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31.05.2012 · IWW-Abrufnummer 122687

Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 14.03.2012 – 12 K 12081/09

1. Unter dem – für die Bestimmung des Teilwerts einer Pensionsverpflichtung maßgeblichen – „Beginn des Dienstverhältnisses” i. S. d. § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 2 und 3 EStG ist der tatsächliche Dienstantritt des Dienstverpflichteten beim Dienstberechtigten zu verstehen, und zwar auch dann, wenn für das Dienstverhältnis (noch) keine Vergütung gezahlt wird.


2. Als Dienstverhältnis i. S. d. § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 EStG ist also auch ein unentgeltliches Rechtsverhältnis, insbesondere ein Auftragsverhältnis zwischen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer, anzusehen.


IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 12. Senat – im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung am 14. März 2012 durch den Präsidenten des Finanzgerichts … die Richterin am Finanzgericht … den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter …
für Recht erkannt:
Die Bescheide über Körperschaftsteuer 2002 und 2003 sowie Gewerbesteuermessbetrag 2002 und 2003, sämtlich vom … September 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … März 2009, werden dahingehend geändert, dass das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen sowie der Gewerbeertrag im Jahre 2002 um EUR 222 318 und im Jahre 2003 um EUR 5 254 herabgesetzt werden.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Teilwert einer Pensionsrückstellung.
Die Klägerin wurde im Jahre 1998 als C GmbH gegründet. Gründungsgesellschafter waren Herr G mit einer Stammeinlage in Höhe von DM 30 000, Herr H mit einer Stammeinlage in Höhe von DM 10 000 und der mittlerweile verstorbene Wirtschaftsprüfer I mit einer Stammeinlage in Höhe von ebenfalls DM 10 000. Gegenstand der Klägerin sollte nicht die klassische Steuerberatung sein, sondern die steuer- und gesellschaftsrechtliche Konzeption eines geschlossenen Immobilienfonds im Bereich von Generalmietmodellen für Wohnungsbaugesellschaften in Berlin und Brandenburg. Zum alleinigen Geschäftsführer der Klägerin wurde G bestellt. Am 21. Februar 1998 schlossen die Klägerin und G einen Geschäftsführer-Dienstvertrag, nach dem G die Geschäfte der Klägerin zu führen hatte. Die Vertragsparteien waren sich jedoch darüber einig, dass G hauptberuflich in der Dres. E sowie daneben als Gesellschafter-Geschäftsführer der F GmbH tätig sein würde. Die Zahlung einer Vergütung wurde nicht vereinbart, allerdings vereinbarten die Vertragsparteien, dass die Klägerin sich verpflichte, mit G Verhandlungen über eine angemessene Vergütung aufzunehmen, wenn sie, die Klägerin, erfolgreich am Markt tätig werden könne. Für diesen Fall verpflichtete sich die Klägerin außerdem, mit G über die Gewährung einer Altersversorgung zu verhandeln. Die Klägerin entwickelte in der Folgezeit ein Fondskonzept, das jedoch letztlich an der Einführung des § 2b des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 scheiterte. Die Klägerin erzielte demzufolge zunächst keine Umsätze. Mit Gesellschafterbeschluss vom August 2002 brachten die Gesellschafter die Dres. E mit ertragsteuerlicher Rückwirkung zum 02. Januar 2002 unter Buchwertfortführung in die Klägerin ein. In der Folge wurde die Firma der Klägerin geändert. Nach der Einbringung erzielte die Klägerin Umsätze und Erträge. Mit Wirkung vom 01. November 2002 schloss sie mit G einen neuen Geschäftsführer-Dienstvertrag und erteilte ihm mit Datum vom 09. November 2002 eine Versorgungszusage.
Der Beklagte nahm bei der Klägerin in den Jahren 2007/2008 eine Außenprüfung für die Jahre 2002 bis 2004 vor. Neben anderen Prüfungsfeststellungen, die hier nicht mehr im Streit stehen, ging der Prüfer davon aus, dass bei der Berechnung des Teilwertes der Rückstellung für die Pensionsverpflichtung gegenüber G der Beginn des Dienstverhältnisses i.S.d. § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG der 01. November 2002 gewesen sei. Dadurch verminderte sich die Pensionsrückstellung um EUR 222 318, was wiederum dazu führte, dass der Wert des Betriebsvermögens der Klägerin den Grenzbetrag in Höhe von EUR 204 517 gemäß § 7g Abs. 2 Nr. 1 lit.a) EStG überschritt, so dass die Klägerin eine begehrte Ansparabschreibung im Jahre 2003 nicht in Anspruch nehmen konnte.