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  • · Fachbeitrag · Verfahrensrecht

    Anwalt sollte vom Gutachter konkrete Gründe für die Verzögerung verlangen

    von Christian Noe B. A., Göttingen

    | Es kann gute Gründe geben, dass sich ein Verfahren wegen eines ausstehenden Gutachtens verzögert. In einem aktuellen Fall bewies ein LG auffallend Geduld mit einem Gutachter und leitete zudem eines seiner Schreiben nicht an die Kläger weiter. Befangen war die Richterin deshalb aber nicht, entschied das OLG Brandenburg. |

     

    Sachverhalt

    Im vorliegenden Fall hatte das Gericht die Akten an den Sachverständigen geschickt, der sein Gutachten bezüglich einer Abwasseranlage innerhalb von drei Monaten fertigstellen sollte. Er bat jedoch wiederholt um Fristverlängerungen, die gewährt wurden. Mehr als zwei Jahre später teilte der Sachverständige die Rückgabe seiner öffentlichen Bestellung mit und wurde vom Gericht entpflichtet. Mit einem Beschluss gab die Richterin der Klägerpartei umfassende Hinweise, dass die Klage nicht schlüssig sei. Das daraufhin von den Klägern gestellte Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit der Richterin blieb erfolglos, ebenso die sofortige Beschwerde zum OLG Brandenburg (15.11.23, 1 W 22/23, Abruf-Nr. 239733).

     

    Relevanz für die Praxis

    § 42 Abs. 1, 2 ZPO ermöglicht die Ablehnung eines Richters, wenn ein begründeter Verdacht vorliegt, dass dieser befangen ist. Hierzu gehören Verstöße gegen das prozessuale Gleichbehandlungsgebot, unsachliche Äußerungen, die willkürliche Benachteiligung oder Behinderung einer Partei oder die negative Einstellung gegenüber einer Partei, wobei die andere Partei bevorzugt wird. Es ist jedoch zulässig, dass Richter ihre Meinung äußern oder im Rahmen der materiellen Prozessleitung Einschätzungen geben. Genau in diesem zulässigen Bereich hatte sich die Richterin hier nach Meinung des OLG bewegt. Die Hinweise im gerichtlichen Beschluss stellten eine „Einschätzung der Rechtslage“ dar, zu der die Richterin im Rahmen ihrer materiellen Prozessleitung befugt und berufen war. Die ausführlichen und eingehenden Begründungen widersprachen einer „willkürlichen Verfahrensbehandlung“. Zwar habe die Richterin tatsächlich ein Schreiben des Gutachters nicht an die Kläger weitergeleitet. Diese waren aber durchgehend über den Stand des ausstehenden Gutachtens und die Korrespondenz zwischen Gericht und Gutachter informiert.