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13.07.2015 · IWW-Abrufnummer 144895

Landgericht Berlin: Urteil vom 17.05.2013 – 23 O 443/11

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Berlin

Im Namen des Volkes

Urteil

Geschäftsnummer: 23 O 443/11
verkündet am : 17.05.2013

In dem Rechtsstreit
xxx

hat die Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin in Berlin - Charlottenburg, Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 22.03.2013 durch die Richterin am Landgericht Wilhelmi als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus dem
Rechtsschutzversicherungsvertrag zur Versicherungsschein-Nummer ▄ für die gerichtliche Geltendmachung von Rückabwicklungsansprüchen und Schadensersatzansprüchen wegen
vorvertraglicher Pflichtverletzung bezüglich eines mit der F▄ Ö▄ L▄ zur dortigen Versicherungsschein-Nummer LV -▄ geschlossenen Lebensversicherungsvertrag, Rechtsschutzversicherungsschutz zu gewähren.,

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Deckungsschutz für die Durchsetzung von Rückabwicklungs- und Schadensersatzansprüchen wegen vorvertraglichem Beratungsverschulden im Zusammenhang mit der Umdeckung eines fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrags gegen die in diesem Zusammenhang tätig gewordene Versicherung F▄ Ö▄ L▄ und ihren Vertreter.

Die Parteien sind seit 2002 verbunden durch einen Rechtsschutzversicherungsvertrag, der die Gewährung von pauschalem Rechtsschutz für Gewerbe und freie Berufe, u.a. Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz für Gewerbe und freie Berufe nach § 24 Abs.3 Nr.1, 3 ARB bezogen auf die Betriebsart Apotheke zum Gegenstand hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein vom 22.01.2010 (Anlage K 1) Bezug genommen. Dem Vertrag liegen die ARB 1975/2006 zugrunde.
Dort heißt es u.a.

§ 4 Risikoausschlüsse
(1) Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher
Interessen
(….)
h) aus Bürgschafts-, Schuldübernahme- und Versicherungsverträgen aller Art
§ 24 Rechtsschutz für gewerbetreibende und freiberufliche Tätige
(...)
(2) Der Versicherungsschutz umfasst
a) die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher
Schuldverhältnisse im Rahmen des § 14 Absatz 1;
(…)
(3) Schuldrechtliche Verträge
1. Der Versicherungsschutz kann auf die gerichtliche Wahrnehmung rechtlicher
Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen ausgedehnt werden
(...)..
Zugunsten des Klägers als versicherte Person schloss die Ehefrau des Klägers im Jahre 2002 bei der D▄ Ä▄ V▄ AG (▄) eine Kapitalbildende Lebensversicherung ab. Diese trat der Kläger an die A▄-Bank ab als Sicherheit und Tilgungsbaustein für ein Darlehen über 353.224,31 €, welches zum Zwecke der Finanzierung einer Apotheke diente. Dieses Darlehen sollte bei Endfälligkeit 2019 durch die Lebensversicherung getilgt werden, was per 13.10.2008 wegen einer prognostizierten Gesamtleistung von 511.605,70 € (Anlage K 3) als möglich angesehen wurde.

Der Kläger unterhält seit dem 01.10.2009 eine fondsgebundene Rentenversicherung mit variabler Mindestleistung und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bei der F▄ Ö▄ L▄. Zu diesem Vertragsschluss kam es, nach dem im Oktober 2008 Herr R▄, tätig als gebundener Vertreter der F▄, unaufgefordert an den Kläger herantrat und diesem anbot, seinen Versicherungsschutz zu optimieren. Dabei trat er auf für “Ärzte und Apotheken-service Spezialbetrieb für Heilberufe” und erweckte damit bei dem Kläger den Eindruck Versicherungsmakler zu sein und über Spezialkenntnisse zu verfügen im Ärzte e– und Apothekerbereich.
Herr R▄ erteilte dem Kläger in darauf folgenden Beratungsgespräch den Ratschlag, die Lebensversicherung bei der ▄ zu beenden und eine Lebensversicherung bei der F▄ abzuschließen, wobei er den Rückkaufswert auf einen Zeitpunkt in 15 Jahren, also per 2023 kalkulierte. Dies obwohl ihm bekannt war, dass die Lebensversicherung dafür vorgesehen war, bereits im Jahre 2019 das Darlehen bei der A▄-Bank zu tilgen.
Herr R▄ klärte den Kläger nicht auf über die Nachteile, die mit der Beitragsfreistellung und dem Neuabschluss verbunden sind.

