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07.03.2012 · IWW-Abrufnummer 120415

Oberlandesgericht Saarbrücken: Urteil vom 06.04.2011 – 5 U 428/10-68

Den Krankheitskostenversicherer trifft keine allgemeine Pflicht, den Versicherungsnehmer über die fristgebundene Anpassung des Versicherungsschutzes wegen altersbedingten Wegfalls der Beihilfeberechtigung eines Kindes zu unterrichten.


Tenor:
1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 11.08.2010 - Az: 12 O 279/09 - wird zurückgewiesen.
2.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
5.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.701,86 EUR festgesetzt.
Gründe
I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen unterbliebener Beratung.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Krankheitskostenversicherung für Beihilfeberechtigte mit der Versicherungsnummer ... Der Sohn des Klägers, M. S., geb. am ... 1980, ist mitversichert. Ursprünglich bestand für ihn lediglich eine 20% ige Restabsicherung.

Mit Vollendung des 27. Lebensjahres verlor der Sohn des Klägers am 11.01.2007 seine Beihilfeberechtigung. Dies wurde der Beklagten nicht mitgeteilt.

Die Beklagte verlangte nach entsprechender Mitteilung durch den Kläger und Antrag, seinen Sohn zu 100% zu versichern, einen schriftlichen Antrag mit Gesundheitsangaben. Am 27.10.2008 stellte der Kläger einen solchen Antrag (Bl. 37 d.A.). Aus den Gesundheitsdaten ergab sich, dass der Sohn des Klägers seit 2006 wegen depressiver Dekompensation mit sozial phobischen Elementen in psychiatrischer Behandlung war. Deshalb verlangte die Beklagte einen Risikozuschlag, womit sich der Kläger am 10.01.2009 einverstanden erklärte (Bl. 51 d.A.) Daraufhin stellte die Beklagte den Vertrag mit Versicherungsschein vom 15.01.2009 (Versicherungsnummer ... - Bl. 52 d.A.) rückwirkend zum 01.10.2008 um, versicherte den Sohn des Klägers zu 100%, allerdings nur gegen einen monatlichen Risikozuschlag von 346,28 EUR und mit Wirkung vom 01.01.2009 von 367,68 EUR.

Der Kläger hat behauptet, seit Juni 2008, als er bemerkt habe, dass sein Sohn nicht mehr beihilfeberechtigt sei, habe er versucht, seinen Sohn zu 100% zu versichern. Zu diesem Zeitpunkt sei eine dauerhaft schwere Erkrankung seines Sohnes noch nicht absehbar gewesen. Erst im Herbst 2008, nach verschiedenen stationären Behandlungen habe sich dies geändert.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe erstmals durch Mitteilung ihres Außendienstmitarbeiters vom 10.09.2008 (Bl. 33 d.A.) erfahren, dass der Beihilfeanspruch des Sohnes des Klägers entfallen sei. Der Kläger sei durch seinen Arbeitgeber über den Wegfall der Beihilfeberechtigung seines Sohnes - wie dies üblich sei - informiert worden.

Der Kläger hat verlangt, die Beklagte zur Rückzahlung des Risikozuschlags in Höhe von insgesamt 4.347,81 EUR für die Zeit vom 01.10.2008 bis zum 30.09.2009 zu verurteilen und festzustellen, dass die Beklagte seinen Sohn ohne Risikozuschlag zu 100 Prozent ab dem 01.10.2008 versichern und die ab 01.10.2009 gezahlten Risikozuschläge an ihn zurückzahlen muss.

Das Landgericht Saarbrücken hat die Klage durch Urteil vom 11.08.2010 - Az: 12 O 279/09 - abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken - 12 O 279/09 - vom 11.08.2010

1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.347,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2.
festzustellen, dass im Rahmen des Krankenversicherungsvertrages ... die dort versicherte Person M. S. ab dem 01.10.2008 ohne Risikozuschlag zu 100% zu versichern ist,
3.
weiterhin festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab dem 01.10.2009 gezahlte Beiträge auf Grund der Zuschläge des im Gegensatz zu Ziffer 2. erhobenen Risikozuschlags an ihn zurückzuzahlen,
4.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 516,34 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Verletzung des Rechts noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch darauf zu, im Rahmen des Krankenversicherungsvertrages ... seinen Sohn M. S. ab dem 01.10.2008 ohne Risikozuschlag zu 100% versichern zu können und folglich auch kein Anspruch auf Rückzahlung der bisher geleisteten Risikozuschläge.

