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02.11.2010 · IWW-Abrufnummer 132553

Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 25.06.2010 – 9 K 9150/07

1. Auch bei dem vom Verbot des § 181 BGB befreiten, alleinigen, jedoch nicht beteiligten Geschäftsführer einer GmbH ist die auf den Beweis des ersten Anscheins gestützte Annahme, er habe einen ihm zur Verfügung stehenden Dienstwagen privat genutzt, auch dann möglich, wenn formal zwar ein Nutzungsverbot vereinbart worden ist, dessen Einhaltung von dritter Seite jedoch nicht überprüft wird.
2. Der Anscheinsbeweis für die Nutzung des Dienst-Pkw auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte lässt sich durch die Vorlage einer auf den Berechtigten ausgestellten Jahres-Bahnfahrtkarte oder schriftliche Unterlagen über den regelmäßigen Bezug von Monatskarten für die Nutzung der Bahnverbindung entkräften. Dies gelingt nicht, wenn der Geschäftsführer lediglich einmal oder zweimal pro Jahr an einem Werktag in der Nähe des Bahnhofs gesichtet wird, lediglich drei Kopien von übertragbaren Monats-Fahrausweisen sowie ein Beleg über die zeitweise Anmietung eines Pkw-Stellplatzes in Bahnhofsnähe für ein verhältnismäßig geringes Entgelt vorlegt, obwohl der Ansatz des geldwerten Vorteils erhebliche einkommensteuerliche Auswirkungen beinhaltet (hier: neben der Einkommensteuererhöhung Wegfall der Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG wegen Überschreitens der Einkommensgrenzen).


IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 9. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 25. Juni 2010 durch Richter am Finanzgericht … als Einzelrichter für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Tatbestand:
Die Prozessbeteiligten streiten in erster Linie um die Frage, ob der Ansatz eines geldwerten Vorteils i. S. von § 8 Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG – für Fahrten des inzwischen verstorbenen X mit einem betrieblichen Kraftfahrzeug zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Rahmen von dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in den Streitjahren 2001 bis 2003 rechtmäßig ist. Hilfsweise begehren die Kläger (= Ehefrau von X und dessen drei weitere Erben; … Zeuge Y ist wegen Ausschlagung seiner Erbschaft nicht Mitglied der Erbengemeinschaft) eine Erhöhung der Werbungskosten des X in Bezug auf seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für denselben Zeitraum auf den Betrag, der ihm als geldwerter Vorteil einkünfteerhöhend zuzurechnen ist.
X war in den Streitjahren bis zu seiner sofortigen Abberufung am … 2003 alleiniger Geschäftsführer, aber nicht auch Gesellschafter der „…” mit Sitz in … (künftig: gGmbH). Im Jahr 2001 erhielt er hierfür einen Brutto-Jahresarbeitslohn in Höhe von – …,00 DM. Die gGmbH hatte ihren Betriebssitz im Gebäude G.1. Die Wohnung (Einfamilienhaus) von X, in der er mit seiner Ehefrau lebte, befand sich in den Streitjahren in G.2.
In dem am … 1996 abgeschlossenen Geschäftsführervertrag zwischen X und der gGmbH heißt es u.a.:
㤠8 Reisekosten, Pkw

2. Dem Geschäftsführer wird ein Firmenwagen der gehobenen Mittelklasse auch zur privaten Nutzung gemäß der Kfz-Regelung der Gesellschaft zur Verfügung gestellt.
In der monatlichen Gehaltsabrechnung wird der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung entsprechend den Bestimmungen der Lohnsteuerrichtlinien versteuert. Die Kosten für den regelmäßigen Kundendienst, anfallende Reparaturen, Benzin und sonstige anfallende Kosten werden von der Gesellschaft getragen.”
X bekam von der gGmbH als Dienstfahrzeug einen P.1 zur Verfügung gestellt, welcher von der gGmbH am 27. Dezember 2000 als Neufahrzeug für einen Kaufpreis in Höhe von rund 60 000,00 DM angeschafft worden war.
X machte im Rahmen der Einkommensteuererklärungen der Eheleute … folgende Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend, die vom Beklagten in dessen erstmaligen Einkommensteuerfestsetzungen wie folgt erklärungsgemäß als Werbungskosten berücksichtigt wurden:
2001: Wege mit dem eigenen Pkw

32 Tage × 10 km × 0,70 DM=224,00 DM
32 Tage × 95 km × 0,80 DM=2 432,00 DM
Wege mit sonstigen Verkehrsmitteln
88 Tage × 10 km × 0,70 DM=616,00 DM
88 Tage × 95 km × 0,80 DM=6 688,00 DM
Zusammen9 960,00 DM
2002:wie 2001
Zusammen5 112,00 EUR
2003:Wege mit dem eigenen Pkw
65 Tage × 10 km × 0,36 EUR=234,00 EUR
65 Tage × 95 km × 0,40 EUR=2 470,00 EUR
Zusammen2 704,00 EUR
Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung durch das Finanzamt … im Mai 2006 wurde festgestellt, dass die gGmbH zwar einen geldwerten Vorteil für Privatfahrten nach der 1 %-Methode, nicht aber einen geldwerten Vorteil für Fahrten von X zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dem Lohnsteuerabzug unterworfen hatte (vgl. Bericht vom 5. Mai 2006).