Der Kläger folgte dem Ratschlag und stellte die Lebensversicherung bei der ▄ beitragsfrei zum 1.1.2009. Hierdurch erlitt er einen Verlust iHv. 2,2 % des Rückkaufswertes, berechnet als Stornogebühr für Beitragsfreistellung. Ferner entstanden dem Kläger durch den Neuabschluss Abschlusskosten und er muss einen etwaigen Gewinn anders versteuern als bei Fortbestand der Lebensversicherung bei der ▄. Dies führt in der Konsequenz dazu, dass der Kläger 2019 nicht in der Lage sein wird, sein Darlehen mit dem Ertrag der Lebensversicherung zu tilgen, weil der Rückkaufswert der Lebensversicherung bei der ▄ zu dieser Zeit lediglich 145.000,- € betragen wird und der Rückkaufswert der Lebensversicherung bei der F▄ lediglich 90.549,74 €.

Mit Schreiben vom 21.09.2010 (Anlage K 4) ließ der Kläger die F▄ auffordern, den Lebensversicherungsvertrag rückabzuwickeln und die Prämien zurückzuerstatten, was diese ablehnte (Anlage K5).

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 17.08.2010 zeigte der Kläger der Beklagten den Rechtsschutzfall an und bat um Bestätigung der Gewährung von Rechtsschutz für außergerichtliche Vertretung (Anlage K 6). Die Beklagte lehnte die Leistung ab mit der Begründung, dass die fondsgebundene Lebensversicherung bei der ▄, die durch die Lebensversicherung mit der F▄ ersetzt wurde, im Zusammenhang stehe mit der selbständigen Tätigkeit des Klägers, weil das Darlehen, dass durch diese abgesichert werden sollte, ein Firmendarlehen war.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe gegen die F▄ Anspruch auf Schadensersatz in Form der Rückabwicklung des Versicherungsvertrages wegen fehlerhafter Beratung, weil die F▄ für die Beratungspflichtverletzung des Herrn R▄ gemäß § 278 BGB einzustehen habe. Dessen Ratschlag, die Lebensversicherung bei der ▄ beitragsfrei zu stellen und eine neue Versicherung bei der F▄ abzuschließen sei grob falsch gewesen, was zwischen den Parteien unstreitig ist.

Mit der der Beklagten am 27.11.2011 zugestellten Klage beantragt der Kläger,

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm aus dem
Rechtsschutzversicherungsvertrag zur Versicherungsschein-Nummer ▄ für die gerichtliche Geltendmachung von Rückabwicklungsansprüchen und Schadensersatzansprüchen wegen
vorvertraglicher Pflichtverletzung bezüglich eines mit der F▄ Ö▄ Ls▄ zur dortigen Versicherungsschein-Nummer LV -▄ geschlossenen Lebensversicherungsvertrag, Rechtsschutzversicherungsschutz zu gewähren,

2. an ihn 424,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht:
Die erstrebten Versicherungsleistungen seien von dem Risikoausschluss gemäß § 4 Abs.1 lit.h) ARB 1975/2006 erfasst, weil es dem Kläger um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus einem Versicherungsvertrag ginge.

Wegen der Einzelheiten des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist mit Ausnahme der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten begründet, weshalb wie aus dem Tenor ersichtlich die Feststellung zu treffen ist, dass dem Kläger ein Deckungsschutzanspruch gegen die Beklagte zusteht.

I.
Dieser Anspruch folgt aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag (§ 1 VVG iVm. den Allgemeinen Bedingungen des Rechtsschutzversicherungsvertrag). Das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) ist, obwohl die Erhebung einer Leistungsklage grundsätzlich möglich wäre, gegeben, weil die Verpflichtung zur Gewährung von Deckungsschutz streitig ist, die Beklagte die Deckungszusage verweigert hat und von ihr als Versicherungsunternehmen zu erwarten ist, dass sie im Falle der Feststellung ihrer Verpflichtung den Versicherungsfall bedingungsgemäß abwickelt (vgl. BGH, IV ZR 18/04, Urt. v. 16.02.2005 = VersR 2005, 629 unter II. 1.).

1. Ein versicherter Rechtsschutzfall im Sinne der vertraglichen Bedingungen (§ 14 Abs.1, 3 ARB 1975/2006) liegt vor.
Die unstreitige Fehlberatung durch den Vertreter der F▄ hat Ende 2008 stattgefunden.
Dass zu dieser Zeit Versicherungsschutz gemäß Versicherungsschein zugunsten des Klägers bestand, steht zwischen den Parteien nicht in Streit.

