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23.04.2012 · IWW-Abrufnummer 113701

Urteil vom 17.06.2011 – 1 O 115/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
Die Kläger machen gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend.

Der Kläger zu 2) schloss mit der Beklagten einen Kapitallebensversicherungsvertrag. Dieser beinhaltet eine zugunsten der Klägerin zu 1), der Ehefrau des Klägers zu 2), abgeschlossene Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. In deren Rahmen ist bei bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit eine monatliche Rente in Höhe von 1.000,-- DM und eine Beitragsbefreiung versichert. Versicherungs- und Leistungsdauer wurden für den Zeitraum vom 1.12.1992 bis zum 31.8.2015 vereinbart.

Die Klägerin zu 1) ist ausgebildete Krankenschwester. Sie ist seit dem 2.1.2006 arbeitsunfähig krankgeschrieben, seit dem 1.5.2007 erhält sie von der Deutschen Rentenversicherung Bund Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 622,22 Euro pro Monat.

Im März 2006 beantragte die Klägerin zu 1) bei der Beklagten Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Nach Einholung eines nervenärztlichen sowie eines internistischen Gutachtens lehnte die Beklagte Versicherungsleistungen mit Schreiben vom 3.5.2007 endgültig ab, nachdem sie für den Zeitraum August 2006 bis Februar 2007 kulanzweise Zahlungen in Höhe von 3.579,03 Euro geleistet und einer Beitragsbefreiung zugestimmt hatte.

Die Kläger behaupten, die Klägerin zu 1) habe zuletzt in Teilzeit als Krankenschwester im Krankenhaus S. im Schichtdienst auf einer interdisziplinären Station gearbeitet. Sie sei voraussichtlich dauerhaft zu mindestens 50 % nicht mehr in der Lage, diesen Beruf auszuüben. Denn es bestehe eine Belastungstachykardie mit Luftnot und deutlich verminderter Leistungsfähigkeit bei Verdacht auf eine Karditis. Ferner leide sie an den Auswirkungen einer chronischen Borreliose/ Neuroborreliose. Schließlich behaupten die Kläger, die Klägerin zu 1) sei aufgrund degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule nicht mehr in der Lage, ihre vormalige Berufstätigkeit auszuüben.

Die Kläger beantragen,

1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 511,29 Euro beginnend ab Februar 2006 bis längstens zum 31.8.2015 zu zahlen, und zwar vierteljährlich im Voraus, abzüglich bereits gezahlter 3.579,03 Euro,
2.
die Beklagte zu verurteilen, ihnen die Versicherungsbeiträge für den Zeitraum ab Februar 2006 bis zur rechtkräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits in Höhe von monatlich 156,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit der Klägerin zu 1). Ferner beruft sie sich auf eine Leistungsfreiheit wegen einer Mitwirkungspflichtverletzung der Klägerin zu 1) im Rahmen der vorprozessual durchgeführten Untersuchungen. Außerdem behält sie sich vor, die Klägerin zu 1) auf eine andere Tätigkeit, z. B. die Tätigkeit als Arzthelferin zu verweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen fachkardiologischen Sachverständigengutachtens und durch mündliche Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. med. O.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 4.2.2010 und das Sitzungsprotokoll vom 28.1.2011 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.

Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistungen aus dem zwischen dem Kläger zu 2) und der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin zu 1) berufsunfähig ist.

Nach §§ 1 Ziffer 1, 2 Ziffer 1 der Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BB-BUZ) liegt eine Berufsunfähigkeit im Sinne des Versicherungsvertrags vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls voraussichtlich dauernd zu mindestens 50 % außer Stande ist, seinen Beruf auszuüben. Das Vorliegen dieser anspruchsbegründenden Voraussetzung haben die beweispflichtigen Kläger nicht nachgewiesen.

Die Behauptung der Kläger, die Klägerin zu 1) sei infolge einer Herzerkrankung berufsunfähig, ist durch das eingeholte schriftliche Sachverständigengutachten des Prof. Dr. med. O. vom 4.2.2010 nicht bestätigt worden. Der Sachverständige hat ausgeführt, die von anderer Stelle geäußerte Verdachtsdiagnose einer Herzmuskelentzündung sei nicht haltbar. Sowohl die in der Vergangenheit durchgeführten als auch die von ihm veranlassten Untersuchungen des Herzens, insbesondere die magnetresonanztomographische Untersuchung, hätten sämtlich nur pathologisch unauffällige Befunde ergeben. Das Herz der Klägerin zu 1) sei gesund. Es sei lediglich eine Neigung zur Sinustachykardie feststellbar, die mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit extrakardialer Genese sei; ferner lasse sich ein gewisser Trainingsmangel erahnen. Die Klägerin zu 1) könne durch Aufnahme eines milden Ausdauertrainings zusammen mit einem erneuten Therapieversuch mit dem seit einiger Zeit verfügbaren modernen Beta-Blocker Ivabradin ihre gesundheitliche Situation so weit verbessern, dass sie langfristig wieder voll in das Arbeitsleben integriert werden könne.