Die Lohnsteueraußenprüferin errechnete folgenden geldwerten Vorteil für Fahrten von X zwischen Wohnung und Arbeitsstätte:
0,03 % von 43 600 EUR × 102 km = 1 334,16 EUR pro Monat
geldwerter Vorteil/Jahr2001:16 009,92 EUR
2002:16 009,92 EUR
2003:8 004,36 EUR (bis 30.06.2003)
Aufgrund einer Kontrollmitteilung des Finanzamtes … änderte der Beklagte die Steuerfestsetzungen 2001 bis 2003 betr. die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eheleute … unter Berufung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung – AO 1977 – mit Bescheiden vom 27. Juni 2006 dahin gehend, dass die vorgenannten Beträge den Jahres-Bruttoarbeitslöhnen von X hinzugerechnet wurden. Hiergegen legten die Eheleute … am 31. Juli 2006, einem Montag, fristgerecht Einspruch ein, der jedoch nur zu einem geringen Teil Erfolg hatte und ansonsten vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 28. März 2007 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der geldwerte Vorteil von X wurde dabei wie folgt neu berechnet:
0,003 % von 43 600,00 EUR × 95 = 1 242,60 EUR pro Monat
geldwerter Vorteil/Jahr2001:14 911,20 EUR
2002:14 911,20 EUR
2003:3 727,80 EUR (= drei Monate)
Die Werbungskosten von X bezüglich seiner Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wurden vom Beklagten im Rahmen der Einspruchsentscheidung für die Streitjahre 2001 sowie 2003 ebenfalls wie folgt neu berechnet:
2001:Wege mit dem eigenen Pkw
32 Tage × 10 km × 0,70 DM=224,00 DM
32 Tage × 85 km × 0,80 DM=2 176,00 DM
Wege mit sonstigen Verkehrsmitteln
88 Tage × 10 km × 0,70 DM=616,00 DM
88 Tage × 85 km × 0,80 DM=5 984,00 DM
Zusammen9 000,00 DM
2003:Wege mit eigenem Pkw
65 Tage × 10 km × 0,36 EUR=234,00 EUR
65 Tage × 85 km × 0,40 EUR=2 210,00 EUR
Zusammen2 444,00 EUR
Zur Begründung ihres Einspruchs reichten die Eheleute … u. a. eine von X unter dem Datum 3.1.01 unterschriebene „Erklärung zur Benutzung eines Firmenfahrzeugs ab 01.01.2001” ein, in der es bezüglich des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen „…” (= P.1) heißt:
„Es werden keine Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte durchgeführt. Begründung: öffentl. Verkehrsmittel/Bundesbahn. … Ich versichere ausdrücklich die Richtigkeit aller Angaben und verpflichte mich, jede Änderung unverzüglich der Personalabteilung mitzuteilen. Mit ist bewusst, dass falsche oder unvollständige Angaben zu einer Nachversteuerung der Finanzbehörden und ggf. zu einer Nachversicherung durch die Sozialversicherungsträger führen kann. Für diesen Fall verpflichte ich mich, der Firma den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Verpflichtung zum Schadensersatz gilt auch nach beendetem Arbeitsverhältnis mit der Firma.”
Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung u. a. aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – selbst dann ein geldwerter Vorteil für Fahrten mit dem Dienstwagen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzusetzen sei, wenn eine private Nutzung des Dienstwagens arbeitsvertraglich untersagt sei, das Verbot aber weder vom Arbeitgeber überwacht werde noch Fahrtenbücher geführt würden (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 19. Dezember 2003 VI B 281/01, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH-BFH/NV – 2004, 488 m.w.N.). Die faktische Nutzungsmöglichkeit des Dienst-Pkw für solche Fahrten sei für den Ansatz des geldwerten Vorteils i. S. von § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ausreichend, zumal im vorliegenden Fall keine Fahrtenbücher geführt worden seien. Eine telefonische Nachfrage der Lohnsteueraußenprüferin in der Personalabteilung der gGmbH habe ergeben, dass weder ein Nutzungsverbot für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ausgesprochen noch die Abgabe der Autoschlüssel durch X zum Feierabend kontrolliert worden sei.
Im Rahmen ihrer Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, dass aufgrund der schriftlichen Erklärung von X vom 3. Januar 2001 der Ansatz eines geldwerten Vorteils für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ausscheide. Entgegen der Ansicht des Beklagten in dessen Einspruchsentscheidung stelle diese Erklärung keine einseitige Erklärung eines Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber dar. X sei zu jenem Zeitpunkt alleiniger Geschäftsführer der gGmbH gewesen. Insofern habe ein Nutzungsverbot bezüglich des streitgegenständlichen Dienst-Pkw nur von ihm als gesetzlichem Vertreter der gGmbH ausgesprochen werden können. Eine Überwachung bezüglich der Einhaltung dieses Nutzungsverbots durch die Personalabteilung sei nicht notwendig gewesen, weil X dies selbst besorgt habe.
