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  • 16.08.2011 | Gewinnermittlung

    Was ist besser: Bilanzierung oder Einnahmen-Überschussrechnung? - Teil 1

    von StBin Dipl. Fwin (FH) Jutta Liess, Traunreut

    Durch das BilMoG werden bestimmte Einzelunternehmer seit 2008 von der Buchführungspflicht befreit (§ 241a HGB). Das erweitert den Kreis der Personen, die ihren Gewinn mittels Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) ermitteln dürfen, und macht diese Gewinnermittlungsmethode interessanter denn je. Ob ihre freiwillige Anwendung gegenüber der Bilanzierung sinnvoll ist, muss in jedem Einzelfall gesondert und sorgsam entschieden werden. Der folgende Beitrag sowie die Fortsetzung in der September-Ausgabe liefern die wichtigsten Ansatzpunkte für entsprechende Überlegungen.  

    1. Anspruchsberechtigte

    Bei der Frage, wem ein Gewinnermittlungswahlrecht zusteht bzw. für wen es aufgrund einer Buchführungs- und damit verbundenen Abschlusspflicht von vornherein ausscheidet, ist wie folgt zu unterscheiden:  

     

    • Die handelsrechtliche Buchführungspflicht trifft grundsätzlich jeden Kaufmann (§§ 238 ff. HGB).

     

    • Aus der handelsrechtlichen Buchführungspflicht resultiert die - abgeleitete - steuerliche Buchführungspflicht (§ 140 AO). Auch ohne handelsrechtliche Verpflichtung zur Buchführung kann sich eine steuerliche Buchführungspflicht aus anderen Gesetzen ableiten. Das betrifft z.B. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen.

     

    • Eine eigene - originäre - steuerliche Buchführungspflicht trifft Nicht-Kaufleute, die einen steuerlichen Gewerbebetrieb oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb führen, und bei denen eines der Größenmerkmale des § 141 Abs. 1 AO überschritten ist.

     

    Von der Buchführungspflicht befreit sind - unabhängig von der Höhe des Umsatzes oder Gewinns - Freiberufler mit selbstständigen Einkünften i.S. des § 18 EStG sowie seit 2008 kleine Einzelkaufleute (§ 241a S. 1 HGB, Art. 66 Abs. 1 EGHGB). Das Merkmal „klein“ ist erfüllt, wenn der Einzelkaufmann an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen nicht mehr als 500.000 EUR Umsatzerlöse und nicht mehr als 50.000 EUR Jahresüberschuss erzielt.  

     

    Merke!

    Wird das Einzelunternehmen neu gegründet, kann das Wahlrecht bereits dann in Anspruch genommen werden, wenn die Größenmerkmale am ersten Abschlussstichtag nicht überschritten sind.  

     

    Hinweis: Personen(handels)gesellschaften (vor allem OHG, KG) sowie Kapitalgesellschafen (vor allem GmbH, AG) sind generell buchführungspflichtig.  

     

    Mit den neuen handelsrechtlichen Grenzwerten für Einzelkaufleute nach § 241a HGB kommt es auf den ersten Blick zu einer Angleichung an die steuerlichen Schwellenwerte für die Buchführungspflicht des § 141 Abs. 1 AO. Es gibt allerdings Unterschiede: So sind der steuerliche Gewinn und der handelsrechtliche Jahresüberschuss nicht identisch. Unter anderem aufgrund der Nichtabzugsfähigkeit der Gewerbesteuer nach § 4 Abs. 5b EStG und den anderen steuerlich nicht abziehbaren Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 5 EStG kommt es vor, dass zwar der Jahresüberschuss die 50.000 EUR nicht übersteigt, der steuerliche Gewinn jedoch höher ist. Hier ist eine Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 1 Nr. 5 AO prinzipiell gegeben.  

     

    Hinweis: Eine Aufforderung zur Buchführung nach § 141 Abs. 2 AO durch das FA soll aber in solchen Fällen im Rahmen der Ermessensausübung unterbleiben.  

     

    Bei der Ermittlung des Grenzwerts von 50.000 EUR ist zu beachten, dass nur die regulären Abschreibungen, nicht aber erhöhte Abschreibungen und Sonderabschreibungen den Gewinn mindern dürfen (§ 7a Abs. 6 EStG). Der Investitionsabzugsbetrag i.S. des § 7g Abs. 1 bis 4 EStG hingegen wirkt gewinnmindernd (siehe zur Vorgängerregelung der Ansparabschreibung FG Berlin-Brandenburg 14.11.07, 7 K 7124/07, Abruf-Nr. 080285). Beim zweiten Grenzwert der Umsatzerlöse von maximal 500.000 EUR gilt die Besonderheit, dass diese auch umsatzsteuerfreie Umsätze (ohne die nach § 4 Nr. 8 bis 10 UStG steuerfreien Umsätze) sowie im Inland nicht steuerbare Auslandsumsätze umfassen (BFH 07.10.09, II R 23/08, Abruf-Nr. 093766).  

     

    Merke!

