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13.07.2015 · IWW-Abrufnummer 144893

Sozialgericht München: Urteil vom 25.02.2015 – S 31 R 210/14

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


SG München, 05.02.2015 - S 31 R 210/14
Tenor:

I.

Es wird unter Aufhebung der Bescheide vom 30.07.2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.01.2014 festgestellt, dass der Kläger zu 2) als Geschäftsführer der Klägerin zum 1) vom 31.03.2013 bis zum 09.04.2014 nicht im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV beschäftigt war und nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
II.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Status des Klägers zu 2) als Geschäftsführer der Klägerin zu 1) streitig.

Der Kläger zu 2) war von 2005 bis 2013 freiberuflicher Web-Entwickler. Er wurde zum 01.03.2013 Geschäftsführer der Klägerin zu 1), gemeinsam mit dem weiteren Geschäfts- führer D., dessen Status in einem Parallelverfahren vor dem Sozialgericht München (Az.: ) streitig ist. Der Kläger zu 2) war überdies vom 01.03.2013 bis zum 09.04.2014 Mitgesellschafter der Klägerin mit einem Kapitalanteil von 21%, neben weiteren vier Gesellschaftern, die ebenfalls jeweils 21% bzw. 16% Kapitalanteil hielten.

Seit 10.04.2014 ist der Kläger zu 2) nicht mehr Mitgesellschafter. Er ist seither unstreitig abhängig beschäftigt, Sozialversicherungsbeiträge werden entrichtet.

Der Kläger zu 2) erhielt im hier streitigen Zeitraum vom 01.03.2013 bis zum 09.04.2014 eine feste monatliche Vergütung von knapp 6.400,00 Euro brutto. Er hatte laut Geschäftsführervertrag vom 28.02.2013 keine festen Arbeitszeiten und war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Im Krankheitsfall hatte er laut Vertrag Anspruch auf sechswöchige Entgeltfortzahlung, bei Krankheit hatte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem dritten Tag vorzulegen. Der Geschäftsführervertrag enthielt auch eine sogenannte Schriftformklausel.

Die Beschlussfassung bei der Klägerin zu 1) erfolgte laut Satzung derart, dass in der Regel eine einfache Mehrheit der Stimmen reichte, außer in Fällen der Satzungsänderung oder der Änderung von Geschäftsführerverträgen, wofür jeweils eine Dreiviertelmehrheit erforderlich war.

Am 01.03.2013 schlossen der Kläger zu 2), sein Mitgeschäftsführer und Mitgesellschafter D. sowie die Gesellschafter E. und F., jeweils mit einem Kapitalanteil von 21 %, eine so- genannte Stimmbindungsvereinbarung. Sie verpflichteten sich hier einander, bei Beschlussfassung der Klägerin zu 1) immer einstimmig abzustimmen. Soweit eine Einigung nicht erzielt werden könnte, verpflichteten sie sich, mit "Nein" abzustimmen. Verletzungen dieser Vereinbarungen waren strafbewehrt (Vertragsstrafe: 15.000,00 Euro). Die Stimmbindungsvereinbarung war nur aus wichtigem Grunde kündbar.

Wie der Kläger zu 2) im Erörterungstermin am 15.01.2015 glaubwürdig versicherte, haben die an der Stimmbindungsvereinbarung beteiligten Gesellschafter immer einstimmig ab- gestimmt, Verletzungen der Stimmbindungsvereinbarung gab es nicht.

Am 29.04.2013 ging bei der Beklagten ein Statusfeststellungsantrag der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) vom 15.02.2013 ein, mit dem beide beantragten, festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliege.

Die Beklagte hörte die Kläger mit Schreiben vom 13.05.2013 zur beabsichtigten Feststellung einer abhängigen Beschäftigung und zum Vorliegen der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung und in der gesetzlichen Rentenversicherung an.