(1.)

Der Kläger hat unstreitig die Zweimonatsfrist des § 178e S. 2 VVG a.F., die am 11.01.2007 noch anwendbar war (Art.1 Abs. 1 EGVVG), versäumt, so dass er keinen Anspruch auf Anpassung des Versicherungsschutzes für seinen Sohn ohne erneute Gesundheitsprüfung hatte. Aus diesem Grund durfte die Beklagte - wie bei jedem Neuabschluss - eine Erweiterung des Versicherungsschutzes von einer Gesundheitsprüfung abhängig machen.

Dass der Beklagten eine verzögerte Bearbeitung des Antrages des Klägers auf Erweiterung des Versicherungsschutzes für seinen Sohn vorzuwerfen wäre, die dazu geführt hat, dass in dieser Zeit neu auftretende Erkrankungen im Risikozuschlag berücksichtigt wurden, die bei einer rechtzeitigen Bearbeitung noch keine Rolle gespielt hätten, hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt. Zum einen hat er weder unter Beweis gestellt, dass er bereits im Juni 2008 einen entsprechenden Antrag bei der Beklagten gestellt hat. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass eine Risikoprüfung im Juni 2008 zu einem anderen Ergebnis geführt hätte als die Ende 2008 erfolgte Risikoprüfung. Da die psychische Erkrankung des Sohnes des Klägers bereits im Jahr 2006 aufgetreten ist, hätte der Kläger diese auch im Juni 2008 angeben müssen. Dass bei der von der Beklagten eingeleiteten Gesundheitsprüfung der im Herbst 2008 erkennbare Krankheitsgrad nicht erkennbar geworden wäre, ist nicht substantiiert, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein geringerer Risikozuschlag im Juni/Juli 2008 verlangt worden wäre als dies tatsächlich Ende 2008 der Fall war.

Nachdem der Kläger sich mit dem von der Beklagten verlangten Risikozuschlag in Höhe von 346,23 EUR durch Unterschrift der Zusatzerklärung vom 10.01.2009 (Bl. 51 d.A.) einverstanden erklärt hat, kommt es auch nicht darauf an, ob der Versicherer bei der Risikoprüfung und Festlegung der Höhe des Zuschlags zu berücksichtigen und wegen einer Gleichbehandlungspflicht zu beachten hat, dass in Höhe des bereits vor der Vertragsanpassung bestehenden Versicherungsanteils - hier 20% - keine Risikozuschläge vereinbart sind, und deshalb lediglich ein entsprechender Anteil - hier in Höhe von 80% - der bei einem Neuvertrag anfallenden Risikozuschläge verlangt werden darf. Es ist weder vom Kläger vorgetragen, dass er sich von seiner Willenserklärung vom 10.01.2009 nachträglich gelöst hat, noch dass die Beklagte einen Risikozuschlag so wie bei einem 100%igen Neuabschluss berechnet hat.

Weil die Beklagte wegen der Versäumung der Zweimonatsfrist des § 178e S. 2 VVG a.F. auf einer erneuten Gesundheitsprüfung und Vereinbarung eines Risikozuschlags bestand, kann aus dem späteren Vertragsschluss - anders als der Kläger meint - nicht geschlossen werden, dass die zur Vertragsanpassung bereite Beklagte sich nicht mehr auf § 178e S. 2 VVG a.F. berufen kann. Die Fristversäumung räumt der Beklagten gerade das Recht ein, trotz Bereitschaft bzw. vielmehr Pflicht zur Vertragsanpassung Risikozuschläge zu erheben.

(2.)

Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Beratung durch die Beklagte zu, aufgrund dessen er einen Anspruch auf Wegfall des Risikozuschlags für seinen Sohn hätte.

Die Beklagte trifft keine Pflicht, bei mitversicherten Kindern von Beihilfeberechtigten eigenständig zu überwachen, ob diese bei Erreichen des 27. Lebensjahres bzw. jetzt 25. Lebensjahres noch mitversichert sind, und den Versicherungsnehmer in diesem Fall von sich aus darauf hinzuweisen, dass die Beihilfeberechtigung des Kindes bei Erreichen dieser Altersgrenze endet, sofern kein Verlängerungsgrund nach § 32 Abs. 5 EStG (etwa Wehr- oder Zivildienst) besteht. Vielmehr konnte die Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger den Wegfall der Beihilfeberechtigung selbst rechtzeitig erkennt bzw. von seinem Dienstherren davon unterrichtet wird.

