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  • · Fachbeitrag · Insolvenzschutz

    Insolvenzanfechtung: Entgegenkommen bei Zahlungskrise des Kunden wird zum Bumerang

    von Rechtsanwalt Dr. Jochen Dierksmeier, Rechtsanwälte Hausmann & Müller, Münster

    | Viele Autohäuser stehen vor der Frage, wie sie reagieren sollen, wenn ein Kunde in eine Zahlungskrise gerät und Raten nicht zahlt, die Zahlung dann wieder aufnimmt oder um Stundung bittet. Was viele nicht wissen: Ein Entgegenkommen des Autohauses gegenüber dem Kunden kann das Geschäft zunächst retten, aber noch bis zu zehn Jahre später wie ein Bumerang zurückschlagen. Nämlich dann, wenn der Kunde insolvent wird, und der Insolvenzverwalter das Geschäft anficht. Erfahren Sie, wie Sie Ihr Risiko verringern und wie Sie sich im Anfechtungsfall verhalten sollten. |

    Ein typischer Fall aus der Praxis

    Dazu ein - etwas vereinfacht dargestellter - Praxisfall: Ein Autohaus hat im Januar 2010 einen typischen Ratenkaufvertrag im Neuwagengeschäft geschlossen, der fünf Jahre läuft (von 01/2010 bis 12/2014). Nachdem zwei Raten nicht gezahlt wurden und auch Zahlungen stockten, trat der Autokäufer an das Autohaus heran und bat um Stundung. Der Sachbearbeiter im Autohaus verlängerte die Ratenzahlungsvereinbarung um die ausgefallenen Monate bis zum Februar 2015. Zum Ausgleich erhöhte er die Konditionen, insbesondere den effektiven Zinssatz, auch mit der Begründung, das Werk gewähre jetzt keine besseren Konditionen mehr. Der Käufer sagte, dass er die Raten in jedem Fall zahlen könne, weil er sich durch einen Finanzfachmann beraten lassen habe. Dabei stehen, wie der Käufer mitteilte, auch noch geringfügige andere Forderungen offen.

     

    Der Kunde wird 2016 insolvent, und der Insolvenzverwalter verlangt vom Autohaus die Raten zurück, die der Kunde nach der Bitte um Stundung geleistet hat. Dabei verweist er darauf, dass dem Autohaus klar gewesen sein muss, dass der Käufer schon im Zeitpunkt der Bitte um Stundung zahlungsunfähig gewesen sein muss.

     

    Basis für seine Forderung ist § 133 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO), der lautet:

    •  § 133 Abs. 1 InsO

    § 133 Vorsätzliche Benachteiligung

     

    (1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

     

    Folge der Anfechtung ist: Es entsteht ein schuldrechtlicher Rückgewähranspruch auf Leistung an die Insolvenzmasse. D. h., das Autohaus muss die Raten, die es ab dem Zeitpunkt der Ratenzahlungsvereinbarung erhalten hat, an den Insolvenzverwalter (zur Insolvenzmasse) zurückzahlen.

     

    Das Risikopotenzial für zurückliegende Geschäftsjahre beträgt bis zu zehn Jahre und umfasst die Beiträge, die Ihr Schuldner während dieses Zeitraums geleistet hat.

    Ihre Strategien gegen die Anfechtung und im Anfechtungsfall

    Dabei ist der Insolvenzverwalter klar im Vorteil. Denn er kann anfechten und Ihnen die Absicht unterstellen, Gläubiger benachteiligen zu wollen. Eine Stütze findet er dabei beim BGH. Der wendet die gesetzlichen Regelungen scharf an, denn er sieht offenbar zu viele insolvente Unternehmen und Privatabnehmer im Markt.

     

    Trotzdem sollten Sie im Anfechtungsfall die Flinte nicht gleich ins Korn werfen. Es gibt Vermeidungs- und Verteidigungsstrategien. Und es gibt einen Gesetzesentwurf, der die Situation etwas entspannen könnte.