Im Übrigen könne der vom BFH bejahte Anscheinsbeweis hinsichtlich der Nutzung eines Dienst-Pkw durch den GmbH-Geschäftsführer nach derselben höchstrichterlichen Rechtsprechung durch Gegenbeweis entkräftet werden. Hierzu bedürfe es andererseits auch nicht des Beweises des Gegenteils. Es genüge vielmehr die Darlegung eines Sachverhalts, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergebe (Hinweis auf BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 19/05, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2007, 116 m. w. N.).
X habe die Fahrstrecke zwischen seiner Wohnung in … und seiner Arbeitsstätte in … in den streitgegenständlichen Jahren überwiegend mit öffentlichen Verkehrsmitteln, nämlich mit der Eisenbahn (Hinweis auf Kopien von einzelnen Monatskarten-Preis: jeweils 170,00 DM – für die Zeiträume 10.09.01 –09.10.01, 02.01.01 – 01.02.01 sowie 05.02.01 – 04.08.01 sowie Zeugnis des B, der A und des C), und im Übrigen mit seinem privaten Pkw zurückgelegt (im Zeitraum Juni 2000 bis einschließlich Juni 2002 mit seinem P.2 mit dem amtlichen Kennzeichen …, im Zeitraum Oktober 2001 bis einschließlich Juni 2003 mit seinem P.3 mit dem amtlichen Kennzeichen … sowie ab Juli 2003 mit seinem P.4 mit dem amtlichen Kennzeichen …). Er habe den Dienst-Pkw jeden Abend auf dem Betriebsgelände abgestellt und die Schlüssel in den Unternehmensräumen belassen.
In den Streitjahren habe X einen Parkplatz auf einem Betriebsgrundstück an der Straße „…” in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs von … angemietet gehabt. Eigentümerin des Betriebsgrundstücks und Vermieterin des Parkplatzes sei die Z gewesen. Die Parkplatzmiete habe 60,00 DM pro Monat betragen. An den Tagen, an denen er nicht seinen privaten Pkw für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eingesetzt habe, habe er den privaten Pkw genutzt, um von seiner Wohnung zum Bahnhof in … zu fahren, den Pkw dort abzustellen und mit der Eisenbahn nach … zu fahren.
Auf dem Weg zum Bahnhof habe er oft Y getroffen, der diesen Weg arbeitstäglich zum Aufsuchen seines Arbeitsplatzes bei … in … zurückgelegt habe.
Da der Mietvertrag über den Pkw-Abstellplatz in den Unterlagen des verstorbenen X nicht habe gefunden werden können und auch Kontoauszüge für die Zeit vor 2003 nicht hätten gefunden werden können, habe man eine Kopie des Mietvertrages von der Vermieterin angefordert. Sobald diese vorliege, werde sie zu den Gerichtsakten nachgereicht.
Außerdem habe X für das Kalenderjahr 2003 nachweislich eine Bahn-Card erworben. Eine solche Anschaffung tätige man nach der allgemeinen Lebenserfahrung nur dann, wenn man auch regelmäßig mit der Eisenbahn fahre.
Es entspreche auch nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass jemand insbesondere auch in den Wintermonaten bei Vorhandensein einer sehr guten und schnellen Zugverbindung nach … (der Regionalexpress fahre zwischen … und … im Halbstundentakt) den längeren und anstrengenderen Weg mit dem Pkw auf der unfall- und stauträchtigen Bundesautobahn … vorziehe. In … habe X ja der Dienstwagen für Fahrten zur Verfügung gestanden.
Sollte das FG jedoch zu der Ansicht gelangen, dass die Versteuerung eines geldwerten Vorteils trotz der vorstehenden Ausführungen vorzunehmen sei, seien sie, die Kläger, aus nachfolgenden Gründen weiterhin in ihren Rechten verletzt, weil der Beklagte die Werbungskosten von X im Zusammenhang mit seinen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in seiner Einspruchsentscheidung vom 28. März 2007 zu niedrig berechnet habe.