2. Anders als die Beklagte meint, greift der Risikoausschluss zu § 4 Abs.1 lit h) ARB 1975/2006 weder bezogen auf die gegen Herrn R▄ noch gegen die F▄ geltend gemachten Ansprüche. Der Ausschluss gemäß § 4 Abs.1 lit h) ARB 1975/2006 erstreckt sich (u.a.) auf Versicherungsverträge, d.h. durch Antrag und Annahme gemäß §§ 145 ff. BGB zustande gekommene schuldrechtliche Verträge des Privatrechts mit einem Versicherer über ein von diesem zu deckendes Risiko (vgl. Maier/Walter/Harbauer, Rechtsschutzversicherung, ARB 75, 4. Aufl. 2004, Rz.67).

a) Mit Herrn R▄ ist ein Versicherungsvertrag nicht zustande gekommen. Vielmehr folgt der gegen diesen in Aussicht genommenen Schadensersatzanspruch aus § 63 VVG, dem ein sich auf §§ 60, 61 VVG gründendes gesetzliches Schuldverhältnis zugrunde liegt (vgl. Reiff in MünchKomm, VVG, 1. Aufl., 2010, § 63 Rz.24). Durch die spezialgesetzliche Regelung des § 63 VVG wird im Anwendungsbereich der Vorschrift eine Haftung aus Vertragsanbahnung auf Grund einer Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens (§§ 280 Abs.1, 311 Abs.3, 241 Abs.2 BGB) gerade ausgeschlossen (vgl. Dörner in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 59 Rn. 37 m.w.Nachw.). Der Anspruch im Verhältnis zu dem Versicherungsvertreter R▄ gründet damit in einem gesetzlichen Schuldverhältnis im Sinne von § 24 Abs.2 a) i.V.m. § 14 Abs.1 ARB 1975/2006 und ergibt sich nicht aus einem Versicherungsvertrag. Dies hat zur Folge, dass der Risikoausschluss mangels Bestehens eines Versicherungsvertrags nicht greift.

b) Auch in Bezug auf den gegen die F▄ in Aussicht genommenen Anspruch greift der Ausschluss gemäß § 4 Abs.1 lit. h) ARB 1975/2006 nicht ein. Ausgeschlossen im Sinne der Regelung ist nur die Interessenwahrnehmung “aus” Versicherungsverträgen. Unter den Ausschluss fallen deshalb nicht alle Auseinandersetzungen aus dem “Bereich” des Versicherungsrechts, sondern nur die Geltendmachung oder Abwehr von solchen Ansprüchen, die ihre rechtliche Grundlage in einem bestehenden Versicherungsvertrag haben oder haben sollen, insbesondere die Verfolgung von Deckungsansprüchen und die Abwehr von nach Meinung des Versicherungsnehmers unberechtigten Beitrags- oder Regressforderungen des Versicherers (vgl. BGH NJW 60, 529 = VersR 60, 145; vgl. Maier/Walter/Harbauer, Rechtsschutzversicherung, ARB 75, 4. Aufl. 2004, Rz. 76). Hierum geht es vorliegend jedoch nicht, denn der Kläger stützt seinen gegen die F▄ erhobenen Anspruch wegen Beratungsverschuldens auf § 6 VVG, einer gesetzlichen Spezialregelung der Haftung aus culpa in contrahendo gemäß § 280 Abs.1, 311, Abs.2, 241 Abs.2 BGB. Damit handelt es sich auch bei diesem Anspruch nicht um einen Anspruch “aus” dem Versicherungsvertrag, sondern einem Anspruch, der im Vorfeld des Abschlusses eines Versicherungsvertrages begründet liegt. Im Hinblick hierauf als auch unter Beachtung des Grundsatzes, dass Risikoausschlüsse eng auszulegen sind (vgl. Brömmelmeyer in: Rüffer/Halbach/Schimikoski, VVG, 2. Aufl. 2011, Einleitung Rz.66 m.w.Nachw.), erfasst § 4 Abs.1 lit.h) ARB 1975/2006 den Anspruch gegen die F▄ damit nicht.

c) Aus den vorstehenden Ausführungen zu b) ergibt sich jedenfalls, dass ein Anspruch auf Zusage der Deckung einer Klage gegen Herrn R▄ selbst dann nicht gemäß § 4 Abs.1 lit. h) ARB 1975/2006 ausgeschlossen wäre, wenn es sich bei dem Anspruch aus § 63 VVG entgegen den Ausführungen unter oben a) nicht um einen Anspruch aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis, sondern einem Schuldverhältnis privatrechtlicher Natur handelte.

II.
Unbegründet ist die Klage hingegen, soweit mit ihr die Verurteilung zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend gemacht wird. Da der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Zeitpunkt der Anzeige des Schadensfalles bereits beauftragt war, sind die begehrten Rechtsanwaltsgebühren weder kausal durch die Nichtgewährung von Deckungsschutz noch aufgrund von Verzug entstanden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr.11, 711 ZPO.