(a)

Auch vor Einführung des § 6 VVG n.F., der auf vor dem 01.01.2008 entstandene Versicherungsverträge nicht anwendbar ist, hat die Rechtsprechung zwar Beratungspflichten des Versicherers anerkannt. Danach wurde der Versicherer für verpflichtet gehalten, den zukünftigen Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die für dessen Entschließung von wesentlicher Bedeutung sein konnten. Der Umfang dieser vorvertraglichen Aufklärungspflicht ergab sich aus der dem Aufklärungspflichtigen erkennbaren Interessenlage. Der Versicherer hatte dann aufzuklären, wenn er erkennen oder mit der nahe liegenden Möglichkeit rechnen musste, dass der Antragsteller aus mangelnden versicherungsrechtlichen oder versicherungstechnischen Kenntnissen nicht die für ihn zweckmäßigste Vertragsgestaltung eigenständig auswählen konnte. Auch nach Vertragsschluss trafen den Versicherer Hinweispflichten, wenn für ihn erkennbar war, dass der Versicherungsnehmer einer Belehrung bedurfte, weil er über einen für ihn wesentlichen Vertragspunkt - wie etwa über die Reichweite des bestehenden Versicherungsschutzes - irrige Vorstellungen hatte (BGH, Urt. v. 13.04.2005 - IV ZR 86/04 - VersR 2005, 824).

Dieser Umfang der Beratungspflicht beruht auf der zutreffenden Erwägung, das der Versicherer nach Treu und Glauben immer dann eine besondere Information schuldet, wenn der Versicherungsnehmer aufgrund der Komplexität des Wagnisses oder der Versicherungsbedingungen nicht in der Lage ist, sich selbst Klarheit über seine Sicherung zu verschaffen, während dies dem Versicherer unschwer möglich ist (Senat, Urt. v. 20.09.1995 - 5 U 1054/94-98 - r+s 1997, 208). Eine Nachfragepflicht ohne jeden Hinweis und Anlass würde jedoch zu weit gehen (BGH, Urt. v. 20.12.2006 - IV ZR 175/05 - VersR 2007, 196; Senat, Urt. v. 20.09.1995 - 5 U 1054/94-98 - r+s 1997, 208). Den Versicherer trifft deshalb grundsätzlich keine Pflicht zu einer vorsorgenden umfassenden Rechtsberatung. Er muss nicht vorsorglich auf alle möglichen Auswirkungen von veränderten Umständen ohne konkreten Anlass - etwa einer Nachfrage des Versicherungsnehmers oder einer anstehenden Vertragsänderung - hinweisen (Senat, Urt. v. 20.09.1995 - 5 U 1054/94-98 - r+s 1997, 208).

Voraussetzung einer Beratungspflicht ist in jedem Fall, dass der Versicherungsnehmer die Beratung benötigt, er also nicht in ausreichendem Maße sachkundig ist bzw. sich nicht, auch durch die erforderliche Lektüre übersichtlicher Versicherungsbedingungen, selbst informieren kann (BGH, Urt. v. 18.12.1991 - IV ZR 299/90 - VersR 1992, 217; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 28.Aufl., § 6 Rdn 22; Armbrüster in: MünchKomm(VVG), § 6 Rdn. 31).

