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11.11.2004 · IWW-Abrufnummer 042884

Bundesfinanzhof: Urteil vom 21.09.2004 – IX R 13/02

1. Eine (sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das eine Gegenleistung auslöst.



2. Erhält jemand im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer von ihm erbrachten Tätigkeit eine Provision und nimmt er sie als Gegenleistung an, so ist das Entgelt nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.


Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin ihres im Jahre 2003 verstorbenen Ehemannes Dr. L., mit dem sie in den Streitjahren (1994 und 1995) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurde und dessen Verfahren sie aufgenommen hat. Die Eheleute erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung.

Dr. L. erhielt im Jahre 1995 von der A-KG im Zusammenhang mit dem Verkauf der Fa. B GmbH & Co. KG (nachfolgend: Fa. B.) einen als Provision bezeichneten Betrag von 200 000 DM. Er erklärte diesen Betrag nicht zur Einkommensteuer.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfuhr von der Zahlung erst im Jahr 2000 aufgrund einer Kontrollmitteilung der Großbetriebsprüfung. Das FA ging davon aus, dass die Zahlung als Vermittlungsprovision nach § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Besteuerung zu unterwerfen sei. Es änderte dementsprechend den Einkommensteuerbescheid für 1995, indem es den negativen Gesamtbetrag der Einkünfte von 890 599 DM auf 690 599 DM verringerte. Wegen des geringeren Verlustrücktrags änderte es auch den Einkommensteuerbescheid für 1994 und setzte die Einkommensteuer auf 417 790 DM sowie den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1995 auf 0 DM fest.

Die Einsprüche hiergegen blieben erfolglos. Mit ihrer Klage trugen die Eheleute vor, Hintergrund der Zahlung sei es gewesen, dass Dr. L. seinem Freund B bei dem Verkauf von dessen Anteilen an der Fa. B. für ca. 95 Mio. DM behilflich gewesen sei. Bei der Mitwirkung habe es sich um einen reinen Freundschaftsdienst gehandelt. Von einer Honorierung sei nie die Rede gewesen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 829 veröffentlichten Urteil ab. Zwar habe Dr. L. zunächst in freundschaftlicher Verbundenheit zu B gehandelt. Das ändere aber nichts daran, dass die Zahlung als Anerkennung für die Mithilfe von Dr. L. gewährt und deshalb durch diese Leistung verursacht worden sei.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 22 Nr. 3 EStG. Die durch die Mithilfe bei dem Verkauf der Unternehmensanteile bedingte Leistung sei nicht steuerbar. Denn Dr. L. habe mit B nicht über eine Vermittlungsprovision gesprochen und habe auch keine Empfangsbestätigung ausgestellt. Deshalb könne auch keine nachträgliche Einigung zwischen der zahlenden Gesellschaft und Dr. L. angenommen werden. Vor der Leistung müsse die Einkünfteerzielungsabsicht vorgelegen haben.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, den Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 20. Dezember 2000 zu ändern und die Einkommensteuer 1994 unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus 1995 von 886 599 DM festzusetzen sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1995 vom 28. Dezember 2000 zu ändern und den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1995 in Höhe von 4 000 DM festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zutreffend hat das FG die Zahlung der 200 000 DM als Einkünfte aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG der Besteuerung unterworfen.

1. Nach § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S. der Nummern 1, 1a, 2 oder 4 der Vorschrift gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen. Um eine solche gelegentliche Vermittlung handelt es sich im Streitfall. Sie ist als sonstige Leistung steuerbar.

a) Eine (sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das eine Gegenleistung auslöst.

aa) Der Senat hält an dem bislang in der Definition des Leistungsbegriffs stets verwandten Merkmal "um des Entgelts willen erbracht" nicht fest. Dieses in der Umschreibung der "Leistung" durch den Großen Senat des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 23. Juni 1964 GrS 1/64 S, BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500) noch nicht enthaltene Element wurde in der Rechtsprechung jedenfalls seit der Entscheidung des VI. Senats des BFH vom 28. November 1969 (VI R 128/68, BFHE 97, 378, BStBl II 1970, 185) und seitdem ständig (vgl. die ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Urteile vom 18. Dezember 2001 IX R 74/98, BFH/NV 2002, 643; vom 14. September 1999 IX R 88/95, BFHE 189, 424, BStBl II 1999, 776; vom 26. Mai 1993 X R 108/91, BFHE 171, 500, BStBl II 1994, 96) verwendet, um eine steuerbare Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG zu kennzeichnen.