Der Kläger zu 2) wandte sich gegen die beabsichtigte Feststellung, vor allem unter Hinweis darauf, er sei nicht weisungsgebunden, sondern weisungsberechtigt. Ferner habe er eine freie Arbeitszeit und trage durch seinen Gesellschaftsanteil an der Klägerin zu 1) auch ein Unternehmerrisiko. Schließlich habe er durch die Stimmbindungsvereinbarung mit drei Mitgesellschaftern, die - einschließlich seiner eigenen Anteile - 84 % der Stimmrechte halten, unternehmerische Entscheidungsfreiheit.

Die Beklagte stellte gleichwohl mit den hier angefochtenen Bescheiden vom 30.07.2013 gegenüber den Klägern fest, dass der Kläger zu 2) seit 01.03.2013 bei der Klägerin zu 1) beschäftigt sei mit der Folge der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Nach Auffassung der Beklagten ist die Stimmbindungsvereinbarung nur schuldrechtlich zwischen den beteiligten Gesellschaftern bindend. Beschlüsse, die entgegen der Stimmbindungsvereinbarung getroffen würden, seien wirksam. Daher könne der Kläger zu 2) unliebsame Weisungen der GmbH gegen sich selbst nicht verhindern.

Sowohl die Klägerin zu 1), als auch der Kläger zu 2) legten gegen diese Bescheide Widerspruch ein, unter anderem unter Hinweis darauf, dass die Stimmbindungsvereinbarung vertragsstrafbewehrt sei und der Kläger zu 2) bei Verletzung der Stimmbindungsvereinbarung auch auf deren Erfüllung klagen, und ein entsprechendes Urteil auch vollstrecken könne.

Die Beklagte wies die Widersprüche der Kläger zu 1) und 2) mit Widerspruchsbescheiden vom 08.01.2014 zurück. Zur Begründung beruft sie sich unter anderem auf ein Urteil des BSG vom 18.12.2001 (B 12 KR 10/01 R), wonach ein Fremdgeschäftsführer abhängig sei, auch wenn er umfassende Vollmacht für die Stimmrechtsabgabe habe, wobei im entschiedenen Fall die Vollmacht jederzeit frei widerruflich war. Ferner weist die Beklagte daraufhin, dass der Kläger zu 2) als Geschäftsführer jederzeit abberufen werden könne, wenn er Weisungen der Klägerin zu 1) missachte.

Die Kläger erhoben gemeinsam Klage zum Sozialgericht München, eingegangen am 10.02.2014. Die Kläger halten das von der Beklagten zitierte Urteil des BSG nicht für maßgeblich, nachdem es sich dort um einen Fremdgeschäftsführer handelt. Ferner sind die Kläger der Auffassung, ein theoretisch denkbares, der Stimmbindungsvereinbarung widersprechendes Abstimmungsverhalten präge vorliegend nicht maßgeblich die Umstände der Tätigkeit des Klägers zu 2). Der Kläger zu 2) sei somit nicht abhängig beschäftigt.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Bescheide vom 30.07.2013 in der Gestalt der Widerspruchs- bescheide vom 08.01.2014 festzustellen, dass der Kläger zu 2) als Geschäftsführer der Klägerin zu 1) vom 01.03.2013 bis zum 09.04.2014 nicht im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV beschäftigt war.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben im Erörterungstermin einer Entscheidung des Rechtstreites im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 Abs. 2 SGG zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie auf den Inhalt der Sozial- gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet.

Die Bescheide vom 30.07.2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.01.2014 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Sie waren daher aufzuheben. Ferner war auf den klägerischen Antrag hin festzustellen, dass der Kläger zu 2) im streitigen Zeitraum nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als Geschäftsführer für die Klägerin zu 1) tätig war und deshalb keine Sozialversicherungspflicht bestand.

Gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies ist anzunehmen, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.

Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unterneh- merrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet ist.

Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Ausgangspunkt ist das Vertragsverhältnis, wie es sich aus den Vereinbarungen ergibt. Eine im Widerspruch zu den Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung geht einer formellen Vereinbarung vor, allerdings nur, soweit die Abbedingung rechtlich zulässig ist. Die bloße Nichtausübung eines Rechts ist unbeachtlich, solange es nicht wirksam abbedungen ist. Die tatsächlichen Verhältnisse geben den Ausschlag, allerdings nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen.