Diese Rechtsprechung wird durch die Ausgestaltung von § 6 VVG n.F. bestätigt. Obwohl § 6 VVG n.F. teilweise deutlich über die frühere Rechtslage hinausgeht, wird weiterhin ein Anlass für eine Beratung verlangt. Wie vorher, gilt der Grundsatz, dass sich der Versicherer nach Vertragsschluss nicht mehr darum kümmern muss, ob der vereinbarte Versicherungsschutz den Bedürfnissen des Versicherungsnehmers weiter genügt. Etwas anderes ist nur dann anzunehmen, wenn der Versicherer auch ohne eine Initiative des Versicherungsnehmers erkennen muss, dass der Versicherungsnehmer sich über den Umfang seines Versicherungsschutzes nicht im Klaren ist und sein Bedarf nicht mehr gedeckt ist (Prölss in Prölss/Martin, VVG, 28.Aufl., § 6 Rdn. 5; Armbrüster in: MünchKomm (VVG), § 6 Rdn. 233). Das kann beispielsweise bei Gesetzes- oder erheblichen Rechtsprechungsänderungen der Fall sein oder bei technischen Veränderungen, deren Auswirkung der Versicherungsnehmer - im Gegensatz zum Versicherer - nicht erkennt (BGH, Urt. v 13.12.1978 - IV ZR 177/77 - VersR 1979, 343; Rixecker in: Versicherungsrechtshandbuch, Beckmann/Matusche-Beckmann, 2.Aufl., § 18a Rdn. 26).

(b)

Nach diesen Grundsätzen traf die Beklagte keine Beratungspflicht gegenüber dem Kläger. Der Kläger hatte sich weder mit einem konkreten Beratungsanliegen an die Beklagte gewandt noch standen Vertragsänderungen auf Wunsch des Klägers an. Vielmehr entstand am 11.01.2007 aufgrund der beihilferechtlichen Bestimmungen mit Vollendung des 27.Lebensjahres des Sohnes des Klägers eine Versicherungslücke durch Wegfall seines Beihilfeanspruches, weil diesem keine Verlängerungsgründe nach § 32 Abs. 5 EStG (etwa Wehr- oder Zivildienst) zugute kamen. Eine solche Änderung des Beihilfeanspruchs aufgrund der beihilferechtlichen Regelungen musste die Beklagte aber nicht von sich aus im Blick behalten. Vielmehr ist es Aufgabe eines Versicherungsnehmers, sich um seine beihilferechtlichen Angelegenheiten selbständig zu kümmern (Senat, Urt. v. 20.09.1995 - 5 U 1054/94-98 - r+s 1997, 208; OLG Hamm, NVersZ 2000, 125).

Der Versicherungsnehmer ist ohnehin gegenüber seinem Dienstherrn verpflichtet, auf Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse und Grundlagen seiner Beihilfeberechtigung und der seiner Angehörigen zu achten und solche seinem Dienstherrn mitzuteilen. Umgekehrt kann auch der Dienstherr verpflichtet sein, den Beihilfeberechtigten zu beraten bzw. zu informieren. Allerdings verneint die Rechtsprechung trotz der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht (z.B. § 94 SBG) eine allgemeine Pflicht zur Belehrung über alle für den Beamten einschlägigen Rechtsvorschriften, vor allem dann, wenn es sich um Vorschriften handelt, deren Kenntnis bei dem Beamten vorausgesetzt werden oder die sich der Beamte unschwer selbst verschaffen kann. Lediglich besondere Fallgestaltungen können eine Belehrungspflicht auslösen, wie etwa eine ausdrückliche Bitte des Beamten um eine Auskunft, ein vom Dienstherrn erkennbarer Irrtum des Beamten in einem bedeutsamen Punkt sowie eine bestehende allgemeine Praxis, die Beamten über einschlägige Rechtsvorschriften zu unterrichten (OVG Saarland, NVwZ-RR 2007, 333). Dies zeigt, dass aus Sicht eines Versicherers keine Veranlassung besteht, von sich aus ohne Anhaltspunkte auf das Fortbestehen der Beihilfeberechtigung des Versicherungsnehmers oder seiner mitversicherten Angehörigen zu achten. Vielmehr kann der Versicherer darauf vertrauen, dass entweder der Versicherungsnehmer selbst das Bestehen und den Umfang seiner Beihilfeansprüche erkennt oder durch seinen Dienstherren ausreichend informiert wird. Es besteht deshalb kein Bedürfnis für eine Beratung durch den Versicherer, der anders als Versicherungsnehmer und Dienstherr an dem Beamtenrechtsverhältnis nicht beteiligt ist, aus dem der Beihilfeanspruch entspringt. Nicht entscheidend ist es deshalb, ob der Kläger durch seinen Dienstherrn tatsächlich über die Altersgrenze von 27 Jahren für seinen Sohn unterrichtet wurde oder nicht. Die Beklagte konnte jedenfalls davon ausgehen, dass dies aufgrund der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht durch den Dienstherrn geschieht, soweit dies erforderlich war, weil der Kläger die Rechtslage nicht eigenständig erkennen konnte.

