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  • · Nachricht · Wettbewerbsrecht

    Kostenloses Verblistern - zulässig oder nicht? Oder sogar strafbar?

    von Dr. Bettina Mecking, Düsseldorf

    | Heimversorgende Apotheken sehen sich zunehmend mit dem Wunsch der Heimbetreiber konfrontiert, eine patientenindividuelle Arzneimittelverblisterung vorzunehmen, die für das Heim kostenfrei bleiben soll. Für die Pflegeeinrichtung stellt eine solche Handhabe eine attraktive Zusatzleistung der Apotheke dar - im Vergleich zur bloßen Auslieferung von Arzneimittelpackungen. Denn das dortige Personal spart hausinterne Arbeitsschritte ein bei gleichzeitiger Erhöhung der Arzneimittelsicherheit. Für die rechtliche Bewertung spielen straf-, wettbewerbs- und berufsrechtliche Aspekte eine Rolle. |

    „Teilmengen-Urteil“ des BGH

    Laut Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) besteht keine Bindung der Preise gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) bei der Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt (Urteil vom 05.03.2015, Az. I ZR 185/13). Wenn die Preisbindung also nicht gilt, dann kann die Apotheke entweder Rabatte oder sonstige Zugaben geben, die den Erwerb günstiger erscheinen lassen, wie etwa die kostenlose Verblisterung. Insoweit hat der BGH einen Gleichlauf zwischen Rabatt und Zugabe hergestellt. Dass Apotheken beim Verblistern von Teilmengen zeitlich gestreckt die Gesamtmenge einer Arzneimittelpackung ausliefern, schließt die Anwendung der Ausnahmeregelung nicht aus.

     

    Mancherorts wurde festgestellt, dass das sogenannte Teilmengen-Urteil des BGH fehlinterpretiert wird. Durch das Verblistern entstehe nämlich ein neues Fertigarzneimittel. Dieses werde an den Patienten abgegeben und keine Teilmenge, sodass auf der Ebene Apotheke und Patient die AMPreisV gelte. Der Preis für die Verblisterung werde ohnehin nicht in der AMPreisV geregelt. Der Preis für das Arzneimittel und der Preis für die Dienstleistung „Verblisterung“ hätten insofern nichts miteinander zu tun.

     

    Die Rx-Festpreisbindung ist derzeit ein besonders heißes Eisen. Für die Zukunft soll daher nun mit dem Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz, AMVSG) klargestellt werden, dass die AMPreisV nur dann keine Anwendung findet, wenn die Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen aufgrund ärztlicher Verordnung erfolgt. Ansonsten ließe sich schwer erklären, warum das Festhalten an Festpreisen nötig ist, wenn bei dem an Bedeutung gewinnenden Blistern eine Ausnahme gemacht wird:

    Strafbarkeit nach den strafrechtlichen Antikorruptionsparagraphen

    Es werden Stimmen laut, wonach gemäß dem inzwischen scharf gestellten Antikorruptionsgesetz ein kostenloses oder nicht kostendeckend vergütetes Verblistern strafbar sein soll. Im Rahmen der Strafparagrafen zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen wurden der Bezug und die Abgabe von Arzneimitteln zwar ausgeklammert, bei der Heimversorgung ist das Antikorruptionsgesetz gleichwohl relevant. Nach § 299a Strafgesetzbuch (StGB) macht sich strafbar, wer einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Verordnung von Arzneimitteln oder Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt.

     

    Täter des § 299a StGB könne alle Angehörigen solcher Heilberufe sein, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern. Hierzu gehören neben den akademischen Heilberufen wie Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Psychotherapeut etc. auch die Angehörigen sogenannter Gesundheitsfachberufe wie z. B. Krankenpfleger, Physiotherapeuten und Logopäden. Spiegelbildlich zu § 299a StGB kann in § 299b StGB auch das Gewähren eines Vorteils an die genannten Heilberufler in den beschriebenen Fällen unter Strafe gestellt werden. Auf Geberseite kann jedermann Täter einer Bestechung im Gesundheitswesen sein.

     

    Die Vorschriften sind als Offizialdelikte ausgestaltet. Das bedeutet, sie können von Polizei und Staatsanwaltschaft auch ohne Strafantrag eines Geschädigten verfolgt werden.

     

    Ein Heim spart Kosten, wenn die Arzneimittel für Heimbewohner von der versorgenden Apotheke bedarfsgerecht zusammengestellt und verblistert werden. Deshalb bevorzugt es sicherlich denjenigen Apotheker, der das Verblistern unentgeltlich anbietet. Das Verblistern ist eine pharmazeutische Tätigkeit, an die nach § 34 Apothekenbetriebsordnung besondere Anforderungen in Bezug auf die räumliche und personelle Ausstattung gestellt werden. Diese müssen gesondert vergütet werden. Ist der Preis zu niedrig angesetzt, liegt ein ungerechtfertigter Vorteil des Heims vor.

     

    Teilweise wird angenommen, dass auch der das kostenlose Verblistern anbietende Apotheker einen strafrechtlich relevanten Vorteil erlange, nämlich die Chance zum Geschäftsabschluss für die Belieferung. Die Rechtsprechung sieht die Chance zum Geschäftsabschluss im Korruptionsrecht ebenfalls als Vorteil an, auch wenn sich Leistung und Gegenleistung aus dem Geschäft selbst adäquat gegenüber stünden. Auch die Unrechtsvereinbarung sei gegeben, da die Chance zur Heimbelieferung gerade deshalb gewährt wird, weil die Verblisterung kostenlos erfolgt. Dieser Betrachtungsweise, wonach der Apotheker selbst einen Vorteil vom Heim erhält, wird entgegengehalten, dass eine Bevorzugung lediglich durch das Heim erfolge und nicht umgekehrt. Eine Strafbarkeit der Heimleitung durch Mittäterschaft oder Teilnahme an der Tat des Apothekers wird daher überwiegend nicht angenommen.