Der Beklagte habe seiner Berechnung die kürzeste Wegstrecke zugrunde gelegt. Eine andere als die kürzeste Entfernung könne jedoch zu Grunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger sei und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt werde (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4, 2. HS EStG i. d. Fassung ab 1.1.2001). X habe bei seinen Fahrten mit dem privaten Pkw zwischen Wohnung und Arbeitsstätte regelmäßig die verkehrsgünstigere, jedoch zehn Kilometer längere Wegstrecke benutzt. Die hieraus resultierende Zeitersparnis habe entsprechend den Routenempfehlungen des ADAC 40 Minuten pro Fahrtstrecke betragen. Anstelle der Aufwendungen für die kürzesten Fahrtstrecke seien somit seine Aufwendungen für die Benutzung der verkehrsgünstigeren Fahrtstrecke als Werbungskosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzusetzen (Hinweis auf Urteil des FG Düsseldorf vom 18. Juli 2005 10 K 514/05, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2005, 1852 m. w. N.). Unter Berücksichtigung der (unentgeltlichen) Tätigkeiten von X als bestellter Geschäftsführer weiterer Unternehmen, die mit der gGmbH kooperiert hätten, seien Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an jeweils insgesamt 180 Arbeitstagen in den Jahren 2001 und 2002 angefallen.
Somit seien folgende Werbungskosten von X bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzusetzen:
2001:2002:2003:
180 Tage × 105 km für 2001 und 2002;65 Tage × 105 km für 2003:14 940,00 DM7 488,00 EUR2 444,00 EUR
Die Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Überlassung eines Firmen-Pkw für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte solle die Bereicherung eines Arbeitnehmers aufgrund dieser Nutzungsmöglichkeit erfassen. Gleichzeitig könne ein Werbungskostenabzug für diese Fahrten erfolgen. Jede weitere Bereicherung aus der privaten Nutzung des Firmen-Pkw werde durch die Besteuerung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG erfasst. Aufgrund unterschiedlicher Pauschalierungsregelungen einerseits im Rahmen der Besteuerung des geldwerten Vorteils eines zur Nutzung überlassenen Pkw und andererseits bei der Ermittlung der Entfernungspauschale komme es jedoch im vorliegenden Fall zu einen nicht sachgerechten Hinzurechnungsbetrag und somit zu einer nicht sachgerechten Besteuerung.
Die Erhebung der auf die Nutzung des Firmen-Pkws für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anteilig entfallenden Einkommensteuer stelle für sie, die Kläger, eine unbillige Härte dar. Fraglich sei, ob das vorliegende Ergebnis des allgemeinen Gesetzesvollzugs noch mit dem Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit vereinbar sei.
Im vorliegenden Fall reiche die rechtliche Aussage des EStG über das mit diesem Zweck verfolgte Ziel hinaus. Durch unterschiedliche Methoden der Pauschalierung komme es zu einer erheblichen steuerlichen Belastung bei ihnen, den Klägern.
Eine abweichende Steuerfestsetzung gemäß § 163 Abs. 1 AO unter Beschränkung des geldwerten Vorteils auf die Höhe der geltend zu machenden Werbungskosten erscheine angemessen. Es handele sich zwar sowohl beim Steuerfestsetzungsverfahren als auch bei der Prüfung der Zulassung einer Billigkeitsmaßnahme um zwei verschiedene Verfahren. Eine abweichende Steuerfestsetzung sei jedoch von dem Verwaltungsakt abhängig, der die Billigkeitsmaßnahme zulasse. Insofern sei es zweckmäßig, die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens zu treffen.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuer 2001, 2002 und 2003 betreffend die Eheleute … unter Änderung der Bescheide vom 27. Juni 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. März 2007 dahingehend zu ändern, dass der Ansatz eines geldwerten Vorteils für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als zusätzliche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des X entfällt,
hilfsweise, dass ein dem geldwerten Vorteil entsprechender Betrag als Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei den Einkünften von X aus nichtselbständiger Arbeit steuermindernd berücksichtigt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die gesetzliche Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 EStG beinhalte eine typisierende – d. h. die Verhältnisse des Einzelfalls weitestgehend außer Betracht lassende – Art der Wertermittlung. Das ergebe sich schon daraus, dass sie die individuellen Nutzungsverhältnisse, insbesondere den Umfang der privaten Nutzung (Fahrleistung) und den Umfang der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber (nur die festen oder auch die laufenden Kosten) vernachlässige. Eine derartige Typisierung sei sachgerecht, da der Arbeitnehmer nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG die Möglichkeit habe, durch Führung eines zeitnahen Fahrtenbuchs und Ansatz der tatsächlichen Kosten Kfz-Kosten etwaigen Nachteilen der pauschalen Einnahmeermittlung zu entgehen. Für eine derartige Ermittlung des geldwerten Vorteils habe sich X aber gerade nicht entschieden.
Hinsichtlich der zu berücksichtigenden Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nehme er, der Beklagte, mit Verwunderung zur Kenntnis, dass nunmehr begehrt werde, den Berechnungen die verkehrgünstigere, aber zehn Kilometer längere Fahrstrecke zu Grunde zu legen. Im Einspruchsverfahren hätten die Eheleute … noch die Berücksichtigung der kürzesten Strecke begehrt (Hinweis auf Schriftsatz der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 18. Oktober 2006). Dem sei mit den in der Anlage zur Einspruchsentscheidung ergangenen Änderungsbescheiden bei der Berechnung des geldwerten Vorteils und bei der Berechnung der Werbungskosten Rechnung getragen worden.
