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17.07.2014 · IWW-Abrufnummer 142125

Amtsgericht Köln: Urteil vom 17.03.2014 – 142 C 118/13



"Rechtsschutzversicherung: Unzulässigkeit des Einwandes der Vorvertraglichkeit bei erstmaliger Geltendmachung im Rahmen der Deckungsschutzanfrage zur Durchführung eines Berufungsverfahrens, wenn der Versicherung die die Vorvertraglichkeit begründeten Umstände bereits bei Gewährung des Deckungsschutzes in der ersten Instanz bekannt waren.



Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Landgericht Regensburg - Az. 2 S 196/12 - in Höhe von 89,4 % freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Klägerin zu 1/10 und die Beklagte zu 9/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe geleistet hat.

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Tatbestand
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Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine Versicherungsgesellschaft, auf Deckungsschutz für ein Berufungsverfahren vor dem LG Regensburg in Anspruch.
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Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Privat und - Wohnungsrechtsschutzversicherung abgeschlossen. Versicherungsbeginn war der 01.07.2011. Dem Versicherungsvertrag lagen die ARB 2011 zugrunde. In § 4 Abs.1 Satz 2 ARB ist geregelt, dass u.a. für den Wohnungsrechtsschutz Versicherungsschutz erst nach Ablauf von drei Monaten nach Versicherungsbeginn (Wartezeit) besteht. Wegen der weiteren Einzelheiten der ARB wird auf Bl. 89 ff. d. A. Bezug genommen. Das Versicherungsverhältnis wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 14.02.2013 zum 30.06.2013 gekündigt.
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Der Mietvertrag der Klägerin wurde seitens ihrer Vermieter mit Schreiben vom 28.06.2011 wegen Eigenbedarf zum 30.09.2011 gekündigt. Bis zum 23.11.2011 räumte die Klägerin die Wohnung nicht, so dass die Prozessbevollmächtigten der Vermieter der Klägerin gegenüber unter dem 23.11.2011 erneut die Kündigung wegen Eigenbedarfs zum 29.02.2011 aussprachen. Mit bei dem AG Regensburg am 21.03.3012 eingegangener Klage vom 15.03.2012 wurde gegen die Klägerin Räumungsklage erhoben (AG Regensburg Az.: 8 C 839/12). Am 19.04.2012 übersandte die Rechtsschutzversicherung ein Schreiben, in welchem nach dem Rechtsgrund mit dem die Eigenbedarfskündigung abgewehrt werden sollte gefragt wurde und mitgeteilt wurde, dass die Klägerin Erfolgsaussichten als gering einstufte, statt an die damalige und jetzige Prozeßbevollmächtigte der Klägerin an die Bevollmächtigten der damaligen Vermieter. Mit Schreiben vom 15.05.2012 gewährte die Rechtschutzversicherung Kostenschutz für die Abwehr der von den Vermietern gegen die Klägerin erhobene Räumungsklage vor dem AG Regensburg. Die Klägerin erhob Widerklage mit dem Ziel die Vermieter zur Durchführung von Mängelbeseitigungsmassnahmen an Fenstern zu verpflichten. Kostendeckung für die Widerklage wurde durch die Beklagte mit Schreiben vom 13.07.2012 wegen Vorvertraglichkeit der Mängel zurückgewiesen (Bl. 81 d.A.). Am 01.08.2012 verurteilte das AG Regenburg die Klägerin unter dem Aktenzeichen 8 C 839/12 (Bl. 33 ff. d. A.) zur Räumung und Herausgabe an die Vermieter, wobei es sich auf die Kündigung vom 28.06.2011 stützte, welche als wirksam erachtet wurde . Die Widerklage wurde abgewiesen. Wegen der Einzelheiten des Urteiles wird auf Bl. 33 ff. d.A. Bezug genommen.
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Das Urteil wurde der jetzigen Prozeßbevollmächtigten am 06.08.2012 zugestellt. Am 07.08.2012 ersuchte die Klägerin die Beklagte um eine Deckungszusage zur Durchführung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des AG Regensburg. Mit Schreiben vom 22.08.2012 erkundigte die Beklagte sich schriftlich, wie die Berufung begründet werden sollte. Mit Schreiben vom 27.08.2012 übersandte die Klägerin der Beklagten die Berufungsbegründung, in welcher sie die wesentlichen Gesichtspunkte anführte, auf welche sie die Berufung stützen wollte. Bis zum Ablauf der Berufungsfrist am 06.09.2012 beschied die Beklagte die Deckungsanfrage der Klägerin nicht schriftlich. Am 06.09.2012 legt die Klägerin fristwahrend Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des AG Regensburg ein. Einen am 08.10.2012 gestellten Räumungsfristantrag der Klägerin wurde stattgegeben. Am 12.09.2012 lehnte die Beklagte den Deckungsschutz für die Durchführung des Berufungsverfahrens schriftlich ab. Mit Schriftsatz vom 04.03.2013 nahm die Klägerin die Berufung zurück. Mit Beschluss vom 05.03.2013 setzte das Landgericht Regensburg (Az.: 2 S 196/12) den Streitwert für das berufungsverfahren auf 4.700,00 Euro (4.200,00 Euro für die Klage und 500,00 Euro für die Widerklage) fest.
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Mit Rechnung vom 05.03.2013 stellte die Rechtsanwältin der Klägerin die für die Durchführung des Berufungsverfahrens angefallenen Rechtsanwaltskosten mit 596,90 Euro in Rechnung. Hinsichtlich der Einzelheiten der Rechnungslegung wird auf die Rechnung Bl. 74 d. A. Bezug genommen. Unter dem 05.06.2013 stellte das LG Regensburg der Klägerin die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren in Höhe von 242,00 Euro in Rechnung. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Regensburg vom 26.07.2013 wurden gegen die Klägerin Kosten für das Berufungsverfahren in Höhe von 704,36 Euro festgesetzt.
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Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte zur Übernahme des Deckungsschutz verpflichtet sei, da die erste Eigenbedarfskündigung vom 28.06.2011 unwirksam gewesen sei, da diese nur von einem der Vermieter unterzeichnet worden sei und auch ein berechtigtes Eigenbedarfsinteresse nicht ausreichend dargelegt worden sei. Aus diesem Grunde sei für die Frage nach der Gewährung des Versicherungsschutzes auf die zweite Kündigung vom 23.11.2011 abzustellen. Zumindest sei die Beklagte zur Übernahme der Verfahrensgebühr verpflichtet, da sie nicht rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsfrist über die Gewährung oder Ablehnung der Deckungszusage entschieden habe.
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Nachdem die Klägerin zunächst beantragt hat, festzustellen, dass die Beklagte bedingungsgemäss Versicherungsschutz für das Berufungsverfahren zu übernehmen hat, beantragt sie nach Beendigung des Berufungsverfahrens nunmehr,
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die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten des Berufungsverfahrens in dem Verfahren C gegen E vor dem Landgericht Regensburg Aktenzeichen 2 S 196/12 freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, der Klägerin am 05.09.2012 telefonisch mitgeteilt zu haben, dass die Deckungszusage für das Berufungsverfahren nicht erteilt werde. Im Übrigen beruft sie sich auf Vorvertraglichkeit nach § 4 Abs.1 Satz 2 ARB, da auf die Kündigung vom 28.06.2011 abzustellen sei.
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Weiter wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf anteilige Freistellung von den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem LG Regensburg aus ihrem Rechtsschutzversicherungsvertrag in Höhe von 89,4 % zu.
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I.
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Zunächst ist festzustellen, dass keine Zulässigkeitsbedenken bestehen, soweit die Klägerin vorliegend nach Beendigung des Berufungsverfahrens vor dem LG Regensburg nunmehr einen Freistellungsanspruch gegen die Beklagte von den Kosten des Berufungsverfahrens selbst für den Fall eines bereits erfolgten Kostenausgleiches verfolgt.
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Mit Schriftsatz vom 18.11.2013 hat die Klägerin den Klageantrag von Feststellung auf Befreiung geändert. Hierbei handelt es sich um keine Klageänderung sondern um eine qualitative Änderung des Antrages bei gleich bleibendem Klagegrund gemäss § 264 Nr. 2 ZPO. Dieser Antrag ist zulässig. Nach dem das Berufungsverfahren beendet worden ist und die Gerichts- und Anwaltskosten feststehen ist der Versicherungsnehmer berechtigt, von der Rechtsschutzversicherung Befreiung von den bedingungsgemäss von der Versicherung zu tragenden Kosten zu verlangen. Dem steht der Vortrag der Klägerin in dem Schriftsatz vom 18.11.2013, die Kosten seien beglichen, nicht entgegen. Eine Umwandlung des Freistellungsanspruches in einen Zahlungsanspruch kommt nur in Betracht, wenn der Befreiungsgläubiger selbst die Verbindlichkeit ausgeglichen hat. Dass die Klägerin aber die aus den Kosten ihrer Anwältin, den Gerichtskosten und den Kosten der Gegenseite nebst Zinsen bestehenden Kosten des Berufungsverfahrens aus eigenen Mitteln bereits bezahlt hat, ist dem Vortrag „die Kosten seien beglichen“ nicht zu entnehmen. Bedenken gegen die Zulässigkeit des Befreiungsantrages bestehen aber selbst dann nicht, wenn die Klägerin die Kosten tatsächlich ausgeglichen haben sollte. Denn zwischen dem Freistellungsanspruch und dem Zahlungsanspruch besteht kein Unterschied in der Vollstreckungsfähigkeit wie im Verhältnis Feststellungsklage und Leistungsklage. In Fall der Verurteilung zur Freistellung beschränkt sich die Vollstreckung des auf Befreiung von einer Verbindlichkeit gerichteten Urteil wie beim Urteil auf Leistung einer Geldsumme auf Zahlung; denn im Rahmen der bei einem auf Befreiungsurteil nach § 887 ZPO vorzunehmenden Vollstreckung wird der Schuldner zur Zahlung eines Vorschusses verpflichtet, mit dem der Gläubiger die Verbindlichkeit befriedigen kann; Hat der Gläubiger selbst schon gezahlt, werden durch die Zahlung seine Aufwendungen gedeckt.
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II.
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Die Klägerin steht gegen die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag iVm § 5 ARB ein Anspruch auf Befreiung von den im Berufungsverfahren entstandenen Kosten in Höhe von 89,4 % zu.
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Zwar besteht eine Vorvertraglichkeit gemäss § 4 Abs. 1 lit. c ARB in Hinblick auf den Eintritt des Rechtschutzfalles, gleichwohl ist die Beklagte aus dem Gesichtspunkt des mit der Deckungszusage vom 15.05.2012 geschaffenen Vertrauenstatbestandes daran gehindert, sich auf die Vorvertraglichkeit zu berufen, da sie sich trotz Kenntnis aller Umstände nicht schon bei Erteilung der Kostendeckungszusage für die erste Instanz hierauf berufen hat.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin und insoweit auch in Abkehr von der seitens des Gerichtes im Termin vom 28.10.2013 geäusserten Rechtsansicht liegt Vorvertraglichkeit vor, da der Rechtsschutzfall während der dreimonatigen Wartezeit eintrat. Es ist zur Bestimmung des Zeitpunktes entgegen der Ansicht der Klägerin nicht auf die Kündigung vom 23.11.2011 sondern bereits auf die vom 28.06.2011 abzustellen.
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Nach § 4 Abs. 1 lit. c ARB besteht ein Anspruch auf Rechtsschutz in der Wohnungs- und Grundstücksrechtsschutzversicherung nach dem Eintritt des Rechtsschutzfalles, d.h. von dem Zeitpunkt an, in welchem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. Ausweislich § 4 Abs. 1 Satz 2 ARB müssen die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 lit. c ARB nach Beginn des Versicherungsschutzes gemäß § 7 ARB und vor dessen Beendigung eingetreten sein. Gemäß § 7 ARB beginnt der Versicherungsschutz grundsätzlich zu dem im Versicherungsschein angegebenen Zeitpunkt. Dabei bleibt eine vereinbarte Wartezeit gemäß § 7 Satz 2 ARB unberührt. Für die Wohnungs- und Grundstücksrechtsschutzversicherung ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 3 ARB eine dreimonatige Wartezeit. Die Wartezeit beginnt mit dem vereinbarten Versicherungsbeginn und endet drei Monate nach diesem Zeitpunkt. Tritt in dieser Zeit ein Rechtsschutzfall ein, wird dieser so behandelt, als wäre er im vorvertraglichen Zeitraum eingetreten.
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Begehrt der Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung Deckungsschutz für die Verfolgung eigener Ansprüche („Aktivprozess“), richtet sich die Festlegung des verstoßabhängigen Rechtsschutzfalles im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c ARB nach Ansicht des BGH allein nach der vom Versicherungsnehmer behaupteten Pflichtverletzung seines Anspruchsgegners, auf die er seinen Anspruch stützt (BGH NJW 2013, 2285) . Wie der BGH (BGH NJW-RR 2006, 37; BGH, NJW-RR 2008, 271) weiter dargelegt hat, ist für die Festlegung der dem Vertragspartner des Versicherungsnehmers vorgeworfenen Pflichtverletzung der Tatsachenvortrag entscheidend, mit dem der Versicherungsnehmer den Verstoß begründet. Als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt dabei das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer seinen Anspruch herleitet (vgl. BGH NJW 2003, 1936; NJW-RR 2008, 271). Der behauptete Verstoß gegen Rechtspflichten und Rechtsvorschriften ist dabei objektiv zu verstehen, subjektive Elemente spielen keine entscheidende Rolle. Damit reicht jeder tatsächliche, objektiv feststellbare Vorgang, der den Keim eines solchen Rechtskonflikts in sich trägt, für die Annahme eines Rechtsschutzfalles aus; denn der Rechtsstreit ist dann bereits latent vorhanden und gewissermaßen bereits „vorprogrammiert”. Ist bei einem Räumungsprozess die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs der Anlass für eine rechtliche Auseinandersetzung, stellt diese den Rechtsschutzfall dar (LG München I, r+s 1983, 160; AG Köln, r+s 1995, 226; van Bühren/Plote/Plote, ARB Rechtsschutzversicherung, 3. Aufl. 2013, § 4 ARB, Rn. 37; Prölss/Martin/Armbrüster, Versicherungsvertragsgesetz, § 4 ARB, Rn. 103). Auf die Wirksamkeit der Kündigung kommt es dabei nicht an. Denn auch bei Unwirksamkeit der ersten Kündigung, die später gestützt auf denselben Sachverhalt wirksam wiederholt wird, leitete bereits die erste Kündigung den Rechtsstreit ein und bestimmt sie damit den Zeitpunkt des Eintrittes des Rechtschutzfalles. Dies findet seine Rechtfertigung auch darin, dass die Bestimmung des Zeitpunktes des Rechtschutzfalles nicht von umfangreichen, streitigen und oftmals erst viel später abschliessend geklärten rechtlichen Würdigungen abhängen soll, sondern anhand einfacher objektiver Kriterien für Versicherungsnehmer und Versicherung zeitnah bestimmbar bleiben soll (AG Köln, r+s 1995, 226; Cornelius-Winkler, NZM 2012, 817, Fn. 85; Harbauer/Maier, Rechtsschutzversicherung, § 4 ARB, Rn. 125; Prölss/Martin/Armbrüster, Versicherungsvertragsgesetz, § 4 ARB, Rn. 130; Veith/Gräfe/Cornelius-Winkler, Versicherungsprozess, § 20, Rn. 95).
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Danach lag im vorliegenden Fall Vorvertraglichkeit vor. Versicherungsbeginn des zwischen der Klägerin und der Beklagten abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages war der 01.07.2011, wobei für wohnungsrechtliche Streitigkeiten eine dreimonatige Wartezeit vereinbart wurde, so dass Streitigkeiten, welche erstmalig nach dem 01.10.2011 entstanden sind, dem Versicherungsschutz unterfallen. Am 28.06.2011 erklärten die Eigentümer der Wohnung erstmals die Kündigung wegen Eigenbedarfs. Da die Kündigung in der Folge Anlass für die rechtliche Auseinandersetzung vor dem AG Regensburg war, stellt sie den Rechtsschutzfall dar. Diese Kündigung fiel in die Wartezeit und wurde vom Amtsgericht Regensburg in seinem Urteil vom 01.08.2012 – 8 C 839/12 als wirksam erachtet, so dass ein Deckungsschutz in der Rechtsschutzversicherung wegen Vorvertraglichkeit ausscheidet. Etwas anderes gilt nach dem oben Gesagten auch dann nicht, wenn die Kündigung vom 28.06.2011 unwirksam gewesen wäre und erst die Kündigung der Vermieter vom 23.11.2011 wirksam erklärt wurde. Der Streit über das Vorliegen von Eigenbedarf hat sich bereits mit der ersten Kündigung manifestiert, der Sachverhalt war bei der ersten Kündigung der gleiche wie bei der zweiten, so dass der nachfolgende Rechtsstreit bereits in der ersten Kündigung angelegt war. Ob die Klägerin die erste Kündigung wegen Formunwirksamkeit für unbeachtlich hielt spielt dabei genauswenig eine Rolle wie die Frage, ob das AG Regensburg die erste Kündigung ggfs. fehlerhaft für wirksam erachtete. Die dargestellte Ansicht des BGH, wonach sich die Festlegung des verstoßabhängigen Rechtsschutzfalles im Sinne von § 4 Abs. 1 lit. c ARB allein nach der vom Versicherungsnehmer behaupteten Pflichtverletzung seines Anspruchsgegners richtet, bedeutet nicht, dass es alleine darauf ankommt, worin der Versicherungsnehmer nach seiner Würdigung die Pflichtverletzung des Gegners sieht, sondern worin diese sich objektiv erstmals zeigt. Wollte man alleine auf die Ansicht des Versicherungsnehmers abstellen hätte das zur Folge, dass der Versicherungsnehmer nachdem eine mit rechtlichen Zweifeln behaftete Kündigung erklärt wurde, einen Versicherungsvertrag abschließen könnte und seinen Deckungsanspruch sodann nach der Anmeldung von Zweifeln hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung stets auf eine nachträglich hilfsweise erklärte erneute Kündigung stützen könnte. Eine solche Beliebigkeit soll gerade durch § 4 Abs. 1 lit c ARB verhindert werden. Es ist daher hier darauf abzustellen, wann sich objektiv erstmals die rechtsverweigernde Haltung des Vermieters zeigte. Dies war die erste Kündigung des Mietverhältnisses am 28.06.2011.
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Gleichwohl ist es dem Beklagten verwehrt sich in Hinblick auf die Kosten des Berufungsverfahrens auf die Vorvertraglichkeit zu berufen, da sie zuvor der Klägerin für die erste Instanz eine Deckungszusage erteilt hatte ohne sich auf die Vorvertraglichkeit zu berufen und damit einen Vertrauenstatbestand (§ 242 BGB) geschaffen hat.
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Die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung ist ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, durch welche ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird. Durch sie werden Einwendungen und Einreden ausgeschlossen, die Rechtsschutzversicherer bei Abgabe der Zusage bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnen musste. Ausweislich des § 17 Abs. 2 Satz 1 ARB ist der Versicherer verpflichtet den Umfang des bestehenden Versicherungsschutzes zu bestätigen (van Bühren/Plote/Hillmer-Möbius, ARB Rechtsschutzversicherung, 3. Aufl. 2013, § 17 ARB, Rn. 30). Über den Wortlaut von § 17 Abs. 2 Satz 1 ARB hinaus muss die Ablehnung schriftlich erfolgen (BGH r+s 2003, 363; OLG Frankfurt a. M., r+s 1997, 420; OLG Düsseldorf, r+s 2001, 198 (199); OLG Karlsruhe, r+s 2004, 107). Die Ablehnung der Deckungszusage muss unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern erfolgen, vgl. § 121 I 1 BGB. Teilt der Rechtsschutzversicherer seinen Willen zur Ablehnung der Deckungszusage nicht unverzüglich mit, verliert er das Recht, sich auf fehlende hinreichende Erfolgsaussicht, Mutwilligkeit oder andere Ablehnungsgründe zu berufen (BGH r+s 2003, 363 (365); OLG Karlsruhe, r+s 2004, 107). Der Rechtschutzversicherer legt sich somit bei Erteilung der Deckungszusage in der Bewertung der ihm bei Prüfung bekannten Umstände in dem Umfang fest wie er dies schriftlich niederlegt. Verbleiben ihm Zweifel hat er dies durch Vorbehalte zum Ausdruck zu bringen.
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Auf dieser Grundlage ist die Beklagte mit der Einwendung, dass der Rechtschutzfall vorvertraglich ist, vorliegend ausgeschlossen. Der Beklagten waren bei Erteilung der Deckungszusage für die erste Instanz alle Umstände bekannt, die für sie die Schlussfolgerung zuliessen, dass eine Vorvertraglichkeit vorlag. Insbesondere war ihr die Kündigung vom 28.06.2011 bekannt. Die Beklagte räumt auch selbst ausweislich des Schreibens vom 12.09.2012 (Bl. 15 d.A.) ein, dass sie den Rechtsfall bereits von Anfang an hätte wegen Vorvertraglichkeit ablehnen können, an ihre Zusage aber gebunden sei, da sie diese nicht widerrufen könne. Dass die schriftliche Deckungszusage für die erste Instanz vom 15.05.2012 aber ein Vorbehalt hinsichtlich einer Vorvertraglichkeit enthielt, ist nicht erkennbar und wird von der Beklagten auch nicht behauptet.
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An dieser Bewertung ändert sich auch nichts dadurch, dass dem Rechtschutzversicherer bei einem durch mehrere Instanzen gehenden Rechtschutzfall für jede Instanz ein Prüfungsrecht zusteht (van Bühren/Plote/Hillmer-Möbius, § 17 ARB, Rn. 30). Dieses Prüfungsrecht gewährt dem Rechtschutzversicherer nach Auffassung der erkennenden Abteilung nicht die Möglichkeit, in jeder Instanz alle bereits bekannten aber bislang nicht erhobenen oder vorbehaltenen Einwendungen und Einreden neu zu erheben, vielmehr beschränkt sich dieses Prüfungsrecht auf die Bewertung der nunmehr eingetretene neue prozessuale Situation sowie zwischenzeitlich bekannt gewordener neuer Umstände und gewährt damit nur die Erhebung der sich hieraus ergebenden Einwendungen und Einreden. Dies betrifft insbesondere die Prüfung der Erfolgsaussicht einer Berufung in Hinblick auf die nunmehr bekannte Entscheidung der ersten Instanz. Aus § 17 ARB ergibt sich nicht, dass das Prüfungsrecht im Instanzenzug alle bereits bekannten aber nicht erhobenen Einreden und Einwendungen zulässt. Mit der dem Versicherungsnehmer in § 17 Abs. 1 lit c) aa) ARB auferlegten Verpflichtung vor der Einlegung von Rechtsmitteln die Zustimmung des Versicherers einzulegen, soll nicht die bereits zuvor nach § 17 Abs. 2 ARB erteilte Deckungszusage in Frage gestellt werden, sondern nur der Versicherer vor weiteren kostenauslösenden Massnahmen in Bezug auf denselben Rechtsschutzfall geschützt werden, die gerade durch die neue Situation des für den Versicherungsnehmers negativen Ausgang des bisherigen Verfahrens entstehen können. Dass der Versicherer diese Prüfung nicht zum Anlass nehmen kann, vorher übersehene Einwendungen nunmehr zu erheben gebietet dabei der Vertrauensschutz, insbesondere der Grundsatz des Verbotes des widersprüchliche Verhaltens. Der Versicherungsnehmer muss sich bei einem Rechtschutzfall Gewissheit verschaffen könne, in welchem Umfang seine Versicherung ihm bei der Führung des Verfahrens Deckungsschutz gewährt. Er kann erwarten, dass ihm alle vor Beginn einer Rechtsstreitigkeit der Versicherung bekannten Einwendungen und Einreden mitgeteilt werden, damit er sein Verhalten hierauf einstellen und die bei ihm verbleibenden (Kosten-) Risiken abschätzen kann. Wird ihm vorbehaltlos Deckungsschutz gewährt muss er davor geschützt werden, dass ihm eine Fortsetzung des Verfahrens nach für ihn negativen Abschluss der Instanz etwa aufgrund eines fehlerhaften Urteiles deswegen verwehrt wird, weil es bereits zuvor an den Voraussetzungen des Deckungsschutzes fehlte und er nunmehr auf eigene Kosten das fehlerhafte Urteil anfechten muss oder, weil er die Kosten nicht tragen kann, aufgeben muss. Würde man dem Versicherer also gestatten, die Fortführung des Rechtsstreites zum Anlass zu nehmen, den Deckungsschutz einer neuen umfassenden Prüfung zu unterziehen und die Prüfung nicht nur auf neue Umstände insbesondere die Erfolgsaussichten des konkreten Rechtsmittels zu beschränken, würde die einmal vorbehaltlos erteilte Deckungszusage in ihrem vertrauensstiftenden Wert für den Versicherungsnehmer ausgehölt; denn solange der Versicherungsnehmer befürchten muss, dass die Versicherung ihm trotz bestehender Erfolgsaussicht die Kostendeckung für ein Rechtsmittel gegen eine fehlerhafte Entscheidung versagt, wird er unter Umständen von vornherein auf die Wahrung seiner Rechte verzichten.
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So liegt der Fall hier. Da der Beklagten bereits bei Erteilung der Deckungszusage erster Instanz alle die Vorvertraglichkeit begründenden Umstände bekannt waren, hätte sie diese Einwendung zu diesem Zeitpunkt erheben müssen. Bei der Prüfung des Deckungsschutzes für die zweite Instanz war sie gehindert, sich hierauf zu berufen; vielmehr hätte sie die Ablehnung nur auf die prozessuale Situation neu entstandenen Umstände und deren Prüfung stützen könne, insbesondere die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels in Hinblick auf den Inhalt der konkret anzufechtenden Entscheidung. Hierauf hat sie ihre Ablehnung vom 12.09.2012 aber gerade nicht gestützt.
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Steht aber fest, dass die Beklagte sich bezogen auf die Deckungszusage für das Berufungsverfahren nicht auf die Vorvertraglichkeit berufen konnte, kann dahinstehen, ob die Versagung der Deckungszusage nicht auch deswegen treuwidrig war, weil sie die Ablehnung für die zweite Instanz erst am 12.09.2012, also nach der Berufungseinlegung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil des AG Regensburg am 06.09.2012, schriftlich erklärte.
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Der Höhe nach ist die von der Beklagten danach geschuldete Freistellung aber auf 89,4 % der Kosten des Berufungsverfahrens beschränkt.
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Die seitens der Klägerin mit der Berufung ebenfalls angegriffene Abweisung der Widerklage betreffend der Durchführung von Mängelbeseitigungsmassnahmen an Fenstern der Wohnung unterfällt nicht dem Deckungsschutz. Es ist unstreitig und ergibt sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 13.07.2012 (Bl. 81 d.A.), dass die Beklagte der Klägerin bereits für die erste Instanz keine Kostendeckung für die Widerklage wegen Vorvertraglichkeit der Mängel gewährte. Dies ist von der Klägerin auch nicht angegriffen worden. Dementsprechend sind die auf die Widerklage entfallenden Kosten aus den von der Beklagten zu übernehmenden Kosten herauszurechnen. Das Gericht folgt dabei der Quotenmethode. Danach ist der vom Streitwert abhängige Anteil der Widerklage ins Verhältnis zur Klage zu setzen. Nach dem Streitwertbeschluss des LG Regensburg vom 05.03.2013 wurde der Streitwert für das Berufungsverfahren auf 4.200,00 Euro für die Klage und 500,00 Euro für die Widerklage festgesetzt. Das Verhältnis beläuft sich damit auf 89,4 % zu 10,6 %, so dass die Beklagte die Klägerin von den Kosten des Berufungsverfahrens, die sich mit Rücksicht auf die Verzinslichkeit des Kostenfestsetzungsbeschlusses des AG Regensburg vom 26.07.2013 nicht abschliessend beziffern lassen, in Höhe von 89,4 % freizustellen hat.
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III.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr.11, 711 ZPO.
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Streitwert: 1.543,26 Euro
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(Kosten des Berufungsverfahrens: Anwaltskosten Klägerin 596,90 Euro, Gerichtskosten 242,00 Euro und Anwaltskosten Gegenseite 704,36 Euro jeweils ohne Zinsen)