     

    Die Strafbarkeit nach dem Antikorruptionsparagrafen dürfte zumeist nicht gegeben sein, da den Heimleitungen die Heilberuflereigenschaft fehlt. Sind die Repräsentanten des Heimträgers Angehörige eines Heilberufs, ist das Korruptionsstrafrecht aufseiten des Heimträgers als Vorteilsnehmer und aufseiten des Apothekers als Vorteilsgeber einschlägig. Ansonsten greift - etwa bei Heimen in öffentlicher Hand oder im Eigentum einer privaten Betreibergesellschaft - die bisherige Strafvorschrift zu Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr.

    Wettbewerbs- und berufsrechtliche Vorgaben

    Ein Apotheker, der einem Heim die patientenindividuelle Neuverblisterung der Arzneimittel anbietet, ohne hierfür eine Vergütung zu verlangen, läuft Gefahr, gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und gegen seine Berufspflichten zu verstoßen. Der Heimträger, der sich kostenlos beliefern lässt, ist auch ohne Heilberuflereigenschaft Teilnehmer dieser Verstöße und kann ebenso wie der Apotheker wettbewerbsrechtlich verfolgt werden.

     

    Nach § 7 Abs. 1 S. 1 HWG ist es unzulässig, im Zusammenhang mit der Lieferung von Arzneimitteln Zuwendungen und sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen. Wird das Verblistern kostenlos angeboten oder durchgeführt, handelt es sich um das Gewähren einer unentgeltlichen Dienstleistung. Diese ist weder geringwertig noch eine handelsübliche Nebenleistung. Das patientenindividuelle Verblistern ist nicht Bestandteil der vom Apotheker geschuldeten Hauptleistung der Abgabe der Arzneimittel, sondern eine Nebenleistung. Sie ist jedoch nicht handelsüblich, weil sie einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert, der bei wirtschaftlicher Betrachtung vernünftigerweise nur gegen ein zusätzliches Entgelt erbracht werden kann.

     

    Die Wettbewerber der Apotheke und des Heims können gegen Apotheke und Heimträger Unterlassungs- und ggf. Schadenersatzansprüche geltend machen. Auch Kammern sowie Wettbewerbs- und Verbraucherschutzverbände können die Unterlassung und die Einziehung des Gewinns einklagen.

    Unvereinbarkeit des kostenlosen Verblisterns mit Berufsordnungen (BO) von Apothekerkammern

    In einem Erlass des Gesundheitsministeriums NRW vom 02.07.2010 wird festgestellt, dass das kostenlose Stellen und Verblistern mit den BO der beiden Apothekerkammern in NRW (§§ 18, 19 BO) unvereinbar ist. Denn nach diesen BO sei es nicht erlaubt, Verträge zu schließen, die bezwecken oder zur Folge haben können, andere Apotheken von der Belieferung oder der Abgabe von Arzneimitteln ganz oder teilweise auszuschließen.

     

    § 19 BO der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg regelt ausdrücklich, dass das kostenlose Verblistern oder Stellen von Arzneimitteln unzulässig ist, ebenso wie § 17 BO der Apothekerkammer des Saarlands regelt, dass kostenloses oder im Verhältnis zum marktgerechten Preis gegen sehr geringfügiges Entgelt gewährtes Verblistern oder Stellen von Arzneimitteln nicht erlaubt ist. Die Apothekerkammern können also gegen Apotheken, die kostenlos Stellen oder Verblistern, berufsrechtlich vorgehen. Diese Regelungen und auch der Erlass müssen aber sicherlich anhand der neuen gesetzgeberischen Vorgaben relativiert werden.

    Widerruf der Genehmigung eines Versorgungsvertrags nach § 12a ApoG

    Die staatliche Gesundheitsaufsicht fordert mancherorts, dass das Verblistern und eine entsprechende Vergütungsabrede von Arzneimitteln im Versorgungsvertrag nach § 12a ApoG aufzuführen oder zu ergänzen sind. Dabei dürfte ein Verstoß gegen wettbewerbs- oder berufsrechtliche Vorgaben beim Verblistern allein nicht ausreichen, um die Genehmigung eines Versorgungsvertrags nach § 12a ApoG zu verweigern oder zu entziehen. Wenn sich allerdings ein strafrechtlicher Vorwurf bestätigt, muss als Konsequenz die Genehmigung eines Versorgungsvertrags nach § 12a ApoG verweigert bzw. widerrufen werden.

    Fazit: Bestehende Unsicherheiten beseitigen - angemessene Preise nehmen

    Wenn der vereinbarte Preis angemessen - d. h. kostendeckend - ist, können das Korruptionsstrafrecht sowie mögliche Wettbewerbs- und Berufsrechtsverstöße ausgeblendet werden. Als Orientierungsgröße ist es hilfreich, sich bei externen Blisterzentren nach den dort kalkulierten Preisen pro Patient und Woche zu erkundigen. Der konkrete Preis sollte dann von der Anzahl der zu versorgenden Patienten abhängen sowie von den Personal- und Materialkosten in der Apotheke. Wird ein Blisterzentrum beauftragt, können dessen Rechnungen sowie der eigene Zeitaufwand der Apotheke veranschlagt werden.

    Quelle: ID 44440218