Welche Veranlassung sollte es geben, den Arbeitslohn in Form des geldwerten Vorteils den abziehbaren Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzugleichen? Der Ansatz des geldwerten Vorteils mit dem Pauschalbetrag in Höhe von 0,03 v. H. des Listenpreises für jeden km der einfachen Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte könne bei einem preiswerten Kfz auch dazu führen, dass der Arbeitnehmer weniger versteuern müsse als er als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machen kann. Im vorliegenden Fall sei der geldwerte Vorteil größer als die abziehbaren Werbungskosten, da es sich um einen hochwertigen Pkw und einen langen Arbeitsweg handele. Es gebe daher keinen Anlass für eine abweichende Steuerfestsetzung i. S. von § 163 Abs. 1 AO 1977.
Das erkennende Gericht hat gemäß seinem Beweisbeschluss vom 18. Mai 2010 durch Befragung der Zeugin A im sog. schriftlichen Verfahren sowie durch Vernehmung von drei weiteren Zeugen in der mündlichen Verhandlung am 25. Juni 2010 zu der Frage Beweis erhoben, mit welchem Verkehrsmittel X im Zeitraum 2. Januar 2001 bis zum 31. März 2003 den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurückgelegt hat. Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf das Antwortschreiben von A vom 17. Juni 2010 sowie das Sitzungsprotokoll vom 25. Juni 2010 Bezug genommen.
Dem erkennenden Gericht haben bei seiner Entscheidung drei Bände Steuerakten betr. die Eheleute … (StNr.: …) vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2001 bis 2003 vom 27. Juni 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. März 2007 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
1. Der Beklagte hat in den geänderten Einkommensteuerbescheiden vom 27. Juni 2006 zu Recht den jeweiligen Bruttoarbeitslohn von X um einen zusätzlichen Geldbetrag wegen des geldwerten Vorteils der Nutzungsmöglichkeit des Dienst-Pkw für Fahrten von X zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erhöht.
a.) Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 EStG alle geldwerten Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Auch die unentgeltliche bzw. verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Lohnzufluss (BFH-Urteile vom 6. November 2001 VI R 62/96, BStBl II 2002,370 und vom 7. November 2006 VI R 95/04, BStBl II 2007, 269).
Hinsichtlich der Bewertung dieses geldwerten Vorteils gilt gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 1996 die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG getroffene Regelung entsprechend; die Privatnutzung ist daher für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Der Wert nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG erhöht sich gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für jeden Kalendermonat um 0,03 % des genannten Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wenn das Fahrzeug für solche Fahrten genutzt werden kann. Der im vorliegenden Fall anzuwendende Listenpreis für den Dienst-Pkw ist zwischen den Prozessbeteiligten unstreitig und auch nach Aktenlage nicht zweifelhaft, so dass das Gericht insoweit von weiteren Ausführungen hierzu absehen kann und auch wegen der übrigen, hier nicht besonders angesprochenen Einzelheiten der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts zu seiner Entlastung auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten in dessen Einspruchsentscheidung vom 28. März 2007 verweist (§ 105 Abs. 5 FGO).
Nach dem Normzweck des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ist der Zuschlag ein Korrekturposten zur Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der in den Streitjahren jeweils geltenden Fassung, die auch bei – unentgeltlicher – Überlassung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gewährt wird. Für die Ermittlung des Zuschlags ist daher in gleicher Weise wie für den pauschalen Werbungskostenabzug auf die tatsächliche Nutzung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abzustellen (vgl. BFH-Urteile vom 4. April 2008 VI R 68/05, BStBl II 2008, 890 und vom 28. August 2008 VI R 52/07, BStBl II 2009, 280, jeweils m. w. N.).
b.) Nach der BFH-Rechtsprechung ist bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer die auf den Beweis des ersten Anscheins gestützte Annahme, er habe einen ihm zur Verfügung stehenden Dienst-Pkw privat genutzt, auch dann möglich, wenn formal ein Nutzungsverbot vereinbart worden ist (vgl. Beschlüsse vom 19. Dezember 2003 VI B 281/01, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2004, 488, vom 27. Oktober 2005 VI B 43705, BFH/NV 2006, 292 und vom 14. August 2006 VI B 152/05, BFH/NV 2006, 2281). Die Grundsätze dieser höchstrichterlichen Entscheidungen sind nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts (vgl. dazu bereits das richterliche Erörterungsschreiben vom 5. März 2010) auch auf den vorliegenden Sachverhalts anzuwenden, obwohl X in den Streitjahren nicht auch noch Gesellschafter der gGmbH gewesen ist. Er war aber unstreitig deren alleiniger Geschäftsführer und vom Verbot des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – zumindest partiell befreit, so dass er – wie ein Gesellschafter-Geschäftsführer – in der gGmbH ziemlich „frei schalte und walten” konnte. Hinzu kommt, dass ihm im Anstellungsvertrag vom 16. Juli 1996 die Privatnutzung des Dienst-Pkw ausdrücklich gestattet worden ist. X hat auch gegen den Ansatz eines geldwerten Vorteils hierfür (1 %-Regelung) bei den Lohnsteueranmeldungen durch die gGmbH und im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2001 bis 2003 keinerlei Einwendungen erhoben.