Diese Ausführungen hat der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung bestätigt. Er ist nach eingehender Befragung bei seiner Bewertung, dass die Neigung zur Sinustachykardie keine kardiale Ursache habe, verblieben. Der Sachverständige hat ferner eine chronische Sinusitis oder das Epstein Bar Virus als Ursache für die erhöhte Herzfrequenz der Klägerin zu 1) ausgeschlossen. Denkbar erscheine - neben einer Fehlsteuerung des vegetativen Nervensystems - allenfalls noch eine Verursachung durch eine Neuroborreliose, wenngleich es sich dabei um eine echte Rarität handeln würde.

Es kann aber auch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin zu 1) aufgrund einer chronischen Borreliose/Neuroborreliose berufsunfähig ist. Der mit der Erstellung eines neurologischen Gutachtens zu dieser Fragestellung beauftragte Sachverständige Professor Dr. E. hat mit Schreiben vom 3.3.2011 ausgeführt, für die Diagnose einer Neuroborreliose sei eine Lumbalpunktion mit Untersuchung des Liquor eine unabdingbare Voraussetzung. Die Klägerin zu 1) hat jedoch auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts kein Einverständnis zur Durchführung einer solchen Untersuchung erklärt.

Schließlich besteht keine Veranlassung, ein orthopädisches Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben. Denn das erstmals mit Schriftsatz vom 30.03.2011 erfolgte Vorbringen der Kläger, die Klägerin zu 1) sei aufgrund degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule berufsunfähig, ist nicht hinreichend substantiiert. Die Kläger tragen hierzu lediglich vor, es bestünden wegen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen erhebliche Leistungseinschränkungen, aufgrund derer die Klägerin zu 1) nicht in der Lage sei, ihre vormalige Berufstätigkeit auszuüben. Diese Darlegung lässt weder erkennen, welche konkreten gesundheitlichen Beschwerden vorliegen, noch, inwieweit sich diese Beschwerden konkret auf die von einer Krankenschwester auszuübenden Tätigkeiten auswirken. Auch unter Berücksichtigung der zur Akte gereichten Unterlagen sind die Kläger ihrer Verpflichtung zur Substantiierung der Behauptung einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit der Klägerin zu 1) aus orthopädischen Gründen nicht hinreichend nachgekommen. Die Kläger verweisen insoweit auf das von der Beklagten in Auftrag gegebene internistische Gutachten des Arztes für Innere Medizin Fricke vom 19.4.2007. Der Internist hat in dem Gutachten zwar ausgeführt, dass die Klägerin zu 1) beidseits unter einer Hüftdysplasie leide und dass das Heben und Tragen von Lasten über 20 kg aus orthopädischen Gründen vermutlich nicht zumutbar sei; er hat die Minderung der Berufsfähigkeit der Klägerin zu 1) aber nur mit maximal 20 % eingestuft. Die Kläger haben nicht konkret vorgetragen, dass sich die Beschwerden der Klägerin zu 1) auf orthopädischem Gebiet seitdem derart verschlechtert haben, dass sie nunmehr zu mindestens 50 % den Beruf der Krankenschwester nicht mehr ausüben kann. Der ergänzend vorgelegte Bericht über eine am 2.2.2011 durchgeführte Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule weist als Indikation für die Untersuchung Lumboischialgien mit ausstrahlenden Schmerzen in die rechte Hüfte aus und lässt als Untersuchungsergebnis leichte bis mäßige Veränderungen der Wirbelsäule im Lendenwirbelbereich erkennen, ohne das nachvollziehbar ist, welche Beschwerden in welchem Ausmaß hiermit verbunden sind. Ferner verweisen die Kläger auf eine Heilmittelverordnung über gerätegestützte Krankengymnastik wegen eines LWS-Syndroms, degenerativer Funktionsstörungen der Lendenwirbelsäule, eines Prolaps C6/7, eines degenerativen Cervicalsyndroms, eines Prolaps L5/S1, einer Rumpfmuskelinsuffizienz und einer muskulären Dysbalance. Die Heilmittelverordnung dient zur Wiederherstellung und Besserung der gestörten Muskelfunktion. Auch hieraus lässt sich nicht herleiten, dass die Klägerin zu 1) voraussichtlich dauerhaft zu mindestens 50 % nicht in der Lage sein wird, den Beruf der Krankenschwester auszuüben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 36.157,97 € festgesetzt. Dieser setzt sich wie folgt zusammen:

Klageantrag zu 1) zukünftige Leistungen, § 9 ZPO (42 x 511,29 €) 21.474,18 € bei Klageeinreichung fällige Leistungen (18 x 511,29 €) 9.203,22 € abzgl. 3.579,03 €
Klageantrag zu 2) zukünftige Leistungen, § 9 ZPO (42 x 156,20 €) 6.560,40 € bei Klageeinreichung fällige Leistungen (16 x 156,20 €) 2.499,20 €