Auf dieser Grundlage ist auch zu beurteilen, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH in einem Beschäftigungsverhältnis zur GmbH steht oder nicht.

Hat der Geschäftsführer einen rechtlich maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH, so schließt dies ein Beschäftigungsverhältnis in der Regel aus, da der Gesell- schafter- Geschäftsführer damit Einzelanweisungen an sich selbst im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2006, B 12 KR 30/04). Eine solche Stellung liegt regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Kapitalanteil von mindestens 50 %, oder zumindest eine Sperrminorität innehat. Beides ist beim Kläger zu 2), der im streitigen Zeitraum 21 % Kapitalanteil hielt, nicht der Fall. Da Beschlüsse bei der Klägerin zu 1) in der Regel mit einfacher Mehrheit getroffen werden, hatte der Kläger zu 2) im streitigen Zeitraum auch keine Sperrminorität.

Gleichwohl war der Kläger zu 2) bis zum 09.04.2014 in der Lage, unliebsame Weisungen gegen sich selbst zu verhindern. Dies beruht auf der am 01.03.2013, also am Tag des Beginns der hier streitigen Tätigkeit, geschlossenen Stimmbindungsvereinbarung. In dieser Vereinbarung verpflichtete sich der Kläger zu 2) gemeinsam mit drei weiteren Gesellschaftern der Klägerin zu 1), die allesamt - wie der Kläger zu 2) - einen Kapitalanteil von jeweils 21 % hielten, bei Beschlussfassung immer einstimmig abzustimmen. Sofern eine Einigung hinsichtlich des Stimmverhaltens nicht erzielt werden könnte, war gemäß Ziffer 2.2 der Stimmbindungsvereinbarung die Verpflichtung vorgesehen, mit "Nein" zu stimmen. Die Stimmbindungsvereinbarung war außerdem strafbewehrt: Sofern ein Beteiligter entgegen der Vereinbarung abstimmte, sollte eine Vertragsstrafe von 15.000,00 Euro fällig werden. Die Stimmbindungsvereinbarung konnte von den Beteiligten nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.

Durch diese Vereinbarung hat der Kläger zu 2) die Rechtsmacht erhalten, unliebsame Weisungen gegen sich selbst zu verhindern.

Dies ist für Fälle einer unter allen GmbH-Gesellschaftern geschlossenen Stimmbindungsvereinbarung in der Rechtsprechung schon mehrfach so entschieden worden: Sowohl das LSG Rheinland- Pfalz (Urteil vom 12.11.2014, Az.: L 4 R 556/13), als auch das LSG Hes- sen (Urteil vom 15.05.2014, Az.: L 1 KR 235/13), das LSG Baden- Württemberg (Urteil vom 11.06.2014, Az.: L 5 KR 2911/13) und das LSG Sachsen (Urteil vom 04.03.2014, Az.: L 1 KR 9/11) haben entschieden, dass ein Geschäftsführer, der eine Stimmbindungsvereinbarung mit allen anderen Gesellschaftern geschlossen hat, weisungsunabhängig ist und somit als Selbstständiger tätig wird. Von den erkennenden Gerichten wird für diese Fallkonstellation (Stimmbindung aller Gesellschafter) angenommen, dass Beschlüsse, die entgegen der Stimmbindungsvereinbarung gefasst werden, zwar wirksam sind. Ein stimmbindungswidrig zustande gekommener Beschluss könne jedoch von jedem an der Stimmbindungsvereinbarung Beteiligten angefochten werden, und zwar - wenn tatsächlich alle Gesellschafter einer GmbH Partei der Stimmbindungsvereinbarung sind - im Wege einer Klage direkt gegen die Gesellschaft. Daher nehmen die genannten Landessozialgerichte an, dass jeder Geschäftsführer-Gesellschafter, der an einer solchen Stimmbindungsvereinbarung beteiligt ist, einen Beschluss, der eine unliebsame Weisungen gegen ihn selbst beinhaltet, im Klagewege aus der Welt schaffen kann. Die Anfechtbarkeit eines solchen Beschlusses direkt gegenüber der Gesellschaft wird dabei gesellschaftsrechtlich damit begründet, dass kein Grund bestehe, die vertragswidrig überstimmten Gesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen die Mitgesellschafter zu verweisen, um durch deren Verurteilung zu einer gegenteiligen Stimmabgabe den Beschluss aus der Welt zu schaffen (so die überwiegende Meinung, siehe Urteil des BGH vom 20.01.1983, Az.: II ZR 243/81; Schmidt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2014, § 47 Rn 53).