Ob er sich bereits am 3. Januar 2001 oder erst zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich selbst ein schriftliches Nutzungsverbot des Dienst-Pkw für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auferlegt hat, kann im vorliegenden Fall dahinstehen (es bleibt festzuhalten, dass sich der Zeitpunkt des Beginn dieses Nutzungsverbots mit dem Beginn des Prüfungszeitraums betr. die Lohnsteuer-Außenprüfung deckt). Denn das fragliche Nutzungsverbot wäre im vorliegenden Fall nach der BFH-Rechtsprechung nur dann beachtlich, wenn seine Einhaltung von dritter Seite (z. B. Prokuristen der gGmbH) regelmäßig überprüft worden wäre, was unstreitig nicht der Fall gewesen ist (vgl. dazu allgemein: BFH-Beschlüsse vom 19. Dezember 2003 VI B 281/01, BFH/NV 2004, 488, vom 27. Oktober 2005 VI B 43/05, BFH/NV 2006, 292 und vom 14. August 2006 VI B 152/05, BFH/NV 2006, 2281).
c.) Der Anscheinsbeweis für die Nutzung des Dienst-Pkw auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte kann nach der BFH-Rechtsprechung durch den Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu bedarf es nicht des Beweises des Gegenteils. Es genügt vielmehr, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt. Die Würdigung, ob im Einzelfall der Anscheinsbeweis als entkräftet angesehen werden kann, obliegt der Tatsacheninstanz (vgl. BFH-Urteil vom 7. November VI R 19/05, BStBl II 2007, 116). Der Anscheinsbeweis ist bereits dann entkräftet, wenn für eine Teilstrecke eine auf den Arbeitnehmer ausgestellte Jahres-Bahnfahrkarte vorgelegt wird (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 2008 VI R 68/05, BStBl II 2008, 890). Mit der Entkräftung des Anscheinsbeweises ist der Sachverhalt zur Ermittlung des Zuschlags im Hinblick auf Art und Umfang der Nutzung des Dienst-Pkw umfassend aufzuklären (vgl. BFH-Urteil vom 28. August 2008 VI R 52/07, BStBl II 2009, 280). Wird der Dienstwagen monatlich an weniger als 15 Tagen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt, ist eine Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002 % des Listenpreises je Entfernungskilometer vorzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 2008 VI R 85/04, BStBl II 2008,887 m. w. N.).
Im vorliegenden Fall haben die Kläger nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts – auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme – den nach der BFH-Rechtsprechung bestehenden Anscheinsbeweis für die Nutzung des Dienst-Pkw auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht entkräftet oder erschüttert. Sie haben für den streitgegenständlichen Zeitraum (1. Januar 2001 bis 8. April 2003) trotz entsprechender schriftlicher Anregung seitens des Gerichts (vgl. das richterliche Erörterungsschreiben vom 5. März 2010) gerade keine auf X als Berechtigten ausgestellte Jahres-Bahnfahrkarte oder schriftliche Unterlagen über den regelmäßigen Bezug von Monatskarten für die Nutzung der Eisenbahnverbindung zwischen … und … vorlegen können (vgl. zu dieser Möglichkeit der Entkräftung des Anscheinsbeweis: BFH in BStBl II 2008, 890).
Der vorgenannte Anscheinsbeweis ist nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts auch nicht durch die weiteren, von den Klägern benannten Beweismittel erschüttert oder entkräftet worden. Hierzu wäre der Nachweis, dass X einmal oder zweimal pro Jahr an einem Werktag von einem oder mehreren Zeugen in der Nähe des Bahnhofs in … oder in einem Eisenbahnwaggon auf der Fahrt von … nach … oder umgekehrt gesehen worden ist, nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts auch nicht ausreichend, denn hierdurch wird die regelmäßige Benutzung des Dienst-Pkw für die Bewältigung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht in Frage gestellt (es kann sich hierbei z. B. auch um Fahrten an Urlaubstagen zu anderen, als dienstlichen Zwecken oder um Fahrten an Tagen, gehandelt haben, an denen der Dienst-Pkw X ausnahmsweise nicht zur Benutzung zur Verfügung gestanden hat (z. B. wegen eines Werkstattaufenthalts) oder an denen die Witterung zu schlecht gewesen ist, um die Fahrtstrecke zwischen … und … mit einem Auto zurückzulegen).