Dem kann auch nicht entgegen gesetzt werden, dass durch die Zweimonatsfrist des § 178e S. 2 VVG a.F. eine besondere Eilbedürftigkeit für den Versicherungsnehmer entsteht, eine Änderung seiner Beihilfeberechtigung zeitnah zu bemerken. Der Gesetzgeber hat mit § 178e S. 2 VVG a.F. die Entscheidung getroffen, in den Fällen einer Änderung von Beihilfeansprüchen in einem eng begrenzten zeitlichen Rahmen den Versicherungsnehmer entgegen der sonstigen Grundsätze des Privatversicherungsrechts besser zu stellen und von einer erneuten Gesundheitsprüfung freizustellen. Dieser Vorteil bedeutet aber nicht für den Versicherer eine umfassende Überwachungs- und Hinweispflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer, stets dafür Sorge zu tragen, dass der Versicherungsnehmer diese Zweimonatsfrist einhalten kann. Die Frist ändert nichts an der oben begründeten Pflicht des Versicherungsnehmers, selbst bzw. aufgrund einer Beratung durch seinen Dienstherrn den Umfang seines Beihilfeanspruchs festzustellen. Erst wenn der Versicherer Kenntnis von einer Änderung der Beihilfeberechtigung durch den Versicherungsnehmer erhält, kann er verpflichtet sein, diesen darauf hinzuweisen, dass der Antrag auf Vertragsanpassung innerhalb der Frist des § 178e S. 2 VVG a.F. gestellt werden muss, um Nachteile zu vermeiden. An einer solchen Kenntnis der Beklagten innerhalb der Frist des § 178e S. 2 VVG a.F. fehlte es aber.

Der Versicherungsnehmer, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen ohnehin lesen muss, wird auch nicht damit überfordert, sich um seine beihilferechtlichen Angelegenheiten selbst zu kümmern. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf den es - ohne weitere Anhaltspunkte - bei der Beurteilung eines Beratungsbedürfnisses ankommt, weiß, dass er sich bereits bei Begründung des Versicherungsvertrages darum kümmern musste, dass er und seine Angehörigen insgesamt durch Beihilfe und Privatversicherung über einen umfassenden Versicherungsschutz verfügen. Er weiß auch, dass Kinder aufgrund ihres Alters und ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit beihilfeberechtigt sind. Deshalb drängt es sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer auf, dass auf die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse gerade bei beihilfeberechtigten Kindern besonders zu achten ist.

Hinzu kommt, dass Beihilfen nur für nicht selbst beihilfeberechtigte, im Familienzuschlag nach dem Bundesbesoldungsgesetz berücksichtigte oder berücksichtigungsfähige Kinder des Beihilfeberechtigten gewährt wird (z.B. § 3 Abs. 2 BhVO Saarland). Der Familienzuschlag nach § 40 Abs. 2 Bundesbesoldungsgesetz hängt u.a. von der Anzahl Kinder ab, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes zustehen würde. Die Kindergeldberechtigung hängt nach § 32 Abs. 3 und 4 Einkommenssteuergesetz (EStG) vom Alter und sonstigen Umständen des Kindes ab. Daraus folgt, dass der Beihilfeanspruch für Kinder erst entfällt, wenn tatsächlich kein Kindergeld mehr gezahlt wird und das Kind auch im Familienzuschlag nicht mehr berücksichtigt wird. Es kommt sogar nicht darauf an, ob ein entsprechender Anspruch besteht oder nicht, sondern auf die tatsächliche - auch zu Unrecht erfolgte - Zahlung. Durch den Wegfall des Kindergeldes und der Berücksichtigung des Kindes beim Familienzuschlag wird dem Beihilfeberechtigten aber deutlich vor Augen geführt, dass sich beamtenrechtliche Leistungen aufgrund geänderter Lebensumstände des Kindes geändert haben. Er hat demnach allen Anlass, sich zu diesem Zeitpunkt auch um die beihilferechtliche Versorgung Gedanken zu machen, denn auch ohne Rechtskenntnisse liegt der Zusammenhang zwischen der Berücksichtigung im Familienzuschlag bzw. beim Kindergeld und der Beihilfeberechtigung nahe.