     

    Vermeidung

    Der BGH hat zwar entschieden, dass die Bitte des Schuldners auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält, als solche kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ist (BGH, Beschluss vom 16.04.2016, Az. IX ZR 6/14, Abruf-Nr. 176459).

     

    Allerdings sagt selbst der Deutsche Bundestag in seiner Begründung zum Gesetzesentwurf, dass unklar sei, ob dies auch in dem praktisch häufigen Fall gelten soll, dass das Ersuchen um Ratenzahlung zur Überbrückung eines vorübergehenden Liquiditätsengpasses erfolgt.

     

    PRAXISHINWEIS | Eine Insolvenzanfechtung lässt sich derzeit am besten vermeiden, wenn Sie Schuldnern keine Ratenzahlung oder Stundung gewähren, wenn auch nur die geringsten Anzeichen auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung hinweisen. Schädlich ist es, wenn solche Anzeichen in den Dokumentationen Ihres Autohauses auftauchen.

     

    Verteidigung

    Sobald der Insolvenzverwalter Ansprüche geltend macht, kommt als Verteidigungsstrategie in Betracht: Das Autohaus macht geltend, dass es von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners keine Kenntnis hatte. Dies muss das Autohaus beweisen.

     

    PRAXISHINWEIS | Als Beweismittel dient hier die Dokumentation, wenn aus dieser hervorgeht, dass der Schuldner auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts gezahlt hat.

     

    Sanierungsvergleich - Ja oder Nein?

    Häufig erhalten Autohäuser Briefe ihrer Kunden, in denen diese einen Sanierungsvergleich vorschlagen. Damit ein solcher Vergleich ggf. vor einer Insolvenzanfechtung schützt, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein.

     

    Im Vergleich muss mindestens festgestellt werden

    • die Art und Höhe der Verbindlichkeiten,
    • die Art und Zahl der Gläubiger,
    • die zur Sanierung erforderliche Quote des Erlasses der Forderungen und
    • wie der Insolvenzgrund beseitigt werden soll.

     

    Wichtig | Lassen Sie sich auf einen solchen Vergleich ein, mit dem Ihr Autohaus deutlich besser gestellt werden soll, müssen Sie mindestens so viele Informationen verlangen, dass Sie die Frage der möglichen Benachteiligung anderer Gläubiger nach dem Konzept des Schuldners einschätzen können (BGH, Urteil vom 12.05.2016, Az. IX ZR 65/14, Abruf-Nr. 186620).

     

    Der BGH bezweifelt nämlich, dass ein Sanierungserfolg mit einem reinen Quotenvergleich herbeigeführt werden kann. Deshalb dürfen auch Sie davon nicht ausgehen. Vielmehr muss im Sanierungsvergleich stehen, in welcher Weise mit dem Sanierungsplan der eigentliche Insolvenzgrund beseitigt werden soll. Sicher muss der Erfolg aber nicht sein. Es müssen auch nicht die Details der Sanierung erklärt sein.

     

    PRAXISHINWEIS | Prüfen Sie einen Sanierungsvergleich genau im Hinblick auf die genannten Punkte. Nehmen Sie dabei anwaltliche Hilfe in Anspruch.

     

    Gesetzesänderung soll Erleichterung bringen

    Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat erkannt: Rechtssicherheit einerseits und Sicherung der Insolvenzmasse andererseits sind aus der Balance geraten (Pressemitteilung vom 15.01.2016.). Es hat deshalb einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der folgende Verbesserungen für den Anfechtungsgegner (also z. B. Ihr Autohaus) mit sich bringt:

     

    • Der Anfechtungszeitraum soll künftig nur noch vier Jahre betragen.
    • Außerdem wird klargestellt: Hat der Anfechtungsgegner mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

     

    Wichtig | Das Gesetzgebungsverfahren wird sich noch mindestens bis zum Ende des Jahres 2016 hinziehen. Es empfiehlt sich also weiterhin,

    • sich bei der Gewährung von Stundungen und Ratenzahlungen zurückzuhalten und
    • auf die eigene Dokumentation zu achten.
    Quelle: Ausgabe 10 / 2016 | Seite 18 | ID 44212395