergleichs eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der Kündigungsfrist (31.01.2017) hinaus bis 31.03.2017 und gemäß Nr. 3 des Vergleichs die Aufrechterhaltung der Freistellung der Klägerin bis zum Ablauf des Arbeitsverhältnisses vereinbart haben, haben sie zugleich inhaltlich und in die Zukunft gerichtet eine Regelung über den allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag getroffen.



bb) Der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag ist gemäß § 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO zu bewerten und grundsätzlich - so auch hier - mit einer Bruttomonatsvergütung zu bemessen (erkennende Kammer 27. April 2010 - 5 Ta 63/10 - [...] Rn 15 <in Übereinstimmung mit I.24 des Streitwertkatalogs 2016>).



cc) Ob die Stellung des allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrags zuvor (hinreichend) mit der Klägerin abgesprochen war, wie diese bemängelt (IV 2 auf Blatt 4 ff. des Schriftsatzes vom 31.07.2017 <Bl. 166 Rückseite der Akte>), ist streitwertrechtlich unerheblich. Insoweit kommt es nur darauf an, dass der Antrag in das Verfahren eingeführt worden ist. Ein etwaiger Streit zwischen der Klägerin und ihren Prozessbevollmächtigten über die Frage der Vergütungspflicht ist zwischen den Beteiligten gegebenenfalls in einem Vergütungsfestsetzungsverfahren auszutragen.



d) Die Addition der Werte für die Bestandsschutzanträge und den allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag ergibt die Summe des vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwerts von 44.826,60 €.



2. Vergleichsmehrwert



a) Ein Vergleichsmehrwert kommt nur bei Vorliegen einer der in § 779 Abs. 1 und 2 BGB genannten drei Alternativen hinsichtlich des mit verglichenen, bisher nicht streitgegenständlich gewesenen Gegenstandes in Betracht (erkennende Kammer 14. November 2013 - 5 Ta 135/13 - [...] - in Übereinstimmung mit I.22.1 Satz 1 des Streitwertkatalogs 2016).



aa) § 779 Abs. 1 und 2 BGB erfordert die Mitwirkung bei einem Vertrag, durch den



- der Streit oder



- die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis oder



- die Unsicherheit über die Verwirklichung eines Anspruchs



beseitigt wird (erkennende Kammer 1. Juli 2010 - 5 Ta 123/10 -; 24. Juli 2011 - 5 Ta 101/11 - jeweils [...] in Übereinstimmung mit I.22.1 und I.22.2 des Streitwertkatalogs 2016).



bb) Für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts dem Grunde nach kommt es nicht auf die Werthaltigkeit des Inhalts der nicht streitgegenständlich gewesenen Gegenstände, sondern nur darauf an, ob über deren - nunmehr geregelten - Inhalt selbst Streit oder eine Ungewissheit bestanden hat (erkennende Kammer 10. Februar 2010 - 5 Ta 22/10 - [...] in Übereinstimmung mit I.22.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2016).



cc) (Übliche) Regelungen im Rahmen der Gesamtabwicklung eines Arbeitsverhältnisses, wodurch erst Leistungs- und/oder Verhaltenspflichten neu begründet oder Feststellungen getroffen werden, lösen ohne Vorliegen einer der drei in § 779 BGB genannten Alternativen keinen Vergleichsmehrwert aus. Diese stellen lediglich Komponenten des "Gesamtpreises" für eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Dass hierüber im Verhandlungsstadium Uneinigkeit bestanden hat, begründet keinen Vergleichsmehrwert. Ein solcher hätte einen Streit oder eine Ungewissheit über diese Gegenstände auch außerhalb des anhängigen Rechtsstreits vorausgesetzt (erkennende Kammer 10. Februar 2010 - 5 Ta 22/10 - [...] - in Übereinstimmung mit I.22.1 Satz 1 des Streitwertkatalogs 2016).



dd) Typischerweise wird das Merkmal der "Ungewissheit" insbesondere bei folgenden Konstellationen in Betracht kommen: Vereinbarung



- einer Vertragsbeendigung im Rahmen eines Streits über die Berechtigung abgemahnter Leistungs- und/oder Verhaltensmängel



→ (latente) Fortbestandsgefährdung (erkennende Kammer 26. Oktober 2012 - 5 Ta 166/12 - [...] - in Übereinstimmung mit I.22.1.2 des Streitwertkatalogs 2016)



- eines "guten"/"sehr guten" Zeugnisses im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens, wenn der Kündigung Leistungsmängel und/oder Fehlverhalten zugrunde liegen



