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06.07.2007 · IWW-Abrufnummer 072050

Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 21.06.2007 – C-453/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

21. Juni 2007(*)

?Sechste Richtlinie ? Mehrwertsteuer ? Begriff ?Umsätze der Vermittlung von Krediten??

In der Rechtssache C‑453/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht des Landes Brandenburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. November 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Dezember 2005, in dem Verfahren

Volker Ludwig

gegen

Finanzamt Luckenwalde

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, M. Ile?iè und E. Levits (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

? von Herrn Ludwig, vertreten durch Rechtsanwalt K. Landry,

? der deutschen Regierung, vertreten durch C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,

? der griechischen Regierung, vertreten durch M. Apessos und Z. Chatzipavlou als Bevollmächtigte,

? der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und J.‑C. Gracia als Bevollmächtigte,

? der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou und W. Mölls als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ? Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) und insbesondere des dort verwendeten Begriffs der ?Vermittlung von Krediten?.

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Ludwig (im Folgenden: Kläger des Ausgangsverfahrens), einem Vermögensberater, und dem Finanzamt Luckenwalde über dessen Weigerung, eine vom Kläger des Ausgangsverfahrens im ersten Quartal 2005 bezogene Provision in Höhe von netto 267 Euro von der Umsatzsteuer zu befreien.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Nach Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt.

Art. 13 (?Steuerbefreiungen im Inland?) sieht vor:

??

B. Sonstige Steuerbefreiungen

Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

?

d) die folgenden Umsätze:

1. die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber,

??

Nationales Recht

Die einschlägigen Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes (BGBl. 1979 I, S. 1953) in seiner zum maßgeblichen Zeitpunkt anwendbaren Fassung lauten wie folgt:

?§ 1 Steuerbare Umsätze

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. ?

?

§ 4 Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen

Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

?

8. a) die Gewährung und die Vermittlung von Krediten,

??

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist auf der Grundlage eines Handelsvertretervertrags als selbständiger Vermögensberater für die Deutsche Vermögensberatung AG (im Folgenden: DVAG) tätig.

Die DVAG vermittelt Privatpersonen über ihren als Vermögensberater tätigen Untervertreter verschiedene Finanzprodukte wie etwa Kredite, deren allgemeine Bedingungen sie zuvor mit den kreditgebenden Finanzinstituten festgelegt hat.

Zu diesem Zweck akquiriert der Vermögensberater im Namen der DVAG potenzielle Kunden, um sie zu einem Gespräch einzuladen, das dazu dient, eine Bilanz ihres Vermögens aufzustellen und ihre eventuellen Anlagebedürfnisse zu ermitteln.

Nach einer Analyse der Finanzsituation einer auf diese Weise kontaktierten Person mit Hilfe einer von der DVAG zur Verfügung gestellten Software schlägt ihr der Berater Finanzprodukte vor, die für sie geeignet sind.

Hat sich die Person für einen Kredit entschieden, bereitet der Vermögensberater ein verbindliches Vertragsangebot vor und leitet dieses, nachdem der Kunde unterschrieben hat, an die DVAG weiter, die die Ordnungsmäßigkeit des Angebots kontrolliert. Die DVAG übermittelt das Vertragsangebot an das kreditgebende Finanzinstitut, dem es freisteht, es anzunehmen oder abzulehnen oder ein geändertes Vertragsangebot zu machen.

Kommt der Vertrag zustande, erhält die DVAG von dem kreditgebenden Finanzinstitut eine Erfolgsprovision. Die DVAG ihrerseits zahlt dem Vermögensberater als Untervertreter für die Vermittlung des Vertrags eine Provision, deren Höhe sich nach den Bestimmungen des Handelsvertretervertrags richtet. Der Kunde zahlt weder an die DVAG noch an den Berater eine Provision.

Nach dem Abschluss der einzelnen Kreditverträge übernimmt der Berater die weitere Pflege der Kundenbeziehungen.