Der von den Klägern schriftsätzlich behauptete Umstand, dass X in den Streitjahren einen Parkplatz in der Nähe des Bahnhofs von … angemietet hatte, um dort seinen Privat-Pkw abzustellen und anschließend mit der Eisenbahn weiter nach … zu fahren, vermag den vorgenannten Anscheinsbeweis nicht zu entkräften. Zum einen bestehen Widersprüche zwischen den Angaben der Kläger zur Dauer dieser Anmietung („von 2001 bis 2003” vgl. Seite 2 des Schriftsatzes der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 30. April 2010) und den vom Zeugen Y in der mündlichen Verhandlung überreichten schriftlichen Unterlagen über dieses Mietverhältnis, wonach es von X bereits mit Wirkung ab 31. März 2002 gekündigt worden ist. Zum anderen bedeutet die Anmietung eines Parkplatzes in … zu einem verhältnismäßig geringen Entgelt (= 720 DM pro Jahr) angesichts der einkommensteuerlichen Auswirkungen um die es hier geht (Erhöhung der Einkommensteuer 2001 bis 2003 zuzüglich Solidaritätszuschlägen hierzu wegen des streitgegenständlichen geldwerten Vorteils sowie des damit verbundenen Wegfalls der Wohnungseigentumsförderung nach § 10 e EStG wegen Überschreitens der Einkommensgrenzen aufgrund der Änderungsbescheide vom 27. Juni 2006: insgesamt 28 435,38 EUR) nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts nicht automatisch, dass dieser Parkplatz von X auch tatsächlich in nennenswertem Umfang (z. B. mehr als an zehn Tagen pro Kalenderjahr) zum Abstellen seines privaten Pkw auf dem Weg ins Büro in … benutzt worden ist. Es könnte sich bei der Anmietungsmaßnahme auch nur um die Verschaffung eines geeigneten „Alibis” im Hinblick auf eine eventuell später stattfindende Lohnsteuer-Außenprüfung bei der gGmbH und ein Beweismittel zur Abwehr von Einkommensteuernachforderungen im Hinblick auf den streitgegenständlichen geldwerten Vorteil handeln. Dieselben Überlegungen gelten auch für die vom Zeugen Y erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnte und vorlegte, verbrauchsabhängige Parkkarte für das Parkhaus am Bahnhof in …, die überdies keine zwingende Verknüpfung mit der Person X aufweist (sie könnte auch von einer anderen Person und zu einem anderen Zeitpunkt erworben worden sein).
Das Gericht sieht sich in der Einschätzung der Anmietungsmaßnahme sowie der Vorlage der Parkkarte als ungeeignete Beweismittel für die Nutzung öffentlicher Verkehrmittel durch X durch den Inhalt der Aussagen der vier vom Gericht vernommenen Zeugen bestärkt, von denen keiner explizit oder konkludent zum Ausdruck gebracht hat, dass X regelmäßig oder zumindest häufig mit der Eisenbahn zur Arbeit gefahren ist. Die vom Gericht im sog. schriftlichen Verfahren befragte Zeugin A konnte als ehemalige Sekretärin in den Diensten der gGmbH auch auf nochmalige telefonische Nachfrage (vgl. Aktenvermerk vom 17. Juni 2010) keine konkreten Angaben dazu machen, wie oft in der Woche oder im Jahr sie X in der Eisenbahn auf dem Weg zur Arbeit gesehen hat. Der Zeuge B hat X kein einziges Mal in der Eisenbahn gesehen (war von ihm auch nicht zu erwarten, da er selbst die Eisenbahn offensichtlich als Verkehrsmittel in geschäftlichen Dingen nicht benutzt hat). Der Zeuge C konnte auch nicht sagen, wann genau und wie oft er X in der Eisenbahn auf dem Weg zur Arbeit getroffen hat. Der Zeuge Y konnte ebenfalls nicht sagen, wie oft er das P.2 seines Vaters in den Streitjahren auf dem angemieteten Parkplatz am Bahnhof hat stehen sehen.
Den vier Zeugenaussagen kann man ebenfalls keine konkreten Tatsachenangaben zu der Frage entnehmen, wie oft X in den Streitjahren mit seinem privaten Pkw die Fahrstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in … zurückgelegt hat.
Vor diesem Hintergrund wird der vorgenannte Anscheinsbeweis nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts auch nicht partiell durch die Vorlage von Kopien von drei (übertragbaren) Monats-Fahrausweisen für den Verkehrsverbund … (Preis: jeweils 170,00 DM) für die Zeiträume 10.09.01 – 9.10.01, 02.01.01-01.02.01 sowie 05.02.01 04.08.01 erstmals während des Klageverfahrens entkräftet oder erschüttert, zumal noch nicht einmal feststeht, ob … selbst- oder etwa ein Arbeitskollege – diese Monatskarten entgeltlich erworben hat.