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass als Beginn des Dienstverhältnisses der 21. Februar 1998 anzusehen sei. Ein solches sei unabhängig davon anzunehmen, ob der Dienstverpflichtete eine Vergütung erhalte. Maßgeblich sei allein der Begriff des Dienstverhältnisses gemäß § 1 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV), nach dem der Dienstverpflichtete unter der Leitung des Arbeitgebers stehen oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet sein müsse. Auf das Vorliegen von Arbeitslohn i.S.d. § 2 Abs. 1 LStDV komme es hingegen nicht an. Der Begriff des Dienstverhältnisses i.S.d. § 6a Abs. 3 Satz 2 EStG müsse ebenso ausgelegt werden wie in § 19 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Dementsprechend bestimme H 6a Abs. 10 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 2005, dass als Beginn des Dienstverhältnisses grundsätzlich der tatsächliche Dienstantritt im Rahmen des bestehenden Dienstverhältnisses zu sehen sei. H 6a Abs. 8 EStG 2005 diskriminiere demgegenüber den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer, indem er bestimme, dass als Beginn des Dienstverhältnisses der Eintritt in das Unternehmen als Arbeitnehmer gelte und damit den Bezug von Arbeitslohn gemäß § 1 Abs. 1 LStDV verlange. Dies stehe im Widerspruch zum Wortlaut und Sinn des Gesetzes. Ziel der Bildung einer Pensionsrückstellung sei, wie auch der Beklagte anerkenne, die Verteilung des Aufwandes der Pensionsleistungen auf die Zeit der aktiven Tätigkeit des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers und die Verrechnung des Aufwands mit dem Ertrag der entsprechenden Arbeitsleistung. Die aktive Tätigkeit des G habe allerdings, was der Beklagte verkenne, mit dem Abschluss des Dienstvertrages vom 21. Februar 1998 begonnen. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) den Begriff des Dienstverhältnisses unter dem Aspekt des § 611 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gesehen habe, habe dies Fälle der streitigen Anrechnung von Vordienstzeiten aus anderen Gesellschaften, nicht aber den Fall der Ausübung einer Organstellung ohne laufende Vergütung betroffen. Mittlerweile gehe die einkommensteuerliche Kommentierung davon aus, dass Dienst- und Werkverträge i.S.d. §§ 611, 631 BGB keine Dienstverhältnisse im einkommensteuerlichen Sinne begründeten.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung [FGO]).
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über Körperschaftsteuer 2002 und 2003 sowie Gewerbesteuermessbetrag und Gewerbesteuer 2002 und 2003, sämtlich vom … September 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … März 2009, dahingehend zu ändern, dass das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen sowie der Gewerbeertrag im Jahre 2002 um EUR 222 318 und im Jahre 2003 um EUR 5 254 herabgesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, dass ein Dienstverhältnis i.S.d. § 6a Abs. 3 EStG voraussetze, dass eine Vergütung gezahlt werde. Der zwischen der Klägerin und G im Februar 1998 geschlossene Dienstvertrag stelle daher kein Dienstverhältnis in diesem Sinne dar.
Die Klägerin hat die zunächst eingereichte Klage wegen Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 2002 und 2003 zurückgenommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Unrecht hat der Beklagte bei der Berechnung des Teilwertes auf den Abschluss des Dienstvertrages vom 01. November 2002 abgestellt. Beginn des Dienstverhältnisses i.S.d. § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 EStG war der 21. Februar 1998. Soweit R 6a Abs. 8 EStG dem entgegensteht, hält der Senat die Regelung für nicht mit dem Gesetz vereinbar.
a) Steuerpflichtige haben für die Verpflichtung, ihren Pensionsberechtigten Altersbezüge oder sonstige auf einer Pensionszusage beruhenden Verpflichtungen zu leisten, unter den Voraussetzungen des § 6a EStG Pensionsrückstellungen zu bilden. Die Voraussetzungen der Passivierung einer Pensionsrückstellung dem Grunde nach lagen hier unstreitig vor.
b) Eine Pensionsverpflichtung darf gemäß § 6a Abs. 3 Satz 1 EStG höchstens mit dem Teilwert angesetzt werden.
aa) § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG bestimmt, wie der Teilwert einer Pensionsverpflichtung vor Beendigung des Dienstverhältnisses zu berechnen ist. Dabei sind nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 EStG die Jahresbeträge, die der Rückstellung zuzuführen sind, so zu bemessen, dass am Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem das Dienstverhältnis begonnen hat, ihr Barwert gleich dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen ist. Der Beginn des Dienstverhältnisses ist für die Ermittlung des Teilwerts auch dann maßgebend, wenn die Versorgungsleistungen erst zu einem späteren Zeitpunkt zugesagt werden. In diesem Falle kann für das Wirtschaftsjahr, in dem die Pensionszusage erteilt worden ist, eine Einmalrückstellung in Höhe der Beträge gebildet werden, die in dem Zeitraum vom Dienstbeginn bis zum Zeitpunkt der Zusage hätten zurückgestellt werden können (BFH-Urteil vom 25. Mai 1988 – I R 10/84, BStBl II 1988, 720, unter II.1. der Gründe). Maßgeblich für die Bemessung der Pensionsrückstellung in den Streitjahren ist folglich die Frage, wann das Dienstverhältnis zwischen G und der Klägerin begonnen hat.