Im Unterschied zu den in den genannten Urteilen getroffenen Entscheidungen handelt es sich vorliegend jedoch nicht um eine Stimmbindungsvereinbarung aller beteiligten Gesell- schafter, sondern um eine Vereinbarung von vier Gesellschaftern, die insgesamt 84 % der Stimmrechte auf sich vereinen. Diese 84% in ihrer Verbundenheit halten die zur Beschlussfassung erforderliche Mehrheit der Stimmen, auch für solche Beschlüsse, die einer qualifizierten Mehrheit bedürfen.

Das bedeutet, dass der Kläger zu 2) nach herrschender Meinung zwar nicht die Möglich- keit gehabt hätte, einen stimmbindungswidrigen Gesellschafterbeschluss mit einer Anfechtungsklage direkt gegen die Klägerin zu 1) anzufechten. Jedoch könnte der Kläger zu 2) in einem solchen Falle diejenigen Gesellschafter, die entgegen der Vereinbarung ab- stimmen, aus dem Stimmbindungsvertrag auf stimmbindungskonforme Abstimmung ver- klagen und so einen unliebsamen Beschluss aus der Welt schaffen. Dieser Rechtsweg ist nach herrschender Meinung gegeben, auch wenn nicht alle Gesellschafter an der Stimmbindungsvereinbarung beteiligt sind. Ein Urteil, das gegen den stimmbindungswidrig ab- stimmenden Gesellschafter ergeht, wäre auch vollstreckbar (vgl. hierzu BGH, II ZR 105/66; Schmidt. a.a.O., § 47 Rn 55 ff).

Damit hat der Kläger zu 2) die Rechtsmacht, ihm nicht genehme Beschlüsse und Weisungen zu verhindern. Er kann das aus der Stimmbindungsvereinbarung geschuldete Abstimmungsverhalten erzwingen und auch ein abredewidriges Verhalten untersagen lassen. Er kann außerdem von den anderen Gesellschaftern als Naturalrestitution verlangen, dass diese an der Aufhebung eines abredewidrig gefassten Beschlusses mitwirken. Er kann sogar im Vorfeld im Wege einer einstweiligen Verfügung gegen drohende Verstöße gegen eine Stimmbindungsvereinbarung vorgehen (so die überwiegende Meinung, vgl. OLG Koblenz vom 27.02.1986, Az.: 6 U 261/86, NJW 1986, 1692). Dieser Weg mag zwar mühsamer sein, als eine Anfechtungsklage direkt gegen die GmbH, die gegeben wäre, wenn alle Gesellschafter im Stimmenpool wären. Er führt aber im Ernstfall auch zu einer vollstreckbaren Gerichtsentscheidung, mit der ein stimmbindungswidriger Gesellschafterbeschluss aus der Welt geschaffen und vereinbarungsgemäßes Abstimmungsverhalten erzwungen werden kann. Im Ergebnis ist die Situation bei einem Stimmenpool, der die erforderliche Mehrheit der Stimmrechte vereint, daher nicht anders, als bei einem Stimmenpool, der 100% der Gesellschafterstimmen vereint. Auch in letzterem Falle sind ja gefasste Beschlüsse zunächst wirksam und müssen vom betroffenen Gesellschafter unter Inanspruchnahme des Rechtsweges angefochten werden. Auch hier verlangt die Ausübung der Rechtsmacht, unliebsame Weisungen zu verhindern, erheblichen Aufwand. Dass der Aufwand im vorliegenden Falle (Stimmenpool der Mehrheit der Gesellschafter) höher ist, kann nicht dazu führen, dass der Kläger zu 2) als weisungsgebunden anzusehen wäre. Er ist, genauso wie ein Beteiligter eines 100% - Stimmenpools, auf "schönes Wetter", also auf einen Fortbestand der Übereinstimmung mit seinen Mitgesellschaftern, im Ernstfall nicht angewiesen.