Diese von der Rechtsprechung gefundene Formulierung deutet nach ihrem Wortlaut auf ein synallagmatisches Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Sinne eines Austauschvertrages hin und ist in der Rechtsprechung zum Teil auch so verstanden worden (im Sinne von "do ut des", so das BFH-Urteil vom 28. November 1984 I R 290/81, BFHE 143, 38, BStBl II 1985, 264, allerdings auch nur bezogen auf eine vertragliche Vereinbarung). Gleichwohl hält der BFH in ständiger Rechtsprechung einen gegenseitigen Vertrag nicht für erforderlich (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 643, m.w.N., und in BFHE 171, 500, BStBl II 1994, 96). Darüber hinaus nimmt er eine Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG schon dann an, wenn für eine Tätigkeit nachträglich ein Entgelt gezahlt und vom Leistenden als angemessene Gegenleistung für die von ihm erbrachte Tätigkeit angenommen wird (so BFH-Urteil vom 21. September 1982 VIII R 73/79, BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201). Das auf ein synallagmatisches Verständnis des Leistungsbegriffs hindeutende Merkmal "um des Entgelts willen erbracht" ist vor diesem Hintergrund zumindest missverständlich und mithin verzichtbar.

bb) Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob die Gegenleistung (das Entgelt) durch das Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst ist. Hinreichend ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang in der Weise, dass die Gegenleistung durch das Verhalten "ausgelöst" wird (so BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 643; in BFHE 171, 500, BStBl II 1994, 96, m.w.N.; so auch die überwiegende Auffassung im Schrifttum, vgl. Leisner-Egensperger, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 22 Rdnr. D 140: ökonomischer Kausalzusammenhang; Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 22 Rz. 133).

b) Indes führt nicht jede Einnahme, die durch eine Tätigkeit ausgelöst wird, auch zu Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG. Die Norm erfasst, ergänzend zu den übrigen Einkunftsarten, das Ergebnis einer Erwerbstätigkeit und setzt wie diese die allgemeinen Merkmale des Erzielens von Einkünften nach § 2 EStG voraus (BFH-Urteil in BFHE 189, 424, BStBl II 1999, 776, m.w.N.).

aa) Das bedeutet aber nicht, der Leistende müsse bereits beim Erbringen seiner Leistung eine Gegenleistung erwarten. Ausreichend ist vielmehr, dass er eine im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seinem Tun, Dulden oder Unterlassen gewährte Gegenleistung als solche annimmt. Auf diese Weise ordnet er sein Verhalten der erwerbswirtschaftlich und damit auch steuerrechtlich bedeutsamen Sphäre zu (ähnlich bereits BFH in BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201, m.w.N.).

bb) Entgegen der Revision erzielt deshalb auch derjenige Einkünfte aus Leistungen, dessen Tätigkeit zwar zunächst nicht auf Erwerb gerichtet war, der aber eine damit im wirtschaftlichen Zusammenhang erbrachte Gegenleistung als solche entgegennimmt. Wenn § 22 Nr. 3 EStG Einkünfte aus Leistungen der Besteuerung unterwirft, so ist der objektive Tatbestand der Norm mit der Tätigkeit des Steuerpflichtigen noch nicht abgeschlossen. Das Verhalten selbst ist zunächst steuerrechtlich indifferent. Erst dann, wenn dieses Tun, Dulden oder Unterlassen eine Gegenleistung auslöst und der Leistende sie als Lohn für seine Leistung annimmt, knüpft das Steuerrecht Folgen an dieses Verhalten. Dadurch unterscheidet sich der Tatbestand der Einkünfte aus Leistungen z.B. von gewerblichen Einkünften, bei denen nach § 15 Abs. 2 EStG schon die Betätigung selbst in der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen werden muss.

cc) Ist der Leistungsaustausch zwischen der Leistung und der im wirtschaftlichen Zusammenhang damit erbrachten Gegenleistung danach erwerbsgerichtet, dient er dem Erzielen von Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG. Er unterscheidet sich dadurch z.B. von gemeinschaftsbezogenen Leistungen, die Partner einer privaten Lebensgemeinschaft untereinander erbringen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 189, 424, BStBl II 1999, 776).

c) Ist die Entgeltszahlung durch die Leistung "ausgelöst", so ist unerheblich, wann das Entgelt erbracht wird, ob vor der Darbietung der Leistung oder nachträglich (BFH-Urteil in BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201; Leisner-Egensperger, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 22 Rdnr. D 140) und ob das Entgelt vom Leistungsempfänger oder von einem Dritten gezahlt wurde (BFH-Urteil vom 12. November 1985 IX R 183/84, BFHE 147, 305, BStBl II 1986, 890).

2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG den wirtschaftlichen Zusammenhang der an Dr. L. gezahlten 200 000 DM mit der von ihm erbrachten Hilfeleistung aus Anlass der Anteilsverkäufe zutreffend bejaht.

Nach den Feststellungen des FG, die den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO binden, hat Dr. L. die Zahlung im Hinblick auf seine Mithilfe und Bemühungen entsprechend akzeptiert und hierdurch zu erkennen gegeben, dass er die Zahlung als angemessen ansieht. Es kommt entgegen der Revision nicht darauf an, dass Dr. L. keine schriftliche Empfangsbestätigung erstellte. Entscheidend ist die tatsächliche Annahme der Provision als Gegenleistung für die von ihm erbrachte Leistung, mag diese selbst auch zunächst auf freundschaftlichen Erwägungen beruht haben.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG § 22 Nr. 3