→ Unsicherheit bezüglich der Qualität des Zeugnisses (erkennende Kammer 10. Februar 2010 - 5 Ta 22/10 - [...] - in Übereinstimmung mit I.22.1.3 des Streitwertkatalogs 2016)



ee) Ergeben sich aus den Akten (z.B. durch schriftsätzliches Vorbringen oder vorgelegten außergerichtlichen Schriftwechsel) und/oder aus der mündlichen Verhandlung keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine der drei Alternativen des § 779 BGB, so bedarf es konkreten Vorbringens hierzu, jedoch keines förmlichen Antrags. Denn die im Grundsatz von Amts wegen vorzunehmende Festsetzung gemäß § 63 Abs. 2 GKG hat sich auf alle in Betracht kommenden Werte zu erstrecken (erkennende Kammer 10. Februar 2010 - 5 Ta 22/10 - [...] ).



ff) Beurteilungszeitpunkt für die Frage der Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts ist entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der von dieser in Bezug genommenen Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz (11. April 2011 - [...]) der Zeitpunkt des Abschlusses des Prozessvergleichs (LAG Hamm 27. Juli 2007 - 6 Ta 357/07 - [...]; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 22. Aufl. VV 1000 Rn. 110 mwN). Nur wenn der Streit oder die Ungewissheit zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch fortdauert und nicht zwischenzeitlich behoben ist, kommt ein Vergleichsmehrwert in Betracht, weil der Streit oder die Ungewissheit nur dann durch den Vergleich beseitigt wird. Sonst fehlt es an der erforderlichen Kausalität (dass für den nicht rechtshängigen Gegenstand, der zwar Vergleichsinhalt wird, aber keinen Vergleichsmehrwert begründet, eine Geschäftsgebühr gemäß VV 2300 RVG anfallen kann, steht im Rahmen der Wertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 2 GKG nicht in Frage).



b) Daran gemessen begründet der Vergleich nur bezüglich der gemäß Nr. 2 Unterabs. 6 vereinbarten Bonusregelung für das Geschäftsjahr 2016 einen Mehrwert von 20.000,00 €, weil die Parteien insoweit einen Streit im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB beigelegt haben.



aa) Streit meint das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Standpunkte bezüglich des Rechtsverhältnisses, wobei es um ernsthaft gegenseitige Standpunkte gehen muss. Der Streit kann tatsächlicher oder rechtlicher Natur sein. Auf die objektive Sach- oder Rechtslage kommt es nicht an, es genügen subjektive Zweifel über den Bestand des Ausgangsrechtsverhältnisses (BGH 6. November 1991 - XII ZR 168/90 - NJW-RR 1992, 363). Es müssen Zweifel beider Parteien über das Ausgangsrechtsverhältnis oder Zweifel einer Partei, die der anderen bekannt sind, vorliegen (Palandt/Sprau 76. Aufl. § 779 BGB Rn. 4).



bb) Diese Voraussetzungen liegen hier vor.



(1) Die Beklagte hatte eine Bonuszahlung für das Geschäftsjahr 2016 auf das Aufforderungsschreiben der Klägerin vom 27.07.2016 (Kopie Bl.t 101 der Akte) mit Schreiben vom 08.08.2016 (Kopie Bl. 96 f. der Akte) abgelehnt, woraufhin die Klägerin unter dem 20.09.2016 (Kopie Bl. 169 der Akte) nachhakte, bevor die Beklagte unter dem 24.10.2016 vorschlug, die Bonusansprüche der Klägerin für das Jahr 2016 mit einer Zahlung von 10.000,00 € zu erledigen. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben behauptet (Bl. 2 deren Schriftsatzes vom 15.03.2017 <Bl. 93 der Akte>, Bl. 3 des Schriftsatzes vom 26.04.2017 <Bl. 115 der Akte> sowie Bl. 2 f. deren Schriftsatzes vom 28.08.2017 <Bl. 182 f. der Akte>), dieser Vorschlag basiere auf der in Telefongesprächen zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien unter anderem vom 06. und 20.09.2016, in denen der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Regelung der Bonusansprüche zur Bedingung einer gütlichen Einigung gemacht habe. Die Klägerin hat Telefongespräche dieses Inhalts zwar bestritten (Bl. 2 deren Schriftsatzes vom 31.07.2017 <Bl. 165 Rückseite der Akte>). Gleichwohl steht zur Überzeugung der Beschwerdekammer fest, dass die Bonusansprüche der Klägerin Thema der Vergleichsverhandlungen zwischen den Prozessbevollmächtigten beider Parteien gewesen waren. Zum einen haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten dies bestätigt (Schriftsatz vom 30.03.2017 <Bl. 103 der Akte>). Zum anderen erscheint es bei der vorstehend geschilderten Vorgeschichte völlig unrealistisch, dass die Beklagte die Bonusansprüche aus eigenem Antrieb in den Vergleichsvorschlag vom 24.10.2016 aufgenommen hat, ohne von der Klägerseite hierzu veranlasst worden zu sein.