    Umsatzsteuerlich ist die Besteuerung im Einklang mit dem Zu- und Abflussprinzip der EÜR nach vereinnahmten Entgelten, also Ist-Besteuerung (§ 20 UStG), statt Soll-Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 S. 1 UStG) möglich, wenn die Jahresumsätze unter 500.000 EUR liegen.  

     

    2. Die fünf wichtigsten Unterschiede im Überblick

    So unterschiedlich die Gewinnermittlungen durch Bilanzierung und EÜR auch sind: Die Differenzen ergeben sich immer nur innerhalb der einzelnen Gewinnermittlungsperioden, auf die Lebensdauer des Betriebs gesehen kommt es zum selben „Totalgewinn“.  

     

    Die nachfolgende Übersicht zeigt die fünf wichtigsten Unterschiede zwischen Bilanzierung und EÜR.  

     

    Kriterium  

    Bilanzierung  

    EÜR  

    Gewinnermittlung  

     

    • Gegenüberstellung Aktiva und Passiva
    • Gewinn- und Verlustrechnung
    (Betriebsvermögensvergleich)
    • Gegenüberstellung Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben
    („Geldverkehrsrechnung“)

    Zuordnung  

     

    • Prinzip der wirtschaftlichen Veranlassung
    • Ausweis von Rechnungsabgrenzungsposten und Rückstellungen
    • Zu- und Abflussprinzip
    • Keine Rechnungsabgrenzungs- und Rückstellungsposten

    Verkäufe und Einkäufe  

     

    • Erfassung zum Zeitpunkt der Lieferung (Forderungen/ Verbindlichkeiten)
    • Erfassung zum Zeitpunkt der Zahlung (kein Ausweis von Forderungen/ Verbindlichkeiten)

    Bestandsveränderungen  

     

    • Gewinnwirksame Erfassung
    • Inventur mit Bewertungsregeln für das Betriebsvermögen
    • Keine Abbildung
    • Keine Inventur, kein Ausweis des Betriebsvermögens

    Umsatzsteuer  

    • Gewinnneutrale Behandlung
    (wie ein durchlaufender Posten)
    • USt als Einnahme, VorSt als Ausgabe
     

    3. Vorteile der beiden Gewinnermittlungsarten

    Aus den dargestellten Unterschieden lassen sich die jeweiligen Vorteile der beiden Gewinnermittlungsarten feststellen.  

     

    3.1 Vorteile der Bilanzierung

    • Bei der Bilanzierung ist die periodengerechte Gewinnermittlung von Vorteil - insbesondere für Unternehmer mit schwankenden Gewinnen. Die Möglichkeit des Ausweises von Forderungen und Verbindlichkeiten bietet eine gute Glättungsfunktion, gerade auch bei Unternehmensneugründungen. Herstellerbetriebe profitieren vom Ausweis von Wertschwankungen beim Wareneinkauf und von der Abgrenzungsmöglichkeit unfertiger Arbeiten. Zudem werden Risiken über Rückstellungen und Wertverluste über Teilwertabschreibungen gewinnwirksam abgebildet.

     

    • Auch der höhere Informationsgehalt einer Bilanz kann nur von Vorteil sein. Sie bietet eine bessere Planungsgrundlage sowohl für die interne Geschäftsleitung als auch für externe Geschäftspartner - z.B. bei der Kreditvergabe. Einnahmen-Überschussrechner müssen zur Erlangung von Krediten oftmals zusätzliche Vermögensaufstellungen erstellen.

     

    3.2 Vorteile der EÜR

    • Der Hauptvorteil der EÜR liegt in der Einfachheit - keine Bestandskonten, kein Kassenbuch, keine Bewertungsproblematik, keine Abweichungen zwischen Handels- und Steuerrecht. Eine EÜR ist i.d.R. auch kostengünstiger.

     

    • Das Jahresergebnis lässt sich aufgrund des Zahlungsprinzips (keine periodengerechte Gewinnermittlung) durch die gezielte zeitliche Verlagerung von Einnahmen oder Ausgaben beeinflussen. Da keine Forderungen auszuweisen sind, entsteht keine Ertragsteuer auf bereits verwirklichte Geschäftsvorfälle, die noch nicht zu Einnahmen geführt haben. Vielmehr sind Steuern erst zu leisten, wenn die Gelder tatsächlich zur Verfügung stehen. Das mindert Liquiditätsengpässe.

    4. Besonderheiten bei der Einnahmen-Überschussrechnung

    Vom Prinzip der simplen Aufzeichnung der betrieblichen Ein- und Auszahlungen gibt es einige Ausnahmen:  

     

    4.1 Ausnahmen vom Zu- bzw. Abschlussprinzip

    • Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen oder Ausgaben, die zehn Tage vor Beginn oder nach Ende des Kalenderjahrs zu- oder abfließen, sind im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 EStG). Das gilt auch für die Umsatzsteuervorauszahlungen (BFH 1.8.07, XI R 48/05, Abruf-Nr. 073153), allerdings kommt es exakt auf die Wochentage an: Liegt die Fälligkeit wegen eines Wochenendes nicht vor dem 10.1., ist die Vorauszahlung selbst bei einer Zahlung vor dem 10.1. erst im neuen Jahr zu berücksichtigen (OFD Rheinland 17.09.09; Kurzinfo ESt 49/2009).