Dieses Ergebnis wird von der bisherigen Rechtsprechung zu Stimmbindungsvereinbarungen auch nicht in Frage gestellt. Zwar wird in den oben zitierten Entscheidungen stets hervorgehoben, dass es sich um Vereinbarungen aller Gesellschafter handele und somit der Rechtsweg direkt gegen die Gesellschaft eröffnet sei, jedoch wird in keiner der Entscheidungen ausgeführt, dass die Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers, der lediglich an einem Mehrheitsstimmenpool beteiligt ist, als Beschäftigung zu qualifizieren sei (so auch von Medem, DStR 2014,2027).

Hinzu kommt vorliegend, dass die Stimmbindungsvereinbarung auch strafbewehrt ist, was dem Kläger zu 2) im Falle des Falles ein weiteres Druckmittel an die Hand gegeben hätte, um stimmbindungskonforme Abstimmungen zu erreichen.

Schließlich hat der Kläger zu 2) auch glaubwürdig ausgeführt, dass es zwischen den Beteiligten des Stimmenpools im streitigen Zeitraum in keinem Fall zur Uneinigkeit gekommen sei. Das bedeutet, dass die vertraglich vereinbarte Einstimmigkeit auch tatsächlich gelebt wurde, weshalb der Kläger zu 2) in keinem Falle Gefahr lief, einer Weisung gemäß handeln zu müssen, die seinem Willen nicht entsprach.

Auch die Tatsache, dass die Stimmbindungsvereinbarung ausschließlich außerordentlich kündbar war, spricht für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit (vgl. auch von Medem, a.a.O), denn keiner der Beteiligten hätte die Vereinbarung ohne wichtigen Grund kündigen können, nur um die Möglichkeit zu eröffnen, abweichend abzustimmen.

Demnach war der Kläger zu 2) gegenüber der Klägerin zu 1) in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer nicht weisungsgebunden. Bei Abwägung der Umstände der Tätigkeit kommt diesem Punkt die entscheidende Bedeutung zu.

Die Tatsache, dass durchaus auch Indizien vorliegen, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen (Festgehalt, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Verpflichtung zur Vorlage einer AU- Bescheinigung ab dem dritten Krankheitstag) führt nicht dazu, dass die Tätigkeit insgesamt als Beschäftigung zu qualifizieren ist. Dies entspricht der gängigen Rechtsprechung, die bei Geschäftsführer-Gesellschaftern, die entweder 50% der Stimmrechte halten oder mit einem Anteil von weniger als 50% eine Sperrminorität haben, durchwegs als selbstständig erachtet, auch wenn die sonstige vertragliche Gestaltung und die sich hieraus ergebenden tatsächlichen Verhältnisse Merkmale einer Beschäftigung aufweisen.

Nach allem war der Kläger zu 2) im streitigen Zeitraum nicht im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV beschäftigt und weder in der gesetzlichen Rentenversicherung, noch nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig.

Der angefochtene Bescheid war somit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, der vorliegend anzuwenden ist, da der Kläger zu 2) dem privilegierten Personenkreis des § 183 SGG angehört und das Verfahren deshalb insgesamt gerichtskostenfrei ist.

Das Gericht konnte im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten dem zugestimmt haben.

Vorschriften§ 7 Abs. 1 SGB IV