Da der Anscheinsbeweis für die Durchführung von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mittels des Dienst-Pkw nicht entkräftet oder erschüttert worden ist, braucht das erkennende Gericht nicht im Einzelnen zu ermitteln, an welchen einzelnen Tagen X seine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte tatsächlich mit dem Dienst-Pkw zurückgelegt hat.
d.) Hinsichtlich der Bemessung des geldwerten Vorteils hält das Gericht es für zutreffend, eine Fahrstrecke von 105 Kilometern für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zugrunde zu legen, da dies auch der ADAC-Routenempfehlung vom 25. April 2007 (= Anlage 4 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 8. Juni 2007) entspricht. Dadurch ergibt sich eine entsprechende Erhöhung des den Bruttojahresarbeitslöhnen von X hinzuzurechnenden geldwerten Vorteils:
2001:2002:2003:
In der Einspruchsentscheidung angesetzter geldwerter Vorteil:29 163,72 DM14 911,20 EUR3 727,30 EUR
neu berechneter Vorteil: 43 600 EUR × 0,0003 × 10532 233,64 DM16 480,79 EUR4 120,20 EUR
Differenz:3 069,92 DM1 569,59 EUR392,90 EUR
2. Bei der Berechnung der Werbungskosten von X für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind konsequenterweise ebenfalls 105 statt bisher (bezüglich der Streitjahre 2001 und 2003) 95 Entfernungskilometer anzusetzen.
Bezüglich der Anzahl der tatsächlich in den Streitjahren durchgeführten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte tragen die Kläger im Rahmen des Werbungskostenabzugs die volle Darlegungs- und Beweislast, weil es sich insoweit um steuermindernde Tatsachen handelt. Da X in den Einkommensteuererklärungen die Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur mit 120 (2001 und 2002) bzw. 65 (2003) angegeben hat, sieht das erkennende Gericht keine ausreichende Beweisgrundlage dafür gegeben, wie von den Klägern erstmals im Klageverfahren begehrt nunmehr Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an jeweils 180 Tagen in den Jahren 2001 und 2002 zu berücksichtigen. Die Kläger haben die deutliche Abweichung dieser Tagezahlen gegenüber der von X selbst in den Einkommensteuererklärungen angegebenen und von ihm oder seinen Verfahrensbevollmächtigten auch während des gesamten Einspruchsverfahren nicht korrigierten Tagezahlen (120 bzw. 65 Tage) nicht ausreichend plausibel erläutert.
Somit berechnen sich die neu anzusetzenden Werbungskosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wie folgt:
2001:2002:2003:
bisheriger Ansatz in der EE:9 000,00 DM5 112,00 EUR2 444,00 EUR
120 Tage × 10 km × 0,70 DM840,00 DM429,48 EUR234,00 EUR
120 Tage × 95 km × 0,80 DM9 120,00 DM4 662,98 EUR1 165,74 EUR
Entfernungspauschale neu:9 960,00 DM5 092,46 EUR1 399,74 EUR
Differenz:+ 960,00 DM./. 9,54 EUR./. 1 044,26 EUR
3. Somit ergibt sich bei der Neuberechnung des geldwerten Vorteils aufgrund der Nutzung des Dienst-Pkw auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie der Entfernungspauschale unter Berücksichtigung von jeweils 105 Entfernungskilometern keine niedrigere Einkommensteuer für die Streitjahre 2001 bis 2003 als diejenige, die vom Beklagten im Rahmen seiner Einspruchsentscheidung vom 28. März 2007 festgesetzt worden ist. Da das Gericht gemäß § 96 Abs. 1 FGO in seiner Entscheidung an die gestellten Klageanträge gebunden ist, kann es die Einkommensteuerfestsetzungen 2001 bis 2003 andererseits aber auch nicht „verbösern”, was rechnerisch sonst für alle drei Streitjahre geboten wäre:
2001:2002:2003:
Veränderung des geldwerten Vorteils bei 105 km statt 95 km:+ 3 069,92 DM+ 1 569,59 EUR+ 392,90 EUR
Veränderung der WK bei 105 km statt 95 km:+ 960,00 DM./. 9,54 EUR./. 1 044,26 EUR
Saldo (= Erhöhung des zu versteuernden Einkommens)+ 2 109,92 DM+ 1 579,13 EUR+ 651,36 EUR
4. Das (Hilfs-)Begehren der Kläger, die Einkommensteuer 2001 bis 2003 möge unter Anwendung von § 163 Abs. AO 1977 aus Billigkeitsgründen abweichend dergestalt festgesetzt werden, dass geldwerter Vorteil und Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sich entsprechen, ist unzulässig, da diesbezüglich nicht das notwendige außergerichtliche Vorverfahren i. S. von § 44 FGO durchgeführt worden ist (vgl. dazu Loose, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 163 AO Rz. 20 ff. und Rz. 27 ff. m. zahlr. Rechtsprechungsnachweisen). Es ist im Übrigen auch unbegründet, da – wie der Beklagte in seiner Klageerwiderung vom 11. September 2007 zutreffend im Einzelnen ausgeführt hat – keine ausreichenden Gründe für eine solche Billigkeitsmaßnahme vorliegen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

VorschriftenEStG § 8 Abs. 2 S. 3, EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4, EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, EStG § 8 Abs. 1