Entsprechend diesem Mechanismus erhielt der Kläger des Ausgangsverfahrens von der DVAG als Untervertreter eine Provision in Höhe von netto 267 Euro, nachdem er im ersten Quartal 2005 einen Kreditvertrag vermittelt hatte. Da er meint, dass der von ihm getätigte Umsatz, der zur Zahlung dieser Provision geführt habe, nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie von der Umsatzsteuer befreit sei, geht er vor dem Finanzgericht des Landes Brandenburg gegen die Erhebung von Umsatzsteuer zum Satz von 16 % durch die deutsche Finanzverwaltung vor.

Das Finanzgericht des Landes Brandenburg hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Liegt eine Vermittlungsleistung im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie vor, wenn ein Steuerpflichtiger ? gegebenenfalls vertreten durch einen Untervertreter ? von ihm akquirierten Kunden Kredite verschiedener Anbieter vermittelt, mit denen er zuvor für seine Kunden allgemein geltende Bedingungen ausgehandelt hat und von denen er für die Vermittlung eines Produkts eine Provision erhält, auch wenn er dabei die Vermögenssituation der Kunden sowie ihre persönlichen und finanziellen Bedürfnisse ermittelt und analysiert, oder handelt es sich bei dieser Leistung um eine unselbständige Nebenleistung zu der nicht von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie erfassten Hauptleistung einer Finanzdienstleistung?

2. Setzt die Umsatzsteuerbefreiung für die Vermittlung von Krediten nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie voraus, dass

a) zwischen dem Vermittler einerseits und dem Kreditnehmer und/oder dem Kreditgeber andererseits ein unmittelbares Vertragsverhältnis besteht und

b) der Vermittler nicht nur mit dem Kreditnehmer, sondern auch mit dem Kreditgeber in Kontakt treten und mit diesem die Einzelheiten des Vertrags selbst aushandeln muss,

oder erfasst die Steuerbefreiung auch Provisionszahlungen, die ein Steuerpflichtiger von einem Hauptvertreter, für den er als Untervertreter tätig ist und in dessen Namen er gegenüber dessen Kunden auftritt, dafür erhält, dass diese Kunden Kreditverträge mit von ihm nachgewiesenen Anbietern abschließen, ohne dass der Untervertreter aber in Kontakt mit dem Kreditgeber tritt?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, welche der Tätigkeiten des Klägers des Ausgangsverfahrens ? die Kreditvermittlung oder die Vermögensberatung ? für die Beurteilung seiner Leistung im Hinblick auf die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie den Ausschlag gibt.

Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass die Tätigkeit des Klägers des Ausgangsverfahrens zum einen darin besteht, Kunden in Bezug auf ihre Finanzsituation zu beraten, und zum anderen darin, darauf hinzuwirken, dass sie bei Bedarf einen Kreditvertrag abschließen. Für diese Tätigkeit erhält er als Vergütung einen Teil der von den kreditgebenden Finanzinstituten an die DVAG gezahlten Provision, wobei diese Vergütung davon abhängig ist, dass der Vermögensberater als Untervertreter der DVAG den Abschluss eines Kreditvertrags zwischen diesen Instituten und den von ihm akquirierten Kunden vermittelt.

Aus Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie, der den Anwendungsbereich dieser Richtlinie definiert, ergibt sich, dass jede Dienstleistung in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten ist und dass eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden darf, so dass das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln ist, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist (Urteil vom 25. Februar 1999, CPP, C‑349/96, Slg. 1999, I‑973, Randnr. 29).

Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen darstellen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (Urteile vom 22. Oktober 1998, Madgett und Baldwin, C‑308/96 und C‑94/97, Slg. 1998, I‑6229, Randnr. 24, und CPP, Randnr. 30).

In der Ausgangsrechtssache spricht zum einen der Umstand, dass die von der DVAG und ihrem Untervertreter erbrachten Leistungen von den kreditgebenden Finanzinstituten nur dann vergütet werden, wenn die von dem Vermögensberater akquirierten und beratenen Kunden einen Kreditvertrag abschließen, dafür, die Vermittlungsleistung als die Hauptleistung und die Beratung als bloße Nebenleistung anzusehen. Zum anderen stellt sich die Kreditvermittlung als die entscheidende Leistung für die Kreditnehmer und die kreditgebenden Finanzinstitute dar, da die Vermögensberatung nur in einem vorbereitenden Stadium geleistet wird und sich darauf beschränkt, dem Kunden dabei zu helfen, unter verschiedenen Finanzprodukten diejenigen zu wählen, die seiner Situation und seinen Bedürfnissen am besten entsprechen.

