Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Altersversorgung

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz: die wesentlichen geplanten Neuerungen im Überblick

von Dr. Claudia Veh, Schweizer Leben PensionsManagement GmbH, Garching

| Seit November 2016 liegt der Entwurf des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (Abruf-Nr. 190423 ) vor. Das Gesetz schafft eine neue Welt der betrieblichen Altersversorgung (bAV), die in Form des Sozialpartnermodells parallel neben die bestehende Welt des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) tritt. Ein erster Überblick über die wesentlichen geplanten Neuerungen. |

Das Sozialpartnermodell

Im Betriebsrentengesetz wird ein neuer Abschnitt 7 mit dem Titel „Betriebliche Altersversorgung und Tarifvertrag“ eingefügt. Hierin sind unter anderem zwei wesentliche Neuerungen geregelt - die reine Beitragszusage und das Opting-Out. Sie gelten exklusiv auf Tarifvertragsebene.

 

Reine Beitragszusage (§§ 21 bis 25 Entwurf BetrAVG [E-BetrAVG])

Bislang gibt es in der bAV drei Zusageformen: die Leistungszusage, die beitragsorientierte Leistungszusage (seit 01.01.1999) und die Beitragszusage mit Mindestleistung (seit 01.01.2002). Ab dem 01.01.2018 sollen reine Beitragszusagen möglich sein.

 

  • Merkmale einer reinen Beitragszusage
  • Der Arbeitgeber leistet einen Versorgungsbeitrag in eine Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds. Weder der Arbeitgeber noch der Lebensversicherer, die Pensionskasse oder der Pensionsfonds stehen für eine Mindestleistung ein. Das Kapitalanlagerisiko wird so vollumfänglich auf den Arbeitnehmer verlagert. Es gibt keine Garantien. Dies gilt auch in der Rentenphase: Laufende Renten können schwanken.
  • Es sind keine Kapitalzusagen möglich, es muss sich um lebenslange Rentenversprechen handeln.
  • Die Anwartschaft ist sofort unverfallbar - egal ob bei Entgeltumwandlung oder bei arbeitgeberfinanzierter bAV.
  • Bei vorzeitigem Dienstaustritt kann der Arbeitnehmer diese mit Verfügungsbeschränkungen privat weiterführen.
  • Bei einem Arbeitgeberwechsel kann das Deckungskapital aus einer Beitragszusage wiederum nur in eine Beitragszusage portiert werden.
  • Die Tarifpartner können zur Durchführung von Beitragszusagen „gemeinsame Einrichtungen“ nach § 4 Tarifvertragsgesetz gründen. Alternativ kann ein externer Versorgungsträger gewählt werden. Dann müssen die Tarifparteien das Modell mitüberwachen, z. B. durch Mitarbeit in den Gremien der Versorgungsträger.
  • Tarifverträge sollen einen „Sicherungsbeitrag“ vorsehen, den der Arbeitgeber zusätzlich zum bAV-Beitrag leistet, um Schwankungen der Leistungen auszugleichen. Dieser Sicherungsbeitrag ist steuerfrei (§ 3 Nr. 63a EStG).
  • Bei Entgeltumwandlung im Wege der Beitragszusage muss der Arbeitgeber mindestens 15 Prozent Zuschuss auf alle sozialversicherungsfreien Umwandlungen bezahlen.
  • Die Beitragszusage wird von umfangreichen aufsichtsrechtlichen Vorgaben flankiert (Teil 4a „Reine Beitragszusagen in der betrieblichen Altersversorgung“ im VAG; Änderung der Pensionsfonds-Aufsichtsverordnung): So muss z. B. der Kapitaldeckungsgrad, sprich das Verhältnis der Deckungsmittel zum Barwert der Versorgungsleistungen in einem Korridor von 100 bis 125 Prozent liegen. Wird der Korridor verlassen, müssen laufende Renten erhöht oder gesenkt werden. Die Tarifvertragsparteien können das Risikomanagement festlegen. Weiter sind umfangreiche Informationspflichten der Versorgungsträger vorgesehen.
 

Optionssystem - Opting Out (§§ 19 bis 20 E-BetrAVG)

Die Tarifvertragsparteien erhalten die Möglichkeit, betriebliche Systeme automatischer Entgeltumwandlung einzuführen. Jeder Beschäftigte nimmt automatisch an einer Entgeltumwandlung teil, sofern er nicht explizit per Opting-Out widerspricht. Die automatische Entgeltumwandlung

  • soll nicht nur bei neu eintretenden Arbeitnehmern, sondern auch bei bestehenden Arbeitsverträgen möglich sein;
  • muss schriftlich mindestens drei Monate vor der ersten Fälligkeit des umzuwandelnden Betrags angeboten werden.

Der Arbeitnehmer kann innerhalb eines Monats nach dem Zugang des Angebots widersprechen. Und er kann innerhalb einer Frist von höchstens einem Monat eine laufende Entgeltumwandlung beenden.

 

Ausweitung auf nichttarifgebundene Parteien (§ 20 Abs. 2 und § 24 E-BetrAVG)

Eine Ausweitung auf nichttarifgebundene Parteien ist vorgesehen:

 

  • Nicht tarifgebundene Arbeitgeber sollen die branchenspezifischen bAV-Tarifregelungen mit ihren Arbeitnehmern vereinbaren können. Dies betrifft sowohl die Beitragszusage als auch das Opting out.