(2) Die Bonusansprüche für das Jahr 2016 waren im Übrigen bis zum Vergleichsabschluss streitig. Sonst hätte es nicht des Verzichts der Beklagten auf die zweite Stufe der Ausschlussfrist gemäß Nr. 18.2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 25.08.2014 (Kopie Bl. 21 der Akte) bedurft (vgl. die wechselseitigen Schreiben der Prozessbevollmächtigen der Klägerin <Bl. 99 der Akte> und der Beklagten >Bl. 98 der Akte> jeweils vom 08.11.2016). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Streit bezüglich des Bonusanspruchs für das Geschäftsjahr 2016 somit erst durch den Vergleich beseitigt worden.



(3) Dies rechtfertigt den Ansatz eines Vergleichsmehrwerts in Höhe der ursprünglich geforderten Summe von 20.000,00 €.



c) Ein weiterer Vergleichsmehrwert besteht nicht.



aa) Entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin waren die gemäß Nr. 2 Unterabs. 5 des Vergleichs geregelten Bonusansprüche für das Geschäftsjahr 2017 (01.04.2016 bis 31.03.2017) weder streitig noch ungewiss.



(1) Es fehlt an jeglichem Vorbringen dazu, dass die Bonusansprüche für das Geschäftsjahr 2017 jemals im Sinne des § 779 BGB streitig gewesen wären. Vielmehr haben die Parteien diesen Punkt lediglich ausverhandelt, ohne dass die Beklagte den Anspruch zuvor nach Grund und/oder Höhe streitig gestellt hätte.



(2) Auch eine "Ungewissheit" im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB lag nicht vor.



(a) Eine Ungewissheit wird oft mit einem Streit einhergehen, braucht es aber nicht. Sie kann die gegenwärtige Rechtslage, das Vorliegen bestimmter tatsächlicher Umstände, die künftige Rechtsentwicklung oder den künftigen Eintritt von Tatsachen, insbesondere als Bedingung für den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen, betreffen (LAG Hamm 17. April 2007 - 6 Ta 145/07 -). Es genügt, wenn sich die Ungewissheit auf Einzelpunkte des im Übrigen unstreitigen Rechtsverhältnisses bezieht, zum Beispiel auf Fälligkeit, Verzinsung, Erfüllungsort, eine Einrede (Palandt/Sprau § 779 BGB Rn. 4).



(b) Bei Anwendung dieses Maßstabs waren die Bonusansprüche für das Geschäftsjahr 2017 auch nicht ungewiss.



(aa) Zwar befindet sich am Ende der von der Klägerin anlässlich der Entgegennahme der Kündigung vom 18.07.2016 unterschriebenen "Erklärung zum Austritt" (Kopie Bl. 95 der Akte) die Passage:



(bb) Daraus kann jedoch entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht gefolgert werden, dass die Beklagte diese jemals zum Anlass für die Berufung auf einen Verzicht der Klägerin auf die Bonusansprüche für das Geschäftsjahr 2017 genommen hätte. Denn die Beklagte hat die Klägerin unter dem selben Datum einen Entwurf eines Aufhebungsvertrags (Bl. 173 ff. der Akte) ausgehändigt, gemäß dessen § 2 Nr. 3



Daraus ist zu schließen, dass der Bonus für das Geschäftsjahr 2017 nicht von der "Erklärung zum Austritt" erfasst sein sollte.



(cc) Auch ansonsten sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Bonus für das Geschäftsjahr 2017 je ungewiss gewesen wäre. Die Festlegung auf 20.507,76 € gemäß Nr. 2 Unterabs. 5 des Vergleichs bedeutet lediglich eine Regelung im Rahmen der Gesamtabwicklung des Arbeitsverhältnisses. Damit scheidet ein Vergleichsmehrwert hierfür aus.



bb) Betreffend die gemäß Nr. 3 des Vergleichs vereinbarte unwiderrufliche Freistellung der Klägerin unter Fortzahlung ihrer Bezüge liegt keine der Alternativen des § 779 BGB vor.



(1) Aus der im Zusammenhang mit dieser Problematik häufig angezogenen Entscheidung des BAG vom 16. Februar 2012 - 3 AZB 34/11 ([...]) - kann nicht abgeleitet werden, dass die Einbeziehung unstreitig bestehender oder nicht bestehender Ansprüche in einen Vergleich auch bezüglich dieser einen Mehrwert auslöst. Die besagte Entscheidung verhält sich nur zur Frage des Vorliegens eines Vergleichs, nicht jedoch zu der hier allein interessierenden Frage, ob durch den Vergleich ein Mehrwert begründet worden ist.