Somit ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger die Vermögenssituation von ihm akquirierter Kunden analysiert, um ihnen zu Krediten zu verhelfen, der Anerkennung einer von der Steuer befreiten Leistung der Vermittlung von Krediten im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie nicht entgegensteht, wenn die von diesem Steuerpflichtigen angebotene Leistung der Vermittlung von Krediten im Licht der vorstehenden Auslegungshinweise als die Hauptleistung anzusehen ist, zu der die Vermögensberatung eine Nebenleistung ist, so dass sie das steuerliche Schicksal der erstgenannten Leistung teilt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob dies in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit der Fall ist.

Zur zweiten Frage

Einleitende Bemerkungen

Die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Sechsten Richtlinie umschrieben sind, sind eng auszulegen, da diese Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (Urteile vom 15. Juni 1989, Stichting Uitvoering Financiële Acties, 348/87, Slg. 1989, 1737, Randnr. 13, und vom 5. Juni 1997, SDC, C‑2/95, Slg. 1997, I‑3017, Randnr. 20).

Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung sind diese Steuerbefreiungen autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen und bei denen der Gesamtzusammenhang des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu beachten ist (Urteile vom 8. März 2001, Skandia, C‑240/99, Slg. 2001, I‑1951, Randnr. 23, und vom 3. März 2005, Arthur Andersen, C‑472/03, Slg. 2005, I‑1719, Randnr. 25).

Der in Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 1 bis 5 der Sechsten Richtlinie verwendete Begriff ?Vermittlung? wird in dieser Richtlinie nicht definiert. Im Kontext von Nr. 5 dieser Bestimmung hat der Gerichtshof allerdings entschieden, dass sich dieser Begriff auf eine Tätigkeit bezieht, die von einer Mittelsperson ausgeübt wird, die nicht die Stellung einer Partei eines Vertrags über ein Finanzprodukt hat und deren Tätigkeit sich von den typischen vertraglichen Leistungen unterscheidet, die von den Parteien solcher Verträge erbracht werden. Denn die Vermittlungstätigkeit ist eine Dienstleistung, die einer Vertragspartei erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird. Zweck dieser Tätigkeit ist es insoweit, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrags hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2001, CSC Financial Services, C‑235/00, Slg. 2001, I‑10237, Randnr. 39). Dagegen handelt es sich nicht um eine Vermittlungstätigkeit, wenn eine der Vertragsparteien einen Subunternehmer mit einem Teil der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit betraut (vgl. in diesem Sinne Urteil CSC Financial Services, Randnr. 40).

Das vorlegende Gericht möchte zum einen wissen, ob der Begriff der Vermittlung im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie voraussetzt, dass ein Vertragsverhältnis zwischen dem Dienstleister, der Kredite vermittelt, und einer der Parteien des jeweiligen Kreditvertrags besteht, und zum anderen, ob, wenn dies nicht der Fall ist, für den Anspruch auf die Steuerbefreiung nach Nr. 1 dieser Vorschrift ein unmittelbarer Kontakt zwischen dem Dienstleister und beiden Parteien des Kreditvertrags erforderlich ist.

Zur Erforderlichkeit eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Vermittler und einer der Vertragsparteien

Die nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie von der Steuer befreiten Umsätze werden durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder den Empfänger der Leistung definiert. Auf diese wird in dieser Bestimmung nämlich in keiner Weise Bezug genommen (vgl. entsprechend in Bezug auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 3 und 5 der Sechsten Richtlinie Urteil SDC, Randnr. 32, und in Bezug auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 dieser Richtlinie Urteil vom 4. Mai 2006, Abbey National, C‑169/04, Slg. 2006, I‑4027, Randnr. 66).