 

  • Zudem kann über Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) ggf. die Wirksamkeit der tarifvertraglichen bAV-Lösung für die gesamte Branche hergestellt werden. Für AVE gelten strenge Maßstäbe, die Tarifparteien müssen die AVE gemeinsam beantragen, das BMAS muss die AVE erklären.

 

Rückdeckungsversicherung bei Arbeitgeber-Insolvenz (§ 8 Abs. 3 E-BetrAVG)

Eine weitere Neuerung betrifft die private Fortführung und Übernahme einer Rückdeckungsversicherung durch den Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber insolvent wird.

 

Künftig sollen Arbeitnehmer innerhalb von sechs Monaten nach einer Insolvenz des Arbeitgebers fordern können, die Rückdeckungsversicherung zu übernehmen und sie privat fortzuführen, wenn die Versorgungszusage auf die Leistungen der Rückdeckungsversicherung verweist. Die Leistungspflicht des PSV soll dafür entfallen.

 

Entscheidet sich der Arbeitnehmer für die private Fortführung, handelt es sich bei den Leistungen um sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 5 EStG).

Steuerrecht

Ausweitung des § 3 Nr. 63 EStG

Die im Rahmen des § 3 Nr. 63 EStG geförderten Beiträge werden von aktuell vier auf sieben Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) angehoben. Der Aufstockungsbetrag des § 3 Nr. 63 S. 3 EStG entfällt. Sofern Beiträge nach § 40b EStG alter Fassung pauschal besteuert werden, sind diese vom Förderrahmen des § 3 Nr. 63 EStG abzuziehen.

 

Wichtig | Bis auf Weiteres sind nur vier Prozent der BBG sozialversicherungsfrei.

 

Neue Vervielfältigungsregelung

Die Vervielfältigungsregelung des § 3 Nr. 63 S. 4 EStG wird neu gefasst. Künftig können drei Prozent der BBG multipliziert mit der Zahl der Dienstjahre, maximal jedoch zehn Jahre, steuerfrei in eine bAV eingezahlt werden. Abgezogen werden nicht die in den letzten zehn Jahren eingezahlten bAV-Beiträge.

 

  • Beispiel

Ein Arbeitnehmer verlässt nach 12 Dienstjahren seinen Arbeitgeber. Für ihn können 3 Prozent x 10 Jahre, also 30 Prozent der BBG steuerfrei in eine bAV eingezahlt werden. Auf Basis der BBG 2017 wären dies 22.860 Euro (= 3 % x 10 x 76.200 Euro).

 

Beiträge für maximal zehn entgeltlose Dienstjahre sollen mit je sieben Prozent der BBG steuer-, aber nicht sozialversicherungsfrei für die bAV nachentrichtet werden. Dies kann bei Elternzeit oder einem Sabbatical interessant sein.

 

Anrechnung auf die Grundsicherung (§ 82 Abs. 4 E-SGB XII)

Künftig sollen Renten aus einer bAV, einem Riester- oder einem Basisrentenvertrag bis zur Höhe von 100 Euro monatlich nicht auf die staatliche Grundsicherung angerechnet werden. Liegen die Leistungen über dieser Grenze, sind vom übersteigenden Betrag 30 Prozent anrechnungsfrei; maximal allerdings bis zu 50 Prozent der Regelbedarfsstufe I.

 

Riester-Förderung (§§ 90-96 E-EStG)

  • Die Riester-Grundzulage steigt von 154 Euro auf 165 Euro.
  • Um die Doppelverbeitragung der Beiträge und Leistungen auszuschließen, sollen Leistungen aus einer Riester-bAV sozialversicherungsfrei bleiben.
  • Weiter soll künftig die Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG bei der Abfindung von Kleinbetragsrenten anwendbar sein.

 

Förderbetrag für Geringverdiener (§ 100 E-EStG)

Ist ein Arbeitgeber bereit, für die bei ihm angestellten geringverdienenden Arbeitnehmer (Bruttolohn von monatlich bis zu 2.000 Euro, unabhängig vom Beschäftigungsgrad), einen Beitrag zwischen 240 und 480 Euro jährlich in eine bAV zu investieren (Förderbetrag), können 30 Prozent hiervon bei der nächsten Lohnsteuer-Anmeldung abgezogen werden. Voraussetzung ist,

  • dass es sich um das erste Dienstverhältnis handelt, und
  • die bAV in einem der Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds erfolgt.

 

Die Förderung wird bei bereits bestehenden bAV-Verträgen von Geringverdienern nur gewährt, sofern ab 2018 ein zusätzlicher Beitrag geleistet wird. Die Förderung erfolgt dann auch nur auf die Erhöhung des Beitrags.

Fahrplan für das Betriebsrentenstärkungsgesetz

Die Verbände hatten die Möglichkeit, bis 24.11.2016 zum Entwurf des Betriebsrentenstärkungsgesetzes Stellung zu nehmen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit nachgebessert wird. Das Gesetz soll im Frühling 2017 verabschiedet werden und zum 01.01.2018 in Kraft treten.

Quelle: Ausgabe 01 / 2017 | Seite 9 | ID 44427877