Außerdem wäre der Versicherer mit einer anlasslosen Überwachungs- und vorsorglichen Hinweispflicht in unzumutbarer Weise belastet. Auch wenn es zunächst so scheint, als sei der Versicherer nicht überfordert, mittels EDV zu überwachen, wann die bei ihm mitversicherten Kinder das 27. bzw. jetzt das 25. Lebensjahr vollenden, und den Versicherungsnehmer darauf hinweisen, dass möglicherweise jetzt oder in naher Zukunft der Beihilfeanspruch des Kindes endet, könnte der Versicherer damit einer bestehenden Überwachungs- und vorsorglichen Hinweispflicht nicht genügen. Denn bei einer solchen Pflicht müsste der Versicherer dann alle theoretisch denkbaren und nahe liegenden Veränderungsgründe vorsorglich bei seinen Versicherungsnehmern erfragen bzw. auf Änderungsmöglichkeiten hinweisen. Diese Hinweise müssten wie eine vorsorgliche Rechtsberatung einerseits leicht verständlich sein und andererseits alle denkbaren Varianten aufzeigen, damit nicht Irrtümer entstehen, die ihrerseits zum Schadensersatz verpflichten.

Gerade im Fall von beihilfeberechtigten Kindern zeigt die oben dargestellte Gesetzeslage, dass es nicht lediglich auf das 27. bzw. jetzt das 25. Lebensjahr ankommt, sondern auf vielfältige Umstände. Nach § 32 Abs. 3 und 4 EStG müsste bereits mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein erster vorsorglicher Hinweis an alle Versicherungsnehmer erfolgen, weil sowohl die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses als auch die fehlende Arbeitslosmeldung den Kindergeldanspruch und damit den Beihilfeanspruch entfallen lassen kann. Mit Vollendung des 21. Lebensjahres müsste ein zweiter Hinweis erfolgen, weil sowohl Kindergeldanspruch als auch Beihilfeanspruch entfallen, wenn nicht eine der Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG erfüllt ist. Mit Vollendung des 27. Lebensjahres und seit dem Steueränderungsgesetz 2007 nun des 25. Lebensjahres müsste der dritte Hinweis erfolgen, dass die Altershöchstgrenze nun erreicht ist und der Beihilfeanspruch entfällt, wenn nicht einer der Verlängerungsgründe nach § 32 Abs. 5 EStG (etwa Wehr- oder Zivildienst) eingreift. Außerdem müssten alle Hinweise auch die Einkommenshöchstgrenzen nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG erfassen, um nicht unvollständig zu sein. Diese grobe Aufzählung zeigt bereits, dass eine solche routinemäßige Aufklärung aller Versicherungsnehmer ohne Anlass für den Versicherer alleine im Falle beihilfeberechtigter Kinder nicht zumutbar wäre. Weil eine Grenze kaum zu ziehen wäre, müsste der Versicherer auf alle sonstigen theoretisch möglichen Änderungsgründe ebenfalls vorsorglich hinweisen. Das liefe auf eine allgemeine Rechtsberatung heraus, die vom Versicherer nicht geschuldet wird.

Dagegen kann auch nicht argumentiert werden, wie der Kläger meint, dass vom Versicherer wenigstens verlangt werden kann, auf den denknotwendig spätesten Zeitpunkt aufmerksam machen muss, zu dem die mitversicherten Kinder in jedem Fall ihre Beihilfeberechtigung verlieren. Dadurch könnte zwar dem Argument begegnet werden, dass eine umfassende Hinweispflicht für den Versicherer unzumutbar ist. Eine Beratungspflicht setzt aber - wie dargelegt - immer ein Beratungsbedürfnis voraus. Wenn dieses zu diesem spätesten Zeitpunkt angenommen würde, wäre nicht zu begründen, dass es bei den früheren Zeitpunkten des möglichen Beihilfewegfalls anders wäre. Entweder hat sich der Versicherungsnehmer um die Voraussetzungen der Beihilfegewährung im Verhältnis zum Versicherer selbst zu kümmern oder nicht. Von einem bestimmten Zeitpunkt kann dies nicht abhängig gemacht werden.

(3.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert von 12.354,05 EUR betrifft die Klageanträge zu 2) und 3) zusammen.

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen.

Vorschriften§ 178e S. 2 VVG a.F. § 32 Abs. 5 EStG § 40 Abs. 2 BBesG