Diese Feststellung gilt auch für die Art der Beziehung zwischen dem Vermittler und den Vertragsparteien, da der Wortlaut von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie insoweit keinerlei Hinweis enthält.

Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht hervor, dass geleistete Dienste nur dann als von der Steuer befreite Umsätze im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Richtlinie qualifiziert werden können, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfüllt (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie Urteile SDC, Randnr. 66, und CSC Financial Services, Randnr. 25, sowie in Bezug auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 dieser Richtlinie Urteil Abbey National, Randnr. 70).

Der Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass die Vermittlungstätigkeit eine Mittlertätigkeit ist, die u. a. darin bestehen kann, einer Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrags nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln, wobei Zweck dieser Tätigkeit ist, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse an seinem Inhalt hat (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie Urteil CSC Financial Services, Randnr. 39).

Aus dem Vorstehenden ergibt sich somit, dass die Anerkennung einer von der Steuer befreiten Vermittlungstätigkeit im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie nicht unbedingt vom Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Erbringer der Vermittlungsleistung und einer der Parteien des Kreditvertrags abhängt.

Entgegen dem Vorbringen der deutschen Regierung wird diese Feststellung nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Gerichtshof in Randnr. 39 des Urteils CSC Financial Services ausgeführt hat, dass die Vermittlungstätigkeit eine Dienstleistung ist, die einer Vertragspartei erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird.

Zunächst bestand nämlich in dieser Rechtssache CSC Financial Services kein Streit über die Frage des Bestehens eines Vertrags zwischen dem Erbringer und dem Empfänger der Dienstleistung, der CSC Financial Services Ltd und der Sun Alliance Group. Wie sich aus Randnr. 7 jenes Urteils ergibt, bestand im damaligen Fall ein solches Vertragsverhältnis. Dessen ungeachtet hat der Gerichtshof allerdings vorbehaltlich der Würdigung der Tatsachen des Falls durch das vorlegende Gericht festgestellt, dass die CSC Financial Services Ltd offenbar eine Tätigkeit ausübt, die mit der eines Subunternehmers zu vergleichen ist, dem eine Vertragspartei mit dem Vertrag verbundene schlichte Sachaufgaben anvertraut, die vom Anwendungsbereich des Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 3 bis 5 der Sechsten Richtlinie nicht erfasst werden (Urteil CSC Financial Services, Randnr. 40). Dementsprechend konnte die Feststellung des Gerichtshofs zum Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Erbringer und dem Empfänger der Dienstleistung innerhalb der Struktur der Ausführungen des Gerichtshofs nicht die Bedeutung haben, die ihr die deutsche Regierung in ihren Erklärungen beimisst.

Sodann ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in dieser Rechtssache unter Bezugnahme auf die Randnrn. 64 und 66 des Urteils SDC betont hat, dass es bei der Bestimmung, ob die CSC Financial Services Ltd eine von der Steuer befreite Leistung im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 3 bis 5 der Sechsten Richtlinie erbracht hat, zuallererst auf die Art ihrer Tätigkeiten ankommt (Urteil CSC Financial Services, Randnrn. 23 bis 28). Zum anderen hat der Gerichtshof in Randnr. 39 dieses Urteils einleitend ausgeführt, dass es nicht erforderlich ist, die genaue Bedeutung des Begriffs ?Vermittlung? zu ermitteln.

Folglich kann die Anwendung der in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung nicht davon abhängen, dass ein Vertragsverhältnis zwischen dem Erbringer der Vermittlungsleistung und einer Partei des Kreditvertrags besteht; dafür ist vielmehr auf die Art der erbrachten Leistung und ihren Zweck entsprechend den Ausführungen in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils abzustellen.

Zur Erforderlichkeit eines unmittelbaren Kontakts zwischen dem Vermittler und den beiden Vertragsparteien

Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie schließt es nach seinem Wortlaut grundsätzlich nicht aus, dass die Vermittlungstätigkeit in verschiedene einzelne Dienstleistungen zerfällt, die dann unter den Begriff ?Vermittlung von Krediten? im Sinne dieser Bestimmung fallen können und denen die dort vorgesehene Befreiung zugutekommen kann (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten Richtlinie Urteil SDC, Randnr. 64, in Bezug auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 dieser Richtlinie Urteil CSC Financial Services, Randnr. 23, sowie in Bezug auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 dieser Richtlinie Urteil Abbey National, Randnr. 67).