bb) Hier begann das Dienstverhältnis am 01. November 1998.
(1) Das Rechtsverhältnis zwischen G und der Klägerin, das am 01. November 1998 begründet worden ist, ist ein Dienstverhältnis i.S.d. § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG. Es trifft zwar zu, dass der BFH in mehreren Entscheidungen ausgesprochen hat, dass unter dem in dieser Vorschrift verwendeten Begriff des Dienstverhältnisses ein durch Dienstvertrag begründetes Dauerschuldverhältnis zu verstehen sei, während dessen Bestehen der Dienstverpflichtete zur Leistung der versprochenen Dienste und der Dienstberechtigte zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet ist (BFH-Urteile vom 10. August 1994 – I R 47/93, BStBl II 1995, 250, unter II.1.b) der Gründe; vom 25. Mai 1988 – I R 10/84, BStBl II 1988, 720, unter II.4.a) der Gründe). § 611 BGB sieht als die Hauptpflicht des Dienstleistungsempfängers auch die Gewährung einer Vergütung vor. Gleichwohl ist die genannte Rechtsprechung des BFH nach Ansicht des Senats nicht so zu verstehen, dass er das Vorliegen einer Vergütung für die Bestimmung des Begriffs des Dienstverhältnisses i.S.d. § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG für entscheidend hält. Der BFH hat die Aussage, dass ein Dienstverhältnis ein durch Dienstvertrag begründetes Dauerschuldverhältnis voraussetze, nämlich dadurch relativiert, dass er ganz allgemein ausgeführt hat, zu den Dienstverhältnissen gehörten die Arbeitsverhältnisse i.S.d. § 622 BGB und die Rechtsverhältnisse, die zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer durch den Anstellungsvertrag begründet werden (BFH-Urteil vom 10. August 1994 – I R 47/93, BStBl II 1995, 250, unter II.1.b) der Gründe). Ein Rechtsverhältnis zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer muss aber nicht stets ein – entgeltliches – Dienstverhältnis sein. Es ist vielmehr allgemein anerkannt, dass eine GmbH mit ihrem Gesellschafter auch einen Anstellungsvertrag ohne Vereinbarung einer Vergütung schließen kann; es handelt sich dann um ein Auftragsverhältnis (Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Kommentar, 4. Auflage 2002, § 35 Rn. 78; Uwe H. Schneider/Sethe in Scholz, GmbHG, 10. Auflage 2007, § 35 Rn. 167; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Auflage 2010, § 35 Rn. 172; Fuhrmann in Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt KG (Hrsg.), GmbH-Handbuch, Band I, Gesellschaftsrecht, Rn. I 2146). Es ist nicht ersichtlich, dass der BFH diejenigen Rechtsverhältnisse, die als Auftragsverhältnis zu werten sind – und die namentlich von Fuhrmann aaO. als „unentgeltlicher Dienstvertrag” bezeichnet werden –, ausnehmen wollte; die zu entscheidenden Fälle boten lediglich – weil es durchweg um entgeltliche Rechtsverhältnisse ging – keinen Anlass, dies ausdrücklich auszusprechen.
Es ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich, eine entsprechende Einschränkung zu machen. Sinn der Bildung einer Pensionsrückstellung ist, wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, die Verteilung des Aufwands der Pensionsleistungen auf die Zeit der aktiven Tätigkeit des Versorgungsberechtigten und die Verrechnung des Aufwands mit dem Ertrag der entsprechenden Arbeitsleistung. Es werden also lediglich der Aufwand, der durch die Zusage von Versorgungsleistungen entsteht, und der Ertrag, der sich aus der Arbeitsleistung des Pensionsberechtigten ergibt, gegenübergestellt. Die Leistung von laufenden Bezügen ist insoweit nicht angesprochen. Auf die Entgeltlichkeit des Rechtsverhältnisses kann es demzufolge für den Begriff des Dienstverhältnisses nicht ankommen.
(2) Das Dienstverhältnis begann auch am 01. November 1998. Begonnen im Sinne des § 6 a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Sätze 2 und 3 EStG hat ein Dienstverhältnis mit den tatsächlichen Dienstantritt des Dienstverpflichteten beim Dienstberechtigten (BFH-Urteil vom 10. August 1994 – I R 47/93, BStBl II 1995, 250, unter II.1.c) der Gründe; Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 20. Januar 2005 – 5 K 52/04, juris). Der Beklagte hat nicht vorgetragen, dass G seinen Dienst bei der Klägerin tatsächlich später als am 01. November 1998 angetreten habe. Aus dem Inhalt der Akten ergeben sich dafür ebenfalls keine Anhaltspunkte.
2. Die Revision zum Bundesfinanzhof war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Es ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden, ob als Dienstverhältnis i.S.d. § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG auch ein unentgeltliches Rechtsverhältnis, insbesondere ein Auftragsverhältnis zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer anzusehen ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

VorschriftenEStG § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 2, EStG § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 3, BGB § 611, BGB § 622