     

    • Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten von abnutzbarem Anlagevermögen sind nur verteilt über die AfA als Betriebsausgabe zu erfassen (§ 4 Abs. 3 S. 3 EStG). Ein noch vorhandener Restwert ist beim Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen als Ausgabe zu behandeln. Ein Investitionszuschuss kann entweder als Einnahme erfasst und dann die Abschreibung von den vollen Anschaffungskosten bemessen oder der Zuschuss kann direkt von den Anschaffungskosten abgezogen werden (BFH 29.11.07, IV R 81/05, Abruf-Nr. 081121). Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten von nicht abnutzbarem Anlagevermögen, von Wertpapieren bzw. Anteilen und von Grundvermögen im Umlaufvermögen sind erst bei Zufluss eines Veräußerungserlöses, ihrer Entnahme oder Verlust zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 3 S. 4 EStG).

     

    • Weder die Vereinnahmung noch die Verausgabung durchlaufender Posten ist gewinnwirksam (§ 4 Abs. 3 S. 2 EStG).

     

    • Bei empfangenen Darlehen ist weder der Erhalt der Darlehenssumme eine Einnahme noch ist die Rückzahlung eine Ausgabe. Lediglich die Zinsen - nicht die Tilgungsanteile - führen zu Betriebsausgaben. Ein marktübliches Damnum bzw. Disagio kann sofort abgesetzt werden (§ 11 Abs. 2 S. 4 EStG).

     

    • Auch ohne den entsprechenden Geldabfluss kann für die künftige Anschaffung oder Herstellung von Anlagevermögen bereits eine gewinnmindernde Rücklage - z.B. über den Investitionsabzugsbetrag i.S. des § 7g EStG - gebildet werden.

     

    Zu beachten sind außerdem die im Zusammenhang mit der EÜR bestehenden besonderen Aufzeichnungspflichten, die im folgenden Abschnitt näher beleuchtet werden.  

     

    4.2 Besondere Aufzeichnungspflichten

    • Für umsatzsteuerliche Zwecke sind die Einnahmen und Ausgaben getrennt nach Steuersätzen und steuerfreien Umsätzen zu erfassen.

     

    • Es ist eine Abschreibungsübersicht mit Anschaffungsdatum, Kaufpreis und Abschreibungsdauer bzw. in Anspruch genommenen AfA-Beträgen sowie ein Verzeichnis über geringwertige Wirtschaftsgüter zu erstellen.

     

    • Nicht abziehbare Betriebsausgaben (Bewirtungskosten, Geschenke etc., § 4 Abs. 5 und Abs. 7 EStG) sind getrennt aufzuzeichnen.

     

     

    • Bei Betriebseinnahmen über 17.500 EUR ist die „Anlage EÜR“ zur Einkommensteuererklärung (§ 60 Abs. 4, 84 Abs. 3d EStDV) beim FA einzureichen. Die Zwangsabgabe wird heftig kritisiert: Nun muss der BFH entscheiden (Rev. BFH X R 18/09).

     

    Merke!

    Auch ohne die strengen Buchführungspflichten der Bilanzierung gilt bei der EÜR die Aufbewahrungspflicht des § 147 AO gleichermaßen.  

     

    • Zur Gewährleistung des selben Totalgewinns kommt auch die EÜR nicht ohne Berücksichtigung von Einlagen und Entnahmen aus. Demzufolge sind (Sach- oder Leistungs-/Nutzungs-)Entnahmen den Betriebseinnahmen und (Sach- oder Leistungs-/Nutzungs-)Einlagen den Betriebsausgaben zuzurechnen. Dabei sind die Teilwertregeln des § 6 Abs. 1 Nr. 4 und 5 EStG analog anzuwenden.

     

    Der Gewinnerhöhung durch Entnahmen liegt u.a. die Überlegung zugrunde, dass z.B. durch eine Veräußerung von Gegenständen, die nicht für private Zwecke entnommen würden, Betriebseinnahmen erzielt werden könnten. Die Einlage entsprechender Gegenstände oder Nutzungen bzw. Leistungen hingegen erspart eigentlich betrieblich veranlasste Kosten und ist deshalb gewinnmindernd zu berücksichtigen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Im zweiten und abschließenden Teil dieser Beitragsserie zum Vergleich von Bilanzierung und Einnahmen-Überschussrechnung erfahren Sie zunächst, welche Besonderheiten es bei der Bilanzierung zu beachten gilt. Außerdem werden die Folgen eines Wechsels der Gewinnermittlungsart betrachtet, um so eine wichtige Entscheidungshilfe bei der Wahl der geeigneten Form der Gewinnermittlung zu bieten.
    Quelle: Ausgabe 08 / 2011 | Seite 190 | ID 147821

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