Unter diesen Umständen folgt aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, dass die Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein müssen, das Organisationsmodell zu wählen, das ihnen, rein wirtschaftlich betrachtet, am besten zusagt, ohne Gefahr zu laufen, dass ihre Umsätze von der in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung ausgeschlossen werden (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie Urteil Abbey National, Randnr. 68).

Allerdings kann die von dem Dienstleister erbrachte Dienstleistung entsprechend den Ausführungen in Randnr. 27 des vorliegenden Urteils nur dann als von der Steuer befreiter Umsatz im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie qualifiziert werden, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes ist, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfüllt.

Folglich steht Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie einer Aufteilung der Dienstleistung der Vermittlung von Krediten, so wie es im Ausgangsverfahren der Fall ist, in zwei Leistungen nicht entgegen, von denen die eine vom Hauptvertreter, d. h. der DVAG, im Rahmen der Verhandlung mit den kreditgebenden Finanzinstituten und die andere von ihrem Untervertreter, d. h. dem Kläger des Ausgangsverfahrens in seiner Eigenschaft als Vermögensberater, im Rahmen der Verhandlung mit den Kreditnehmern erbracht wird.

Es ist daran zu erinnern, dass die Vermittlung nach Randnr. 39 des Urteils CSC Financial Services eine Mittlertätigkeit ist, die u. a. darin bestehen kann, einer Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrags nachzuweisen, wobei Zweck dieser Tätigkeit ist, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse an seinem Inhalt hat. Der Begriff der Vermittlung setzt daher nicht unbedingt voraus, dass der Vermittler als Untervertreter eines Hauptvertreters in unmittelbaren Kontakt mit den beiden Vertragsparteien tritt, um alle Klauseln des Vertrags auszuhandeln; Voraussetzung ist jedoch, dass sich seine Tätigkeit nicht auf die Übernahme eines Teils der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit beschränkt.

Außerdem steht auch der Umstand, dass Klauseln des Kreditvertrags von einer der Vertragsparteien im Voraus festgelegt wurden, als solcher der Erbringung einer Vermittlungsleistung im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie nicht entgegen, da sich die Vermittlungstätigkeit, wie sich aus der vorstehenden Randnummer ergibt, darauf beschränken kann, einer Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines solchen Vertrags nachzuweisen.

Folglich ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger zu keiner der Parteien eines Kreditvertrags, zu dessen Abschluss er beigetragen hat, in einem Vertragsverhältnis steht und mit einer der Parteien nicht unmittelbar in Kontakt tritt, nicht ausschließt, dass dieser Steuerpflichtige eine von der Steuer befreite Leistung der Vermittlung von Krediten im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie erbringt.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1. Der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger die Vermögenssituation von ihm akquirierter Kunden analysiert, um ihnen zu Krediten zu verhelfen, steht der Anerkennung einer von der Steuer befreiten Leistung der Vermittlung von Krediten im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ? Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage nicht entgegen, wenn die von diesem Steuerpflichtigen angebotene Leistung der Vermittlung von Krediten im Licht der vorstehenden Auslegungshinweise als die Hauptleistung anzusehen ist, zu der die Vermögensberatung eine Nebenleistung ist, so dass sie das steuerliche Schicksal der erstgenannten Leistung teilt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob dies in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit der Fall ist.

2. Der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger zu keiner der Parteien eines Kreditvertrags, zu dessen Abschluss er beigetragen hat, in einem Vertragsverhältnis steht und mit einer der Parteien nicht unmittelbar in Kontakt tritt, schließt nicht aus, dass dieser Steuerpflichtige eine von der Steuer befreite Leistung der Vermittlung von Krediten im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 erbringt.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

RechtsgebietUStVorschriftenArt. 2 Abs. 1, 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der 6. Richtlinie 77/388/EWG des Rates v. 17.5.1977