(2) Dies verkennen die ebenso häufig bemühten Entscheidungen des LAG Hamburg vom 26. Januar 2016 (- 6 Ta 29/15 -) und vom 14. September 2016 (- 6 Ta 23/16 jeweils [...]).



(a) Wenn ein nicht rechtshängiger Gegenstand als solcher nicht (mehr) streitig oder ungewiss ist, die eine Partei aber dennoch auf deren Einbeziehung in einen ansonsten nicht zustande kommenden Vergleich über die rechtshängigen Gegenstände besteht, so wird der zusätzlich geregelte Gegenstand zwar Vergleichsinhalt, begründet aber keinen Vergleichsmehrwert gemäß § 779 Abs. 1 BGB (und auch keine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG). Dieses zutreffende Verständnis liegt auch der Empfehlung Nr. I.22.1.4 des Streitwertkatalogs 2016 zugrunde. Deshalb begründet eine vergleichsweise vereinbarte Freistellung nur dann einen Mehrwert, wenn sich zuvor eine Partei eines Anspruchs auf oder eines Rechts zur Freistellung berühmt hat und die Gegenpartei diesem Begehren entgegengetreten ist (erkennende Kammer 5. November 2013 - 5 Ta 126/13 - sowie 14. November 2013 - 5 Ta 135/13 - jeweils [...]).



(b) Dies ist hier nicht der Fall. Zwar hat die Beklagte die Klägerin mit Ausspruch der Kündigungen widerruflich von der Arbeit freigestellt (vgl. die Kündigungsschreiben vom 18.07.2016 <Bl. 26 der Akte> und vom 21.07.2016 <Bl. 28 der Akte>). Dass und ggf. mit welcher Begründung die Klägerin diese Freistellung bestritten hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit fehlt es hinsichtlich der letztlich vereinbarten Freistellung am Tatbestandserfordernis des Streits im Sinne des § 779 BGB.



(c) Ebenso wenig sind Anhaltspunkte für eine Ungewissheit im Sinne des § 779 BGB gegeben, weshalb der Vereinbarung der Nr. 3 des Vergleichs kein Mehrwert beizumessen ist.



cc) Nach dem Akteninhalt lässt sich auch nicht feststellen, dass durch die Nr. 7 des Vergleichs (Zeugnis) ein Streit ausgeräumt oder eine Ungewissheit im Sinne des § 779 BGB beseitigt worden wäre.



(1) Dass den streitgegenständlich gewesenen ordentlichen Kündigungen vom 18.07.2016 und vom 21.07.2016 Leistungsmängel und/oder Fehlverhalten zugrunde gelegen hätten und deshalb ein typischer Fall einer Ungewissheit im Sinne des § 779 BGB angenommen hätte werden können (vgl. dazu oben unter 2 a dd), ist nicht ersichtlich.



(2) Der weitergehenden Rechtsprechung des LAG Köln (9. März 2016 - 4 Ta 36/16 - [...] Rn 3), wonach auch außerhalb von Fällen vorgeworfener Leistungsmängel und/oder Fehlverhalten bei Vereinbarung eines Zeugnisses mit einer Verhaltens- und Leistungsbeurteilung typischerweise von der Beseitigung einer Ungewissheit im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB auszugehen sei, folgt die erkennende Kammer nicht. Denn sie bedeutete im Kern den Verzicht auf das Vorliegen eines normierten Tatbestandsmerkmals.



(3) Deshalb wäre für die Feststellung der Merkmale des Streits oder der Ungewissheit im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB die Schilderung der Reaktion der Beklagten auf das von der Klägerin konkret verlangte Zeugnisbegehren und des weiteren Verhandlungsverlaufs erforderlich gewesen. Nur daraus hätte auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines der Tatbestandsmerkmale des § 779 Abs. 1 BGB geschlossen werden können. Daran fehlt es völlig.



(4) Dass das Zeugnis für die Klägerin sehr wichtig war, dass darin auch Aspekte eingeflossen sind, auf die die Klägerin keinen Anspruch gehabt haben soll sowie dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hierfür auch eine Tätigkeit entfaltet hat (so die Argumentation im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 18.07.2017 <Bl. 145 f. der Akte>), ist im Rahmen der Streitwertbemessung gemäß § 63 Abs. 2 GKG unerheblich und nicht geeignet, einen Mehrwert zu begründen. Dass den Prozessbevollmächtigten der Klägerin hierfür eine Geschäftsgebühr gemäß VV 2300 RVG zusteht, bedarf hier keiner Erörterung.



III.



Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG). Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Der Vorsitzende: Augenschein

Vorschriften§ 63 Abs. 2 GKG, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG, § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG, § 45 Abs. 4 GKG, § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO, § 779 Abs. 1, 2 BGB, § 779 BGB, VV 2300 RVG, § 779 Abs. 1 BGB, Nr. 1000 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG, § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG, § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG